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Und so ist es denn mit dem Krieg zu Ende, seufzte Joseph, einen traurigen Blick auf die Depeschen werfend, mit denen der Courier so eben aus Wien im Lager eingetroffen war. Und so ist es denn auch zu Ende mit meinen Hoffnungen! Ich verlasse das Schlachtfeld nicht mit einem Lorbeerkranz, sondern mit einer Narrenkappe, und Jedermann wird das Recht haben, mich zu verlachen, und meiner Heldenthaten zu spotten! Mag es drum sein! Ich werde wohl noch eines Tags Gelegenheit finden, diesen Flecken von meiner Stirn fortzulöschen, und der Welt zu beweisen, daß ich nicht der Narr bin, für welchen man mich halten muß, und daß ich wohl im Stande gewesen wäre, mit meiner Armee von dreimalhunderttausend Mann Besseres zu leisten, als unthätig und zwecklos umher zu ziehen, und mit feiger Kriegsgewandtheit jeder Schlacht aus dem Wege zu gehen. Oh, jetzt wünsche ich mir nicht mehr den Tod! Ich habe ihn mir oft erfleht, als den Befreier von all diesen Fesseln, welche meine Brust zerdrücken, jetzt aber flehe ich zu Gott, daß er mir das Leben läßt, so lange noch läßt, bis ich frei bin, bis ich mein Schwert ziehen und mich rächen kann an Denen, die mich beleidigten! Wenn ich ihn dann aber endlich errungen habe diesen Lorbeer, nach dem sich mein Herz sehnt, wenn ich die Schmach und Lächerlichkeit dieser Tage auslösche, und mit den Siegesfanfaren einer großen Schlacht das elende Geklimper dieses Zwetschkenrummels begraben habe, dann, mein Gott, dann bin ich's zufrieden, zu sterben und auszuruhen von diesem großen Kampf mit den Verhältnissen, in dem ich bis jetzt noch immer der Unterliegende gewesen! Dann, – aber nein, unterbrach sich der Kaiser, nein, keine Klagen mehr. Alles dies ist unnütz, und es ist jetzt keine Zeit mehr zu melancholischen Betrachtungen! Es muß gehandelt werden, Lacy und Loudon müssen sogleich hier sein, und dann –
Eben öffnete der Adjutant die Thür und meldete die Feldmarschälle Lacy und Loudon. – Der Kaiser ging ihnen lebhaft entgegen, und reichte ihnen seine beiden Hände dar.
Depeschen aus Wien, meine Herren Feldmarschälle, sagte Joseph, mit der erhobenen Hand auf die Papiere deutend, die auf dem Tisch am Fenster lagen. Ich habe sie gelesen, und bitte, daß auch Sie Beide Kenntniß davon nehmen. Lesen Sie, meine Freunde, lesen Sie!
Die beiden Herren traten zu dem Tisch, und während sie alsdann die Papiere lasen, ging der Kaiser mit hastigen Schritten, sein Antlitz zuckend vor innerer Bewegung, auf und ab.
Haben Sie gelesen, Loudon?
Und auch Sie, Lacy?
Auch ich, Majestät.
Nun denn, so bitte ich die Herren, mir Ihre Meinung zu sagen. Was ist zu thun?
Zu schweigen, und sich zu unterwerfen, sagte Loudon mit einem tiefen Seufzer.
Die Waffen niederzulegen, und ruhig abzuwarten, was die Herren Gesandten aller Mächte in Teschen zu Stande bringen werden!
Ja, ja, Ihr habt Recht, sagte Joseph mit einem spöttischen Lachen, es ist nichts weiter zu thun! Dreimalhunderttausend Mann stehen da kampfgerüstet und warten nur des Wortes, das ihnen erlaubt, ihr Schwert zu erheben, und auf den verhaßten Feind los zu gehen. Ein Kaiser und zwei große und berühmte Feldherrn sind bereit, dieses von einer großen tapfern Armee ersehnte Wort zu sprechen, aber ihre Lippen verstummen vor dem Ton einer schwachen Weiberstimme, die aus Wien herübertönt. Dreimalhunderttausend Schwerter senken sich vor den Federn von sieben Diplomaten, die sich in Teschen versammeln, um einen Frieden zusammen zu leimen, der nicht haltbarer sein wird wie ein Kartenhaus, und den wir gezwungen sind zu respectiren. Oh wahrlich, es ist ein lustig Ding um diesen Krieg! Länger als ein Jahr ziehen zwei Armeen in künstlichen Wendungen nebeneinander her, bramarbasirend, und von Heldenthaten träumend, und sich doch mit kleinen Scharmützeln, mit Fouragiren und Plänkeleien begnügend. Millionen sind ausgegeben, Städte und Dörfer sind niedergebrannt, Tausende von Menschen irren obdachlos umher, unbebaut und wüste liegen ganze Landstriche da, und alle Greuel des Krieges sind über Deutschland gekommen, nur der Krieg selber nicht! Und doch ist Deutschland besiegt, und doch legt dieser Friede, den sie in Teschen zusammen leimen werden, Deutschland eine Kette an, die es nimmer und nimmer wieder von seinem Nacken streifen wird, und die ihm viel Wunden und viel Blut kosten wird! Ihr seht mich verwundert an, als ob Ihr mich nicht verständet. Habt Ihr die Note nicht gelesen, welche die Kaiserin von Rußland an Oesterreich gesandt hat?
Ohne eine Antwort abzuwarten, stürzte Joseph zu dem Tisch hin, nahm eins der Papiere auf und hob es hoch empor. Dies Papier, sagte er heftig, enthält nur Worte, aber es sind eben so viele Dolchstöße, welche Rußland der Freiheit und Unabhängigkeit von Deutschland in's Herz stößt. Rußland macht sich damit zum Garanten deutscher Verfassungen, deutscher Freiheit und deutschen Rechts. Rußland giebt sich das Ansehen, als wäre es berechtigt, in den Angelegenheiten Deutschlands nicht blos eine vermittelnde, sondern eine entscheidende Stimme zu haben, und als müßten die deutschen Fürsten sich gehorsam seiner Entscheidung unterwerfen. Wahrlich, Ludwig der Vierzehnte hat niemals stolzer und anmaßender Deutschland gegenüber gesprochen, als es Katharina von Rußland jetzt thut! Die Note, welche Katharina von Rußland an Oesterreich richtete, war nicht eine Antwort auf den Brief der Kaiserin Maria Theresia, sondern war schon vor dem Eintreffen desselben von Petersburg abgegangen. Die Czarin ermahnte darin die Kaiserin, die Verfassungen und Verträge Deutschlands heilig zu halten, und drohte, daß, wenn Oesterreich sich nicht entschlösse, nach aller Billigkeit und Menschlichkeit sich mit Preußen und den andern Mächten zu vergleichen, sie, die Kaiserin von Rußland, in ernsthafte Betrachtung werde ziehen müssen, was sie dem Interesse Deutschlands, dem Interesse der Prinzen, die ihre Freunde seien und ihre Unterstützung nachgesucht hätten, und vor Allem ihren Verpflichtungen gegen Alliirte schuldig sei. Siehe Adam Wolf: Oesterreich unter Maria Theresia. S. 569. Und denken zu müssen, daß wir selber es sind, welche Rußland das Recht gegeben, so zu sprechen, daß wir selber das unglückliche Deutschland an die Kette gelegt, und es zu einem Vasallen von Rußland gemacht haben! Oh, erst nach langen Zeiten und nach schweren Erfahrungen wird man begreifen, welch' eine Last man Deutschland aufgelegt hat mit der russischen Protection und Vermittelung, und wenn die böse Sieben der Gesandten in Teschen jetzt die Angelegenheiten Deutschlands auf ihre Weise ordnet, so wird Oesterreich nicht blos Baiern verlieren, sondern Deutschland wird seine Freiheit und Unabhängigkeit verlieren an Rußland. Und Ihr meint, daß ich mich dem unterwerfen soll, daß ich, der deutsche Kaiser schweigen soll zu dieser Demüthigung, daß ich, der Mitregent von Oesterreich, den Frieden unterzeichnen soll, den sie wider meine Ansicht und meinen Willen da zurechtmachen wollen?
Ew. Majestät sind in dieser Sache nur der Mitregent, sagte Lacy traurig. Maria Theresia ist die regierende Kaiserin, in ihrer Hand allein lag die Entscheidung und sie hat entschieden!
Nun wohl denn, sie hat entschieden, rief Joseph heftig, aber auch ich habe entschieden. Entsinnen Sie sich, Lacy, was ich meinem Bruder sagte, als er zu mir hierher kam? Ich sagte ihm, daß wenn die Kaiserin einen Frieden eingehen wolle, der nicht der Ehre und den Rechten Oesterreichs entspräche, ich nicht zu ihr nach Wien zurückkehren, sondern in irgend einer andern deutschen Stadt meine Residenz aufschlagen würde.
Ich entsinne mich dessen, Sire!
Und ich frage Sie Beide, halten Sie diesen Frieden, den wir haben werden, für ehrenvoll? Glauben Sie, daß es sich mit der Ehre Oesterreichs, daß es sich mit meiner persönlichen Ehre verträgt, wenn die Diplomatie jetzt diesen Krieg entscheidet, in welchem unsere Schwerter nicht eine einzige entscheidende That wagen durften?
Feldmarschall Lacy antwortete nur mit einem Achselzucken und einem schweren Seufzer.
Feldmarschall Loudon murrte halblaut vor sich hin: c'est une chienne de guerre diplomatique. Loudon's eigene Worte.
Der Kaiser betrachtete mit glühenden Augen diese beiden hochherzigen tapfern Krieger, die jetzt so kleinlaut und niedergeschlagen ihm gegenüber standen.
Ich werde nicht nach Wien zurückkehren, sagte er dann entschlossen. Die Welt soll mindestens sehen, daß ich nicht Theil habe an dieser Demüthigung Oesterreichs, an diesem Unglück Deutschlands. Ich werde nicht nach Wien zurückkehren, sondern in Frankfurt oder Aachen meine Residenz aufschlagen. Mögen Sie jetzt entscheiden, meine Herren, ob Sie mir folgen, und mit der Armee mir die Treue bewahren wollen, oder ob Sie einsam mich fortziehen lassen wollen als einen Kaiser ohne Land, ohne Unterthanen und ohne Freunde?
Für einen Soldaten giebt es da keine Wahl, sagte Loudon traurig. Ich habe der Kaiserin Treue und Gehorsam geschworen! Bis zu ihrem Tode bin ich der Soldat der Kaiserin, und nur ihr darf ich gehorchen und dienstbar sein!
Der Feldmarschall hat Recht, sagte Lacy traurig, unsere Pflicht bindet uns an die Kaiserin, und der Soldat darf niemals zögern, seine Pflicht zu erfüllen. Aber auch Ew. Majestät sind Soldat, auch Sie haben der Kaiserin Treue geschworen, und Sie dürfen Ihren Fahneneid nicht brechen.
Aber ich habe auch Deutschland Treue geschworen, ich habe auch gegen Oesterreich heilige Pflichten zu erfüllen, rief Joseph heftig.
Aber Ew. Majestät, erwiderte Lacy, werden diese heiligen Pflichten gegen Oesterreich schlecht erfüllen, wenn Sie sich jetzt von der Kaiserin trennen, wenn Sie Ihrem Volk das traurige Beispiel einer Uneinigkeit zwischen Mutter und Sohn geben, wenn Sie den Feinden Ihres Oesterreichs gestatten, von dieser Uneinigkeit Vortheil zu ziehen, und von der Nachgiebigkeit der Kaiserin Concessionen zu erhalten, die Ew. Majestät durch Ihre Gegenwart zu verhindern im Stande wären. Oh Majestät, ich beschwöre Sie, geben Sie einen Vorsatz auf, der für Oesterreich ein Unglück wäre, haben Sie den Muth, sich selber zu überwinden, und über Ihr gedemüthigtes und empörtes Herz den Panzer strenger Pflichterfüllung zu legen. Das Schicksal hat Ihnen in diesem unseligen Kriege nicht gestatten wollen, sich als ein Held der That zu zeigen; seien Sie also ein Held des Leidens, und tragen Sie Ihren gerechten Schmerz mit einer großen starken Seele!
Ach Lacy, Sie wollen aus mir einen Märtyrer machen! seufzte der Kaiser mit einem traurigen Lächeln. Das Märtyrerthum ist eine gar traurige Berühmtheit, und man muß erst sich an tausend Wunden verblutet haben, um sie zu erlangen. Und Sie, Loudon? fragte der Kaiser, sich an den Feldmarschall wendend, der bisher schweigend und verdrießlich vor sich hingestarrt hatte. Nicht wahr, Sie begreifen meinen Zorn, und billigen meinen Plan? Denn ich weiß, auch Sie haben mit schwerem Herzen den Jammer dieses Krieges ertragen, ich weiß, auch Sie haben nur mit kummervollem Sinn sich dem Befehl der Kaiserin gefügt und die Gelegenheit unbenutzt gelassen, dem Feinde eine Schlacht zu liefern und sich neue Lorbeern zu pflücken. Ich weiß, daß Ihr tapferes und kühnes Herz nichts sehnlicher wünscht, als die Fortsetzung dieses Krieges, daß Sie meine Empörung und meinen Schmerz begreifen, und es daher auch billigen werden, wenn ich nicht heimkehren will nach Wien, nicht unterthänig und gehorsam mich diesen Friedensbedingungen fügen will, von denen ich im Voraus weiß, daß sie demüthigend und schmachvoll für Oesterreich sein werden.
Der greise Feldmarschall neigte ernst sein Haupt, und seine kleinen grauen Augen richteten sich mit einem düstern Feuer auf das bewegte Antlitz des Kaisers.
Ew. Majestät haben Recht, sagte er mit lauter, feierlicher Stimme, Oesterreichs Nachgiebigkeit in dieser Sache wird ihre herben Früchte tragen; ich begreife daher den Unwillen vollkommen, mit dem Ew. Majestät dem bevorstehenden Frieden entgegensieht, und betrachte jedes rechtliche Mittel, solchen Friedensschluß zu verhindern, als ein Gebot der Staatsklugheit.
Oh, rief Joseph mit strahlenden Augen, Loudon giebt mir Recht, Loudon billigt meinen Entschluß, nicht nach Wien zu gehen! Das rechtfertigt mich vor meinen eigenen Augen, und giebt mir die Gewißheit, daß ich den kühnen Schritt wagen darf!
Ew. Majestät haben mich nicht zu Ende sprechen lassen, sagte Loudon ernst. Ich sagte, jedes rechtliche Mittel sei Ihnen erlaubt, den Friedensschluß zu hintertreiben. Aber das Mittel, welches der Zorn Eurer Majestät gerathen, ist kein rechtliches Mittel. Das Schauspiel eines Zwistes zwischen Mutter und Sohn ist in jeder Hinsicht ein beklagenswerthes und trauriges.
Aber habe ich nicht Recht in diesem Zwist, unterbrach ihn der Kaiser, bin ich es nicht, der gekränkt, gedemüthigt ist?
Loudon fuhr fort: Aber die Welt ist glücklicher Weise noch nicht so verderbt, daß sie in solchem Zwist dennoch nicht die Partei der Mutter gegen den Sohn nehmen sollte, selbst wenn das Recht auf seiner Seite stände. Und welchen Eindruck würde dieses Verfahren des kaiserlichen Sohnes auf das österreichische Volk machen, welches sich unter der patriarchalischen Regierung Maria Theresias glücklich fühlt, und die Kaiserin liebt als ihrer Aller Mutter! Diese Liebe des Volks zu seiner Kaiserin hat in den Zeiten der Gefahr Wunder gewirkt, und selbst den Staat gerettet! Ew. Majestät ist von der Vorsehung erkoren, einst mit der österreichischen Monarchie auch diese Liebe der Unterthanen zu erben, und wollen und dürfen darum auf dieses Erbtheil nicht verzichten, oder in der Fremde einen Ersatz für die Liebe Ihrer Oesterreicher suchen. Ganz Oesterreich schaut jetzt auf Sie hin und hofft von Ihnen eine glückliche und segensreiche Zukunft. Aber wie wollen Ew. Majestät jetzt Ihren Völkern das Beispiel eines mit seiner erhabenen Mutter in Zwist lebenden Sohnes geben, und dann von ihnen die Erfüllung der kindlichen Pflichten erwarten, über welche Sie selber sich hinweg gesetzt haben? Wie wollen Sie dereinst gehorsame Unterthanen verlangen, wenn Sie selber kein gehorsamer Sohn und Unterthan sind? Loudons eigene Worte. Siehe: Groß-Hoffinger I. S. 371.
Und als Loudon mit lauter zürnender Stimme so fragte, flammten seine Augen höher auf und richteten sich mit einem Ausdruck edlen Zornes auf das Antlitz des Kaisers. – Joseph schlug vor diesem kühnen Blick das Auge nieder und seufzte.
Hören Sie ihn, mein Kaiser, flehte Lacy, hören Sie die edle Stimme des alten Feldherrn, der oft für seine Kaiserin sein Blut vergossen hat!
Der Kaiser neigte sinnend sein Haupt und leises Aechzen, qualvolle Seufzer drangen aus seiner Brust hervor. Ich kann nicht nach Wien zurückkehren, murmelte er leise, ich kann nicht heucheln und meiner Mutter mit Liebe und Ergebenheit entgegentreten!
Ein tapferer Soldat muß jeden Feind überwinden können, Sire, auch den Feind in seiner eigenen Brust, sagte Loudon.
Ueberwinden Sie sich selber, Sire, und von den Schmerzen und Unannehmlichkeiten der Gegenwart wenden Sie Ihr Auge auf die glanzvolle und große Zukunft, die Ihrer harrt, sagte Lacy.
Oh mein Gott, wißt Ihr denn, was Ihr von mir fordert? rief Joseph außer sich. Ihr fordert von einem Sclaven, der das Joch von seinem Nacken streifen und frei sein könnte, daß er ohne Murren sein Joch weiter trage, und die Sclaverei freiwillig und aus eigener Wahl dulde. Ihr fordert von mir Unterwerfung und Gehorsam, während meine ganze Seele sich aufbäumt in Zorn und Empörung über die Schmach, die man mir aufbürdet.
Wir verlangen von dem zukünftigen Selbstherrscher, daß er ein guter Unterthan sei, rief Loudon streng.
Wir flehen zu dem großen und edlen Sinn unsers Kaisers, daß er um Oesterreichs willen seinen Stolz beuge, und ihm sein gekränktes Ehrgefühl zum Opfer bringe, bat Lacy.
Joseph schaute Beide mit traurigen Blicken an. Nun denn, sagte er matt, ich habe den Freund und den Soldaten gehört, jetzt will ich auch den Staatsmann noch hören. Ich hatte Kaunitz meinen Vorsatz mitgetheilt, und um seinen Rath gefragt. Seine Antwort ist heute angelangt, aber ich habe das Schreiben noch nicht geöffnet, weil ich von Ihnen Beiden erst eine Meinung hören wollte. Ihr seid Beide wider mich, und so soll Kaunitz denn jetzt die Entscheidung geben. Dort liegt der Brief. Ich bitte Sie, Lacy, öffnen Sie denselben und lesen Sie uns vor.
Lacy suchte das noch versiegelte Schreiben unter den Papieren hervor und öffnete es. Dann las er mit lauter Stimme das von des Fürsten eigener Hand geschriebene Billet, das so lautete:
»Ew. Majestät haben mich mit einem Schreiben beehrt, und begehren in demselben meinen Rath. Ich bemerke aber seit einiger Zeit, daß man meinen Vorschlägen seltener beipflichtet und also meinen Rath entbehren kann. Diese Betrachtung hatte in mir den Gedanken erweckt, meine Stelle niederzulegen und den Rest meiner Tage in Zurückgezogenheit den Freunden und den Wissenschaften zu leben. Der Entschluß Eurer Majestät, Ihre Residenz nach Frankfurt oder Aachen zu verlegen, bestimmt mich nun, meinen Vorsatz sogleich auszuführen. Denn unmöglich kann ich wünschen, daß man von mir einst sage, ich hätte während meiner Verwaltung nicht zu verhindern gewußt, was die Welt mit Staunen vernehmen, alle österreichischen Völker mit tiefem Kummer erfüllen und dem Staat höchst verderblich sein wird.«
Eine Pause trat ein, als Lacy dies laconische Schreiben zu Ende gelesen hatte. Mit traurigen, gespannten Mienen blickten die beiden Feldherrn auf den Kaiser hin.
Er stand da mit über einander geschlagenen Armen, das Haupt rückwärts gelehnt, die großen blauen Augen mit einem Blick fragenden, vorwurfsvollen Schmerzes gen Himmel gerichtet, die zitternden Lippen fest auf einander gepreßt. Allmälig senkte sich sein Blick niederwärts, und die Augen, welche in den ziehenden Wolken des Himmels sein Schicksal gelesen zu haben schienen, wandten sich jetzt den beiden Feldherrn zu.
Ihr habt mich aufgefordert, ein guter Unterthan und ein guter Soldat zu sein, sagte er langsam und mit bebender Stimme. Ich will es sein, ich will mir Eure Achtung verdienen, und ich will Oesterreich einen Staatsmann erhalten, der ihm in guten und schlimmen Tagen genutzt hat! Mein Geschäft ist hier zu Ende, ich kehre heut noch heim nach Wien!
Ein schönes Lächeln verklärte das harte, durchfurchte Antlitz Loudons, und lebhaft mit dem Kopfe nickend, sagte er: Ich wußt' es wohl, daß mein Kaiser nicht anders handeln würde.
Lacy stieß einen Freudenruf aus und zu dem Kaiser hinstürzend, nahm er seine Hand und drückte sie voll unendlicher Zärtlichkeit an sein Herz.
Sire, ich habe Sie geliebt, so lange Sie leben, sagte er innig, von heute an aber gehört Ihnen nicht blos mein Herz, sondern auch meine Seele!
Liebt mich immerhin ein wenig, sagte Joseph tief aufathmend, die Liebe meiner Freunde muß mich entschädigen für vieles Leid. So sei es denn, wir reisen heute noch ab nach Wien. Und Lacy, fuhr er mit traurigem Lächeln fort, es ist doch nicht ganz so, wie ich es Euch geklagt, und nicht ohne einen Sieg gefeiert zu haben, kehre ich zu meiner Mutter zurück. Ich habe heute eine große Schlacht gewonnen, nur daß sie mir keine Lorbeeren eingetragen, und daß die Wunden, die ich bekommen, nicht auf der Stirn, sondern in meinem Herzen bluten! Auf denn nach Wien zu meiner Mutter, der regierenden Kaiserin!