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4. Kapitel.

Die alte, brave Marie Hermoyes hatte inzwischen mit Zittern und Beben dieser Unterredung zugehört. Sie kannte dieses Mädchen, sie wußte, was von Josefa zu erwarten war, die vor keiner Grausamkeit zurückschreckte. Jetzt kam die Reihe an sie. Sie erwartete mit Angst, was man ihr sagen werde.

»Warum bist du von Mexiko fortgegangen?« fragte Josefa. – »Ich wollte nach der Hazienda«, antwortete Marie. »Señor Arbellez war mein Freund.« – »Ah, in Mexiko hattest du keine Freunde? Hattest du denn nicht uns?«

Die Alte schlug verlegen die Augen nieder. Konnte sie sagen, daß sie durch die Angst von Mexiko vertrieben worden war? Aber Josefa kam ihr zu Hilfe:

»Du hattest Angst vor uns? Nicht wahr?«

Marie schwieg. Josefa aber fuhr fort:

»Du hattest recht, Alte. Wärst du in Mexiko geblieben, so lebtest du heute nicht mehr. Mexiko ist ein schlimmer, ungesunder Ort für Leute, die sich in die Geheimnisse anderer drängen. Es war klug, daß du flohst. Aber mit wem bist du gegangen?« – »Mit zwei Indianern.« – »Mit Indianern? Da hast du gute Gesellschaft gehabt. Doch das geht mich alles jetzt nichts an. Für heute habe ich einige Fragen für dich. Beantwortest du sie mir der Wahrheit gemäß, so wird dein Schicksal wenigstens kein so grausames sein, wie dasjenige dieses halsstarrigen Alten. Hast du gewußt, daß er ein Testament gemacht hat?« – »Ja«, antwortete Marie. – »Hat er mit dir darüber gesprochen?« – »Ja.« – »Weißt du, wer der Erbe wird?« – »Nein.«

Dieses »Nein« war in einem auffallend unsicheren Ton gesprochen, der Josefa auffiel. Darum fuhr sie die Alte an:

»Lüge nicht! Weißt du, wem er die Hazienda vermacht hat?« – »Ja«, antwortete jetzt die Gefragte zögernd. »Einer Verwandten.« – »Er hat noch Verwandte? Das habe ich gar nicht gewußt. Wo sind diese Verwandten?« – »Ganz im Norden des Landes.«

Marie Hermoyes blickte bei jeder ihrer Antworten Arbellez an. Er tat nicht, als höre er, was sie sagte.

»Im Norden?« wiederholte Josefa. »Wo?« – »In Fort Guadeloupe.« – »Das kenne ich nicht. Wo liegt das?« – »Am Rio Puercos.« – »Ah, dort oben. Weißt du, wer diese Verwandten sind?« – »Es ist ein Kaufmann, er heißt Pirnero.« – »Pirnero, den Namen wird man sich merken müssen. Und dieser Pirnero soll die Hazienda erben?« – »Er nicht, sondern seine Tochter.« – »Was du sagst! Er hat also eine Tochter, oder gar mehrere?« – »Nur eine einzige, namens Resedilla.« – »Ein schöner, poetischer Name. Man wird dafür sorgen, daß diese Resedilla auch Poetisches erlebt Weiß sie denn, daß sie Erbin werden soll?« – »Ja.« – »So ist sie hier gewesen?« – »Nein. Señor Arbellez bat vor kurzer Zeit einen Boten, einen Vaquero, zu ihr geschickt« – »Wirklich? Vor kurzer Zeit erst? So ist der Mann wohl noch gar nicht zurück?« – »Nein.« – »Das ist gut. Man wird ihn erwarten müssen. Welche Botschaft hatte er denn auszurichten?«

Marie blickte verlegen zu Arbellez hinüber. Dieser bemerkte es und sagte:

»Antwortet nur immer zu. Was Ihr wißt, mögt Ihr ruhig sagen. Ihr sollt meinetwegen nicht auch gepeinigt werden, Señora.« – »Du hast es gehört, also antworte!« drängte Josefa. – »Der Vaquero hat Señorita Resedilla zu bitten, nach der Hazienda zu kommen.«

Da machte Josefa eine triumphierende Miene.

»Ah, die Erbin kommt nach del Erina?« fragte sie rasch. – »Ja.« – »So soll sie würdig empfangen werden. Ich werde ihr zu dieser Erbschaft gratulieren. Warst du dabei, als Arbellez sein Testament machte? Wo hat er es getan?« – »Hier in diesem Zimmer.« – »Und wer war dabei?« – »Drei Señores, die geritten kamen und zwei Tage hier verweilten.« – »Woher waren sie?« – »Ich weiß es nicht« – »Lüge nicht Alte!« – »Señorita, ich kann es mit dem heiligsten Eid beschwören, daß ich es nicht weiß.« – »Hat Arbellez nicht davon gesprochen?« – »Nein.« – »Und du hast nicht danach gefragt?« – »Nein. Sie waren so vornehm, ich getraute mir nicht sie zu fragen.« – »Aber ihre Namen hast du doch gehört?« – »Nein.« – »Ihr müßt sie doch gerufen oder genannt haben!« – »Der eine wurde Señor Mandatario genannt.« – »Und die anderen?« – »Der erste war der Señor Advocatore und der andere der Señor Secretario.« – »So habt Ihr alle drei nur nach ihrem Stand benannt. Hat vielleicht einer von ihnen das Testament mitgenommen?« – »Ja, der Señor Mandatario.« – »Woher weißt du das?« – »Als er Abschied nahm, sagte er zur Señor Arbellez, daß das Testament ganz sicher liege.« – »Es könnte doch einer der Dienstboten oder Vaqueros ihn gekannt haben?« – »Keiner hat ihn gekannt« – »Er ist auch nicht wieder hier gewesen?« – »Nein.«

Cortejo hatte sich bisher behaglich in seiner Hängematte geschaukelt und den stillen Zuhörer gespielt, jetzt begann auch er, sich zu beteiligen.

»Laß das, Josefa«, sagte er. »Auf diese Weise wirst du nichts erfahren. Dieses Weib weiß nichts, aber Arbellez wird reden müssen. Wir sperren ihn in den Keller und geben ihm nichts zu essen und zu trinken. Hunger und Durst tun weh, sie werden ihn schon zum Sprechen bringen. Er wird uns sagen, wo sich die Kaufakten befinden, er wird uns sogar die schriftliche Bescheinigung aufsetzen, daß diese Akten uns ausgehändigt werden sollen.« – »Und damit willst du warten, bis ihn der Hunger oder der Durst zwingt?« fragte sie. – »Ja. Oder weißt du etwas Besseres?« – »Gewiß. Ich hoffe, daß du mich tun läßt, was ich will, Vater!« – »Erst muß ich wissen, was es ist.« – »Du sollst es erfahren. Zuerst aber noch eine Frage an den da.«

Josefa wandte sich abermals zu Arbellez:

»Hat der Mandatario wirklich Euer Testament?« – »Ja.« – »Woher ist er, und wo wohnt er?« – »Das werdet Ihr nicht erfahren. Mein Unglück hat mich vorsichtig gemacht, ich ahnte, daß es noch nicht zu Ende sei, und bat daher jene drei Señores, keinem Menschen wissen zu lassen, wer sie seien. Sie haben diesen Wunsch erfüllt.« – »So ist es wohl auch dieser Mandatario, der die Kaufakten aufbewahrt?« – »Das werde ich Euch nicht sagen.« – »In zehn Minuten werde ich es dennoch wissen, denn ich werde Euch jetzt so lange prügeln lassen, bis Ihr redet. Ich frage Euch also zum letzten Mal!« – »Laßt mich alten Mann schlagen! Ihr seid eine Furie, ein nichtswürdiges Geschöpf, das nicht wert ist, von der Sonne beschienen zu werden.« – »Hörst du es, Vater?« fragte Josefa ergrimmt. »Er soll Hiebe haben.« – »Das hat ja noch Zeit, Josefa. Wir wollen es vorher mit dem Hunger versuchen.« – »Nein, Vater. Hierein lasse ich mir nicht reden. Du mußt mir meinen Willen lassen. Was man sogleich erfahren kann, soll man nicht erst später hören wollen.«

Damit schritt Josefa zur Tür, öffnete sie und ließ zwei Mexikaner eintreten.

»Dieser Mann hier soll Schläge bekommen«, sagte sie. »Ihr werdet das besorgen.«

Die beiden Männer blickten einander an, dann fragte der eine:

»Wo soll es geschehen?« – »Gleich hier im Zimmer.« – »Wie viele Hiebe?« – »Ihr schlagt so lange zu, bis ich Euch aufzuhören gebiete.« – »Gut. Aber, Señorita, Ihr werdet zugeben, daß wir Eure Diener nicht sind.«

Ihre Brauen zogen sich zusammen.

»Was sonst?« fragte sie barsch. – »Wir haben versprochen, für Eure Sache zu kämpfen, aber zu solchen Diensten haben wir uns keineswegs verpflichtet Das ist das Amt eines Dienstboten oder Henkers.« – »So werde ich es Euch bezahlen.« – »Das läßt sich eher hören. Wieviel bietet Ihr uns, Señorita?« – Jeder erhält ein Goldstück.« – »Das ist genug. Aber Ihr vergeßt noch ein weiteres: Ihr habt uns aufgefordert da vor der Tür zu stehen und für Euch bereit zu sein. Unterdessen plündern die anderen das Haus, wir aber erhalten nichts von dem, was sie sich nehmen.« – »Ihr meint daß ich Euch zu entschädigen habe?« – »Ja, das meinen wir.« – »Ich werde es tun. Wenn Ihr mir gehorcht so sollt Ihr nicht zu kurz kommen.« – »Wieviel werden wir erhalten, Señorita?« – »Ich werde erst sehen, welche Beute die anderen machen. Ihr werdet mit mir zufrieden sein. Glaubt Ihr, daß Stöcke im Haus zu finden sind?«

Der Sprecher nickte listig, zwinkerte mit den Augen und zeigte nach den Fenstern.

»Seht die Rollos, Señorita«, sagte er. »Ich glaube, es sind Rohrstäbe, die darin stecken. Man könnte sie sehr gut gebrauchen.« – »Und Stricke zum Binden?« – »Oh, wir haben ja unsere Lassos!« – »Gut so könnt Ihr beginnen!«

Da trat Marie Hermoyes näher, faltete die Hände und bat mit Tränen in den Augen:

»Um Gottes willen, tut es nicht, Señorita! Ihr werdet ihn töten!« – »Packe dich, Alte!«

Josefa stieß die Dienerin von sich. Aber Marie machte noch einen Versuch.

»Bedenkt wie treu ich Euch gedient habe. Ich habe Euch auf den Armen getragen, gepflegt und gewartet so lange Ihr ein Kind waret. Vielleicht hätte ich es verdient daß Ihr mir eine solche Bitte erfüllt.« – »Mir treu gedient? Geflohen bist du! Schweige, denn sonst erhältst du ebenso deine Prügel wie er.« – »Aber, Señorita, Ihr könnt doch nicht ernstlich wollen, daß ...« – »Still!« rief, Marie unterbrechend, das unweibliche Mädchen. »Sagst du noch ein Wort, so lasse ich dich schlagen, bis das Blut kommt!« Und zu den beiden Mexikanern gewandt fuhr Josefa fort »Bindet der Alten den Mund zu, daß sie nicht schreien kann. Ich vermute, daß sie jammern wird, wenn er die Hiebe erhält.« – »Wollen wir sie nicht lieber hinwegschaffen lassen?« fragte Cortejo. – »Nein. Sie soll zusehen. Das hat sie ja mehr als reichlich verdient.« – »So will wenigstens ich fortgehen. Laßt es mich wissen, wenn Ihr fertig seid!«

Cortejo verließ das Zimmer.

Die beiden Mexikaner aber banden Marie Hermoyes an Händen und Füßen und befestigten ihr auch ein Tuch um den Mund. Sie ließ es geschehen, ohne sich zu wehren, da sie sah, daß ein jeder Widerstand vergeblich sei und die Sache nur verschlimmern werde.

Jetzt traten die zwei Henker zu Pedro Arbellez.

»Willst du beichten?« fragte Josefa, sich nochmals an ihn wendend. – »Nie, selbst wenn ich sterben sollte!« antwortete er. – »Ich werde dich totprügeln lassen, Mensch!« drohte sie. – »Tut es meinetwegen. Aber meine Hazienda erhaltet Ihr nicht; die bleibt meiner Erbin.« – »So beginnt! Aber ja keine Schonung!«

Auf diesen Befehl bemächtigten sich die beiden Mexikaner des Hazienderos. Er wurde entblößt, gebunden und zu Boden geworfen. Dann zogen sie die Stöcke aus den Rollos, um die Exekution zu beginnen.

Einer stand hüben und der andere drüben neben Arbellez, der regungslos am Boden lag. Er hatte sich in sein Schicksal ergeben und versuchte keinen Widerstand.

»Vorwärts!« befahl Josefa.

Der erste Streich fiel. Pedro zuckte zusammen. Der zweite Hieb folgte, und es entstand sofort ein blutiger Striemen. Pedro gab keinen Laut von sich.

So folgte Schlag auf Schlag. Das Blut floß über die Diele hin. Marie Hermoyes war gezwungen, zuzusehen. Sie konnte sich unter ihren Fesseln nicht bewegen, aber man sah ihr die fürchterliche Qual an, die sie empfand.

Josefa zählte die Schläge. Ihre Augen leuchteten in grimmigem Entzücken. Es war kein Zweifel, die Exekution verursachte ihr ungeheures Vergnügen.

Arbellez bewegte sich nicht. Da hielt der eine Mexikaner inne und sagte:

»Der Alte tut ja nicht dergleichen. Ich glaube, er ist tot.« – »Oder wenigstens ohne Besinnung«, fügte der andere hinzu. – »Seht nach!« gebot Josefa.

Die beiden Buben drehten den Alten mit dem Gesicht nach oben. Seine Augen waren geschlossen, vor seinem Mund stand blutiger Schaum.

»Er hat genug!« sagte der eine. – »Ist er tot?« fragte Josefa. – »Wollen einmal sehen.«

Der Mexikaner bückte sich und untersuchte den Haziendero.

»Tot ist er noch nicht«, sagte er dann. »Es ist noch Atem in ihm.« – »So können wir später die Hiebe wiederholen, wenn er bei seinem Schweigen verharrt. Ihr habt Eure Sache gut gemacht. Hier ist Euer Lohn.«

Josefa zog eine seidene Börse und nahm zwei Goldstücke daraus.

»Danke, Señorita!« sagte der Sprecher. »Was tun wir mit ihm?« – »Wir schließen ihn ein.« – »Wo?« – »Es wird wohl im Keller einen Platz geben, wo man ihn sicher halten kann.« – »Und diese alte Frau hier?« – »Oh, die schließen wir zu ihm. Sie mögen beide hungern, bis ihnen der Atem ausgeht« – »So wartet ein wenig, Señorita. Ich werde gehen und einmal im Keller nachsehen, ob dort ein geeigneter Ort vorhanden ist«

Der Mann ging und kehrte bereits nach kurzer Zeit zurück. »Es ist da unten ein Verschluß, in dem zur Not drei Menschen stecken könnten«, meldete er. »Sollen wir sie hinunterschaffen?« – »Ist der Ort sicher?« – »Ja.« – »Die Tür gut und fest?« – »Mit Eisenblech beschlagen und zwei große Riegel davor.« – »Ein Fenster?« – »Nein. Es gibt nur ein kleines Luftloch, nicht größer als eine Kinderhand. Flucht ist absolute Unmöglichkeit.« – »So faßt an, ich werde mitgehen.«

Der eine nahm nun Arbellez und der andere Marie Hermoyes auf die Arme, und Josefa folgte. So begaben sie sich mitten durch das plündernde Gesindel nach dem Keller, wo das unmenschliche Mädchen das bezeichnete Loch untersuchte und es für wie geschaffen zu ihren Zwecken erklärte.

»Werft sie hinein!« gebot es dann. »Den Schlüssel nehme ich zu mir.« – »Lassen wir ihnen die Fesseln?« fragte der eine Mexikaner. – »Ja. Das ist sicherer für mich und doppelte Qual für sie.«

Jetzt raffte Marie sich auf. Das, was sie hatte ansehen müssen, hob sie über jede Furcht hinweg. Sie trat vor Josefa hin und sagte:

»Señorita, Ihr seid ein Ungeheuer. Tut mit uns, was Ihr wollt aber es gibt einen Gott im Himmel, der alles sieht und hört; er wird uns an Euch rächen und alles vergelten, was Ihr verbrochen habt!« – »Schweig!« rief Josefa. »Oder willst du, daß ich dir die Lippen abschneiden lasse, damit du nicht mehr reden, sondern nur krächzen kannst?« – »Versündigt Euch nicht! Was Ihr mir androht kann sehr leicht Euch geschehen. Gott kann geben, daß meine Augen Euch in derselben Lage sehen, in der sie vorhin den guten Arbellez erblicken mußten.« – »Ich kann dafür sorgen, daß dies nicht geschieht. Selbst wenn es mir einfallen sollte, dich wieder freizugeben, werde ich dich vorher blenden lassen, daß du nichts mehr sehen kannst« – »Scheusal!« – »Immer schimpfe! Du bist mir ungefährlich. Du konntest es gut bei mir haben; aber du hast die Spionin und Verräterin gemacht. Du glaubtest, uns entwischen zu können; nun aber wirst du unter unseren Händen sterben und verderben wie ein Wurm, den man in den Kot tritt, so daß er sich nicht wieder loszuwinden vermag! Steckt sie hinein!«

Der eine Mexikaner, der immer gesprochen hatte, schob Marie in das Loch, warf die Tür zu und zog die beiden Riegel vor. Außerdem gab es ein Hängeschloß, das vorgelegt wurde. Den Schlüssel nahm Josefa.

»Ihr werdet noch heute Eure Entschädigung erhalten«, sagte sie. »Es ist nicht notwendig, daß jedermann erfährt, was gesprochen worden und überhaupt geschehen ist. Seid Ihr verschwiegen, so belohne ich doppelt gut.«

Josefa stieg die dunklen Stufen empor, und die Männer folgten ihr langsam. Als sie verschwunden war, blieb der Sprecher stehen und sagte;

»Ich bin begierig, was sie uns bezahlen wird.«

Der andere schwieg. Darum fuhr der erstere fort:

»Warum antwortest du nicht, he?«

Da holte der Gefragte tief Atem und erwiderte:

»Der Teufel hole die ganze Geschichte!« – »Warum? War dir das Goldstück zu wenig? Es war rasch verdient.« – »Ich wollte, ich hätte es nicht verdient!« – »Kerl, ich glaube gar, du wirst sentimental und fängst Grillen!« – »Höre, du kennst mich. Ich bin nicht von Pfefferkuchen und habe gar manches auf mich geladen, vor dem einem anderen das Ding, was sie Gewissen nennen, brüllen würde. Ich habe dem Alten meine Hiebe mit dem größten Vergnügen aufgezählt, denn sie wurden gut bezahlt. Als wir ihn aber herumdrehten und ich ihm in das Gesicht sah, da war es mir gerade so, als ob mich einer mit einer Keule in das Genick schlüge.« – »Unsinn!« – »Kein Unsinn! Der Schlag ging durch und durch. Was muß es doch gewesen sein?« – Einbildung!« – »Ich sage dir aber, daß ich den Schlag wirklich gefühlt habe.« – »Du wirst am Hexenschuß leiden.« – »Fällt mir gar nicht ein. Der Schlag ging nicht durch den Körper, sondern durch die Seele. So ist es mir in meinem ganzen Leben noch nicht gegangen.« – »Was du sagst, ist geradezu lächerlich.« – »Denke, was du willst Was ich gefühlt habe, das habe ich gefühlt Ich glaube fast es ist das gewesen, was sie das böse Gewissen nennen.« – »Nun höre auf, sonst denke ich, du bist übergeschnappt! Übrigens hat die Señorita recht Es braucht nicht jeder zu wissen, was geschehen ist.« – »Von mir erfahrt es sicherlich niemand.« – »Von mir auch nicht Dieses Mädchen ist eine richtige Teufelin.« – »Darum wird der Teufel es auch sicher einmal holen!« – »Ich glaube, er könnte von ihm noch manches lernen.« – »Wehe dem Volk, wenn sein Vater Präsident würde!« – »Präsident?« lachte der andere. »Fällt ihm gar nicht ein!« – »Donnerwetter. Was faselst du? Ich denke doch gerade, daß wir ihn zum Präsidenten machen wollen?« – »Ja, aber er wird es in seinem ganzen Leben nicht. Wir folgen ihm, um guten Sold zu bekommen und Abenteuer zu erleben. Wer Präsident wird, das ist mir ganz gleich, wenn ich nur dabei leben kann nach meinem Wohlgefallen. Ich glaube gar, du hast die Sache ernst genommen!« – »Allerdings. Doch, jetzt sind wir fertig. Nun können wir sehen, ob wir auch einen Teil von der Beute wegschleppen können.« – »Das versteht sich. Es wird sich wohl etwas finden lassen, obgleich wir unsere Entschädigung erhalten werden.«

Die Männer trennten sich.

Der eine ging, um nach Raub und Beute zu suchen. Der andere aber schlich still und finster durch die hin- und herrennenden Plünderer, schritt um die Ecke des Hauses, blieb dort stehen und brummte:

»Dieses Gesicht ich werde es in meinem ganzen Leben nicht vergessen. Ich glaube, daß es mir im Traum erscheinen wird.«

Nachdenklich ging er weiter, schüttelte sich und fuhr fort

»Im Traum? Hm, vielleicht sogar in meiner letzten Stunde.«

Endlich blieb er stehen, blickte sich um, als ob er denke, es folge ihm jemand, und sagte zu sich:

»Die letzte Stunde? Einige sagen, dann sei alles aus, und andere, daß da erst ein neues Leben beginne. Donnerwetter, wenn man alles, was man hier auf sich geladen hat mit in dieses Leben nehmen müßte! Wieviel hätte ich da zu tragen! Dieser Arbellez läge dann oben darauf und sähe mich immerfort an, weil ich ihn – ah, und weil er dann verhungert ist Verhungert? Das braucht doch nicht zu geschehen. Ich werde einmal sehen.«

Damit schritt er an der hinteren Seite des Hauses hin und suchte, und als er ein Loch erreichte, das sich unten an der Mauer befand, blieb er abermals stehen und murmelte:

»Dieses ist ganz bestimmt das Loch, das in das Gefängnis geht. Wie nun, wenn ich etwas zu essen hinunter ließe? Auch einige Flaschen voll Wasser brächte man ganz gut hinab, wenn man vorsichtig genug wäre, sie an eine Schnur zu binden. Das reicht ganz gut für einige Zeit. Ja, heute abend, wenn alles dunkel ist, werde ich es tun, wegen der Todesstunde und wegen des Gesichts, das ich sonst in meinem ganzen Leben nicht wieder aus dem Gedächtnis bringe.«


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