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Unterdessen war die Fahrt der Dampfer und ihrer Fracht gut vonstatten gegangen. Natürlich saßen Amy und Mariano während der ganzen Reise beisammen, um sich für eine so lange Zeit der Entbehrung zu entschädigen. Geierschnabel stand am Bug des ersten Dampfers. Er hatte die Führung des Schiffszuges übernommen.
Man war bereits am anderen Morgen aus dem Rio Grande del Norte in den Sabina eingefahren und näherte sich dem Punkt immer mehr, an welchem die beiden Arme desselben sich vereinigen.
Sternau stand in der Kajüte, tief in die Betrachtung der beiden Bilder versunken, als Juarez bei ihm eintrat. Dieser hatte gehört, wen die Fotografien darstellten. Er sagte:
»Allem Anschein nach sind Sie ein ebenso beneidenswerter Gatte wie Vater. Haben die Ihrigen bereits eine Ahnung von Ihrer Wiederkehr?« – »Nein. Ich hatte bei unserer Landung in Guaymas die Absicht, Ihnen zu schreiben, aber es gibt dort keine Briefbeförderung.« – »Hier leider auch nicht, wenigstens ist sie außerordentlich unsicher.« – »So werden meine Angehörigen noch lange warten müssen«, meinte Sternau in trübem Ton. – »Ich möchte Ihnen gern helfen, mein lieber Señor, aber die Franzosen machen mir dies unmöglich.« – »Inwiefern?« – »Ich habe bereits zweimal den Versuch gemacht, ganz harmlose Privatbriefe ihnen zur Beförderung anzuvertrauen, bin aber abgewiesen worden.« – »Waren Sie selbst der Absender?« – »Nein. Die Briefe waren von mir ganz unbekannten Leuten geschrieben, die mich baten, ihre Beförderung zu gestatten. Ich erlaubte dies gern; an der französischen Okkupationslinie aber wurden sie zurückgewiesen, obgleich die Schreiben offen waren, so daß sich ein jeder von ihrem unverfänglichen Inhalt überzeugen konnte. Der eine verlor dadurch sein Vermögen, und der andere erlitt auch einen bedeutenden geschäftlichen Schaden. Man muß sagen, Frankreich marschiert an der Spitze der Zivilisation. Die Nation ist die größte Beschützerin der internationalen Humanität.«
Diese Worte waren mit tiefer Erbitterung gesprochen. Doch fuhr er gleich darauf fort:
»Wie wäre es, wenn wir versuchten, ihnen ein Schnippchen zu schlagen?« – »In welcher Weise?« – »Sie schreiben nach Hause, und zwar zwei gleichlautende Briefe. Kommt der eine nicht an, so gelangt doch vielleicht der andere an seine Adresse.« – »Auf welchem Weg?« – »Sie senden den einen nach Tampico und den anderen nach Santillano. Ich habe an beiden Orten zuverlässige Vertrauensmänner, denen es große Freude machen würde, die Briefe einem Schiff zur Beförderung zu geben.« – »Und wer bringt sie hin? Das ist gefährlich!« – »O nein. Ich habe viele Leute unter meinen Truppen, die unternehmend genug sind, eine solche Aufgabe zu lösen. Übrigens ist von einer Gefahr gar nicht die Rede. Selbst wenn man einen dieser Boten auffangen und den Brief öffnen sollte, enthält dieser ja nur Privatnachrichten, die dem Überbringer nicht schaden können.« – »So muß ich in dem Schreiben von Ihnen schweigen.« – Auch das ist nicht nötig. Was kann der Bote dafür, daß der Absender sich bei mir befindet?« – »Das ist allerdings wahr. Darf ich Ihren Vorschlag annehmen, Señor?« – »Ich bitte Sie es zu tun.« – »Wann darf ich da schreiben?« – »Sogleich, wenn es Ihnen möglich ist. Sobald wir an das Lager kommen, werde ich zwei Mann auswählen, die sofort nach den genannten Orten aufbrechen.«
Sternau folgte dieser Aufforderung. Papier war nebst den nötigen anderen Schreibrequisiten vorhanden. Der Brief lautete:
»Meine Lieben und Teuren!
Mit heißen Tränen im Auge schreibe ich diese Zeilen nieder. Es sind Freudentränen, die ich vergieße bei dem Gedanken, welche Freude, welches Entzücken dieses unerwartete Lebenszeichen daheim hervorrufen wird.
Habt Ihr meine Schrift sofort erkannt, als Ihr das Kuvert erblicktet? Fast glaube ich, das Schreiben verlernt zu haben, da meine Hand beinahe zwei Jahrzehnte lang weder Feder, noch Stift berührte. Es war eine lange Zeit, eine qualvolle, trostlose Ewigkeit, die nun hinter uns liegt. Ausgesetzt und gefangen auf einer kleinen, einsamen Insel des Ozeans, haben wir ärmlicher und hilfloser gelebt als Robinson Crusoe, den doch das Wrack des Schiffes mit Waffen und anderen Hilfsmitteln versah.
Wir haben nach Rettung geschrien, wie der Sünder im Fegefeuer nach Erlösung schreit. Fast schien es, als ob alle unsere Gebete erfolglos seien, als ob es keinen Gott gäbe, der die Stimme des Jammers vernehmen will. Da endlich, endlich erbarmte sich der Allgütige unserer und sandte uns zu unserem Retter einen Mann, den auf Erden zu sehen wir nicht für möglich gehalten hätten.
Wer alles mit auf unserer Insel war, fragt Ihr? Ich nenne Euch nur Mariano, Helmers und seinen Bruder Anton. Die übrigen sind Euch nicht bekannt, und ein ausführlicher Bericht ist auch nicht der Zweck dieser Zeilen. Wer unser Retter war? Graf Ferdinando de Rodriganda, der Totgeglaubte.
Rätsel auf Rätsel, nicht wahr? Ich werde sie Euch baldigst lösen. Jetzt befinden wir uns wieder in Mexiko bei Juarez. Amy und Lord Lindsay sind da. Mariano ist entzückt, die Geliebte zu besitzen. Gott, wäre doch auch mir dies Glück beschieden!
In Amys Kajüte hängen zwei Porträts, das meiner Rosa und auch das meines – Waldröschens. Ich habe vor denselben auf den Knien gelegen, und wenn Gott wirklich Gott ist, so wird er mein Gebet erhören und Euch so viel Glück mehr gewähren, als ich Gram und Leid erdulden mußte.
Allem Anschein nach befinden wir uns auf dem Heimweg; aber es gibt hier noch einige Aufgaben zu lösen, bevor wir Mexiko verlassen können. Es gilt, das Geheimnis von Rodriganda aufzuklären und die Schuldigen zu bestrafen. Dann kommen wir alle zu Euch nach Rheinswalden.
Amy hat mir erzählt, welche ungeahnte Veränderung daheim vorgegangen ist. Ich habe einen Vater. Gott, welch ein Glück, welch eine Freude! Mutter, grüße ihn tausend und abertausend Male von mir! Nicht, daß er ein Herzog ist, macht mich so glücklich, sondern der Gedanke, daß Dein Herz ein zweites gefunden hat, an das es sich stützen und lehnen darf.
Wie gern möchte ich Euch bitten, mir zu schreiben. Aber wo sollte mich Eure Antwort treffen, wenn sie überhaupt noch während meiner Anwesenheit nach Mexiko gelangte? Begnügen wir uns also mit diesem Lebenszeichen und der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.
Rosa, mein heißgeliebtes, teures Weib, Du Wonne meiner Seele, Du Bild meines Wachens und meiner Träume viele Jahre lang, ich flehe Dich an, lege Deine Hände auf das Haupt unseres Kindes und gib ihm an meiner Stelle den Vatersegen. Möge jede Träne, die ich vergoß, jeder Seufzer, den ich in die Lüfte hauchte, sich für Röschen in eine Stunde des Glückes verwandeln. Meine Hand zittert, und mein Herz bebt, indem ich dieses schreibe. Meine ganze Seele ist ein einziges und inbrünstiges Gebet für Euch, die ich nimmer wiederzusehen erwartete und deren Antlitz mir nach so langem Sehnen doch noch entgegenleuchten wird.
Grüße alle, alle, auch die ich einzeln nicht nenne, da mir die Zeit zum Schreiben so kurz zugemessen ist, die Schwester, Herrn von Rodenstein, den wackern Ludwig, dessen Bruder Andreas ich hier getroffen habe und mitbringen werde. Grüßt auch Frau Helmers und ihren Kurt; ich werde ihnen den Gatten und Vater in die Arme legen. Auch jenen Franzosen, der Rosa ermorden sollte, habe ich hier gefunden. Auch er muß mit zu Euch, da er uns wichtige Entdeckungen zu machen hat.
Verzeiht wenn ich eine Person oder sonst etwas vergessen habe. Meine Gedanken sind nicht hier bei dem Papier, sondern bei Euch drüben. Meine Worte sind nicht imstande, Euch mein Glück, meine Sehnsucht zu schildern. Jeder Pulsschlag gilt Euch; jede Faser zittert Euch entgegen, und jetzt gibt es trotz aller Sprachen und Dialekte der Erde nur ein einziges Wort für mich. Es heißt Wiedersehen!
Euer heiß nach Euch verlangender
Karl Sternau.«
Eben als er das Duplikat dieses Briefes angefertigt hatte, stieß der Dampfer ein lautes Pfeifen aus. Man war am Lager angekommen.
Dort herrschte, wie man bereits vom Fluß aus sehen konnte, ein außerordentlich reges Leben. Es waren da die Reiter nicht mehr allein vorhanden, sondern auch die hierher bestellten Ochsenwagen waren angekommen. Man konnte die ganze Versammlung deutlich überblicken, da man sich hier auf offenem Prärieland befand. Die Dampfer bugsierten die Boote an das Ufer, wo die letzteren angelegt wurden.
Da zeigte es sich nun, welche Hilfsmittel dem Präsidenten übergeben wurden; kleine Fäßchen, mit Goldstücken gefüllt, tausende von Gewehren, Messern, Pistolen und Revolvern, große Vorräte von Pulver, Blei, fertigen Patronen, telegrafische Feldapparate mit Leitungsdrähten, viele Meilen lang. Patenttragbahren für Verwundete, alle möglichen und nötigen Requisiten für Kampf und Kriegskrankenpflege. Die Boote steckten vom Kiel bis hoch über Deck voll von all diesen Sachen, und die Männer, die arbeiteten, um das alles entgegenzunehmen und auf die Karren zu laden, mußten sich sagen, daß dies für Juarez eine Unterstützung sei, deren Wert jetzt noch gar nicht taxiert werden konnte.
Der Lord leitete in Person die Ausschiffung und Juarez den Empfang und die Verpackung. Sternau war dem ersteren behilflich.
»Was wird mit den Schiffen geschehen?« fragte er. – »Sie gehen nach El Refugio zurück.« – »Und Sie mit?« – »Nein. Ich bleibe bei Juarez.« – »Als Bevollmächtigter Englands?« – »Ja.« – »Und Miß Amy?« – »Bleibt natürlich bei mir.« – »Aber haben Sie auch bedacht, welche Gefahren Ihnen und ihr drohen, Mylord?« – »Ja. Was mich betrifft, so darf ich diese Gefahren nicht achten. Meine Gegenwart sanktioniert das Verhalten des Präsidenten. Wir wollen sehen, ob diese Franzosen ein Heer, bei dem sich der Vertreter Großbritanniens befindet, wirklich wie eine Schar Banditen behandeln werden. In einigen Tagen wird sich auch der Vertreter der Vereinigten Staaten einstellen, und dann – hinaus mit den Franzosen! Und was Amy betrifft, nun, so wollte sie nicht von mir lassen. Sie nimmt teil an meinen Freuden und Leiden.« – »Wird der Umstand, daß Freund Mariano jetzt zugegen ist, nicht vielleicht etwas daran ändern?« – »Hm! Möglich, aber ich glaube es nicht.« – »Mariano wird sich natürlich Ihnen und der Braut anschließen wollen und hat doch noch andere Pflichten. Auch befindet sich Graf Ferdinando, der sein Oheim ist, noch krank in Fort Guadeloupe.« – »Ich denke, das wird sich alles sehr wohl vereinigen lassen. Bevor wir in Mexiko einziehen, wird sich in Sachen der Rodrigandas nichts tun lassen, und so ist es am besten, Sie alle bleiben mit mir bei Juarez, dessen Heer so schnell anwachsen wird, daß wir in kurzer Zeit in der Hauptstadt sein werden. Ich weiß genau, daß dem Kaiser der Franzosen ein sehr ernstes Ultimatum der Regierung der Vereinigten Staaten zugegangen ist« – »Welches Ultimatum?« – »Wenn Napoleon seine Truppen nicht aus dem Land zieht, wird die Union die ihrigen marschieren lassen.« – »Gegen die Franzosen?« – »Natürlich. Ich habe sogar eine Ahnung, daß bereits geheime Verhandlungen im Gange sind, um die Art und die Zeit zu bestimmen, in welcher die Franzosen sich nach rückwärts zu konzentrieren haben.« – »Sie meinen, daß sie Juarez das Land allmählich übergeben werden?« – »Nein, das nicht. Das können sie nicht tun, ohne sich unsterblich zu blamieren.« – »Was aber sonst?« – »Oh, sehr einfach: Sie haben den Erzherzog Max zum Kaiser gemacht Sie werden ihn bewegen, freiwillig abzudanken, und wie ich ihn, besonders die Kaiserin und seine Ratgeber kenne, wird er es nicht tun. Die Franzosen werden also gezwungen sein, ihn sich selbst zu überlassen. Sie werden sich zurückziehen und Stadt für Stadt, Provinz für Provinz ihm überlassen. Er aber wird nicht imstande sein, einen Ort für die Dauer zu behaupten, und darum wird das Land Juarez zufallen. In Wahrheit wird es allerdings ganz so sein, als ob Bazaine das Land direkt an Juarez zurückgibt.« – »Und Kaiser Max?« – »Er wird die Folgen der Tatsachen zu tragen haben. Er hat Napoleon getraut, und dieser läßt ihn fallen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit den Franzosen das Land zu verlassen oder sich bis auf den letzten Mann zu verteidigen und mit zu – sterben.« – »Mein Gott! Das letztere doch wohl nicht!«
Der Lord zuckte die Achsel.
»Welch ein Schicksal! Könnte ich bei ihm sein, um ihn zu warnen!« – »Sie würden keinen Erfolg haben, ebensowenig wie General Mejia, von dem man weiß, daß er der aufrichtigste Berater ist. Fast möchte man annehmen, Max habe sich für zu einem Kaiser bestimmt gehalten. Als er im Jahre 1851 Spanien besuchte und im Gruftgewölbe des Doms zu Granada an den Särgen seiner Ahnen Ferdinand und Isabella stand, hat er ein eigentümliches Gedicht verfaßt. Kennen Sie es?« – »Nein.« – »Nun, ich habe es gelesen und wörtlich behalten. Es lautet:
Düsterer, dumpfer Fackelschein
Führt den Enkel zu der Stätte,
Wo der Könige Gebein
Ruht im kalten, engen Bette.
An dem Sarg er sinnend steht,
Bei dem Staub der großen Ahnen,
Lispelt stille sein Gebet,
Den schon halb vergeß'nen Namen.
Da erdröhnt es in dem Grab,
Flüstert aus den morschen Pfosten
Der hier brach, der goldne Stab,
Glänzt plus ultra auch im Osten!
Leider aber hat er diesen Stab nicht im Osten, sondern im Westen gesucht. Der Glanz desselben wird verbleichen, und das Gebein des Enkels, der an einem kurzen Kaisertraum zugrunde ging, wird in keine Kaisergruft gesenkt, sondern vielleicht hinter dem Wall irgendeines mexikanischen Ortes eingescharrt werden. Gebe Gott, daß ich ein schlechter Prophet bin. Doch genug von dieser Sache! Da kommt einer, von dem es scheint, daß er Sie sprechen will.«
Der, den der Lord meinte, war Anton Helmers, der Donnerpfeil. Er warf einen forschenden Blick auf das ringsum herrschende, geschäftige Treiben und fragte:
»Wie lange wird es währen, bis man hier fertig ist, Herr Doktor?« – »Wohl gut zwei Tage.« – »Ah! Und die Hacienda del Erina?« – »Darüber sprechen wir später, mein Lieber.«
Helmers spielte an seinen Revolvern und sagte:
»Dann erst? Wäre es nicht besser, gleich darüber zu sprechen?« – »Warum?« – »Nun, ich hörte von den Apachen, daß Cortejo entkommen ist!« – »Ja, leider.« – »Er wird nach der Hazienda gehen.« – »Vermutlich.« – »Dort ist seine Tochter.« – »Allerdings.« – »Sie haben den Brief gelesen, den wir bei dem Anführer fanden. Sie haben auch jene Worte des Sterbenden gehört. Mir ist angst um meinen Schwiegervater. Ich kann nicht länger warten; ich reite zur Hazienda.«
Sternau erschrak.
»Was denken Sie! Die Gegend steckt voller Franzosen.« – »Das ist mir gleich.« – »Man wird Sie festhalten.« – »Ich glaube das nicht. Büffelstirn reitet mit.« – »Das ändert nichts.« – »O doch! Er kennt alle Schliche dieser Gegend, es wird uns niemand treffen.« – »Gut. Auch vorausgesetzt, daß Sie glücklich hingelangen, was werden Sie tun?« – »Den Haziendero befreien.« – »Sie zwei?« – »Ja. Kommen Sie mit zu Büffelstirn!«
Helmers schritt, ohne Sternaus Antwort abzuwarten, wieder über die Planken zurück, die vom Schiff nach dem Ufer führten, und Sternau folgte ihm. Drüben standen Büffelstirn und Bärenherz beisammen. Der erstere trat ihnen entgegen und fragte Helmers:
»Was will der Herr des Felsens tun?« – »Er rät mir, zu warten.« – »Unser Warten hat lange genug gedauert!« – »Mein Bruder Büffelstirn will also wirklich mit?« fragte Sternau. – »Ja«, antwortete der Gefragte. Ich bin ein freier Indianer, aber die Hazienda ist Karja, meiner Schwester, eine Heimat gewesen, und Señor Arbellez war mein Freund und Bruder. Ich gehe, ihn zu retten.«
Aus diesen Worten und dem Ernst des Häuptlings ersah Sternau, daß er fest entschlossen sei, sein Vorhaben auszuführen. Gegenreden konnten nichts daran ändern; dennoch sagte er zu ihm:
»Aber wie will mein Bruder ihn retten? Die Gegend steckt voller Franzosen!«
Der Mixteka machte eine Gebärde der Geringschätzung.
»Büffelstirn lacht der Franzosen!« antwortete er. – »Aber ihrer sind viele!« – »Der Mixtekas sind noch mehr!« – »Ah, mein Bruder will seine Stammesgenossen zusammenrufen?« – Ja.« – »Das nimmt viel Zeit in Anspruch.« – »Nein; das dauert eine Nacht. Wenn der Häuptling der Mixtekas auf dem Berg Reparo das Feuerzeichen gibt, sind am anderen Abend tausend Männer um ihn versammelt.« – »Ist das auch gewiß? Mein Bruder war so viele Jahre nicht daheim.« – »Die Söhne der Mixtekas haben ihre Pflicht niemals vergessen. Auch mein Bruder Bärenherz geht mit« – »Uff!« stimmte der Häuptling der Apachen bei. – »Wer führt dann aber die Apachen an, die bei Juarez sind?« – »Mein Bruder Bärenauge.«
Sternau sah die entschlossenen Mienen der drei Männer; er blickte einige Augenblicke lang zu Boden und sagte:
»Meine Brüder haben recht. Wir können nicht warten, bis Juarez uns Truppen zur Verfügung stellt. Unser Freund Arbellez ist in Gefahr, und es ist unsere Pflicht, ihm so schnell wie möglich beizustehen.«
Da leuchteten die Augen Büffelstirns freudig auf.
»Ich wußte, daß mein Bruder mitreiten würde«, sagte er. »Nun werden wir die Franzosen nicht zu fürchten haben, denn wenn der Fürst des Felsens bei uns ist, so können wir nicht unterliegen.« – »Also die Mixtekas werden kommen, sobald sie das Feuerzeichen sehen?« – »Ja. Das Harz und Pech liegen schon seit mehr als hundert Jahren in der Erde, aber es wird seine Wirkung tun.« – »Was aber werden Emma und Karja sagen?« – »Sie werden bei Juarez bleiben«, erwiderte Helmers. – »Nehmen wir nicht Abschied von ihnen?« – »O nein. Sie würden uns nur hindern.« – »Und was soll Juarez sagen, wenn sie ihn fragen?« – »Er mag sagen, daß wir auf Kundschaft ausgezogen sind. Das wird sie beruhigen und ist auch keine Unwahrheit, denn unser Unternehmen ist doch eigentlich ein Kundschafterritt in das vom Feind besetzte Land.« – »So wollen wir sogleich mit ihm sprechen.«
Juarez, der Lord und die anderen waren nicht wenig überrascht, als die vier Männer ihnen ihr kühnes Vorhaben mitteilten. Sie versuchten zunächst, ihnen abzureden. Als dies nicht fruchtete, boten sich Mariano und der Steuermann Helmers zur Begleitung an. Aber dies wurde abgeschlagen. Sternau wollte Mariano nicht von seiner Braut trennen, und der Steuermann war zu wenig Prärieläufer, um ihnen von großem Nutzen sein zu können. Auch der Kleine André wurde abgewiesen.
»Nehmen Sie eine Anzahl Apachen mit!« bat Juarez Sternau. – »Auch darauf werden wir verzichten«, antwortete dieser. »Zu vier Personen wird es uns leichter, unbemerkt nach der Hazienda zu kommen.« – »Hätte ich mehr Leute, so würde ich Ihnen so viel mitgeben, daß Sie Ihren Weg nicht heimlich zu machen brauchten. Doch ich hoffe, daß das Vertrauen, das Büffelstirn in seine Mixtekas setzt, in Erfüllung geht. Dann werde ich in möglichst kürzester Frist zu Ihnen stoßen.«