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VI.
Der doppelte Schwur

Du willst mich schon wieder verlassen, mein Geliebter? Oh, bedenke, daß es drei lange, lange Wochen her ist, seit ich Dich zuletzt gesehen! Bleibe, mein Günther, bleibe! Sieh, es ist noch so früh, Niemand wird mich im Hause vermissen, und mein Vater verläßt sein Comtoir nicht vor neun Uhr! Oh, mir scheint, wir haben uns noch so Vieles zu sagen, so Vieles mit einander zu verabreden. Bleibe, denn eine tödtliche Angst befällt mich jetzt, da Du gehen willst! Wer weiß, Günther, wann wir uns wiedersehen!

Morgen, alle Tage, wann Du willst, meine Rahel! Jeden Morgen werde ich, wie heute, in der frühen Morgenstunde hinter der Mauer an der Pforte Eures Gartens stehen und warten, ob meine Rahel kommt, mir die Pforten des Paradieses zu öffnen und mich einzulassen in den Himmel!

Und jeden Morgen werde ich, so wie der Tag graut, hinunter eilen in den Garten; selbst Sturm und Regen soll mich nicht hindern, die Liebe trotzt allen Ungewittern und ist immer voll Sonnenschein und Gluth. Und hier im Pavillon, hier sind wir ja geborgen gegen die rauhe Luft und die kalte Neugierde der Welt. Hier ist Niemand bei uns als Gott, und der sieht in unsere Herzen und segnet den Bund unserer Liebe.

Oh, Rahel, wie ich Dich anbete um dieses freudigen, heitern Vertrauens willen! Du bist meine Heldin, meine tapfere Minerva! Wenn ich bei Dir bin, fürchte ich nichts, ich bin voll Zuversicht und Vertrauen, und nicht der leiseste Schatten verdüstert mir mein Himmelsglück. Aber fern von Dir, Rahel, fern von Deinen glänzenden Augen, da kommen die Zweifel und die Sorgen, da kommt die Entmuthigung und die Furcht.

Und was fürchtest Du, mein Geliebter?

Ich fürchte Alles, Rahel! Ich fürchte den Stolz und die Strenge Deines Vaters, und sein täglich wachsender Reichthum macht mich zittern. Oh, in dem Stolz dieses Reichthums wird er des armen Günther lachen, der es wagt, seine Tochter zu lieben, und doch nichts besitzt, was in den Augen des reichen Eskeles Flies Werth hat, keinen Rang, keine Titel und keinen Reichthum.

Aber eine edle Seele und ein großes Herz! rief Rahel, ihren Geliebten mit flammenden Blicken anschauend; einen erhabenen Geist und ein reiches Gemüth, das besitzest Du, mein Günther. Und besitzest Du nicht außerdem noch das Vertrauen des Kaisers? Bist Du nicht sein erster Geheim-Secretair? Nennt er Dich nicht seinen Freund, hat er Dir nicht jetzt wieder einen Beweis seiner Anerkennung gegeben?

Ja, rief Günther mit einem bittern Lachen, er hat »zum Dank meiner Verschwiegenheit und Treue«, wie es in dem Rescript heißt, mein Gehalt von zweitausend auf dreitausend Gulden erhöht. Dies ist eine Genugthuung und eine Freude für mich, aber es ist keine Anerkennung in den Augen Deines Vaters. Er, welcher seinem ersten Buchhalter vielleicht ein doppelt so hohes Gehalt giebt, er blickt mit Verachtung nieder auf den armen Beamten, dessen einziger Vorzug ist, daß er seinem Kaiser treu dient, der nichts hat auf der Welt, um das ihn der reiche Herr Eskeles Flies beneiden könnte. Oh, Rahel, warum bist Du nicht ein armes Mädchen, warum ist Dein Vater so reich, daß sein Geld selbst meine Liebe verdächtigt!

Lästere Dich nicht selbst, mein Geliebter, sagte sie glühend. Niemand wird es wagen, Dich des Eigennutzes zu beschuldigen, Niemand wird in dies stolze, edle Antlitz, auf diese hohe, gedankenreiche Stirn schauen und Dich einer unedlen, gemeinen Regung fähig halten. Und dann, mein Günther, was würde es Dir auch nützen, daß mein Vater reich ist, da Du doch niemals sein Eidam werden kannst, da Eure strenge, unduldsame Christenreligion es Dir niemals gestatten wird, der Gemahl der Jüdin zu werden.

Oh, wärst Du arm, meine Rahel, dann würde ich versuchen, Dich mir und meiner Religion zu gewinnen. Dann würd' ich Dich auf meinen Knieen anflehen, Dich meinem Gott, welcher der Gott der Liebe und der Versöhnung ist, zuzuwenden, und dem Juden-Gott, welcher der Gott der Rache und der Verdammniß ist, zu entsagen. Vielleicht möchte es meiner Liebe, meinem Flehen gelingen, Deinen für alles Große, Edle und Erhabene begeisterten Sinn der heiligen Lehre Christi zu erschließen und ihm eine gläubige Jüngerin, mir ein liebendes Weib zu gewinnen.

Günther, niemals würde mein Vater einwilligen, daß ich eine Christin werde! sagte Rahel mit schnell umdüstertem Angesicht. Wenn ich der Religion meiner Väter entsagte, würde er sterben vor Gram und Zorn, aber bevor er stürbe, würde er mir fluchen!

Du sagst das so ruhig, und es ist doch das Todesurtheil meiner Liebe und Hoffnung, was Du aussprichst! rief Günther verzweiflungsvoll.

Rahel blickte ihm mit leuchtenden Augen und einem stolzen glücklichen Lächeln in das erregte Angesicht. Ich sage das so ruhig, weil ich meiner selbst bewußt bin, weil ich weiß, was ich will! Weißt Du es nicht, mein Günther? Weißt Du es nicht, daß Deine Rahel Dir treu sein will, daß sie nie und nimmer von Dir lassen kann und wenn Erd' und Himmel sich auflehnten gegen unsere Liebe? Daß sie Erd' und Himmel trotzen, daß sie mit freudigem Jauchzen in den Abgrund des Verderbens, der Schmach und Schande sich stürzen würde, ehe denn sie ihrer Liebe entsagte? Dir gehört meine ganze Seele, Dir gehört mein ganzes Herz, und muß ich denn einst wählen zwischen Wien und meinem Vater, so wähle ich nur Dich. Darauf baue, darauf hoffe, denn das schwöre ich Dir bei dem Gott da droben, bei dem Gott, zu welchem die Christen wie die Juden beten, niemals wird Rahel Eskeles Flies eines andern Mannes Weib, als nur das Deine, und wenn ihr Vater sie deshalb verstoßen will, so wird sie kommen, sich an Deine Brust zu retten!

Und an dieser Brust soll Rahel Schutz finden gegen alles Ungemach und alles Leid der Welt, rief Günther feierlich. Ich schwöre es Dir bei Deinem Gott und bei meinem Gott, meine Brust soll der Schild sein, welcher mein edles, hochherziges Weib beschützt und sichert, daß die Bosheit und die Verleumdung nicht mit ihren vergifteten Pfeilen ihre reine und keusche Stirn verletzen kann, an meinem Herzen sollst Du Sicherheit, Ruhe und Frieden finden! Aber ich darf zu der Tochter des reichen Eskeles Flies nicht sagen: »Entfliehe dem Hause Deines Vaters, entsage Deinem Gott, und komm zu mir, sei mein Weib, theile mit mir ein einfaches und bescheidenes Loos.« Ich darf nur sagen: »Rahel, ich liebe Dich grenzenlos, jeder Schlag meines Herzens gehört Dir! Wärst Du eine Bettlerin, würde ich stolz und glücklich zu Dir eilen, um Dich in mein Haus zu führen, um Dich zur Herrin und Gebieterin alles Dessen zu machen, was mein ist! Da Du aber reich bist, muß ich Dich erwarten und Deines Rufes harren. Ja, Rahel, ich erwarte Dich! Jeden Tag, jede Stunde erwarte ich Dich! Mein Herz sehnt sich nach Dir ewig und unaussprechlich, mein Haus harrt seiner Herrin. Aber sie muß kommen ungerufen und freiwillig; freudig muß sie mir angehören wollen, muß sie fühlen und erkennen, daß ihre Stelle einzig und allein an meiner Seite ist! Aber nicht meine Worte und meine Liebe sollen Dich zu dieser Erkenntniß führen, Rahel, sondern nur Dein eigenes Herz und Deine eigene Liebe! Ich harre dieser beseligenden Stunde, ich erwarte Dich! Und dies sei unser Lebewohl für heute! Ich muß fort, aber meine Seele bleibt bei Dir zurück!«

Und mein Herz geht mit Dir fort! sagte Rahel, sich an ihn schmiegend. Er schloß sie fest in seine Arme und preßte einen glühenden Kuß auf ihre nicht widerstrebenden Lippen. Dann schauten sie einander an mit leuchtenden Augen und seligem Lächeln.

Morgen sehen wir einander wieder, Rahel?

Morgen, mein Geliebter. Du hast den Schlüssel zur Gartenpforte und im kleinen Pavillon erwarte ich Dich! Ich habe meinem Vater wohl versprochen, Dich nicht in unserm Hause zu empfangen, aber von dem Pavillon und dem Garten habe ich nichts gesagt. Die Liebe ist sophistisch und Gott verzeiht es ihr. Morgen also erwarte ich Dich hier.

Und jeden Tag und jede Stunde erwarte ich Dich bei mir, meine Rahel! Die Liebe lenke Dein Herz, daß ich nicht ewig umsonst Dich erwarten muß! Lebe wohl!

Er küßte noch einmal ihre glühenden Lippen, dann eilte er der Thür zu. Rahel folgte ihm und schaute seiner schlanken hohen Gestalt nach, wie sie mit jugendlicher Hast durch die Baumgänge dahineilte. Dann hob sie den schwärmerischen Blick zum Himmel empor. Mein Gott, beschütze unsere Liebe! flüsterte sie leise. Bewahre sie vor Ungewittern, aber wenn sie kommen, gieb mir die Kraft, ihnen zu widerstehen!

Langsam, gesenkten Hauptes, ganz ihren Gedanken und Träumen hingegeben, schritt sie dann die Allee hinauf dem Hause zu. Niemand begegnete ihr auf ihrem Wege, Niemand schien es gesehen zu haben, daß Rahel in so früher und ungewohnter Morgenstunde schon den Garten besucht hatte.

Rahel fragte auch nicht darnach, sie dachte nur an ihn, nur an ihren Geliebten, sie schaute auch nicht seitwärts nach den Fenstern, hinter denen das Arbeits-Cabinet ihres Vaters lag. Sie sah nicht, wie dort die Gardine sich leise bewegte, und die glühenden, schwarzen Augen ihres Vaters hinter den Scheiben hervor mit zornigen Blitzen sich auf sie richteten, wie er ihr nachschauete mit finster bewölkter Stirn. Sie ging still und gedankenvoll weiter, und erst, als sie in ihre Gemächer trat, als sie, um sich schauend, sich wiederfand inmitten des Glanzes und der fürstlichen Pracht, da erwachte sie aus ihren beseligenden Träumen, und mit einem bangen, schmerzlichen Seufzer flüsterte sie: ach, warum bin ich nicht eine Bettlerin, nicht eines armen Christen Kind! Dann würde Rahel das beneidenswertheste Geschöpf sein, wie sie jetzt das beklagenswertheste ist! Dann würde mein Geliebter nicht nöthig haben, mich zu erwarten, und –

Sie schreckte zusammen und schwieg. Es war ihr, als hörte sie da draußen die Stimme ihres Vaters. Ja, sie hatte sich nicht getäuscht. Er war es, er sprach auf dem Corridor mit einem der Diener. Jetzt nahete er sich ihrer Thür, jetzt fragte er anpochend: bist Du schon aufgestanden, meine Tochter? Darf ich eintreten?

Rahel eilte, ohne zu antworten, nach der Thür hin, und öffnete sie. Ihr Vater trat ihr entgegen mit offenem, heiterm Gesicht, und begrüßte sie mit einem Lächeln.

Schon angekleidet, meine Tochter? fragte er, seinen Arm um ihren Nacken legend und sie sanft an sich drückend. Ich fürchtete schon, meine reizende Rahel noch im Schlummer zu stören, oder sie bei ihrer Toilette zu überraschen, und nun finde ich sie nicht einmal mehr im Negligée, sondern schon in voller Toilette. Coquettirst Du mit der Morgensonne, die da so neugierig zum Fenster hereinschaut und mit ihren Strahlen Dein reizendes Antlitz küßt, oder erwartest Du vielleicht wieder irgend einen bethörten Herrn Grafen, dem ich nachher hinausleuchten soll?

Nein, mein Vater, ich erwarte Niemand, und bin ganz glücklich, daß Du hier bist.

Und wenn Du erst weißt, was mich herführt, dann, meine Rahel, dann wirst Du erst glücklich sein! Gedenkst Du noch jenes Tages, meine Tochter, wo ich Dir erzählte von den Plänen meiner Zukunft? Damals waren sie noch leere Träume, aber jetzt sollen sie Wirklichkeit werden! Gedenkst Du noch, was ich Dir versprach, als Du meinen Wunsch erfülltest und mir die Strafe des stolzen und übermüthigen Grafen Podstadzky überließest und mir ihn herbeschiedest zum Rendezvous?

Nein, mein Vater, ich besinne mich nicht, daß Du erst nöthig hattest, mir Versprechungen zu machen, um mich Deinen Befehlen gehorsam zu finden!

Ah, Du bist sehr gütig, Rahel, Du willst mich nicht erinnern an ein Versprechen, von dem Du meinst, daß ich es Dir nicht erfüllen kann! Aber ich habe es nicht vergessen, und ich will Dir meine Worte zurückrufen! Ich sagte: »Zum Dank dafür, daß Du mir den Grafen opferst, will ich Dir eines Tages eine Freiherrnkrone auf Dein schönes jungfräuliches Haupt setzen!«

Es war ein großmüthiger Scherz, mein Vater, ein Scherz, der keine Erfüllung haben kann, und auch keiner Erfüllung bedarf.

Es war ein ernstes, feierliches Versprechen, mein Kind, ein heiliges Gelöbniß, das seine Erfüllung haben mußte, und es jetzt auch haben soll. Du siehst mich erstaunt an, meine Tochter? Nun, findest Du nicht, daß eine Veränderung vorgegangen ist mit mir? Ist nicht mein schwarzes Haar germanisch blond geworden? Hat sich nicht meine krumme Nase lang gezogen, und ist nicht der orientalische Schnitt meines Gesichtes auf einmal ganz ausgelöscht und verschwunden? Sage ehrlich, Rahel, findest Du denn gar keine Veränderung an mir?

Nein, mein Vater, ich finde Dich, Gott sei Dank, ganz unverändert.

Pah, solch ein jämmerliches Ding ist es also um eine Freiherrnkrone, daß man sie gar nicht bemerkt auf der Stirn dessen, der sie trägt, und so wenig Kraft ist in dem Ritterschlag, daß er nicht einmal das bischen Judenthum aus meinen Mienen fortschlägt! Ich bin ein Freiherr geworden, und meine kluge Tochter Rahel merkt es nicht einmal.

Du warst schon immer ein freier Herr, mein Vater, denn Du warst reich, und das Gold macht frei, und der Millionair Eskeles Flies ist also auch durch sich selber schon der Freiherr Eskeles Flies.

Ah, das ist ein stolzes und schönes Wort, Rahel, ein Wort, wie es nur eine Jüdin im vollen Gefühl ihrer Würde sprechen kann, rief ihr Vater. Ich danke Dir für dieses Wort, meine Tochter, und will es Dir bezahlen mit Etwas, was Dir Freude machen wird. Ich habe gestern für Dich einen ganzen Wagen voll alter Incunabeln und Handschriften, mit den seltensten und schönsten Miniaturen verziert, gekauft, und Du kannst Dir davon eine Bibliothek einrichten, mit den päpstlichen Bullen und Breven, um welche die größten Bibliotheken meine gelehrte Tochter beneiden können.

Oh, ich danke Dir, mein Vater, für diese Schätze von so unermeßlichem Werth.

Unermeßlichem Werth! Die Klosterbibliotheken werden von den Commissarien des Kaisers aufgeräumt mit derselben Liebenswürdigkeit, mit welcher einst die Vandalen dergleichen Schätze bei den Gothen zerstört haben mögen. Ich kaufte diese Incunabeln, diese Handschriften, Bullen und Miniaturen bei einem von unsern Leuten, welcher viele Wagen voll, den ganzen Wagen für zehn Gulden, erstanden hatte. Hübner Th. I. S. 180. So habe ich die herrlichsten Schätze der Gelehrsamkeit von der Stampfmühle gerettet, und die christliche Wissenschaft mag uns dafür dankbar sein. Du sollst die päpstlichen Bullen und Breven, und die Pergamenthandschriften und Miniaturen haben, und noch schönere Schätze habe ich für Dich gekauft! Wundervoll gearbeitete goldene Amulette und Kelche und Schaalen, eines Benvenuto Cellini würdig. Habe sie auch erhandelt von einem von unsern Leuten, der sie gekauft auf den Kloster-Auctionen. Er wollte alle die kostbaren und heiligen Dinge eben einschmelzen, und in Gold- und Silberbarren verwandeln. Haha, die kostbaren Kirchengefäße, welche einst die christlichen Bischöfe geheiligt und geweiht haben, die hat jetzt der Jude vom Schmelztiegel gerettet, und die herrlichen Klosterschätze, welche der freisinnige Kaiser als eine Waare feil geboten, die hat der freisinnige Jude gekauft und vor dem Untergang bewahrt.

Der freisinnige Jude durfte das thun, und es wird ihm keinen Schaden bringen, mein Vater, aber der Kaiser hätte nimmer so sehr die Heiligkeit seiner eigenen Kirche und Religion verleugnen müssen. Die Uebelwollenden werden es ihm auslegen als Spott und Hohn, und er wird sich mit dieser vorurtheilslosen Freisinnigkeit Mißtrauen und Argwohn erregen bei seinem Volk!

Bah, er gebrauchte Geld, der arme Kaiser, und er nahm es, wo er es finden konnte, rief Herr Eskeles mit einem verächtlichen Achselzucken. Der Kaiser bedarf sehr vielen Geldes, um alle die Kassen wieder zu füllen, welche die großmüthige Maria Theresia ausgeleert hat. Sie gab mit vollen Händen aus, er will mit vollen Händen einnehmen, und das ist ein viel schwereres und undankbareres Geschäft, als das seiner Mutter! Es ist wahr, er geht etwas rücksichtslos bei seinem Geldsuchen zu Werke, und indem er sich zu einem geldsuchenden Banquier für sein Volk macht, hat er vergessen, daß er auch das Vorbild christlicher Frömmigkeit für sein Volk sein sollte. Ach, was würden sie nicht schreien und hohnlachen, diese Christen, wenn wir Juden die heiligen Tempelgeräthe verkaufen wollten, um uns Geld zu schaffen! Wie würden sie nicht wieder Zeter rufen über den jüdischen Schachergeist, dem nichts heilig sei, als das Geld, der keine andere Religion hat, als den Reichthum! Ich will Dir aber sagen, meine Rahel, wenn die Christen Geld gebrauchen, sind sie schlimmer, wie der habgierigste von unsern Leuten es sein kann, denn es ist ihnen dann nichts mehr heilig, und sie verlieren in der Angst und Noth ihres Herzens ihre Besinnung und ihren Verstand, ihr Nachdenken und ihre Würde. Nie würde der Jude sein Allerheiligstes verkaufen, und sollt' er verhungern und verdursten, denn er würd' fürchten den Zorn Gottes und den Fluch seines Volkes; aber der Christ fürchtet nichts, wenn er Geld gebraucht, und er würd' lieber seinen eigenen Vater verkaufen, als Hungers sterben! Wenn Du ihnen viel Geld giebst, so beugen sich diese stolzen Christen selbst vor dem Juden und werden ihm unterthänig, und geben ihm von ihren Ehren und von ihren Würden. Und so ist denn der Jude Eskeles Flies, weil er viel Geld geben konnte, jetzt zu dem Freiherrn von Eskeles Flies geworden!

Wie, mein Vater! rief Rahel erstaunt. Es ist also wirklich kein Scherz? Du, der stolze, der unabhängige, der reiche Banquier Eskeles, Du hast es für nöthig gefunden, Dich mit dem elenden Tand eines Titels zu schmücken, und vor Deinen schönen alten Namen das hohle Wort »von« zu setzen?

Warum sollte ich es nicht thun, Rahel? Bei den Christen ist alles käuflich, warum sollte der Jude ihnen also nicht die Schmach anthun, von ihnen zu kaufen, was ihnen sonst am höchsten ist, ihren Adel und ihre Wappen? Hab' mir eine Freiherrnkrone und ein Wappen gekauft, wie ich mir oder Dir einen Brillantschmuck oder sonst ein Juwel kaufe. Ich kann den Freiherrn bezahlen, warum sollt' ich ihn also nicht kaufen? Ich wollt' ihn haben, um diesen Christen ihren Hochmuth und ihren Stolz in's Gesicht zu werfen, um sie zu ärgern und zu verhöhnen, und ihnen zu zeigen, daß auch der Jude ein vornehmer Mann sein kann, wenn er nur die Mittel dazu hat, und wenn er's nur bezahlen kann.

Aber wie war's nur möglich, daß Du es erlangen konntest? fragte Rahel. Wie durftest Du es nur wagen zu fordern, was noch niemals existirt hat? Ein jüdischer Baron!

Gerade darum forderte ich es! lachte ihr Vater. Ich habe für den Kaiser gethan, was auch noch niemals existirt hat, hab' ihm Millionen geliehen ohne Zinsen und Interessen auf ein Jahr. Jetzt ließ mich der Kaiser rufen, um mir mein Geld wiederzugeben, und ich mußte ihm erzählen von meinen Fabriken und den großen Handelsplänen, die ich noch für die Zukunft habe. Er war erfreut darüber, und mir freundlich zunickend, legte er seine Hand auf meine Schulter und rief: »Hätte ich viele tüchtige und energische Kaufherren, wie Sie, in meinen Landen, so würde das schwarze Meer bald der Hafen unserer Handelsschiffe sein!« – Und weiter dann forderte er mich auf, zum Dank für meine dem Staat geleisteten Dienste mir irgend eine Gnade zu erbitten.

Und da erbatest Du Dir den Baronstitel?

Da erbat ich mir den Baronstitel! Der Kaiser stutzte und seine großen blauen Augen richteten sich mit einem wunderbaren leuchtenden Blick auf mein Antlitz; er mocht' etwas darin lesen von meinen Gedanken, denn auf einmal lächelte er und sagte: »Sie wollen meine Aristokraten, die sich von Ihnen Geld borgen und sich doch so erhaben über Sie dünken, ein wenig ärgern, nicht wahr? Nun, ich finde Ihren Gedanken nicht so übel, denn es ist wahr, der Adel hat für seinen Uebermuth und Stolz wohl eine Lection verdient. Sie sind überdies ein ehrenwerther Mann, der meinem Staat mehr gedient hat und ihm nützlicher gewesen ist, als Viele dieser großen Aristokraten. Ich will Ihnen Ihren Wunsch gewähren! Sie sollen Baron werden, und noch einige andere verdiente Männer Ihrer Religion werde ich erheben in den Adelsstand, zum Zeichen, daß ich das Verdienst zu ehren weiß, wo ich es finde.«

So hat Dich also die Gnade und die gerechte Anerkennung des Kaisers geadelt, rief Rahel, Du bist Baron nicht durch Dein Geld, sondern durch Dein Verdienst!

Aber es kostet mich doch mein Geld, meine Tochter! Der Kaiser verleiht aus Gnaden den Adel, er macht aus Gnaden Freiherrn und Grafen, aber die Diplome, die kosten Geld! Mein Baronstitel kostet zehntausend Gulden, und wenn ich dereinst zum Grafen avancire, werde ich der Titelkasse, aus welcher der Kaiser seine wohlthätigen Institute erbaut, zwanzigtausend Gulden zahlen müssen! Noch theurer war ein Fürstendiplom. Graf Palm zahlte für sein Fürstendiplom fünfmalhunderttausend Gulden. Groß-Hoffinger Th. IV. S. 40. Aber für jetzt genügt mir der Baronstitel. Er genügt, um diese hochmüthigen Aristokraten zu demüthigen und ihnen zu zeigen, daß das Geld mächtiger ist, als alle ihre Stammbäume und ihre Ahnen, daß das Geld auch dem Juden Ahnen geben, und daß er sich für sein Geld einen Stammbaum kaufen kann. Jetzt wird es nicht mehr heißen, der reiche Jude Eskeles Flies, sondern jetzt werden sie sich bemühen, den Juden zu vergessen, weil der Jude Baron geworden ist. Jetzt werden sie sagen: »der reiche Baron Eskeles Flies,« und die Herren Grafen und Fürsten werden kommen, um die Tochter des reichen Barons zu werben, denn Rahel Eskeles Flies wird ihnen nur noch ihre Millionen und ihre Schönheit, aber nicht mehr einen Balken in ihr gräfliches Wappen als Mitgift bringen, denn Rahel Eskeles Flies ist jetzt eines Barons Tochter! – Aber sie ist doch eine Jüdin, und jetzt, da nichts mehr die Aristokraten von uns trennt, da wir ihres Gleichen sind, jetzt soll unser Glaube die unüberwindliche Scheidewand sein, die wir uns aufrichten gegen diese hochmüthigen Christen, welche uns einst geknechtet haben! Sie werden mich den Baron Eskeles Flies nennen, ich aber will sie daran gedenken lassen, daß ich auch noch der Jude Eskeles Flies bin, und daß meine schöne Tochter, die Baronin Rahel, auch immer noch die Jüdin Rahel ist. Oh, meine Tochter, dies soll unsere letzte und schönste Rache sein an den Christen, daß wir treu halten zu unserm Volk und unserm Glauben, daß wir unsere Millionen und unsere Schätze für sie unzugänglich machen, weil wir bleiben, was wir sind, Juden! Haben sie geprahlt vor uns mit ihrem Christenthum, so wollen wir's jetzt thun mit unserm Judenthum, und da sie uns aufnehmen müssen in ihre Reihen, wollen wir doch uns absondern von ihnen durch unsern Glauben. Ich weiß, daß Du denkst wie ich, meine Tochter, weiß, daß Du treu bist der Religion Deiner Väter, und nimmer eine Verrätherin und Abtrünnige werden könntest. Nicht wahr, Rahel, es ist so?

Zweifelst Du an mir, mein Vater? fragte Rahel mit leiser, unsicherer Stimme, vor den Blicken ihres Vaters, welche mit durchbohrender Gluth auf ihr ruhten, die Augen niederschlagend.

Nein, ich zweifle nicht, sagte er, denn wenn ich zweifelte, würde ich auch verzweifeln, wenn ich Dich des Treubruchs fähig hielte, würde ich Dich, die ich anbete, von meinem Herzen stoßen, würde ich Dich, die abtrünnige Tochter meines Volks, verwünschen und –

Halt ein, mein Vater! rief Rahel bebend, bleich vor Entsetzen. Sprich nicht so fürchterliche Worte, vor denen mein Herz ergraut!

Du hast Recht, sagte ihr Vater hochathmend, ich bin ein Thor, Dich und mich zu ängstigen mit Schrecknissen, die niemals kommen werden. Nein, niemals wird Rahel abtrünnig werden ihrem Vater und ihrem Glauben, wie auch ich niemals vergessen werde des Gottes meiner Väter und meiner heiligen Religion. Aber damit wir einander gewiß sind für alle Zeiten, damit wir uns stählen gegen alle Versuchungen, wollen wir einander jetzt in dieser Stunde, wo sich eine neue Welt vor uns aufthut, schwören mit heiligem Eide, fest und treu zu halten zu unserer alten Welt des Gehorsams und des Glaubens. Der Mensch ist schwach und schwankend, und sie werden kommen mit allerlei Versuchungen, diese stolzen Christen, sie werden mit Schmeicheleien, mit Bitten, mit Drohungen, mit Ehren und Würden uns zu bekehren suchen zu ihrem Glauben, nicht weil's ihnen bangt um unser Seelenheil, sondern nur weil sie's ärgert, daß ein Baron sollt' Jude sein können. Ich schwöre Dir also, meine Tochter Rahel, ich schwöre Dir, bei dem Grabe meiner Eltern, bei dem Geist Deiner Mutter, schwöre Dir bei Allem, was mir heilig und theuer ist auf Erden und im Himmel, daß ich niemals aufgeben und verlassen will den Glauben meiner Väter, daß ich niemals meine Religion aufgeben und mich taufen lassen will zu der Religion der Christen, niemals hineingehen will in ihre Kirchen, um in denselben Aufnahme zu finden. Solches schwöre ich, so wahr mir Gott helfe!

Rahel hatte, während ihr Vater mit aufgehobener Hand, mit feierlichem Ernst so sprach, ihre Hände gefaltet, und das Haupt auf ihre Brust gesenkt, starrte sie mit thränenlosen, weitgeöffneten Augen vor sich hin.

Hast Du meinen Schwur gehört und in Dein Herz aufgenommen, meine Tochter? fragte Herr Eskeles Flies nach einer Pause.

Ja, mein Vater, flüsterte Rahel mit zitternder Stimme.

Jetzt ist an Dir die Reihe, mein Kind, sagte ihr Vater sanft. Jetzt schwöre auch Du!

Sie hob mit einer raschen Bewegung ihr Haupt empor und schaute ihren Vater angstvoll an. Was soll ich schwören, mein Vater?

Du sollst schwören, wie ich geschworen habe, treu zu bleiben unserm Glauben, und niemals zu der Religion der Christen Dich zu bekennen, niemals Dich aufnehmen zu lassen in ihre Kirche. Schwöre das!

Rahel antwortete nicht, ihr Busen wogte stürmisch auf und ab, ihre ganze Gestalt erbebte. Mit halb geöffnetem Munde, mit angstvollen, großen, fragenden Blicken starrte sie ihren Vater an.

Er begegnete diesen Blicken mit finsterer Stirn, mit drohenden, zürnenden Mienen.

Eine lange Pause trat ein. Man hörte nichts als das fieberhafte Athmen Rahels, das rascher und lauter noch taktirte als die große Roccoco-Uhr dort drüben auf dem marmornen Sims des Kamins.

Kannst Du die Worte nicht finden, um Deinen Schwur zu leisten? fragte ihr Vater endlich nach langem Schweigen, und seine Stimme hatte etwas so Drohendes und Wildes, daß Rahel zusammenzuckte und tödtlich erbleichte. Aber sie schwieg noch immer.

Kannst Du die Worte nicht finden? wiederholte er mit noch drohenderem Ton. Nun wohl, so werde ich sie Dir sagen, und Du wirst sie wiederholen, oder ich –

Sage, was ich schwören soll, und ich werde es thun! rief Rahel angstvoll, ganz zerbrochen von dem unheilvollen, zornigen Blick ihres Vaters.

Sprich also die Worte nach, welche ich Dir vorsagen will, rief ihr Vater. »Ich schwöre bei dem Andenken an meine Mutter und bei Allem was mir heilig ist –«

Ich schwöre bei dem Andenken an meine Mutter und bei Allem, was mir heilig ist, wiederholte Rahel langsam, athemlos, indem sie wie zerschmettert auf ihre Kniee niedersank, und die Hände gefalten, ihre großen Augen mit einem Blick voll unendlicher Trauer zu ihrem Vater aufhob.

Ich schwöre, daß ich niemals dem Glauben meiner Väter untreu werden, niemals der Religion der Juden entsagen und mich taufen lassen will zu der Religion der Christen! fuhr Herr Eskeles mit feierlicher Stimme fort.

Ich schwöre, daß ich niemals dem Glauben meiner Väter untreu werden, niemals der Religion der Juden entsagen und mich taufen lassen will zu der Religion der Christen, sprach Rahel ihm nach, mit leiser thränenvoller Stimme.

Ich schwöre, daß ich niemals hineingehen will in ihre Kirchen, um in denselben Aufnahme zu finden, vollendete Herr Eskeles. Solches schwöre ich, so wahr mir Gott helfe!

Rahel wiederholte auch dies, dann aber, als sie geendet, stürzte ein Strom von Thränen aus ihren Augen und überfluthete ihr schönes, bleiches Angesicht, und wie zerschmettert von dem, was sie gethan, sank sie tiefer in sich zusammen.

Ihr Vater neigte sich zu ihr nieder, und sie mit seinen beiden kräftigen Armen umfassend, hob er sie empor, und zog sie an seine Brust und küßte voll inniger Zärtlichkeit ihre Augen und ihre zuckenden Lippen.

Jetzt, mein theures, geliebtes Kind, sagte er, und seine Stimme war jetzt wieder so sanft und zärtlich, wie sie sonst immer gewesen, wenn er zu seiner Tochter sprach, jetzt sind wir einander gewiß, und kein Zweifel und kein Bangen kann jemals zwischen uns stehen, und unsere Herzen einander entfremden! Du hast dem Juden genug gethan, mein Kind, jetzt sollst Du nur noch den Vater in mir finden, und keinen zärtlicheren, dankbareren und glücklicheren Vater soll es geben, als es der Vater des schönen Fräuleins Rahel von Eskeles Flies ist. Oh, mein Kind, ich will Dich umgeben mit der Pracht einer Fürstin, ganz Wien soll staunen über Deine Schönheit, Deinen Glanz, ganz Wien soll sich ärgern über den Reichthum des jüdischen Barons von Eskeles Flies, und uns beneiden um unseres Glückes willen.

Reichthum und Glanz macht nicht glücklich, mein Vater, seufzte Rahel traurig.

Aber der Reichthum ist der Hauptbestandtheil des Glücks, sagte ihr Vater mit einem fröhlichen, harmlosen Lachen. Das Unglück selbst trägt sich leichter in einem Palast, und genes't leichter, wenn man es in einer von vier Pferden gezogenen Equipage spazieren fährt, als wenn es in zerrissenem Gewande durch den Schmutz und Staub der Straße dahin schleichen muß. Das Glück aber ist doppelt strahlend, wenn man es hegen und pflegen kann, wenn man es aufputzt mit Brillanten und glänzenden Gewändern, und ihm jeden Tag zu einem Festtag verklärt. Und so, meine Rahel, soll Dein Glück sein. Strahlend und wolkenlos, beneidet von Allen, und nichts beneidend, weil es nichts entbehrt. Aber horch, da schlägt Deine Uhr die zehnte Stunde und mahnt mich daran, daß ich um diese Zeit zu einer wichtigen Conferenz muß, bei der ich eine Million zu verdienen hoffe. Leb' wohl also, meine Tochter, und wenn ich wiederkehre, hoffe ich meine Rahel mit dem reizenden, glücklichen Lächeln zu sehen, das ihr so gut steht, und mit dem sie alle Herzen gewinnt!

Er neigte sich zu ihr nieder und küßte sie auf die Stirn, und streichelte mit zärtlicher Hand ihr glänzendes, schwarzes Haar. Mit welchem leichten, zufriedenen Herzen ich Dich jetzt verlasse, sagte er. Die Baronin von Eskeles Flies wird bleiben, was sie war, eine Jüdin! Ach, mein Kind, ich danke Dir für Deinen Schwur, er ist Deinem Vater mehr werth, als alle Millionen der Welt. Wüßt' ich doch Etwas, womit ich Dich heute erfreuen könnte!

Liebe mich, mein Vater, sagte Rahel seufzend, liebe mich, das ist Alles, was ich von Dir erbitte!

Und das ist gerade das, was Du nicht nöthig hast zu erbitten, denn die Liebe zu Dir ist der Athem meines Lebens! Und jetzt eben besinne ich mich auch auf eine kleine Freude, die ich Dir bereiten kann. Ich habe bemerkt, daß Du Gefallen findest an der neuen Einrichtung unsers Gartens, und daß meine Rahel die neuen Anlagen unsers französischen Gärtners ihrem Geschmack gemäß findet, denn ich sehe Dich schon in der Frühe des Morgens den Garten besuchen. Oh, mein Kind, von heute an werde ich mich also bestreben, den Garten, den Du liebst, in ein Paradies umzuwandeln. Die herrlichsten tropischen Gewächse sollen Dir in den Treibhäusern erblühen, die duftenden Früchte des Südens sollen für Dich wachsen, und statt des kleinen einfachen Pavillons soll sich ein Marmortempel erheben, der es würdig ist, daß meine Tochter in ihm ausruht und träumt. Gleich heute soll der Bau beginnen, gleich heute sollen die Maurer, Zimmerleute und Baumeister kommen, und den alten Pavillon abreißen, und den Grundstein legen zu einem kleinen Prachtbau für meine Rahel! Freilich werden in den nächsten Wochen Deine Morgenpromenaden etwas beunruhigt und gestört werden, denn die Bauleute werden sehr früh erscheinen, aber Du hast doch nicht nöthig, deshalb den Garten zu fliehen, denn die niedrigen Arbeiter werden für meine stolze und vornehme Tochter gar nicht als Menschen existiren, und sie wird, ungenirt von ihnen, träumen und sinnen, und sich der erwachenden Natur freuen können, wie bisher. Auch sollst Du nicht fürchten müssen, daß irgend ein frecher Dieb oder Bettler sich mit den Bauleuten in den Garten einschleichen könnte, denn ich werde an allen Ausgängen des Gartens Wächter aufstellen, und sie werden Niemand einlassen, der nicht zu den Bauleuten gehört und eine Karte vorzeigen kann. Sei also unbesorgt, Du hast nicht nöthig, Deine Morgenpromenaden zu unterbrechen, und in einigen Monaten wirst Du statt des Pavillons einen kleinen Marmorpalast haben, um darin auszuruhen. Adieu, mein Kind, adieu! In einigen Stunden schon soll der Bau beginnen. Adieu!

Er nickte ihr mit einem zärtlichen Lächeln zu und eilte fort.

Er weiß Alles! flüsterte Rahel verzweiflungsvoll. Er kennt meine Liebe zu Günther, darum hat er mich schwören lassen, keine Christin zu werden. Er weiß, daß ich ihn im Garten getroffen, darum läßt er den Pavillon niederreißen und die Wächter an die Gartenpforten stellen.

Tief aufseufzend schlug sie ihre beiden Hände vor ihr Angesicht und saß lange unbeweglich da, ganz versunken in ihren Schmerz. Auf einmal aber ließ sie ihre Hände niedergleiten und richtete ihr Haupt rasch empor. Eine glühende Energie leuchtete von ihrem Angesicht und ihre Augen flammten im Feuer der Begeisterung.

Ich habe Dir Treue und Liebe gelobt bis zum Tode, mein Geliebter, rief sie. Und kommt die Stunde, wo ich wählen muß zwischen Dir und meinem Vater, so wähle ich nur Dich.


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