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Gerard ging dann nach der Rue de St. Quentin, um den Grafen aufzusuchen. Er fand diesen, mit großer Ungeduld seiner wartend.
»Nun, wie steht es?« fragte der Graf. – »Leidlich, vielleicht auch gut«, antwortete Gerard. – »Was soll dies heißen?« – »Es soll heißen, daß ich das Buch gesehen habe, aber nicht weiß, ob Sie es bekommen werden, weil Ihnen der Preis zu hoch sein wird; er verlangt tausend Franken und sagte, daß er keinen Sous herablassen würde.« – »Dieser Schuft! Warum verlangt er eine solche Summe? Das Buch hat ja keinen Wert für ihn!« – »Er sagte, es habe desto mehr Wert für die Polizei.«
Der Graf verfärbte sich.
»Warum?« fragte er. – »Er hat mir gar nichts Ausführliches darüber mitteilen wollen.« – »So handelt es sich vielleicht um eine andere Brieftasche. Die meinige hat wohl Wert für mich, aber nicht das mindeste Interesse für die Polizei.« – »Das kommt wohl auf eine Probe an. Er hat eine Seite des Notizbuchs abgeschrieben und mir die Abschrift mitgegeben.« – »Ah! Zeige her!«
Gerard nahm das Blatt heraus und zeigte es dem Grafen. Dieser las es und sagte dann:
»Es stimmt; es ist mein Portefeuille. Hast du diese Zeilen gelesen?« – »Nein; ich verstehe nicht Spanisch.« – »Donnerwetter, aber du weißt, daß es Spanisch ist!« – »Er sagte es mir, da er Spanisch versteht.« – »Wirklich?« fragte der Graf erbleichend. – »Ja; er hat in Spanien als Kaufmann konditioniert.« – »Alle Teufel! Das ist verdammt unangenehm!«
Alfonzo zerknitterte das Papier in der geballten Faust und trat an das Fenster. Seine Mienen bewegten sich in der Reihenfolge der Gedanken und Gefühle, die über sein Gesicht gingen.
»Wie heißt er?« fragte er, sich endlich wieder umdrehend. – »Das kann ich nicht sagen, denn ein Kamerad verrät den anderen nicht.« – »Und wenn er nun im Weg ist?« – »Gute Kameraden sind sich nie im Weg.« – »Aber einem anderen?« fragte der Graf mit eigentümlicher Betonung.
Gerard verstand ihn sofort, tat aber so, als ob er ihn nicht begriffen habe.
»Das geht mich nichts an«, sagte er. – »Aber, wenn er nun mir im Weg wäre und du tausend Franken erhieltest, wenn ...«
Erst jetzt warf Gerard dem Grafen einen verständnisvollen Blick zu und fragte:
»Dieser Mann, der Ihr Taschenbuch in der Hand hat, ist Ihnen im Weg?« – »Ja, und zwar dieses Taschenbuchs wegen.« – »So enthält es Dinge, die Ihnen schaden können, und mein Kamerad hat recht gehabt, als er von der Polizei sprach ...« – »Hm, ja, vielleicht. Ich denke, daß ich dir mein Vertrauen schenken darf!« – »Ganz gewiß, Monsieur. Mein Kamerad hat Ihr Notizbuch durchgelesen.« – »Ich kann es mir denken. Also dir hat er nur wenig davon gesagt? Sei aufrichtig!« – »Er sagte, wenn das Buch Ihnen gehöre, so könnten Sie unmöglich der Marchese d'Acrozza sein.« – »Wer sonst?« – »Das sagte er nicht.« – »Ah«, meinte der Graf mit einem Atemzug der Erleichterung, »er ist verschwiegen gewesen.« – »Ferner sagte er, daß Sie aus Spanien kommen.« – »Sagte er weiter gar nichts?« – »Kein Wort.« – »Und tausend Franken will er dafür? Das stellt mich aber nicht sicher. Jetzt zahle ich die Summe, und später plaudert er dennoch.« – »Er wird mir Verschwiegenheit geloben müssen!« – »Das ist noch keine Bürgschaft. Kann ich ihn einmal sehen?« – »Nein, er hat es verboten.« – »Dann kenne ich nur ein Mittel, mir Sicherheit zu verschaffen, und dies ist sein Tod.« – »Alle Teufel! Er wird keine Lust haben, Ihnen zuliebe zu sterben!« – »Ich glaube es. Aber du wirst Lust haben, dir tausend Franken zu verdienen.« – »Das ist wahr. Es fragt sich, wofür ich diese Summe erhalten soll.« – »Nun, für sein Leben.« – »Ah, Sie scherzen, Monsieur!« lachte der Schmied. – »Es ist mein voller Ernst« – »Das glaube ich nicht, weil Sie mir, wenn es Ihr Ernst wäre, etwas mehr bieten würden, als tausend Franken.« – »Schlingel!« – »Rechnen Sie nach, Monsieur! Tausend Franken geben Sie diesem Mann für seinen Raub, mir aber wollen Sie dieselbe Summe für diesen Raub und für sein Leben geben. Das ist sehr unverhältnismäßig.« – »Nun gut, wieviel verlangst du?« – »Es ist ein Kamerad von mir, unter zweitausend tue ich es nicht« – »Mensch, du wirst ja ein reicher Mann durch mich; fünfzehnhundert gebe ich dir.« – »Zweitausend, anders nicht. Sonst sprechen wir gar nicht mehr davon.« – »Gut, ich will nachgeben. Wann kann es geschehen?« – »Sobald es paßt.« – »Es muß sofort geschehen. Ich muß sonst gewärtig sein, er mißbraucht meine Notizen.« – »So will ich sehen, ob ich ihn treffe.«
Gerard wandte sich zum Gehen, aber der Graf rief ihn zurück.
»Halt!« sagte er. »Welche Sicherheit bringst du mir, daß du ihn getötet hast?« – »Ihr Portefeuille.« – »Das ist keine Bürgschaft, daß er getötet ist.« – »Doch jedenfalls, Monsieur. Oder glauben Sie, daß er mir das Buch freiwillig gibt?« – »Ja, ich glaube es. Ihr seid Kameraden. Ihr teilt die zweitausend Franken!« – »Ah, Ihr Vertrauen zur mir ist kein sehr großes!« – »Das kannst du nicht übelnehmen.« – »So dürfen auch Sie es nicht übelnehmen, wenn mein Vertrauen zu Ihnen schwindet.« – »Was soll das heißen?« – »Wer garantiert mir meine zweitausend Franken, wenn ich meinen Auftrag ausführe?« – »Mein Wort!« – »Und wenn ich diesem Wort nicht glaube?« – »Mensch, ich bin ein Edelmann.« – »Ah, schön«, sagte Gerard mit versteckter Ironie. »Und von mir verlangen Sie Garantie?« – »Ja, ein Glied seines Leibes.« – »Alle Teufel! Welches Glied?« – »Den Kopf.« – »Das geht nicht, Monsieur. Es ist mir zu gefährlich, den Kopf eines Gemordeten zu transportieren.« – »Gut, so bringe die rechte Hand.«
Der Schmied sann nach.
»Hm«, sagte er endlich, »das würde weniger gefährlich sein. Eine Hand läßt sich eher verstecken als ein Kopf. Also, wenn ich diese Hand bringe und Ihr Portefeuille, so erhalte ich zweitausend Franken?« – »Sofort!« – »Gut, ich will mich auf Ihr Edelmannswort verlassen. Wo finde ich Sie, wenn Sie nicht hier sind, Monsieur?« – »Ich gehe gar nicht aus.« – »Dann adieu, Monsieur le Marchese.«
Gerard ließ den Grafen in banger Erwartung zurück und schritt der Cité zu. Sein Gesicht hatte einen außerordentlich pfiffigen Ausdruck, als er vor sich hinmurmelte:
»Ein Kunststück, ein wahres Kunststück; ich soll einen umbringen, der gar nicht lebt, den es gar nicht gibt. Wie fange ich das an? Pah, für zweitausend Franken wird es fertiggebracht.«
Indem er die lange Rue de Faubourg St. Denis hinabging, griff er in die Tasche und zog sein Messer heraus, öffnete es und probierte die Schärfe an dem Nagel seines Fingers.
»Es geht«, murmelte er. »Die Schärfe ist gut; sie geht durch die Flechsen und Sehnen wie durch Butter, und der Rücken ist auch stark, die Klinge wird also nicht abbrechen.«
Nun steckte er das Messer wieder ein und wanderte nach der Morgue.
Die Morgue ist ein Haus, in dem die Leichen von Verunglückten oder Selbstmördern aufbewahrt bleiben, um rekognosziert zu werden. Dieses Haus ist jedermann geöffnet.
Als Gerard den Türschließer stehen sah, sagte er:
»Ist hier heute ein Mädchen eingeliefert worden, Monsieur?« – »Ein Mädchen? Wie alt?« – »Sechzehn Jahre, die Haare sind blond und die Gestalt voll und lang.« – »Das dürfte stimmen. Suchen Sie ein solches Mädchen?« – »Leider. Es ist eine Cousine von mir, seit gestern verschwunden.« – »So gehen Sie hinein. Es ist gerade jetzt kein Mensch zugegen, und ich warte auf jemand. Nehmen Sie sich die Tücher gefälligst selbst hinweg.«
Das war dem Schmied sehr lieb. Er betrat den schauerlichen Raum, in welchem sechzehn mit weißen Tüchern bedeckte Leichen lagen, lüftete diese Tücher und erblickte bald einen Mann, der seinem Zweck geeignet war. Im Nu hatte er sein Messer gezogen, und ebenso schnell löste er der Leiche die rechte Hand vom Arm, steckte rasch die Hand und das Messer in die Tasche und zog den Ärmel des Toten weiter herab, damit man die Amputation so spät wie möglich bemerke. Hierauf verließ er die Morgue, um sich einige Stunden lang in der Stadt herumzutreiben und dann zu dem Grafen zurückzukehren. Dieser hatte ihn kommen sehen und kam ihm bis zur Zimmertür entgegen.
»Nun?« fragte er. »Wie steht es?« – »Schlecht!« antwortete Gerard. »Es war gefährlich, weil ich beinahe erwischt worden wäre; der Kerl schrie wie ein Spatz und wehrte sich wie ein Bär.« – »So verstehst du dein Handwerk nicht« – »Pah! Ich hatte es mit einem Garotteur zu tun.« – »Du hast die Hand?«
Der Gauner zog sie hervor und zeigte sie dem Grafen; derselbe betrachtete sie ohne Grauen und sagte:
»Das ist ein starker Kerl gewesen! Aber ich sehe nicht die mindeste Blutspur!« – »Das fehlte auch noch! Sollte ich mich verraten?« – »Du hast die Hand wohl abgewaschen?« – »Ja, im Waschtisch.« – »Gescheit! Aber mein Portefeuille?« – »Wo haben Sie die zweitausend Franken?«
Der Bandit zog das Portefeuille hervor und hielt es dem Grafen entgegen, dieser wollte zugreifen, aber der Schmied zog die Hand schnell zurück und sagte:
»Sachte, Monsieur, ist es Ihre Brieftasche?« – »Ja.« – »So erbitte ich mir das Geld.« – »Aber ich muß doch sehen, ob alles vorhanden ist« – »Das heißt, wenn etwas fehlt erhalte ich mein Geld nicht?« – »Allerdings.« – »Das wurde nicht ausgemacht, Monsieur.« – »Das versteht sich ja ganz von selbst« – »Aber ich kann doch nicht dafür, wenn etwas fehlen sollte.« – »Ist die Brieftasche nicht vollständig, so hat sie keinen Wert für mich.« – »Das hätten Sie eher sagen sollen, Monsieur, so lebte mein Kamerad noch.« – »Meinetwegen! Also her damit!«
Gerard steckte das Portefeuille jedoch behutsam wieder ein.
»Sie erhalten es nicht, Monsieur«, sagte er sehr bestimmt. »Ich sehe, Sie halten nicht Wort, obgleich Sie ein Edelmann sind, und obgleich ich, der Garotteur, Wort gehalten habe.«
Alfonzo wollte aufbrausen, hielt aber an sich.
»Ich hoffe nicht, daß du mir Moral predigen willst«, sagte er. – »Nein«, antwortete der Schmied kalt; »aber ebenso hoffe ich nicht, daß Sie glauben, ich werde mit nach Deutschland gehen.« – »Alle Teufel, du opponierst!« – »Ja. Ich hantiere nur mit Leuten, auf die ich mich verlassen kann. Adieu!«
Damit wandte sich Gerard um, als ob er gehen wollte, da aber faßte ihn Alfonzo beim Arm und hielt ihn fest.
»Halt, bleib!« sagte er. – »Nein, ich gehe, Monsieur.« – »Ich gebe dir die zweitausend Franken und zugleich das übrige, ausbedungene Geld.« – »Gut, so bleibe ich.« – »Also her das Portefeuille.« – »Vorher das Geld.«
Alfonzo zog die Stirn in Falten, aber er erkannte sich als den Schwächeren. Er öffnete also den Koffer, entnahm demselben das Geld und zählte es dem Schmied auf den Tisch. Als dieser nachgezählt hatte, sagte er:
»Es stimmt, Monsieur, hier ist das Buch!«
Er gab das Portefeuille hin, das der Graf sofort genau untersuchte.
»Stimmt es?« fragte Gerard. – »Ja«, lautete die Antwort. – »So sind wir quitt.«
Gerard strich die Summe ein, sehr zufrieden mit sich, daß er einen so feinen Spitzbuben übertölpelt hatte.
»Was geschieht mit der Hand?« fragte der Graf. – »Ich werfe sie in die Seine.« – »Gut. Bist du zur Abreise fertig?« – »Nein. Ich habe Abschied von meiner Braut zu nehmen.« – »Dazu wirst du nicht lange Zeit brauchen. Was hast du noch zu tun?« – »Ich muß einen Manufakturisten und einen Schneider aufsuchen, und zwar der Livree wegen.« – »Ja, das ist wahr. Kann man in Paris fertige Livreen bekommen?« – »In Phantasie, ja; nach Vorschrift natürlich nicht!« – »So suche dir eine Phantasielivree aus.« – »Und wer bezahlt sie?« – »Du!« sagte Alfonzo lachend. – »Ah, ich hätte nicht gedacht, daß ein Marchese d'Acrozza so ein Geizhals sein könnte!« – »Gut, so nimm sie auf meine Kasse. Was wird sie wohl kosten?« – »Vierhundert Franken, da sie anständig sein muß.« – »Schelm!« – »Pah! Da muß ich mir Wäsche und Fußzeug aus meiner Tasche dazukaufen.« – »Hier hast du sie!«
Gerard steckte die vierhundert Franken schmunzelnd ein und fragte:
»Wie lange geben Sie mir Urlaub?« – »Wie lange brauchst du ihn?« – »Drei Stunden, wenn ich eine Droschke nehme.« – »So gebe ich dir vier Stunden.« – »Ich danke. Adieu!«
Gerard steckte die Hand ein und ging. Unten stieg er in einen Fiaker und fuhr direkt nach dem Magdalenenstift, in dem sich Mignon befand. Er ließ sich zunächst der Oberin melden und wurde sogleich vorgelassen. Sie erkannte ihn sofort und empfing ihn mit den freundlichen Worten:
»Siehe da, Monsieur Mason, dem wir den neuen Zögling verdanken!« – »Ja, Madame«, sagte er. »Verzeihen Sie die Störung.« – »Ich stehe Ihnen zu Diensten. Was bringen Sie?« – »Eine Bitte, Madame. Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß Mignon meine kleine Frau werden soll; wie urteilen Sie über sie?« – »Oh, bis jetzt bin ich mit ihr zufrieden, obgleich ich gestehen muß, daß uns sehr oft der Schmerz bereitet wird, uns in unseren Hoffnungen und in unserem Vertrauen getäuscht zu sehen.« – »Ich bin gewiß, daß Sie sich in ihr nicht täuschen werden!« – »Ich wünsche dies von Herzen. Sie kommt mir vor, als ob sie sich wirklich nach einem ordentlichen Leben sehne. Haben Sie auch daran gedacht, was es heißt, ein Weib zu besitzen, das eine solche Vergangenheit hat?« – »Ich habe mir es sehr reiflich überlegt.« – »Und lieben Sie Mignon genug, um sie später achten zu können?« – »Gewiß, Madame. Auch ich habe meine Fehler.« – »Und haben Sie auch daran gedacht, daß Sie beide arm ins Leben treten werden?«
Gerard lächelte fröhlich und erwiderte:
»Oh, arm sind wir nicht, Madame, dieses Punktes wegen komme ich ja zu Ihnen. Ich habe nämlich einen kleinen Gewinn gemacht. Ich hatte ein Los in der Dombaulotterie von Besançon und habe soviel gewonnen, als wir brauchen. Ich habe Ihnen auch gesagt, daß ich Paris verlassen will, und dieser Punkt macht mir Sorgen, des Geldes wegen.« – »Tun Sie es zu einem Bankier.« – »Dazu habe ich keine Lust.« – »So geben Sie es einem Verwandten in Aufbewahrung.« – »Ich habe keinen; und mein Vater ist nicht zuverlässig – der trinkt zuweilen, deshalb komme ich zu Ihnen.« – »Zu mir ...?« – »Allerdings. Ich dachte, daß Sie vielleicht die Güte haben würden, mir das Geld aufzubewahren, bis ich wiederkomme.«
Das Gesicht der Oberin wurde noch freundlicher als vorher, und sie erwiderte:
»Haben Sie denn so viel Vertrauen zu mir?« – »Gewiß! Ich habe Ihnen ja meine Braut anvertraut, die mir lieber ist als dieses Geld.« – »Nun, wir wollen sehen. Wie hoch ist die Summe?«
Gerard griff in die Tasche, trat an den Tisch und zählte ihr das Geld vor. Je weiter er zählte, desto erstaunter wurde ihr Gesicht.
»Aber, Monsieur Mason, das ist ja ein Reichtum!« rief sie. – »Ja«, lachte er, »das wird beinahe langen, um mir eine kleine Schmiede zu kaufen.« – »Und diese große Summe soll ich Ihnen aufheben?« – »Gewiß, wenn Sie wollen!« – »Ich will. Ich werde sie Ihnen so anlegen, daß sie Zinsen bringt.« – »Das werden Sie tun, wie es Ihnen gefällig ist.« – »Und vor allen Dingen werde ich Ihnen einen Depositenschein einhändigen.« – »Ist dies unbedingt nötig? Ich weiß ja, daß Sie mich nicht schädigen werden.« – »Ja, es ist geschäftlich unbedingt notwendig.« – »So tun Sie es. Dann habe ich noch eine Bitte. Mignon soll von diesem Geld nichts wissen, um sie bei unserer Hochzeit damit überraschen zu können.« – »Ich bin einverstanden, Monsieur.« – »Aber Sie wissen, daß auf Reisen manches Unvorhergesehene geschehen kann – auch mir kann so etwas passieren. Sollte ich in drei Monaten noch nicht zurückgekehrt sein, so geben Sie das Geld meiner Braut, und zwar unter der Bedingung, daß sie meinen Vater pflegt.« – »Sie setzen ein großes Vertrauen auf sie, Monsieur.« – »Ich kann es; ich weiß das genau.« – »Gut, so werde ich diesen Punkt auf dem Depositenschein mit bemerken.«
Sie stellte den Schein aus, den Gerard an sich nahm, und strich dann das Geld zur Aufbewahrung ein. Nachdem er Mignon gesehen und von ihr Abschied genommen hatte, ging er zunächst nach der Seine, wo er die Hand unbemerkt ins Wasser warf. Hierauf kaufte er sich eine Livree nebst Wäsche und andere Requisiten und war, ehe die vier Stunden verstrichen waren, wieder bei Alfonzo.
Dieser hatte sehr bald eingepackt. Sie fuhren nach dem Bahnhof und dampften innerhalb kurzer Zeit von Paris ab. Der Zug, in dem sie sich befanden, nahm für Doktor Sternau und Rosa von Rodriganda eine große Gefahr mit nach Deutschland.