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18. Kapitel.

»Das Segel schwillt, es weht der Wind,
Hinaus drum in die blaue See!
Es winkt die Flut. Lieb Weib und Kind,
Es muß geschieden sein, ade!
Ich fürchte nicht des Sturmes Wut
Und nicht der Klippe Korallenriff;
Es wächst in der Gefahr mein Mut,
Und fest im Steuer läuft das Schiff.

Es schwellt die Hoffnung mir das Herz,
Hinaus treibt es mich ohne Rast.
Es strebt mein Glaube himmelwärts,
Wie auf dem Decke ragt der Mast.
Es gilt, ein kühnes Werk zu tun
Mit frohem, ungetrübtem Sinn;
Drum darf des Schiffes Kiel nicht ruhn,
Bis ich am fernen Ziele bin.«

Der Hauptmann fand den Doktor mit Rosa beisammen. Sie saßen traulich nebeneinander und schienen sich über denselben Gegenstand unterhalten zu haben, der den Hauptmann herbeiführte.

»Gott sei Dank«, sagte dieser. »Es ist eine große Ehre, diese Herrschaften bei sich zu sehen, aber heiß wird es einem doch dabei. Den Wirt greift es am meisten an, obgleich ich sagen muß, daß auch Sie ganz tüchtig gearbeitet haben, Doktor. Diese hohen Herren und Damen haben einen ganz gewaltigen Respekt vor Ihnen bekommen.« – »Ja«, nahm Rosa ganz glücklich das Wort, »man möchte fast sagen, daß er eine Schlacht gewonnen hat. Er hat sich die Achtung und das Wohlwollen von Personen erkauft, denen wir viel zu verdanken haben werden.« – »Ja«, entgegnete Sternau, »wir haben dem Großherzog alles erzählen müssen.« – »Und ...« – »Er hat uns einen Rat gegeben, den ich schleunigst befolgen werde.« – »Welchen?«

Rosa errötete, Sternau antwortete:

»Ich werde baldigst abreisen, um Kapitän Landola aufzusuchen, vorher aber, so lautet der Rat der Hoheiten, sollen wir uns vermählen.« – »Donnerwetter. Ist dies so schnell möglich?« – »Ja. Der Großherzog will alle Hindernisse beseitigen und dann während meiner Abwesenheit Rosa unter seinen besonderen Schutz nehmen.« – »Oho! Sie steht jetzt bereits unter meinem Schutz. Sollte dieser etwa nicht ausreichen?« – »Gewiß, mein bester Hauptmann, aber Sie werden zugeben, daß in unseren eigentümlichen Verhältnissen die Protektion eines solchen Herrn für uns von großem Vorteil ist.« – »Zugegeben. Aber ob ich mir unsere liebe Gräfin entreißen lasse, das werde ich mir doch sehr überlegen.«

Am anderen Tag ritt Sternau mit dem Hauptmann nach dem Lustschloß, wo sie mit Auszeichnung empfangen wurden. Der erstere mußte von seinen Abenteuern erzählen, dann kam seine gegenwärtige Lage zur Sprache, und nun zeigte sich, daß der Großherzog bereits Schritte getan hatte, um ihm den Weg zu ebnen. Sternau erfuhr, daß die Vermählung bereits innerhalb einer Woche stattfinden könne, und die Hoheiten luden sich zu derselben ein.

Nun begann eine fleißige, freudige Tätigkeit auf Schloß Rheinswalden. Rosa wünschte, daß die Hochzeit in aller Stille vor sich gehe, und dieser Wunsch kam den Ansichten Sternaus entgegen.

Es war am Montag, wo der Großherzog zum zweiten Mal, dieses Mal aber ohne Gefolge, nach Rheinswalden kam. Nur die Großherzogin war bei ihm.

Man hatte im Saal einen Altar errichtet, und mit Hilfe der großherzoglichen Orangerie war der Raum in einen südlichen Blumengarten verwandelt worden. Der Hofprediger war bereits vor dem Fürsten angekommen, es war Wunsch des letzteren gewesen, daß dieser Geistliche die Trauung vornehmen sollte.

Rosa erschien in einem einfachen Seidenkleid, außer dem Schleier und der Myrtenkrone nur von ihrer eigenen Schönheit geschmückt. Das Hochzeitspaar wurde vom Großherzog und der Großherzogin zum Altar geleitet. Ihnen folgte der Hauptmann mit der Mutter und Schwester des Bräutigams, dann kam der wackere Alimpo mit seiner Elvira, während die Jägerburschen in ihrer Galauniform den Hintergrund füllten.

Der Prediger sprach Worte, die vom Herzen kamen und zum Herzen gingen. Aller Augen standen voll Tränen, und man kann wohl sagen, daß der gute Kastellan und seine Elvira sich fast ebenso glücklich fühlten wie das Hochzeitspaar selbst.

Nach dem feierlichen Akt vereinte ein einfaches Mahl die wenigen Teilnehmer. So war es der Wunsch der Braut, und das hatte die Zustimmung aller gefunden. Nicht so einfach aber waren die Geschenke, die die Glücklichen von dem Großherzog und dessen gütiger Gemahlin erhielten. Man sah es, daß die beiden letzteren sich nicht nur als Protektoren, sondern als Freunde zu dem schönen, interessanten Paar stellten.

Nun war der einfache, deutsche Arzt mit der schönen, reichen, spanischen Gräfin vereint, und er konnte daran denken, an die Lösung der tiefen Geheimnisse zu gehen, die sich über die Verhältnisse der Familie Rodriganda ausbreiteten. Er gestattete sich nur eine einzige Woche Zeit, um das Glück seiner jungen Ehe zu genießen und die Vorbereitungen zu seiner Reise zu treffen. Dann verließ er mit dem Steuermann Rheinswalden, sein Teuerstes unter dem Schutz des Großherzogs und des Hauptmanns zurücklassend.

Er hatte sich neben einer größeren Barsumme auch mit guten Wechseln auf England versehen und wurde von dem Hauptmann nach Mainz begleitet, der ihn auf das Dampfschiff brachte, auf dem er den Rhein hinabfahren wollte.

Der Abschied von seinem jungen Weib war ein rührender, Rosa wollte sich gar nicht von ihm trennen und lag immer und immer wieder weinend an seiner Brust, ihn mit ihren Armen umschlingend. Und dann stand sie noch unter dem Tor und blickte dem Wagen, der ihn nach Mainz brachte, nach, so lange als sie ihn nur zu sehen vermochte. Alimpo und Elvira standen bei ihr.

»Weinen Sie nicht, meine teure Gräfin«, sagte letztere. »Unser guter Herr wird bald wieder zurückkommen, das sagt mein Alimpo auch.« – »Ja«, meinte dieser. »Der Herr Doktor ist ganz der Mann dazu, diesen Capitano Landola zu fangen. Er wird ihn sicherlich finden.«

Und von weitem stand Ludwig neben Kurt, auch der Knabe weinte, und dem Jägerburschen stand eine dicke Träne im Auge, deren er sich fast schämen wollte.

»Was weinst du, Junge!« sagte er zu dem Knaben. »Man darf keine Memme sein dahier.« – »Du weinst doch auch«, meinte Kurt, ihm in das Auge blickend. – »Ich? Weinen? Dummheit! Das ist nur ein Schweißtropfen. Es ist eine ganz verteufelte Hitze heute. Vor acht Tagen war es kalt wie in Sibirien dahier, und heute fährt sogar das Dampfschiff wieder. Es ist eine ganz abnorme Witterung heuer.«

Alle diese Bewohner von Rheinswalden ahnten nicht, welche Reihe von Jahren vor ihnen lag, ehe Sternau mit dem Steuermann wiederkehren würde.

Dieser fand am Landeplatz den Staatsanwalt, der gekommen war, ihn noch einmal zu sprechen. Der Beamte versicherte, daß Sternau ruhig reisen könne, er werde seine Interessen auf das sorgfältigste wahren und sich der jungen Frau Doktor stets mit aller Aufmerksamkeit annehmen.

Der Hauptmann fuhr bis Köln mit. Hier trennten sie sich. Die Reise mußte per Bahn fortgesetzt werden, da infolge der Überschwemmung das Fahrwasser nach abwärts nicht mehr zuverlässig war.

»Wie lange gedenken Sie fortzubleiben, Herr Doktor?« fragte er. – »Wer kann das wissen«, antwortete Sternau. »Meine Wege stehen in Gottes Hand.« – »Das ist richtig. Und ich hoffe, daß Gott ein Einsehen haben und Sie uns recht bald wieder zurückbringen wird.« – »Grüßen Sie mir Rosa noch, und auch alle übrigen.« – »Soll geschehen, Doktor! Na, wollen uns das Herz nicht länger schwermachen. Auf das Scheiden kommt ja ein Wiedersehen! Adieu!« – »Leben Sie wohl!«

Sie drückten sich die Hand, dann – ging Sternau mit dem Steuermann einer Zukunft entgegen, die glücklicherweise noch im dunkeln vor ihnen lag.


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