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Günther, der Cabinetsrath und Geheim-Secretair des Kaisers, war allein in seinem Gemach. Seit einer Stunde war er heimgekehrt aus der Burg. Die Geschäfte des Tages waren beendet, er konnte jetzt wieder für einige Stunden wenigstens sich selber angehören, konnte träumen von ihr, die er grenzenlos liebte, die er jetzt schon seit Wochen nicht gesehen, von der keine Kunde zu ihm gekommen war, und an deren Liebe und Treue er doch nicht einen Moment gezweifelt hatte.
Ihr Vater wird sie bewachen, sagte Günther zu sich selber, wie er jetzt auf dem Divan ausgestreckt, das Haupt in die Kissen zurückgelehnt, seinen Träumen und Gedanken sich überließ, die ihn wie immer zu ihr hinführten. Der stolze Herr Baron wird sie umgeben mit Spähern, die ihm Alles, was sie thut, verrathen, und ihm die Briefe auffangen, die sie mir schreibt. Oh, Rahel, Rahel, wann wird diese Qual enden, diese Qual, welche doch mein einziges Glück ist? Denn Du bist der Engel meines Lebens, und ich liebe Dich grenzenlos! Wann wirst Du mein werden? Wann wirst Du endlich Deinen Stolz überwinden und Deine keusche Schüchternheit? Wann wirst Du mein werden?
Er schwieg und versank tiefer in sich selbst. Zuweilen flog ein Schatten über seine edlen, männlichen Züge hin, zuweilen hellten sie sich auf zu einem seligen Lächeln des Glückes.
Er träumte und phantasirte, und war glücklich oder unglücklich, je nachdem die Träume seiner Liebe ihm das Glück oder das Entbehren malten.
Draußen an der äußern Thür schlug eben die Klingel heftig an. Günther achtete nicht darauf. Was kümmerte es ihn, wer da zu so später Abendstunde noch kommen mochte? Sein Diener war ja da, um ihn abzuweisen, um seinen Herrn zu verleugnen.
Günther träumte ruhig weiter, träumte mit offenen Augen, mit wachen Sinnen.
Hinter ihm öffnete sich die Thür und schloß sich leise wieder. Günther achtete nicht darauf, er träumte weiter mit offenen Augen.
Er sah sie vor sich in ihrer Schönheit und Lieblichkeit, sah sie mit ihren bleichen, durchsichtigen Wangen, ihren großen, brennenden Augen, ihren schwarzen Locken.
Wie? War das noch immer ein Traum? Stand sie nicht da drüben an der Thür, bleich und zitternd, die großen Augen mit einem unaussprechlichen Ausdruck auf ihn gerichtet, schwebte sie nicht jetzt zu ihm heran mit leisem, unhörbarem Schritt?
Günther sprang empor und flüsterte leise: Rahel, bist Du's? Träume ich nicht? Bist Du's wirklich, meine Rahel?
Ich bin es, sagte sie. Ich komme zu Dir, mein Günther! Aber höre erst, was ich Dir zu sagen habe. Ich bin entflohen aus dem Hause meines Vaters, der mich verhandeln und verkaufen wollte an einen Menschen, den ich hasse und verabscheue. Ich bin entflohen, weil ich morgen dieses Mannes Weib sein sollte, und weil ich Dir geschworen habe, keinem Manne anzugehören, außer Dir. Ich bringe Dir keine Millionen, keine Schätze, ich komme zu Dir als eine Bettlerin, eine Bettlerin, deren einziges Erbtheil der Fluch ihres Vaters sein wird, ich bringe Dir nichts, als meine Liebe, meine Treue, nichts als ein Herz, welches Dich unaussprechlich liebt. Günther, willst Du mich annehmen? Willst Du, daß ich Dein sei für alle Ewigkeit? Willst Du mich haben und halten an Deinem Herzen?
Günther schaute ihr mit einem festen langen Blick in die großen, forschenden Augen, und was sie in diesen Augen und auf diesem edlen männlichen Antlitz gelesen, mußte trostreich und glückverheißend sein, denn ein sanftes Lächeln glitt über ihre Züge hin.
Ich will Dich halten an meinem Herzen, als mein schönstes und heiligstes Kleinod, sagte er nach einer langen Pause mit ernster feierlicher Stimme. Ich will versuchen, mich würdig zu zeigen des edlen und schönen Glückes, das meine Rahel mir heute darbietet, und das ich so lange schon vom Himmel erflehe als den schönsten und heiligsten Segen meines Lebens. Komm, meine Rahel, komm und überzeuge Dich, daß es so ist.
Er legte sanft seinen Arm um ihre Gestalt und zog sie vorwärts durch das Zimmer, und öffnete die Thür da drüben.
Komm, Deine Wohnung ist bereit, meine Rahel, sagte er lächelnd, sie durch die Thür geleitend.
Sie traten jetzt in einen Salon, der mit äußerster Eleganz und Zierlichkeit, aber fern von allem Glanz und allem Prunk eingerichtet war. Ein einfacher Kronleuchter erleuchtete den Raum und ließ sein mattes Licht auf die Divans und Sessel fallen, die da um den runden Marmortisch standen und ihre Gäste zu erwarten schienen.
Das ist Dein Salon, sagte Günther, komm nun auch in Dein Wohnzimmer.
Sie traten ein in das nächste Gemach; auch hier brannte, wie in dem Salon, ein einfacher Kronleuchter, und beleuchtete die geschmackvolle Einrichtung dieses mit Comfort und sinniger Eleganz ausgestatteten Gemachs.
Dort, sagte Günther, auf die entgegengesetzte Thür deutend, dort ist Dein Toilettenzimmer, und dahinter Dein Schlafgemach, meine Rahel. Seit einem halben Jahre erwartete diese Wohnung Tag und Nacht ihre Herrin, und damit sie zu jeder Zeit Alles bereit finde, brannten allnächtlich diese Lichter. Rahel, ich erwartete Dich schon so lange, und mein Herz ermattete fast in hoffnungsloser Pein. Jetzt bist Du da, endlich da! Jetzt bist Du heimgekommen aus der Fremde zu Deinem Angehörigen, jetzt bist Du in Deiner Heimath, und mögest Du darin bleiben und glücklich sein, und diese Stunde nie bereuen, diese Stunde, welche ich preise als den Grundstein meines Glückes! Und nun, Rahel, frage ich Dich, wann wird unsere Hochzeit sein? Wann wird meine Rahel die Taufe der Liebe empfangen, damit der Segen unseres Glückes über uns ausgesprochen werde? Rahel, wann wird unsere Hochzeit sein?
Niemals! sagte Rahel feierlich.
Günther schaute sie mit staunenden Blicken an. Niemals? Du willst also nicht meine Gemahlin werden?
Ich kann es und darf es nicht, Günther. Ich habe mit einem heiligen und feierlichen Eide geschworen, niemals eine Christin zu werden, ich habe es geschworen bei dem Grabe meiner Mutter. Ich kann nicht meineidig werden, ich muß meinen Schwur halten. Aber ich bin Dein und bleibe Dein, ich gehöre nur Dir an, für Dich nehme ich die Schande auf mich und den Hohn der Welt! Gott sieht in unsere Herzen, und Gott wird Verzeihung haben für eine Liebe, welche auf Erden vergeblich den Segen sucht, und ihn nur im Himmel und bei Gott finden kann! Günther, wirst Du mich verstoßen, weil ich eine Jüdin bin, eine Jüdin bleiben muß?
Sie schaute ihn an mit einem Blick voll unendlicher Liebe und reichte ihm ihre beiden Hände dar. Er neigte sich auf dieselben nieder, und indem er sie küßte, sank er auf seine Kniee.
Rahel, sagte er laut und feierlich, auf meinen Knieen schwöre ich Dir, ich will Dich ewig lieben, und der Inhalt meines ganzen Lebens soll das Bestreben sein, Dich glücklich zu machen. Rahel, auf meinen Knieen schwöre ich zu dem allmächtigen Gott, Dich zu achten und hochzuhalten als mein edles, keusches Weib, und nimmer von Dir zu lassen und nimmer Dir die Treue zu brechen!
Rahel war leise neben ihm niedergesunken, und ihre Rechte in die seinige legend, die Augen fromm gen Himmel gewandt, sagte sie mit begeisterter Stimme: auf meinen Knieen schwöre ich Dir, ich will Dich ewig lieben, und der Inhalt meines ganzen Lebens soll das Bestreben sein, Dich glücklich zu machen. Auf meinen Knieen schwöre ich zu dem allmächtigen Gott, Dich zu ehren und hochzuhalten als meinen Gatten und meinen Herrn, Dir ein gehorsames Weib zu sein und nimmer Dir die Treue zu brechen!
Nun neigten sie sich zu einander und küßten sich, und umschlangen sich einander fest und innig, und ruhten aneinander in stummer, seliger Umarmung. Dann zog Günther die Geliebte sanft von ihren Knieen empor. Das war die heilige Trauung unserer Herzen! sagte er. Die Liebe war unser Priester, und Gott war unser Zeuge, und hat unsere Schwüre vernommen. Jetzt, Rahel, bist Du mein Weib, und Gott und die Liebe segnen Deinen Einzug in mein Haus!