Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

25. Kapitel.

Am Nachmittag ging Otto, um die Geliebte zu besuchen. Sie sah ihn kommen und eilte ihm aus dem Tor entgegen. Das war so schön, so wonnig. Seine Brust hob sich, und sein Herz wurde weit, als ob eine ganze Welt voll Glück in ihm wohne. Gerade so dachte er es sich, daß sie als sein liebes, süßes Weib ihm zur Umarmung entgegeneilen werde, wenn er von einer Wanderung oder einem Ausgang heimkehrte. Er hätte sie umarmen und küssen mögen, so schön, so lieb und gut stand sie vor ihm; aber drin im Zimmer saß der Vater am geöffneten Fenster, und da war es geraten, sich zu beherrschen. Aber der Blick seines Auges verkündete ihr, wie selig er sich fühlte.

»Willkommen, Otto«, sagte sie. »Vater fühlt sich heute noch wohler als gestern. Wir haben bereits nach dir ausgeschaut.« – »Wirklich?« fragte er innig, indem er ihr in die seelenvollen Augen blickte. – »O ja, seit langem schon!« antwortete sie. – »Hätte ich das gewußt, so wäre ich schon längst gekommen.« – »So will ich dir sagen, daß du mich niemals warten lassen darfst, Otto. Ich bin so glücklich, wenn du bei uns bist, und ich bemerke, daß Vater dich gern leiden mag.« – »Tut er das?« – »Ja, du hast ihm gefallen.« – »Ich danke dir, mein Leben. Erst jetzt bin ich sicher, daß wir glücklich sein werden.«

Sie waren bei diesen Worten in den Flur getreten, und da kein Mensch zugegen war, so schlang er den Arm um sie, hob ihr Köpfchen empor und küßte sie auf die ihm so voll und warm entgegenblühenden Lippen. Sie schloß die Augen und trank seinen Kuß wie eine Himmelsgabe; ihr voller, schwellender Busen hob sich, ihre Hand legte sich um ihn, er atmete ihren reinen Odem und küßte und küßte sie immer wieder, bis sie sich ihm entzog und mit reizendem Schmollen warnte:

»Nicht zu viel, du Kühner, du Böser! Vater merkt es sonst. Komm!«

Als sie eintraten, leuchtete sein Auge noch, trunken von der Wonne dieses Augenblicks, und ihr schönes Angesicht glühte wie die Farbe der Rosenknospe, die schwillt, um aufzubrechen und den Strahl der Sonne zu saugen.

Der Herzog bemerkte es, aber er tat, als sähe er nichts, und sagte:

»Willkommen, Herr von Rodenstein! Ich habe Sie bereits erwartet, um Ihnen zweierlei und zwar sehr Gutes mitzuteilen.«

Bei diesen Worten lachte aus seinen hageren Zügen ein Strahl inniger Freude.

»So muß ich mein spätes Kommen entschuldigen«, antwortete Otto. »Aber eine gute Nachricht zu hören, ist es nie zu spät.« – »Ich hoffe es! So hören Sie. Erstens sollen Sie mit uns dinieren. Ist Ihnen das recht?«

Otto nickte mit dankbarem Lächeln. Diese Einladung war ihm ja ein neuer Beweis, daß er das Wohlwollen des Kranken besitze. Er fühlte in diesem Augenblick nicht die geringste Spur seines früheren Menschenhasses, seiner Verbitterung mehr und antwortete:

»Ich akzeptiere mit Freuden. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich mich innig beglückt fühle, Ihnen Gesellschaft leisten zu können.« – »Nun ja«, sagte Olsunna freundlich. »Die Gesellschaft eines Patienten ist nicht immer angenehm. Flora wird die Aufgabe haben, dies auszugleichen. Nun aber schnell meine zweite Nachricht, die jedenfalls noch besser ist als die erste, wenigstens für mich: Ich fühle mich nämlich heute noch viel wohler als gestern. Dieser Trank von Doktor Sternau tut wirklich Wunder. Er besteht aus Dattelblüte, Coca und Quebracho, wie ich glaube. Ich fühle mich so munter, so stark und rüstig, daß ich eine längere Tour machen möchte, zu Fuß oder auch – zu Pferd, etwa von hier bis Petersburg und noch weiter.«

Es war rührend, den abgemagerten Mann diese Worte sagen zu hören. Floras Blicke hingen mit unendlicher Liebe an seinem Mund, und Otto ergriff seine Hand, drückte sie an seine Lippen und beteuerte mit vibrierender Stimme:

»Glauben Sie mir, ich danke Gott recht innig, daß er Sie von neuem hoffen läßt. Fast bin ich auf Freund Sternau eifersüchtig. Ich wollte auch, ich könnte einiges zu Ihrer Genesung beitragen.« – »Das können Sie ja«, antwortete der Herzog. »Eine angenehme Gesellschaft ist für den Kranken immer erquickend. Wenn meine Genesung mit solchen Riesenschritten vorwärtsschreitet, so darf ich sicher sein, daß Sternaus Voraussagung sich erfüllt und ich in kurzer Zeit meine Reise antreten kann.« – »Könnte ich Sie begleiten!« sagte Otto. – »Des Vaters wegen, ja. Verfügen Sie nicht frei über Ihre Zeit?« – »O doch! Es ist auch nicht allein des Vaters wegen. Es würde mir eine große Beruhigung sein, Sie während Ihrer Reise unter sorgsamen Augen zu wissen.« – »Ich danke Ihnen«, sagte Olsunna nachdenklich. »Vielleicht sprechen wir über diesen Punkt noch einmal ausführlicher. Aber, Flora, willst du nicht befehlen, daß man serviere?«

Flora klingelte, und der Diener trat ein.

Jetzt erst erkannte Otto, daß dieser so reich galonierte Domestik zu Flora gehöre. Ah! War sie so wohlhabend? Aber wie staunte er erst, als die Tafel gedeckt wurde und sämtliche Geschirre von der feinsten getriebenen Silberarbeit waren. Dieses Porzellan war echt chinesisches, und dieses Silber war massiv, Tafeltuch und Servietten waren vom feinsten, teuersten, französischen Damast. Und dieses Geschirr war – er saß zu entfernt, um es genau erkennen zu können – mit einer Krone gezeichnet. Träumte er?

Der Diener lud ein, Platz zu nehmen. Als der Maler die Serviette entfaltete, hätte er sie vor Schreck fast fallen lassen. Sie war mit einer Herzogskrone gezeichnet und darunter befand sich das Monogramm E. O.

Beide, der Herzog sowohl wie seine Tochter, sahen sein Erschrecken und weideten sich an demselben, ohne ein Wort zu verlieren.

Tausend Gedanken drangen auf ihn ein, und darunter war auch einer, der ihn beruhigte. Konnte der Vater der Geliebten nicht der Beamte eines hohen Aristokraten sein, in dessen Aufbewahrung sich dies kostbare Tafelzeug befand? Ja, so war es jedenfalls. Und um den Geliebten festlich zu bewirten, hatte Flora sich das Vergnügen gemacht, es einmal für sich zu benutzen.

Dieser Gedanke gab ihm seine Fassung wieder, so daß er frei von Sorgen an der Unterhaltung teilnehmen konnte, die fast nur zwischen ihm und Flora geführt wurde, nachdem der Diener sich entfernt und Flora selbst die kleinen Handreichungen übernommen hatte.

Welche Seligkeit durchströmte ihn, wenn sie so hausfraulich für ihn besorgt war und das beste für ihn auswählte! Sie reichte ihm etwas dar, er griff danach, und dabei berührte er ihr Händchen. Es war nur eine leise, kaum merkbare Berührung, aber sie durchzuckte dennoch seinen Körper wie ein magnetisches Fluidum. Auch Flora schien dasselbe zu fühlen, denn stets, wenn ihre Hände sich gestreift hatten, flog eine tiefe Röte über ihr Gesicht.

Der Herzog aß wenig, aber mit sichtbarem Behagen, der böse Husten schien ihn fast ganz verlassen zu haben.

»Sternau ist ein Wundermann«, sagte er. »Möchte doch jeder meiner Wünsche für ihn ein Segel sein, das ihn glücklich durch die Fluten führt. Ich beneide seine Eltern. Ein solcher Sohn, der die Mühen der Eltern so belohnt, ist ein Glück, dessen Größe nur ein Vater und eine Mutter empfinden können.« – »Sein Vater ist leider schon längst tot«, bemerkte Otto. – »Ah, das bedaure ich! Was war er?« – »Er starb als Professor. Er war ein sehr gelehrter Mann und liebte Weib und Kind über alles. Er hatte seine Frau in Spanien kennengelernt.« – »In Spanien? Was war er dort?« – »Er war Erzieher in einem vornehmen Haus und sie Erzieherin in ebensolchen Verhältnissen.«

Der Herzog horchte auf, und auch Flora blickte auf den Sprecher.

»In welchem Haus war sie Gouvernante?« fragte der Herzog, der keineswegs ahnte, wie nahe er der Entdeckung sei, nach der er bisher so vergeblich getrachtet hatte. – »Beide waren zu gleicher Zeit engagiert in Saragossa bei einem Bankier – hm, ich glaube, der Name ist mir doch entfallen.«

Da legte der Herzog das Messer fort. Seine Augen öffneten sich, und über sein bleiches Gesicht zog ein roter Schein.

»Papa!« rief Flora, die dies bemerkte, warnend, obgleich sie selbst tief erregt war. »Nimm dich in acht!« – »Laß mich! Ich bin stark genug!« wehrte er ab. Und mit einer Stimme, die vor Erwartung plötzlich ihren natürlichen Klang verloren hatte und nur stockend und fast heiser tönte, sagte er: »Hieß dieser Bankier vielleicht Salmonno?« – »Salmonno, ja, Salmonno, so war der Name«, antwortete Otto.»Aber mein Herr, was ist Ihnen?« rief er dann bestürzt.

Olsunna war nämlich in die Lehne des Stuhls zurückgesunken und hatte die Augen geschlossen. Alles Blut, alles Leben schien aus seinem Körper gewichen zu sein. Flora war aufgesprungen und schlang angstvoll die Arme um ihn.

»Vater, mein Vater!« rief sie. »Ich wußte es! Erwache, lieber Papa! Hörst du mich? Ich bin da, deine Flora ist bei dir!«

Sie drückte schluchzend seinen Kopf an sich. Auch Otto war hinzugetreten und hatte eine Kristallkaraffe ergriffen, die Wasser enthielt, aber diese Hilfe war nicht nötig, denn der Herzog öffnete die Augen, warf einen unbeschreiblichen Blick empor, drückte dann die Hand der Tochter und sagte:

»Ängstige dich nicht, mein Kind! Ich war nicht ohnmächtig; aber es drang auf mich ein wie die Flut eines ganzes Meeres von Wonne, Glück und Seligkeit. Doch noch ist das keine sichere Nachricht, noch muß ich die Antwort auf weitere Fragen haben.« – »Aber wirst du auch stark genug sein, mein Vater?« – »Ja, das versichere ich dir.«

Wie um zu beweisen, daß er keine Schwäche fühle, erhob er sich, richtete das Auge erwartungsvoll auf Otto und sagte:

»Sind Sie mit den weiteren Schicksalen der Frau Sternau bekannt, Herr von Rodenstein?« – »Ich glaube«, antwortete dieser, gar nicht begreifend, daß diese Schicksale Floras Vater so interessieren, ja, so tief ergreifen konnten. – »So sagen Sie mir, ob die Stellung bei dem Bankier Salmonno ihre letzte gewesen ist in Spanien?« – »Nein. Sie nahm eine andere Stellung an, die aber nicht von langer Dauer war. Sie wurde Erzieherin der Prinzeß Flora von Olsunna.«

Da fuhr der Herzog mit beiden Händen nach seinem Kopf; aber er nahm sich mit all seinen Kräften zusammen, stützte sich auf die Lehne des Stuhls und auf die Schulter seiner Tochter und fragte:

»Wie war ihr Mädchenname?« – »Wilhelmi.« – »Flora! Kind, Kind!« jauchzte da der Herzog auf und öffnete die Arme.

Flora umfing ihn und hielt ihn, an seinem Herzen liegend, fest Beide schluchzten laut wie Kinder. Otto konnte zwar den Vorgang nicht begreifen, aber er trat näher, um den Herzog nötigenfalls zu stützen, dem die hellen Tränen über die Wangen liefen.

»Erlöst erlöst! Endlich! Oh mein guter, gnädiger, barmherziger Gott, wie danke ich dir!« rief er. »Erst sendest du mir den Erretter von dem leiblichen Tod, und nun steht hier ein zweiter Bote, der mir auch für das arme, so lange gemarterte Herz das Evangelium bringt.«

Er legte bei diesen Worten die Hand auf Ottos Schulter.

»Ist das wirklich, wirklich so, wie Sie mir es sagen?« fragte er. – »Ja.« – »Flora, halte mich fest! Ich fühle doch, daß alle meine Fasern beben.« – »Setze dich, Papa, oder lege dich lieber«, bat sie, »es ist zu viel für dich!«

Sie selbst zitterte auch an allen Gliedern, und ihre Wangen waren vor Erregung mit tiefer Blässe bedeckt.

»Nein, stehend will ich das Weitere hören! Stehend, ja; dann mag es mich meinetwegen niederstürzen. Es ist ein Sturz in das größte Glück hinein, und ich weiß, daß ich nicht daran sterben werde. Herr von Rodenstein, Sie werden das alles nicht verstehen und begreifen, aber Sie sollen es erfahren. Wir stehen vor einem Augenblick, der in seinem Schoß Tod oder Leben trägt Ich weiß, entweder wird meine Hoffnung erfüllt, oder – ich sterbe!« – »Mein Herr«, bat da Otto bestürzt, »heben wir dies doch für jetzt noch auf. Ich sehe allerdings, daß ein gewaltiger Sturm Ihr Inneres bewegt. Lassen Sie ihn vorübergehen, und dann werde ich jede Ihrer Fragen beantworten.« – »Nein, nein! Dann müßte ich auch sterben – vor Ungeduld. Reden Sie, um Gottes willen, ich flehe Sie an! Sie stehen vor mir wie ein Heiland, der mir den Himmel öffnen kann; ich werde Ihnen das nicht vergessen, nie, nie! Reden Sie und sagen Sie: Hat Frau Sternau mehrere Kinder?« – »Ja.« – »Ah! Wie viele?« – »Zwei. Diesen Sohn und eine Tochter.« – »Sind ihr vielleicht andere Kinder gestorben?« – »Nein, sie hat nur diese beiden gehabt.« – »Wer ist älter, der Doktor oder die Schwester von ihm?« – »Er. Sie ist bedeutend jünger.« – »O Gott, es ist, als ob sich eine große, eine herrliche Sonne vor mir erhöbe. Wissen Sie vielleicht genau, wie alt Sternau ist?« – »Ganz genau. Wir beschenkten uns immer an unseren Geburtstagen. Er ist am zwanzigsten März geboren und zählt jetzt achtundzwanzig Jahre.« – »Er ist's! Er ist's!« rief jetzt der Herzog; dann frohlockend die Hände zum Himmel erhebend, fügte er leiser hinzu: »Nun will ich mich setzen.« Die Arme sanken ihm nieder, und mit immer leiser werdender, ersterbender Stimme fügte er hinzu: »Ja, setzen! Ich bin matt – müde – o Gott, ich – ich bin ...«

Er schloß die Augen und brach zusammen; aber er fiel nicht zur Erde, sondern Otto hielt ihn in seinen Armen fest.

»Ich dachte es!« rief Flora, weinend vor Entzücken und zugleich vor Sorge um den Vater. »Es kann ihn töten!« – »Nein, er lebt!« sagte Otto. »Meine Hand liegt auf seinem Herzen, und ich fühle es schlagen, leise zwar, aber auch deutlich genug. Komm, laß uns ihn niederlegen.«

Er trug den Herzog darauf nach einem Sofa, wo er ihn in die Kissen bettete; dort knieten sie beide bei ihm nieder. Flora ergriff mit der einen Hand die Rechte des ohnmächtigen Vaters, und die andere schlang sie um den Geliebten, legte, noch immer schluchzend, ihren Kopf an seine Brust und sagte:

»Otto, lieber Otto, welch eine Nachricht, welch ein Glück hast du uns gebracht!« – »Ein Glück muß es sein, ein großes Glück, das sehe ich«, antwortete er, »obgleich es mir ein Rätsel ist.« – »Es wird dir gelöst werden, mein Geliebter. Aber wirst du mir dann auch verzeihen?« – »Verzeihen? Hätte ich dir etwas zu verzeihen, meine Flora?« – »Ja. Ich habe dich für eine große Sünde um Vergebung zu bitten.«

Da drückte er ihr Köpfchen innig an sich, strich ihr liebkosend über das Haar und sagte:

»Die Sünde wird sehr klein sein, und nur deine Sorge ist groß. Ich verzeihe dir und bitte dich, daß auch du immer nachsichtig mit mir sein mögest« – »Nein, nicht im voraus«, bat sie fast ängstlich. »Es ist wirklich etwas sehr Schweres.« – »Darf ich es nicht jetzt erfahren?« – »Nein, Vater muß es mit hören, sonst fürchte ich mich vor dir.«

Otto lächelte glücklich und drang nicht weiter in sie. So knieten sie noch eine Zeit, bis der Herzog endlich zu sich kam, die Augen aufschlug und beim Anblick der beiden Liebenden da vor ihm mit einem Strahl der Verklärung im Gesicht sagte:

»Wie ist es, habe ich geträumt, Flora?« – »Nein, Papa«, antwortete sie. »Oh, ich hatte Angst um dich.« – »Nein, die Freude tötet mich nicht; ich muß ja leben, um mein Werk zu vollbringen. Ja, leben, leben, leben für ihn und – für sie!«

Damit richtete sich der Herzog auf, und auch sie erhoben sich. Das köstliche Essen stand noch in den noch köstlicheren Gefäßen, aber niemand dachte daran. Olsunna blickte lange zum Fenster hin. Er sah durch dasselbe das Meer und die Landschaft, überstrahlt von dem goldenen Licht der Sonne. So warm und hell war es auch in seinem Innern. Endlich sagte er:

»Flora, mein Kind, sagte ich nicht heute, daß Gott allgütig sei und uns den Weg zeigen werde? Hat er uns nicht erhört, weit über alles Hoffen und Erwarten? Was bleibt nun noch von der Rache dieser Zigeunerin übrig!« – »Wie wunderbar, Papa«, entgegnete Flora, die Hände zusammenschlagend wie zum Gebet. »Wir suchten ihn, und wir kennen ihn nun doch!« – »Ja, er war hier. Wir sahen ihn, und dennoch wußten wir es nicht Bebte mir nicht das Herz, als ich seine Stimme hörte? So klang die meinige, als ich noch jung war. Erfüllte mich nicht seine hohe Heldengestalt mit unsagbarem Stolz? Das war das Ebenbild meiner Jünglingszeit Und er ist reiner und edler, als ich es war!« – »Und sagte ich nicht daß ich ihn lieben müsse, Papa?« fügte sie hinzu. »Ich hätte ihn umarmen und küssen mögen, als er so selbstbewußt, so siegesgewiß und doch so mild, so warm zu sprechen wußte.«

Und in ihrem Glück vergaß sie alle Zurückhaltung, die sie zu anderer Zeit dem Vater schuldig zu sein geglaubt hätte, sie wandte sich zu Otto und sagte:

»Du brauchst nicht zu zürnen, Lieber, der, den ich umarmen und küssen wollte, ist nicht ein Fremder, sondern mein – mein oh, Papa, sage du es! Ich habe dieses schöne Wort nicht aussprechen dürfen.« – »Ja, ich, ich will das Wort sagen, ich zuerst«, meinte der Herzog. »Herr von Rodenstein, Flora spricht von ihrem – Bruder, von meinem – von meinem Sohn.«

Bei diesen letzten Worten strahlte sein Gesicht vor Liebe und vor Stolz.

»Sie haben einen Sohn?« fragte Otto, auch in freudigster Überraschung. »Oh, so erlauben Sie, daß ich mich nach ihm erkundige.« – »Ja, ja, fragen Sie! Fragen Sie immer zu! Ich werde Ihnen gern antworten. O ja, wie gern, wie so sehr gern will ich Ihnen Auskunft über meinen Sohn erteilen! Ich bin nämlich stolz auf ihn, unendlich stolz, und ich habe alle Ursache dazu. Also fragen Sie, mein lieber Herr von Rodenstein!«

Mein lieber Herr von Rodenstein! Wie drang dieses Wort so beseligend in die Brust des Mannes, der bisher von sich gesprochen hatte, als von einem verstoßenen Sohn! Er dachte nicht daran, daß seine Fragen eine Zudringlichkeit, eine Indiskretion enthalten könnten, und erkundigte sich:

»Wo befindet sich Ihr Herr Sohn?« – »Auf der See.« – »So ist er Seemann?« – »Nein«, lächelte der Herzog. –»Also handelt es sich um eine Reise?« – »Jedenfalls. Aber diese Reise soll von großer Wichtigkeit sein, wie Sie mir gestern sagten.« – »Ich?« fragte Otto erstaunt. – »Ja, Sie! Wir sprachen doch von meinem Sohn!«

Das Gesicht Ottos war ein sehr beredtes Fragezeichen. Jetzt lachte der vor kurzem noch todkranke Mann so vergnügt, wie seit langer Zeit nicht, und sagte:

»Ja, wir haben von ihm gesprochen. Sie haben ihn sogar gesehen und mit ihm geredet. Ja, Sie haben ihn zu mir geschickt, wie Sie sich erinnern werden.« – »Ich? Mein Gott, ich bin ja ganz irre, ganz fassungslos!« – »Sie sandten ihn zu mir, damit er mich vom Tod erretten möge!« – »O Himmel, Sie sprechen von Sternau?« fragte Otto, der befürchtete, daß der Herzog im Fieber redete. –»Ja, von Doktor Sternau, von meinem Sohn.«

Da warf Otto einen ängstlichen Blick auf Flora. Er fürchtete für die Zurechnungsfähigkeit ihres Vaters; aber auch sie sah ihn mit ihren von Glück strahlenden Augen an und sagte:

»Du darfst es glauben, Otto, Sternau ist mein Bruder.«

Da fuhr er vom Stuhl in die Höhe und rief:

»Aber davon weiß ich ja gar nichts, nicht ein einziges Wort!« – »Oh, auch wir haben es nicht gewußt«, meinte Olsunna. »Sie selbst sind es gewesen, der es uns gesagt hat.«

Otto kam aus dem Nichtbegreifen gar nicht heraus, aber Flora eilte ihm zu Hilfe:

»Wir wollen ihn nicht martern, Papa, sondern es ihm sagen«, bat sie. »Sternau ist mein Bruder, ohne daß wir es gewußt haben, und auch er hat es jedenfalls nicht gewußt« – »Ja«, fügte der Herzog hinzu, »Ich habe Ihnen vorhin gesagt daß ich Ihnen dankbar sein werde, so lange ich lebe, und darum will ich Ihnen ein Geständnis machen, obgleich Sie mich dann hart beurteilen mögen: Ich kannte Frau Sternau kurz vor ihrer Vermählung; ihr Sohn ist auch der meinige, obgleich er den Namen eines anderen trägt« – »Ah«, rief Otto, bei dem es nun endlich klar wurde. »Habe ich dir nicht gesagt Flora, daß er dir so ähnlich sehe?« –»Ja, aber da hatte ich ihn noch nicht gesehen, da hatte ich noch keine Ahnung von dem, was wir heute von dir erfuhren. Ich bin nämlich Spanierin. Señorita Wilhelmi war meine Erzieherin.«

Da richtete der Maler einen raschen Blick auf beide und sagte:

»So sind Sie der Bankier Salmonno?« – »Nein«, lachte der Herzog vergnügt – »Nicht? Welche Rätsel! Aber Señorita Wilhelmi ist nur an zwei Orten Erzieherin gewesen, bei Salmonno und beim Herzog von Olsunna.« – »Nun«, sagte der Herzog, »ich sah vorhin bei beginnender Tafel, daß Sie unser Wappen mit einiger Befremdung betrachteten. Kennen Sie diese Krone?« – »Es ist eine herzogliche, mein Herr.« – »Richtig! Und mein Monogramm haben Sie auch bemerkt?« – »E. O.? Allerdings.« – »Nun, das ist mein Name: Eusebio, Herzog von Olsunna. Meine Tochter hier – Sie verzeihen, daß ich sie Ihnen noch nicht vorgestellt habe – ist eine Prinzessin Olsunna.« – »Eine herzogliche Prin...«

Otto von Rodenstein stockte. Er brachte das Wort nicht heraus. Es war ihm, als sei ihm mit einer Keule ein fürchterlicher Hieb versetzt worden; er wankte. Da eilte Flora auf ihn zu. Er aber streckte den Arm abwehrend gegen sie aus und raffte sich mit aller Gewalt zusammen. Sein ganzes Inneres bebte; er fühlte sich tausendmal unglücklicher als je zuvor und sagte:

»Bleiben Sie, Durchlaucht! Ich war einige Tage glücklich, und ich werde den Himmel preisen für diesen Lichtblick in meinem dunklen Leben, aber ich kehre in meine Einsamkeit zurück, um von dieser einen zauberhaft schönen Erinnerung zu zehren bis an mein Ende.« – »Mein Gott, Otto«, rief sie, »das sollst du ja nicht. Das ist ja das, was du mir verzeihen sollst!« – Ja, jetzt verstehe ich Sie, Durchlaucht«, antwortete er. »Sie sprachen von einer Sünde, die ich Ihnen zu vergeben habe. Es ist eine Sünde, eine fürchterliche Sünde. Es wird mir das Herz brechen. Ich habe den Fluch des Vaters getragen, für das übrige aber sind meine Kräfte zu schwach. Es wird.« – Er preßte die Zähne knirschend zusammen, um sein Herz zu bemeistern, und ergriff die Lehne des Stuhls, um sich daran festzuhalten; der Sessel krachte in allen seinen Fugen, denn auf ihm ruhte jetzt das ganze Gewicht des Mannes, der vor Schmerz kaum mehr wußte, was er sprach – »es wird wieder finster um mich werden, finsterer als vorher – und – und ...«

Seine Blicke verschleierten sich; es wurde ihm dunkel vor den Augen, die Zunge versagte ihm den Dienst; er bewegte die Lippen, um zu sprechen, aber es war kein Laut zu hören. Es war der Ausdruck und das Bild einer Verzweiflung, der seine ganze Manneskraft nicht gewachsen war. Er mußte im nächsten Augenblick zusammenbrechen, einen einzigen Laut stieß er mit letzter Anstrengung hervor, es war ein Lallen, ein unverständliches Stammeln, dann knickte er – nein, er brach nicht zusammen, denn Flora war herbeigesprungen; sie schlang die Arme um ihn und hielt ihn fest.

»Otto, mein Otto!« rief sie. »Sei stark! Ich liebe dich ja, ich liebe dich!«

Sie drückte ihn an sich und küßte ihn auf die bleichen, wortlosen Lippen, und dabei rannen ihr die Tränen einer unbeschreiblichen Angst über die Wangen.

Auch der Herzog erhob sich und kam herbei.

»Fassen Sie sich, Herr von Rodenstein!« sagte er. »Sie haben kein Opfer zu bringen, wir nehmen es nicht an.«

Er kam unter den Küssen der Geliebten wieder zu sich. Sie fühlte, daß seine Kräfte wieder zurückkehrten, daß sie ihn nicht mehr zu halten brauchte.

»Otto, sei gut!« bat sie. »Komm, setz dich und höre uns an!«

Sie führte ihn zum Stuhl, auf dem er sich mechanisch niederließ. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn, sein Blick war verstört; aber sie schlang den Arm um ihn, legte ihm die Hand an die kalte Stirn und flüsterte ihm Worte ins Ohr, so innig, so zärtlich und liebevoll, daß der Ausdruck seines Auges klarer und milder wurde und er endlich fragte:

»Du liebst mich wirklich, Flora?«

Das klang immer noch wie mechanisch, wie die Stimme eines Automaten.

»Ja, unendlich liebe ich dich, Otto!« beteuerte sie. – »Eine Herzogin und – und ein verstoßener Sohn! Oh, warum hast du mir das getan! Wir dürfen uns nie, nie gehören! Du kennst die Pflichten deines hohen Standes, diese Pflichten, auf denen der Fluch so manchen gebrochenen Herzens ruht.« – »Was gehen mich diese Pflichten an! Mein Vater hat mich von ihnen entbunden. Er hat mir versprochen, meiner Liebe folgen zu dürfen, wenn der Bruder gefunden wird. Hier steht er, frage ihn selbst, Otto!«

Da kehrte ihm das Blut in die Wangen zurück. Er holte tief, tief Atem, als söge er mit demselben neue Lebenskraft ein. Dann stand er auf und trat auf den Herzog zu.

»Sie haben mich schwach gesehen«, sagte er, »verzeihen Sie mir. Es steht dem Mann nicht an, sich von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen, aber denken Sie an das, was mein Herz bereits gelitten hat, ich möchte nicht noch Schlimmeres erdulden. Ist es wahr, was Flora sagte?« – »Ja«, antwortete der Herzog milde. »Kommen Sie her, mein lieber Herr von Rodenstein. Setzen Sie sich zu uns und lassen Sie sich alles erzählen, warum ein Vater seinen Sohn suchen muß. Dann werde ich sehen, ob Sie mit mir ins Gericht gehen wollen oder ob ich auf Ihre Hilfe rechnen kann.«

Er zog, wie er es bereits Flora gegenüber getan hatte, den Schleier schonungslos von seiner Vergangenheit, und Otto hörte zu. Welche Gefühle drangen dabei auf den Maler ein! Er wurde bald warm und bald kalt; es war ihm, als ob er im Fieber liege. Da saß sie neben ihm, die Heißgeliebte. Er fühlte, daß es ohne sie weder Glück noch Heil für ihn geben könne. Konnte er von ihr lassen? Durfte und mußte er von ihr lassen? War es nicht Feigheit, zurückzutreten, wo es galt, ein solches Juwel festzuhalten und zu verteidigen gegen alle Vorurteile und Herkömmlichkeiten?

Jetzt hatte der Herzog geendet.

»Sie sind es«, sagte er zum Schluß, »der mir heute Licht in dieses Dunkel brachte, dem ich das Glück verdanke, das mir neue Kräfte gibt. Zweifeln Sie an meiner Dankbarkeit?« – »Nein, ein edler Mann ist immer dankbar«, antwortete Otto. »Aber nicht mir haben Sie zu danken, sondern dem Zufall oder Gottes Schickung. Und selbst dann, wenn ich Dankbarkeit zu beanspruchen hätte, würde das, was ich fordern würde, so köstlich, so hoch und wertvoll sein, daß ...« – »Daß ich es Ihnen demnach nicht versagen würde«, unterbrach ihn Olsunna. – »Wie? Höre ich recht? Sie wollten ...!« rief Otto, einige Schritte auf den Herzog zutretend. – »Ja. Ich denke jetzt nicht an meinen Rang, sondern an das Glück meines Kindes. Sie sind Künstler. Der Adel der Kunst steht vielleicht noch höher als der Adel der Geburt. Es gibt Könige, Herzöge, Fürsten, Grafen und Ritter des Geistes. Nun wohl, Sie gehören diesem Adel an; Sie stehen nicht auf der niedersten Stufe desselben: Sie sind mir und meiner Tochter ebenbürtig. Sie sind ein reiner, edler Mann und haben unverschuldet viel gelitten. Flora, liebe ihn und mache ihn glücklich.«

Als wäre ein Blitz vor ihm niedergezuckt, so erstarrt stand Otto für einen Augenblick, dann aber stürzte er vor dem Herzog auf die Knie.

»Ist's war? Ist's wahr?« fragte er. »Sie wollen mir das köstlichste Kleinod anvertrauen, das Sie besitzen, das Kleinod, das millionenmal mehr wert ist als Ihre Herzogskrone? O mein Gott, wo nehme ich die Worte her, Ihnen meinen Dank zu sagen.« – »Danken Sie nicht mit Worten, sondern mit der Tat. Machen Sie mein Kind glücklich, glücklicher, als ihr Vater gewesen ist.«

Auch Flora war vor ihm niedergesunken, überwältigt von ihren Gefühlen. Sie lagen innig umschlungen vor ihm auf den Knien. Da legte er einem jeden von beiden eine seiner Hände auf das Haupt, erhob den Blick gen Himmel und sagte mit zitternder Stimme, aber innig flehendem Ton:

»Gott, Vater, der Du überall bist und auch jetzt bei uns, ich flehe Dich an aus der tiefsten Tiefe meines Vaterherzens, lege meine Schuld nicht auf die Meinigen. Laß Deine Güte auf sie leuchten und Deine Liebe über ihnen walten jetzt und allezeit. Ich lege meinen Vatersegen auf ihre teuren Häupter; gib diesem Segen Kraft und Beständigkeit; sei Du ihr Freund und Beschützer, ihr Schirm in allen Nöten, ihr Helfer, wenn kein anderer helfen kann; leite sie zur Wahrheit und führe sie zum Frieden, den niemand geben kann, als nur Du allein. Erhöre mein Gebet, um Deiner ewigen Gnade willen. Amen.«

Es war ein heiliger Augenblick. Der Segen und das Gebet eines Priesters hätten keine andächtigeren, ergriffeneren Zuhörer haben können, als diese Bitte aus dem Mund eines Vaters, der für seine Tochter auf den Glanz einer Herzogskrone verzichtet hatte, nur um sie glücklich zu sehen.

Als Olsunna geendet hatte, hob er sie zu sich empor und drückte sie beide ans Herz. Ihre Umarmung war wortlos, denn die Gefühle, von denen die drei Personen bewegt wurden, konnten nicht durch schwache Laute beschrieben werden.

»Von jetzt an, mein Sohn, sage ›du‹ zu mir«, meinte endlich der Herzog. »Ich werde dir Vater sein, da der deinige dir fremd geworden ist. Aber ich hoffe, daß er seinen Groll schwinden lassen wird, wenn ich bei ihm bin und mit ihm spreche.« – »Vater, mein Vater! Oh, ich habe einen Vater!« jubelte Otto. »Ja, er wird und er muß mir verzeihen.« – »Und will er auf euch nicht hören«, sagte Flora, »so werde ich einen Kampf mit ihm beginnen, in dem er unterliegen muß. Meiner Liebe und meinen Bitten soll er sicherlich nicht widerstehen. Aber Papa, Otto reist doch mit uns nach Rheinswalden?« – »Natürlich! Außer er findet es für gut, seine Verlobte und seinen Vater zu verlassen.« – »Oh, ich gehe mit, wie gern, wie gern!« rief Otto, indem er die Geliebte an sich zog. – »So bist du unser Reisemarschall und hast alle Unannehmlichkeiten von uns fernzuhalten, mein Sohn. Ich fühle eine Kraft in mir, als könnten wir bereits morgen abreisen.« – »Davon rate ich entschieden ab«, sagte der Maler. »Den Anordnungen Sternaus muß unbedingt Folge geleistet werden. Flora kann einstweilen an Frau Sternau und meinen Vater schreiben, um die Empfehlungsbriefe zu übersenden und unsere Ankunft zu melden. Nur bitte ich, mich noch nicht zu erwähnen.« – »Ja, tue das«, stimmte der Herzog eifrig bei. »Aber die Briefe geben wir erst persönlich ab. Frau Sternau darf nicht wissen, daß ich komme. Schreibe einen anderen Namen, meine Tochter, schreibe, daß uns Doktor Sternau sende und daß wir seine Empfehlungsbriefe selbst überbringen werden.« – »Wird das nicht unrecht sein, Papa?« – »O nein«, lachte er vergnügt. »Ein Herzog hat das Recht, inkognito zu reisen. Überhaupt gehe ich ja, mir meine Braut anzusehen; das tut der Bräutigam in einem jeden Roman gewiß nicht anders als inkognito.«

Der alte Herr war recht fröhlich geworden. Er scherzte und lachte, und diese Gemütsstimmung hatte einen ganz vorteilhaften Einfluß auf sein körperliches Befinden. Er fühlte sich so wohl, wie neugeboren, daß er endlich gar vorschlug, das unterbrochene Mahl von neuem zu beginnen, ein Vorschlag, der die Billigung der beiden anderen fand, die sich über die gute Stimmung des Vaters herzlich freuten.

Als Otto von Rodenstein sich vorher an die Tafel gesetzt hatte, war es ihm nicht eingefallen, zu denken, daß er nach so kurzer Zeit bereits als der Verlobte Floras an deren Seite sitzen werde. Er aß, aber er wußte vor Glück nicht, was er aß. Die Geliebte schob ihm das Beste hin; er ließ es sich schmecken, aber er sah nur auf die zarten, weißen Hände, die ihn bedienten, und in ihre Augen, die so seelenvoll vergnügt auf ihn leuchteten.

Der Herzog bemerkte dieses Versunkensein in die Liebe; er lächelte, als er sah, welche Portionen Otto hinunterschluckte, ohne darauf zu achten, nach und nach aber wurde er besorgt; es wurde ihm bange, und er sagte:

»Halt ein, Flora, sonst bringst du mich um den Sohn, den ich soeben erst gewonnen habe!«

Sie sah ihn an und fragte unbefangen:

»Wie meinst du das, Papa?« – »Wirf doch nur einen Blick auf die Tafel, mein Kind. Muß denn die Liebe gar so nachhaltig gespeist, ich möchte fast sagen, gemästet werden? Ich sage dir, er wird ganz sicher ersticken.«

Jetzt lachten sie alle drei, und nun der Maler aufmerksam geworden war, fühlte er erst, daß er der schönen Hände und Augen der Geliebten wegen fast ganz allein den Tisch abgeräumt hatte.

»Eine Hungerkur macht alles gut«, sagte er. »Hat man aus Liebe gegessen, kann man aus Liebe auch hungern; ich will es wenigstens versuchen.«


 << zurück weiter >>