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X.
Friedrich der Große

König Friedrich verweilte immer noch in seinem Lager zu Wildschütz, und vergeblich hoffte seine Armee von Tag zu Tag, daß endlich dieser Zustand des Harrens und der Unthätigkeit aufhören werde, daß endlich der König sich an die Spitze seiner Armee stellen und das ersehnte Wort: »Vorwärts, dem Feind entgegen,« aussprechen werde. Sehnsuchtsvoll richteten sich an jedem Morgen die Blicke der Soldaten auf dieses kleine graue Häuschen da drüben am Ende des Dörfchens, in welchem der König sein Quartier genommen; immer noch hofften sie, den König wieder zu sehen, nicht gebeugt, zitternd auf seinen Stab gestützt, wie er ihnen immer in diesem Krieg erschienen war, sondern hochaufgerichtet, mit flammenden Blicken, mit kühnem Schritt, wie er vor ihnen hergeeilt war zu den Zeiten des siebenjährigen Krieges.

Aber diese Hoffnung war immer vergeblich gewesen; in thatenloser Ruhe mußten die Soldaten in ihrem Lager verweilen, und in diesem Lager herrschte Mangel an Allem, was nicht blos zur Bequemlichkeit, sondern zur Nothdurft des Lebens gehörte. Es fehlte an Nahrungsmitteln für die Menschen, an Fourage für die Pferde, welche ihre Reiter nicht mehr zu tragen vermochten, sondern von ihnen mühsam fortgeführt werden mußten. Dohms Denkwürdigkeiten. Th. I. S. 157. Krankheiten und Seuchen aller Art wütheten unter den Soldaten und machten die tapfersten Krieger traurig, siech und schwach wie Greise.

Längst schon verstummt war der fröhliche Gesang und das heitere Lachen, mißmuthig schlichen die Soldaten ihren täglichen Lagerbeschäftigungen nach, finster und mit heimlichen Flüchen erduldeten sie die Qual der Entbehrungen, des Hungers und der Krankheiten, und verstohlen richteten sich oft ihre Blicke hinüber nach dem jenseitigen Ufer der Elbe, wo die österreichischen Armeen lagerten. Da drüben herrschte Frohsinn und Heiterkeit, oft trug der Wind die Klänge der fröhlichen Lieder, mit denen die österreichischen Soldaten sich belustigten, hinüber zu den Preußen, und wenn sie zur Mittagszeit die hohen Rauchsäulen aus dem Lager der Oesterreicher aufwirbeln sahen, da ward den Preußen gar sehnsuchtsvoll und schmerzlich zu Sinn, und gar verbrecherische Gedanken von Desertion und Flucht regten sich in ihren zermarterten und geängstigten Seelen.

Und nicht Alle vermochten diesen verlockenden schlimmen Gedanken zu widerstehen. Das fröhliche Lied, die wirbelnden Rauchsäulen, welche sie den langentbehrten Genuß warmer, kräftiger Fleischspeisen ahnen ließen, die Verzweiflung ihrer trostlosen Lage, die Hoffnung, sich den Krankheiten zu entziehen, die im preußischen Lager wütheten, das Alles war es, was die armen Preußen verführte. Um mehr schon als achttausend Mann, die theils zu den Oesterreichern desertirt, theils den Krankheiten erlegen waren, hatte sich das preußische Heer seit dem Beginn dieses Feldzugs verringert, und doch war noch keine einzige Schlacht geschlagen, doch hatte der König sich immer nur auf Scharmützel, kleine Vorpostengefechte und gegenseitige Neckereien beschränkt.

Wie oft hatten die preußischen Soldaten, zitternd vor Kampfbegier, den Oesterreichern so nahe gestanden, daß der Marsch eines halben Tages genügt haben würde, um ihnen gerade gegenüber zu sein, und wie freudig wären sie bereit gewesen, mit den Oesterreichern endlich den entscheidenden Kampf zu wagen, und wär's auch nur gewesen, um ihnen ihr gut eingerichtetes Lager und ihre Eßwaaren abzugewinnen.

Aber immer wieder, wenn sie der Entscheidung glaubten ganz nahe zu sein, hatte der König, als sähe er den herausfordernden Feind da drüben nicht, es vermieden, den Kampf zu beginnen, und statt des Kampfes war den Soldaten nur das Fouragiren erlaubt.

Indeß auch dies war eine Erlaubniß, von welcher die preußischen Soldaten wenig Vortheil mehr zu ziehen vermochten, und die wenig dazu geeignet war, ihren Hunger und ihre Noth zu lindern. Das arme Böhmen war ausgeplündert und leer, es bot den Hungernden keine Hülfsmittel, den Kranken keine Pflege mehr dar; denn die Böhmen, voll Haß und Ingrimm gegen den Feind, der mit so schonungsloser Grausamkeit ihnen ihr Eigenthum nahm und ihre Felder verwüstete, die Böhmen waren zu ganzen Schaaren aus dem vom Feinde besetzten Theil Böhmens ausgewandert, und hatten sich hinüber gerettet zu den Oesterreichern. Und dennoch bestand der König darauf, daß sein Heer noch ferner seinen Unterhalt aus Böhmen ziehen müsse, und alle Vorstellungen, alle Bitten seiner Generäle hatten bei ihm nur ein übelgelauntes, mürrisches Nein! zur Antwort gehabt.

Dieses fortgesetzte Nein! hatte endlich das Heer zur Verzweiflung getrieben, und seit einigen Tagen herrschte unter den Soldaten eine Gährung und Aufgeregtheit, welche die Officiere zu ängstigen begann, und die sie weder durch Drohungen, noch durch gute Worte mehr zu beschwichtigen vermochten.

Wir wollen dem König unsere Noth klagen! Wir wollen mit dem König selber sprechen, und er muß uns hören, wenn er noch der alte Fritz ist! riefen die Soldaten wild durcheinander, und mit diesem Ruf wälzte sich ein Haufen Artilleristen dem Quartier des Königs zu.

In Reih und Glied stellten sie sich vor demselben auf, die blitzenden, herausfordernden Augen unverwandt auf die Fenster gerichtet, hinter denen der König verweilte.

Wir wollen unsern König sprechen! Hurrah! Es lebe unser König! brüllten die Soldaten. Wo ist unser alter Fritz! Will der alte Fritz die Klagen und Bitten seiner armen Soldaten nicht mehr hören?

Ich will sie hören! sagte eine sanfte Stimme, die indeß doch das Geschrei der Soldaten übertönte, und in dem geöffneten Fenster erschien der König in seiner wohlbekannten Uniform, mit dem Hut auf dem Kopf.

Die Soldaten empfingen ihn mit lautem, dreimaligem Hurrahruf, und aller Noth, alles Unheils vergessend, strahlten ihre Augen vor heller Liebeslust, erglänzte das Roth der Freude auf ihren eingefallenen Wangen.

Was wollt Ihr? fragte der König, als der Jubel verstummt war.

Zuerst wollten wir unsern König sehen, sagte einer der Soldaten, indem er vortrat und im Namen seiner Kameraden das Wort ergriff. Ja, wir wollten endlich einmal den alten Fritz wieder sehen, denn wir konnten's schier gar nicht mehr glauben, daß unser großer König noch bei uns sei in diesem jammervollen Lager und uns ohne Erbarmen hier so umkommen und hungern sähe!

Ihr seht jetzt, daß ich da bin, sagte Friedrich mit einem sanften Lächeln, und Ihr seht, daß ich auch nicht viel besser daran bin, als Ihr. Oder meint Ihr, daß dies hier ein passendes Schloß ist für Euren König?

Eine elende Hundehütte ist's, rief der Soldat, und alle seine Gefährten riefen es empört ihm nach, eine elende Hundehütte ist's!

Seid Ihr blos gekommen, um mir das zu sagen? fragte der König, als wieder Stille eingetreten war.

Nein, Herr König, zuerst wollten wir Euch sehen, und dann –

Nun, und dann?

Dann wollten wir Euch bitten, unserer Noth ein Ende zu machen. Kann unser König uns nicht satt machen, so muß er wenigstens unsere Pferde sättigen. Der Mensch kann wohl schon eine Zeit lang Hunger und Durst vertragen und als ein rechtschaffener Soldat ausharren trotz Entbehrung und Noth, aber das arme Vieh hat kein Ehrgefühl und kennt keine Pflichten, und wenn's eben hungert, so wird's krank, und kann sich nicht zusammen nehmen und sich nicht auf die Zukunft vertrösten. Es kann blos hungern oder sterben. Und wenn unsere Pferde noch lange hungern sollen, so sterben sie, und es ist ein Unrecht vor Gott und den Menschen, wenn man das arme Vieh, das sich nicht selber helfen kann, hungern läßt; und darum, Herr König, darum sind wir hergekommen, und flehen Euch an: Fourage! Gebt uns Fourage für unsere Pferde!

Das ganze Corps brüllte und schrie es nach: Fourage! Gebt uns Fourage für unsere Pferde!

Und immer wilder, immer fanatischer ward dieser Ruf, denn mit Entsetzen hatten die Soldaten gesehen, daß der König sein Fenster geschlossen hatte und in den Hintergrund seines Zimmers zurückgetreten war. Die Verzweiflung gab ihnen Riesenkräfte, wie Donner rollte ihr Ruf: Fourage! Gebt uns Fourage für unsere Pferde!

Auf einmal rief eine machtvolle, gebieterische Stimme: Still, Ihr Alle! Still, sage ich!

Sie kannten Alle diese Stimme gar wohl, diese Stimme, welche sie so oft zu Siegen und Schlachten geführt, und vor der sie auch jetzt mit erzitterndem Herzen verstummten.

Da dicht vor ihnen, auf der kleinen, aus elenden Feldsteinen aufgeführten Treppe, die zur Thür des Hauses führte, stand der König, und hinter ihm drängten sich seine Generäle und Adjutanten in buntem Gemisch durcheinander, und von allen Seiten eilten die Stabsofficiere herbei und stellten sich zu beiden Seiten des Königs neben der Steintreppe auf.

Sire, sagte einer der Generäle leise zu dem König, sollen wir die Empörer mit Gewalt forttreiben?

Ein zorniger Blick des Königs traf den Fragenden wie ein zerschmetternder Blitz.

Und warum sollten wir das? fragte er scharf. Warum wollten wir meinen armen Soldaten das Recht nehmen, mir ihre Klagen mitzutheilen, da das Ohr meiner Generäle taub und verstopft dagegen zu sein scheint? Sprecht, meine Kinder, sprecht, was wünscht Ihr von mir?

Futter für unsere Pferde, Herr König, denn unsere Pferde fallen um, wie die Fliegen!

Der König wandte sich wieder seinen Generälen zu. Seht, sagte er, sie zornig anblickend, diese braven Leute fordern nichts für sich, sie verlangen nur, daß man für ihre Pferde sorgt. Sie haben Recht! Weshalb sorgen meine Herren Generäle nicht dafür, daß Ordnung herrscht, und daß meine Soldaten gehörig verproviantirt sind? Warum läßt man nicht besser fouragiren?

Sire, wagte einer der Generäle zu sagen, das Fouragiren in dieser Gegend ist unnütz. Wir haben auf Befehl Eurer Majestät fouragirt, so lange es noch ein Heubündel, eine gefüllte Scheune, eine Rauchkammer und Küche gab. Jetzt gleicht die ganze Gegend rings umher einer öden Wüste.

Der König schaute den kühnen Sprecher mit zornblitzenden Augen an. Leere Ausflüchte, rief er rauh und mit jener Verstimmung, welche ihn seit Beginn dieses Feldzuges niemals verlassen hatte. Ihr seid es, die meinen Soldaten die Fourage entziehen, und während Eure Pferde im Ueberfluß schwelgen, müssen die Pferde meiner armen Soldaten verhungern.

Aber Ew. Majestät –

Kein aber! Ich weiß, daß es so ist, und ich befehle daher, daß die Herren Generäle, Adjutanten und Stabsofficiere meiner Suite sofort alle die Fourage, die sich bei ihnen findet, hierher vor die Thür meines Quartiers schaffen lassen. Die Soldaten der reitenden Artillerie da sollen so lange hier stehen bleiben und warten, bis die Fourage kommt, damit sie davon ausgetheilt bekommen. Vergl. Dohms Denkwürdigkeiten Th. I. S. 158. Seid Ihr's zufrieden, Kinder?

Ja, Herr König, wir sind's zufrieden! riefen die Soldaten wild durcheinander, jubelnd, lachend und fröhlichen Muthes, wie man sie lange nicht gesehen.

Aber mit düstern Gesichtern, mit finstern Mienen standen die Generäle da, tief ergriffen von dem unerwarteten und demüthigenden Befehl, den der König erlassen.

Friedrich indessen schien die Verstimmung seiner Generäle gar nicht zu gewahren. Er stand, auf seinen Krückstock gelehnt, den Hut tief in die Augen gedrückt, und schaute zur Erde nieder. Nur zuweilen, wenn ein Soldat, mit einem Heubündel beladen, daher kam und ihn vor der Thür ablud, warf der König einen raschen Blick darauf hin und senkte ihn dann schnell wieder nieder.

Die Artilleristen, welche erst laut gejubelt und gelacht hatten, waren allmälig still geworden und blickten mit angstvollen, fragenden Gesichtern bald auf den König und seine Generäle, bald auf die wenigen Bündel Heu, welche von den dazu commandirten Soldaten, unter Anführung eines Officiers, aus den Quartieren der königlichen Suite herbeigeschafft wurden.

Endlich näherte sich der Officier dem König und meldete, daß das Geschäft zu Ende sei und daß sich nirgends mehr in den Quartieren ein Bündel Heu auffinden lasse.

Der König schaute empor und ließ einen fast traurigen Blick auf die kleinen Hügel von Heubündeln hinüber gleiten.

Das ist Alles, was Ihr gefunden habt? fragte er.

Alles, Sire.

Nun, rief er den Artilleristen zu, theilt Euch in das, was da ist. Wenn die Herren meiner Suite eigennütziger gewesen wären und mehr für ihre Pferde zurückbehalten hätten, würdet Ihr jetzt mehr bekommen haben. Aber Ihr seht, meine Herren Generäle und Adjutanten sind brave und tapfere Krieger, wie Ihr. Hatten auch nur das Nothdürftigste, und da Ihr ihnen auch dies noch nehmt, werden ihre Pferde hungern, wie die Euren, wenn Ihr nicht tüchtig zu fouragiren versteht. Habe Euch nur den Beweis geben wollen, daß wir Alle nicht besser daran sind wie Ihr, und daß die Herren meiner Suite nicht im Ueberfluß schwelgen, wenn Ihr darbt. Jetzt nehmt, was da ist, und verlangt nicht von mir, daß ich Euch gebe, was ich nicht habe.

Die Artilleristen standen noch immer still und ohne sich zu rühren da, fast beschämt nach dem Heu hinüberschielend. Aber die Gesichter der Generäle und Adjutanten hatten sich aufgeklärt, und mit Blicken voll Bewunderung und Liebe schauten sie auf den König hin, der ihnen eine so glänzende Ehrenerklärung gegeben, und dessen seltsamen Befehl sie erst jetzt verstanden.

Der König indessen schien jetzt ebensowenig ihre erheiterten Gesichter zu bemerken, als vorher ihre düstern. Er schaute mit ernsten, sorgenvollen Mienen nach den Soldaten, die sich jetzt mit wilder Begierde auf das Haus gestürzt hatten, und einander in wahrer Angst den Besitz der einzelnen Bündel streitig machten. Er sah, wie Wenige nur glücklich und triumphirend, mit einem Bündel Heu beladen, von dannen zogen, wie Viele aber leer, mit unverhohlenem Mißmuth sich abwandten und ihren Zelten zuschlichen. Dohms Denkwürdigkeiten. Th. I. S. 158.

Auch der König wandte sich ab, stumm und ohne Gruß ging er an den Generälen vorüber in das Haus und kehrte in sein Zimmer zurück.

Jetzt, als er sich allein und unbeobachtet fühlte, wich die strenge Ruhe aus dem Antlitz des Königs. Mit einer verzweiflungsvollen Geberde warf er seinen Hut von sich und ließ sich auf den ledernen Lehnstuhl, das einzige Meuble, das sich außer einem Tisch und einem Bett in diesem düstern, kleinen Gemach befand, niedergleiten.

Es geht nicht mehr so, murmelte der König vor sich hin, wir müssen Ernst machen im Guten oder im Bösen! Wir müssen vorwärts oder rückwärts gehen! Dieser Krieg ist nichts als eine Misere, nichts als das Werk eines erschöpften Greises, der keine Kraft und keinen Schwung mehr besitzt. Wie oft, ach wie oft habe ich nicht in diesem Feldzug Boileau's Verse wiederholt:

» Malheureux, laisse en paix ton cheval vieillissant
De peur, que tout à coup essoufflé, sans haleine
Il ne laisse en tombant son maître sur l'arène.
« Des Königs eigene Worte. Siehe: Supplément aux Oeuvres posthumes. Vol. III. p. 49.

Warum ich diesen Krieg begonnen habe? Warum bin ich nicht in meinem Land geblieben, nur beschäftigt, mein Volk glücklich zu machen und seinen Wohlstand zu sichern!

Der König schwieg, und schwer aufseufzend senkte er sein Haupt tiefer auf seine Brust. So saß er eine lange Zeit, ganz hingegeben seinen sorgenvollen Betrachtungen. Aber auf einmal richtete er sein Haupt empor und aus seinen großen Augen blitzte jetzt wieder das kühne Feuer seines Heldengeistes.

Warum ich diesen Krieg unternommen habe? fragte er mit lauter voller Stimme. Ich habe ihn unternommen für deutsche Ehre und deutsches Recht! Wie schwer die Last des Krieges meinem Alter auch sein mag, ich will sie mit Heiterkeit ertragen, wenn ich nur dadurch den Frieden und die Ruhe Deutschlands für die Zukunft consolidiren kann. Ich habe diesen Feldzug nicht begonnen aus Uebermuth, sondern ich habe ihn begonnen, weil ich den tyrannischen Principien einer habgierigen Regierung einen Damm entgegensetzen und einen ungemäßigten Ehrgeiz zurückdrängen mußte, der keine Grenzen kennt, als die, welche eine hinlänglich starke, feindliche Macht ihm anweist. Des Königs eigene Worte. Oeuvres posthumes. Vol. XII. p. 36.

Deshalb bin ich in den Kampf gezogen, und deshalb will ich auch ausharren, bis ich der Gerechtigkeit und der deutschen Ehre zum Siege verholfen habe. Aber dieses Zaudern und diese Unthätigkeit muß jetzt ein Ende haben, es demoralisirt meine Soldaten und nimmt ihnen das Vertrauen auf ihre eigene Kraft. Entweder vorwärts, oder rückwärts! Vorwärts also!

Gleichsam, als habe dies Wort ihn selber electrisirt, sprang der König rasch von seinem Lehnstuhl empor, und das kühne Feuer seiner Heldenzeit blitzte wieder in seinen Augen auf.

Vorwärts also! rief er noch einmal, und mit einer hastigen Bewegung griff er nach der Handklingel und schellte.

Sogleich die Herren Generäle und Stabofficiere hierher beschieden, befahl er dem eintretenden Kammerdiener. In einer Viertelstunde müssen die Herren hier sein!

Alsdann ging er, die Hände auf dem Rücken gefaltet, das Haupt ein wenig in den Nacken zurückgelehnt, langsam auf und ab. Eine edle Begeisterung leuchtete von seinem Angesicht, ein kühnes Feuer blitzte aus seinen Augen, der Greis von achtundsechszig Jahren hatte sich wieder in den Helden so vieler siegreichen Schlachten verwandelt, und die unverwelkten Lorbeeren früherer Tage glänzten wieder auf seiner hohen Stirn.

Mit diesem Gesicht und diesen Feueraugen der Vergangenheit begrüßte der König seine Generäle, die genau zu der befohlenen Zeit eintraten und erwartungsvoll und schweigend sich in dem kleinen niedern Gemach aufstellten.

Der König ging auf und nieder und wartete, bis sie Alle versammelt waren, dann blieb er mitten in dem Gemach stehen, und ein Blitz seiner Augen fuhr an den Gestalten seiner Generäle hin.

Messieurs, sagte der König laut, wir brechen morgen von hier auf.

Die Generäle empfingen diese Nachricht in ehrfurchtsvollem Schweigen.

Wir gehen morgen über die Elbe und dem Feind entgegen! sagte der König mit lauterer Stimme.

Bei diesem Wort strahlten alle Gesichter auf, wie von einem Sonnenstrahl getroffen, und wie aus einem Munde riefen Alle: Es lebe unser König! Er lebe hoch!

Der König bemühte sich ein strenges Gesicht zu machen. Still, Ihr alten Knaben, sagte er, was sollen denn die jungen Burschen da draußen thun, wenn Ihr schon solch' Geschrei macht! Seid Ihr also freudig, und meint, es müsse gelingen, den Uebergang über die Elbe zu machen? Red' Er zuerst, General-Major von Keller, Er hat sich in der Affaire des Arrièregardegefechtes das Recht erworben, überall mitzusprechen. Was meint Er, werden wir die Elbe passiren können?

Wir werden es, Ew. Majestät. Ich habe gestern bei einer Recognoscirung einen Punkt entdeckt, wo wir hinüber können, ohne von den Kugeln des Feindes allzusehr molestirt zu werden.

Gut! Jetzt Ihr andern Herren! Sagt mir Eure Meinung!

Der König hörte mit Aufmerksamkeit den Urtheilen seiner Generäle zu und sein Antlitz ward immer heiterer und freudiger.

Ich sehe, daß wir Alle übereinstimmen, sagte er dann, und daß wir Alle entschlossen sind, den Angriff endlich zu wagen. Vorwärts also! Mögen sich meine Soldaten morgen ihre Fourage im Lager der Oesterreicher suchen. Jetzt, Messieurs, nehmen Sie Ihre Schreibtafeln, ich will Ihnen die Ordres du jour für morgen ertheilen.

Und mit dem alten gewohnten Feuer, dem scharfen klaren Geist seiner großen Tage dictirte Friedrich seinen Generälen seine Ordres, wies er Jedem seine Stelle an in der Schlacht, zu welcher er morgen die Oesterreicher zu zwingen beabsichtigte.

Jetzt zu Pferde, meine Herren, zu Pferde, sagte er dann. Ich habe Ihnen, als wir Berlin verließen, versprochen, an den Tagen der Schlacht an Ihrer Spitze und zu Pferde zu sein, und ich werde Wort halten. Ueberall, wo die Gefahr ist, werden Sie auch den König finden. Gott Mars muß einmal ein Auge zudrücken und mir meine siebenundsechszig Jahre in Gnaden verzeihen! Heute will ich einen Proberitt machen, damit mein alter Leib es inne wird, daß die Zeit träger Ruhe vorüber ist! Zu Pferde also! Der General-Major von Keller soll uns die Uebergangsstelle an der Elbe zeigen.


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