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13. Kapitel.

Unterdessen hatte in Schloß Rheinswalden eine ernste Unterredung stattgefunden. Kaum nämlich war Ludwig fort, so fuhr ein Wagen in den Schloßhof. In demselben saß jener Staatsanwalt, der sich Doktor Sternaus so warm angenommen hatte.

»Ist der Herr Hauptmann zu Hause und auf seinem Zimmer?« fragte er den Burschen, der herbeigekommen war, um die Pferde zu halten. – »Jedenfalls.«

Er stieg die Treppe empor und traf zufällig mit Sternau zusammen, der aus seinem Studierzimmer trat.

»Ah, das trifft sich gut, Herr Doktor«, sagte er. – »Willkommen! Sie wollen zu mir?« – »Zu Ihnen, ja. Vorher aber stand ich im Begriff, den Herrn Hauptmann zu begrüßen.« – »So kommen Sie.«

Der Staatsanwalt wurden von Rodenstein herzlich willkommen geheißen.

»Sie bringen Nachricht?« fragte der letztere. »Nehmen Sie Platz!«

Nachdem man sich eine Zigarre angebrannt hatte, begann der Beamte:

»Sie wissen, daß ich mich nach dem Schiff ›La Pendola‹ und dem spanischen Kapitän Henrico Landola erkundigen wollte.« – »Allerdings wollten Sie die Güte haben«, meinte Sternau. – »Nun, ich habe es getan. Ich habe Verwandte und auch sonstige Verbindungen in dem Auswärtigen Amt in Berlin. Ein Freund von mir ist bei der Gesandtschaft in London angestellt. Ich habe da nun alle Minen springen lassen und heute eine Depesche erhalten.« – »Günstig?« fragte Rodenstein. – »Man hat von Berlin und London aus an verschiedene Konsulate telegrafiert, und das Ergebnis ist die Nachricht, daß die ›Pendola‹ vorige Woche auf Sankt Helena angelegt hat, um Wasser einzunehmen. Dann ist sie nach Kapstadt gegangen, wo sie jetzt noch vor Anker liegt.« – »Das ist allerdings eine günstige Nachricht!« rief Sternau erfreut. »Man weiß ja nun, wo man den Mann zu suchen hat!« – »Weiß man bloß das?« fragte der Hauptmann. »Nein, man weiß weit mehr, und zwar, wo man ihn zu suchen und wo man ihn festzuhalten hat!«

Der Staatsanwalt schüttelte den Kopf.

»Das geht nicht, Herr Hauptmann.« – »Donnerwetter, warum nicht?« – »Erstens sind keine genügenden oder vielmehr keine erwiesenen Gründe vorhanden, um die Polizei zum Einschreiten zu bewegen.« – »Ah! Und zweitens?« – »Zweitens ist Landola ein Spanier, und wir sind Deutsche. Das soll sagen, daß, selbst wenn die angeregten Gründe vorhanden wären, es doch verschiedene Formalitäten zu erfüllen gibt, die für uns sehr fatal sind.« – »Warum fatal?« – »Weil sie ihm Zeit geben, zu entkommen.«

Der Hauptmann rückte zornig auf seinem Stuhl hin und her.

»Sie wollten wohl sagen, daß wir ihn durch die Organe der Regierung niemals fassen werden?« – »Wie die Sachen jetzt liegen, ja. Herr Doktor, haben Sie mir über Ihre Verhältnisse alles mitgeteilt?« – »Alles!« beteuerte Sternau. »Selbst das Geringste.« – »Und es gibt nichts, das Sie vergaßen oder mir verheimlichten?« – »Ich weiß wirklich nichts.« – »Nun, so bin ich sicher, daß wir das Material noch nicht besitzen, diesen Seekapitän gefangenzunehmen. Darum habe ich die nötigen Schritte getan, um mehr solches Material zu sammeln.« – »Darf ich fragen, worin diese Schritte bestehen?« – »Sie sagten, daß Henrico Landola in Barcelona anzulegen pflegt?« – »Ja.« – »Nun, so bald er dort ankommt, wird er sich festrennen. Ich habe nämlich einen unserer gewandtesten Polizisten dort stationiert.« – »Wie freundlich und umsichtig! Die Kosten trage natürlich ich!« – »Darüber sprechen wir später. Dieser Polizist hat zugleich die Aufgabe, Schloß Rodriganda genau zu überwachen.« – »Das ist gut, das kann von großem Vorteil sein.« – »Einen Erfolg habe ich schon zu verzeichnen.« – »Welchen?« fragte Rodenstein neugierig. »Er telegrafierte mir, daß Graf Alfonzo nach Frankreich verreist sei. Ich setzte mich sofort mit Paris in Verbindung und habe da bereits erfahren, daß er sich in Orleans einen Diener genommen hat und mit demselben in Paris angekommen ist. Dort ist er aber spurlos verschwunden.« – »Man wird ihn finden.« – »Ich hoffe es. Ich ahne, daß diese Reise mit Ihnen in Verbindung steht. Ferner teilt mir jener Polizist mit, daß man gesonnen ist, Ihre Flucht aus dem Gefängnis in Barcelona zu ignorieren.« – »Das erwartete ich«, sagte Sternau. »Ich hatte nichts begangen.« – »Er hat ferner noch andere Schritte getan. Er teilt mir mit, daß man nicht mehr gewillt ist zu bestreiten, daß die Dame, die sich hier befindet, die Gräfin Rosa de Rodriganda sei.« – »Daraus folgt also, daß man ihr das Recht zuspricht, ihr Erbe zu beanspruchen?« – »Allerdings. Ich habe gerade in dieser Beziehung auch mit dem spanischen Gesandten in Berlin korrespondiert und Depeschen gewechselt. Er ist gewillt das Möglichste zu tun.« – »Ich bin Ihnen wirklich zu sehr großem Dank verpflichtet.« – »Sie sehen, daß in dieser kurzen Zeit bereits sehr viel geschehen ist. Weiter habe ich mich hier an den Geheimrat Belling gewandt.« – »In Darmstadt?« – Ja. Er besitzt großen Einfluß bei Hof. Ich habe ihm das Nötigste mitgeteilt und er hat mir versprochen, dahin zu wirken, daß der Großherzog sich für Sie interessiert. Geschieht dies, so haben Sie hier festen Grund gefunden. Ich erwarte stündlich seine Resolution.« – »Dann würde es ja geraten sein, mich ihm einmal vorzustellen.« – »Tun Sie das. Sie haben zunächst die Aufgabe, Ihre Braut zu Ihrer Gemahlin zu machen, und hierbei fällt die Gunst des Hofes bedeutend in die Waagschale. Übrigens kann uns jeder Tag Neues bringen. Ich lebe der schönen Hoffnung, daß alles sich schnell zum besten lenken lassen wird.« – »Halten Sie noch fest an Ihrer früheren Meinung, daß jener spanische Kapitän nur zur See gefangen werden kann?« – »Es ist noch jetzt meine Überzeugung. Sie müssen wissen, wohin er Ihren Freund, jenen Husarenleutnant Alfred de Lautreville, entführt hat. Sie müssen ferner wissen, welche Bewandtnis es mit dem Mann hat, der in Mexiko aufgeladen und als Sklave nach Harar – heute Harer – transportiert wurde. Das alles erfahren Sie nur dann von ihm, wenn Sie sein Meister werden, wenn Sie, Gewalt gegen Gewalt, ihn in Ihre Hände bekommen.« – »So ist es beschlossen, daß ich eine Dampfjacht kaufe und nach dem Kap gehe, um ihn zu verfolgen.« – »Ich rate Ihnen dazu. Vorher aber stellen Sie Ihre hiesige Existenz fest. So, das wäre, was ich Ihnen für heute bringe. Darf man die Damen sehen?« – »Ich bitte darum.« – »Ich möchte sie begrüßen, und wir können ja in ihrer Gegenwart noch weiter über unser Thema verhandeln.«

Man begab sich also nach dem Salon, wo der Hauptmann, Sternau, der Anwalt, Gräfin Rosa und die beiden Damen Sternau bis über die Dunkelstunde hinaus beisammensaßen.

Eben erhob sich der Anwalt, um aufzubrechen, als ein Reiter in den Hof galoppierte.

»Wer mag das sein?« fragte er. »Vielleicht ein Bote nach mir. Ich werde erwartet.« – »Nein, den Schritt dieses Pferdes und die Art und Weise dieses Reiters kenne ich«, versetzte Rodenstein. »Es ist mein Ludwig.«

Er hatte im Lauf der Unterhaltung dem Anwalt die Heldentat Kurts erzählt und auch gesagt, daß er den Burschen nach Darmstadt geschickt habe. Darum kannte dieser die Angelegenheit und sagte, sich wieder niedersetzend:

»So bleibe ich noch eine Minute. Ich möchte doch sehen, was der Oberforstdirektor zu unserem kleinen Nimrod gemeint hat.«

Es dauerte gar nicht lange, so trat Ludwig ein.

»Eingetroffen, Herr Hauptmann!« meldete er. – »Du warst länger, als ich dachte«, sagte der Oberförster. – »Der Herr Oberforstdirektor war gar nicht in Darmstadt dahier«, entschuldigte sich der Bursche, »sondern in Kranichstein.« – »Und da bist du hinaus? Nun, wie ging es?«

Ludwig trat mit stolzen Schritten an den Tisch und zählte das Geld auf denselben.

»Dahier!« sagte er. »Das ist für den Balg.« – »Zwanzig Taler? Ah, das ist viel. Das hätte ich dem Oberforstdirektor nicht zugetraut«, meinte der Oberförster. – »Es ist auch gar nicht von ihm, vielmehr von der Hoheit selbst.« – »Von der Hoheit? Du meinst doch nicht etwa von dem Großherzog?« – »Ja, gerade den meine ich dahier!« – »Bist du toll?« – »Nein, aber reich.«

Ludwig lachte mit dem ganzen Gesicht, griff in die Tasche und klimperte mit seinem Geld.

»Mensch, das klingt ja nach lauter harten Talerstücken!« rief der Hauptmann. »Von wem sind sie?« – »Ich hätte sogar noch zwei Taler mehr; aber die habe ich dem großherzoglichen Stallknecht als Trinkgeld gegeben, weil er mir den Braunen versorgt hat.« – »Zwei Taler?« fragte Rodenstein. »Du bist wohl übergeschnappt?« – »Nein. Ich gab sie, weil der Kerl mich erst über die Schulter ansah dahier, und geben konnte ich sie, weil ich fünfzehn Taler Trinkgeld erhalten habe.« – »Fünfzehn ... Ah, Halunke, du hast einen Rausch!« – »Das wäre gar kein Wunder, wenn man vor lauter Freude einmal besoffen würde.« – »Wer gab dir denn das Trinkgeld?« – »Ich will es erzählen, Herr Hauptmann. Vom Großherzog fünf Taler ...« – »Mit dem Großherzog hast du gesprochen?« fragte der Hauptmann überrascht. – »Ja, mit ihm habe ich gesprochen, und zwar so wie mit mir selbst. Er hat mich ›unsern guten Straubenberger‹ genannt dahier! Also von ihm fünf Taler, von dem Oberforstdirektor fünf Taler, macht zehn ...« – »Mir bleibt der Verstand stillstehen!« sagte der Hauptmann.

Ludwig fuhr fort:

»Von der Frau Großherzogin drei, macht ...« – »Alle Teufel!« fuhr Rodenstein auf, »auch mit der hast du gesprochen?« – »Ja. Von ihr drei, macht dreizehn, und von der Frau Oberforstdirektor zwei, macht fünfzehn dahier.« – »Aber Mensch, wie kommst du denn zu dem Glück, mit dem Großherzog zu reden?« – »Oh, dazu kann mancher kommen, Herr Hauptmann. Zum Beispiel Sie, und schon morgen.« – »Morgen?« Rodenstein sprang auf. »Was willst du damit sagen, Kerl?« – »Morgen kommt der Großherzog, der Oberforstdirektor und noch eine ganze Menge anderer Herren, alle mit ihren Weibern dahier.« – »Kerl, ich schlage dich tot, wenn du es etwa wagst, dir einen Spaß zu machen!« rief der Oberförster außer sich vor Überraschung. – »Sie kommen, weiß Gott, sie kommen, Herr Hauptmann!« beteuerte der Bursche. – »Herrgott, ist's möglich! Welch eine Überraschung! Und so viele, mit ihren Damen?« – »Ja.« – »Na, das wird eine schöne Prosit die Mahlzeit! So etwas muß man doch viel länger vorher wissen! Weshalb nur gerade morgen?« – »Den Kurt wollen sie sehen! Ja, und den Herrn Doktor und die gute Gräfin Rosa; und die Prämien will der Großherzog bringen, hundertzwanzig Taler in Summa dahier.«

Diese Nachricht brachte eine ungeheure Aufregung in der Versammlung hervor. Die Anwesenden alle erhoben sich von ihren Plätzen und drangen mit Fragen auf Ludwig ein. Der Oberförster wehrte aber ab und sagte:

»Halt, meine Herrschaften! Das muß ordentlich gehen, nicht alles durcheinander! Laßt mich allein fragen, dann kommen wir schneller zum Ziel.« Und sich nun wieder zu dem Jägerburschen wendend, erkundigte er sich: »Zu welcher Zeit wollen sie kommen?« – »Punkt zwölf Uhr mittags.« – »Und wie viele wollen kommen?« – »Sehr viele. Weiter weiß ich nichts dahier.« – »So erzähle, wie es dir in Kranichstein ergangen ist.« – »Nun, ich übergab mein Pferd dem Stallknecht und sagte einem Diener, zu wem ich wollte dahier. Er sagte, daß der Großherzog bei dem Oberforstdirektor sei, daß er mich aber anmelden werde, weil ich ein Kurier sei.« – »Donnerwetter, du hast dich für einen Kurier ausgegeben?« – »Ja.« – »Bist du gescheit oder nicht, Kerl?« – »Ich bin gescheit; das wird sich gleich zeigen.« – »Da bin ich doch neugierig! Na, ich werde eine schöne Nase erhalten, wenn morgen die Herrschaften kommen! Erzähle weiter.« – »Der Lakai meldete mich, und ich kam nun in ein Zimmer, wo es Gottstrambach schöner war als im Himmel dahier. Da saßen der Großherzog und der Oberforstdirektor mit ihren Weibern.« – »Wem gabst du den Brief?« – »Hm, den kriegte jetzt einstweilen noch niemand.« – »Niemand? Aber Mensch, den mußtest du doch sofort abgeben!« – »Das fiel mir gar nicht ein, denn ich hatte es vergessen. Sie fragten mich zunächst, wer ich bin dahier, und warum ich mich wegen eines Wolfes als Kurier ausgeben könne ...« – »Da hat man's! Meine Nase werde ich ganz sicher bekommen, daß ich so einen Dummhut geschickt habe!« – »Dummhut, Herr Hauptmann? Das dürfen nur Sie mir sagen, einen anderen würde ich zu Boden schlagen, daß ihm die Seele aus der Haut fahren sollte dahier! Ich habe keine Dummheit begangen, sondern mit den Herrschaften gesprochen, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Sie sind auch ganz prächtig mit mir einverstanden gewesen, und ich mit ihnen auch. Ich habe ihnen sogar tüchtig vor die Zähne gesprochen, als ich ihnen das Fell ausbreitete, und sie dachten, es wäre eine Wolfshaut.« – »Eine Wolfshaut?« fragte der Hauptmann ungläubig. – »Ja.« – »Unmöglich. Der Großherzog und der Oberforstdirektor wissen schon eine Wolfshaut von einem Luchsbalg zu unterscheiden!« – »Es ist aber doch so. Sie hatten es für eine Wolfshaut angesehen, bis sie dann selber einsahen, daß es ein Luchsfell war. Und da konnte ich mich nicht halten, da habe ich ihnen die Paten gesteckt.« – »Sapperlot, du bist doch nicht etwa unvorsichtig gewesen?« – »Nein, nicht im geringsten.« – »Was hast du gesagt?« – »Hm! Der Großherzog sagte: Das ist doch ein Luchsbalg. Und da sagte ich: Na, das versteht sich doch Gottstrambach ganz von selber!« – »Himmelheiligeskreuz ...! Bist du denn geplatzt, Halunke?« – »Nein, Herr Hauptmann.« – »Haben sich dich denn nicht gleich arretieren lassen?« – »Nein.« – »Was haben sie denn gemacht?« – »Gelacht haben sie, weiter nichts.« – »Da hat man's! Das ist noch schlimmer! Meinen Boten haben sie ausgelacht; das ist gerade so gut, als ob sie mich selber ausgelacht hätten.« – »Ausgelacht, Herr Hauptmann? Das ist nicht wahr! Vor Vergnügen haben sie gelacht, vor Freude über mich dahier. Dann haben sie mich gefragt, wie lange ich diene und warum ich keine Försterstelle annehme, und als ich sagte, daß ich nicht von dem Herrn Hauptmann weg wolle, da haben sie mich gelobt, und der Großherzog hat gemeint, daß er an mich denken wolle dahier. Und als ich nachher den Brief hingab, da hat ihn der Großherzog laut vorgelesen...« – »Die anderen und auch die Damen haben ihn gehört?« erkundigte sich der Hauptmann ganz stolz. – »Ja.« – »Nun, was sagten die denn zu einem solchen Brief?«

Der Hauptmann hielt sich nämlich für einen großen Schrifthelden, er erwartete, jetzt eine große Lobrede zu hören, doch der wahrheitsliebende Bursche sagte:

»Ausgelacht sind Sie worden, Herr Hauptmann.« – »Wa-wa-wa-waaaas?« – »Ausgelacht!« – »Un-un-möglich!«

Seine Nase war vor Schreck ganz kreidebleich geworden, und sein Mund stand vollständig offen.

»Ja!« behauptete Ludwig mit Nachdruck. »Von allen, auch von den Damen.« – »Aber weshalb denn, beim Teufel?« – »Ja, wegen vielerlei.« – »Nun, zum Beispiel?«

Der gute Ludwig hatte seinen Herrn lieb, aber es tat ihm gut, ihm auch einmal einen Jagdhieb versetzen zu können. Daher sagte er:

»Na, wegen dem Stil dahier.« – »Wegen dem Stil? Das ist mir Gottstrafmich doch zu stark! Kein Mensch hat so einen schönen Stil wie ich.«

Die Anwesenden lächelten, sagten aber nichts. Nur der Jägerbursche meinte:

»Die Herrschaften verstehen vielleicht von einem guten Stil nichts, sie lachten, und der Herzog sagte, das wäre originell.« – »Schafskopf, das ist doch ein Lob, aber kein Tadel!« – »Gottstrambach, da bin ich also doch ein tüchtiger Kerl dahier!« – »Wieso?« – »Der Großherzog sagte: Unser Rodenstein bleibt doch immer der Alte; erst schickt er uns diesen braven Straubenberger und dann diesen Brief! – Also wenn der Brief tüchtig war, so bin ich auch tüchtig; das versteht sich ja ganz von selber dahier. Aber gelacht haben sie doch, besonders wegen der Haut und den zwei Ohren.« – »Wieso?« – »Nun, Sie hatten doch geschrieben, daß ich eine Haut und zwei Ohren hätte.« – »Kerl, ich haue dich! Ich werde doch wissen, was ich geschrieben habe! Ich habe geschrieben: Hier schicke ich meinen Ludwig Straubenberger, und so weiter, der hat eine Haut und zwei Ohren, für die Sie ihm die Prämie geben sollen.«

Der Oberförster blickte sich im Kreis um und sah, daß alle sich Mühe gaben, ihr Lachen zu verbergen; da ging ihm eine Ahnung auf, und er fragte:

»Na, Herr Staatsanwalt, Sie lachen. War es nicht richtig?« – »Hm! Aus Ihrer Wortstellung geht allerdings hervor, daß Sie von der Haut und den Ohren Ihres Ludwigs gesprochen haben.«

Der Hauptmann glaubte es noch immer nicht, und darum fragte er Sternau:

»Ist's wahr, Herr Doktor?« – »Es ist allerdings so, wie der Herr Staatsanwalt sagte«, antwortete dieser. – »Heiliges Pech, so habe ich mich blamiert, gewaltig blamiert!« – »Und dann das Trinkgeld!« sagte Ludwig. »Sie haben doch geschrieben, daß sie mir Trinkgeld geben sollen.« – »Das habe ich mit Fleiß getan, da habe ich den Zahlmeister gemeint. Wer denkt denn, daß mein Brief dem Großherzog in die Hände kommt! Na, ich werde eine schöne Nase kriegen morgen, eine Nase, zwölf Meilen lang! Wer gab dir denn das Geld für den Balg?« – »Der Großherzog.« – »Donnerwetter, dem hättest du es schenken sollen!« – »Das fällt mir gar nicht ein, so dumm bin ich nicht dahier. Er hat mir die zwanzig Taler sehr gern gegeben, ich sah es ihm an.« – »Etwas Schriftliches hast du nicht bekommen?« – »Nein. Sie wollen morgen alles mündlich abmachen.« – »Also was verlangten sie für morgen?« – »Den kleinen Kurt wollten sie sehen.« – »Sie glaubten nicht, daß er's gewesen ist?« – »Nein. Der Großherzog sprach sogar von Fopperei.« – »Alle Teufel!« – »Ja. Dann will der Großherzog den Herrn Doktor vorstellen.« – »Papperlapapp! Ich soll ihm den Herrn Doktor vorstellen, so wird er es gemeint haben.« – »Möglich! Den Herrn Doktor und die gnädige Gräfin von Rodriganda.« – »So wußte er bereits von uns?« fragte Sternau. »Hat er keine Bemerkung fallenlassen, aus der man erraten könnte, durch wen er von uns erfahren hat?« – »Hm, die Großherzogin sagte so etwas, doch muß ich mich erst besinnen. Es war ein Geheimrat dabei, wie ich glaube.« – »Wurde der Name genannt?« – »Allerdings, er fällt mir aber gar nicht gleich ein dahier.« – »Vielleicht Belling?« – »Ja, ja, Belling, Geheimrat Belling, so war es.« – »Sehen Sie, Herr Staatsanwalt«, sagte Sternau, zu diesem gewandt, »daß der Herr Geheimrat sein Wort bereits gehalten hat!« – »Ich war überzeugt davon«, entgegnete der Beamte, »ihm haben Sie den Besuch der Herrschaften zu verdanken. Es würde mir angenehm sein, wenn ich morgen auf Schloß Rheinswalden sein dürfte.« – »Was hält Sie davon ab?« fragte der Hauptmann. »Etwa Ihre amtlichen Verrichtungen?« – »Diese weniger ...« – »Nun, wenn es nur an meiner Einladung fehlt, so wissen Sie ja, daß Sie mir jederzeit herzlich willkommen sind. Wollen Sie zusagen?« – »Gut, ich komme!« – »Schön, abgemacht! Frau Sternau, wie steht es mit der Küche?« – »Da befinde ich mich allerdings sehr in Verlegenheit«, antwortete sie. »Ich weiß ja nicht, was die Herrschaften zu genießen wünschen...« – »Dummheit! Sie müssen nehmen, was sie kriegen; nach ihren Wünschen zu fragen, ist es zu spät. Aber sie sollen zufrieden sein. Wild haben wir?« – »Genug! Schweinernes auch.« – »Na, wegen des übrigen schicken Sie gleich einen Expressen in die Stadt.« – »Aber ich weiß nicht für wie viele Personen ...« – »Abermals Dummheit! Wir machen so viel, als wir fertigkriegen können, was übrigbleibt essen wir selber. Den Weinkeller werde ich gleich untersuchen.« Frau Sternau hatte den Haushalt in einer musterhaften Ordnung, aber die Ankunft solcher Gäste war doch immerhin bedenklich. Es verging der Abend und fast die ganze Nacht mit Vorbereitungen, und erst als am anderen Vormittag der Staatsanwalt ankam, konnte man sagen, daß man der Ankunft des Großherzogs nun mit Ruhe entgegensehe.


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