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Die beiden Schriften, die sich hier unter einem gemeinsamen Titel vereinigen, gehören verschiedenen Stoffgebieten an, zeigen aber tatsächlich eine innere Verwandtschaft: beide sind auf ein Ziel der zersetzenden Erkenntnis gerichtet, welche Wahrheiten finden will, indem sie Grundirrtümer der Menschheit vernichtet. Die eine zeigt einen persönlichen Mittelpunkt, den Sokrates als den angeblichen Vater der Philosophie, die andere beschäftigt sich mit dem Kunstganzen, und in beiden Fällen wird die Frage aufgeworfen, ob die Geltungsbereiche bisher richtig verstanden und gewertet worden sind. Hier wie dort wird in eindringlicher Betrachtung die Notwendigkeit des Umlernens nachgewiesen und die Existenz von Fehlschlüssen, die sich wie eine ewige Krankheit von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt haben. Was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten, rückt in das Feld der Untersuchung und zeigt sich eindringlich beleuchtet als das, was es in Wahrheit ist, als »das ewig Gestrige«. In dem einen Fall handelt es sich um den Glauben an die Ewigkeit unserer Kunst, in dem andern um ein Dogma im Bereich der universalsten Wissenschaft. Wenn die Sonde der Kritik sich an vermeintliche Heiligtümer heranwagt, so hat der Untersuchende nicht danach zu fragen, ob letzten Endes Erfreulichkeiten zu Tage treten werden. Die Kunst eine Episode? der Obergott der Weisheitserforschung ein hohler Götze? das muß wohl in blasphemische Erörterungen hineinführen, die den eingewurzelten Überzeugungen empfindliche Schmerzen zufügen; so wie es einst als peinvolles Sakrileg empfunden wurde, als die Vorstellung von der beherrschenden Stellung des Erdplaneten zur Abdankung gezwungen wurde. Aber der »Ketzer« ist nach Sprachherkunft nichts anderes als der »Katharos«, der Reine, und er will nichts anderes erwirken als die Katharsis, die Reinigung von Vorurteilen. Er bedient sich der Keule des schweren Arguments und greift auch zur Spitzwaffe des Sarkasmus, wo die Natur des Vorurteils die Satire herausfordert und die Wahrheit reif wird für das befreiende Gelächter. Was er entwickelt und beweist, so abenteuerlich es auch in erster Verkündung klingt, wird dereinst als selbstverständlich gelten, und die Nachfahren werden kaum noch begreifen, daß die hier entthronten Gottheiten durch soviel Jahrhunderte zu regieren vermochten.
Herbst 1921.