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Ueber das Gesicht des Scheiks ging ein rasches, eigenthümliches Zucken.
»Allah ist groß! Du hast richtig gerathen, Saadi!«
»Sie sind wegen einer Blutrache da?«
»Ja.«
»Denke über sie nach, o Scheik! Ich war dort, wo die Franken wohnen und habe erfahren, daß ihr Herz falsch ist. Diese Männer kommen von Osten und sagen nicht, wo ihre Heimath ist. Sie haben eine Blutrache und sprechen nicht davon. Sie verkehren mit Tuareks, welche Räuber und Mörder sind. Sie sprechen wie die Franken. Der Vater heißt Malek Omar, und der Sohn nennt sich Ben Ali. Müßte er nicht Ben Malek Omar heißen, wenn er wirklich der Sohn des Anderen wäre? Ich habe diesen Fruchthändler in Algier gesehen, und er hat Dir gesagt, daß er noch nie dort gewesen sei? An diesen Männern klebt die Lüge. Ich sage Dir, daß sie nicht das sind, wofür sie sich ausgeben.«
»Du hast Recht, mein Sohn,« meinte der Scheik, indem sein Auge finster die Richtung suchte, in welcher die drei Männer verschwunden waren. »Aber warum belügen sie mich? Wer sollen sie sein?«
Saadi blickte nachdenklich vor sich hin und fragte:
»Hast Du von dem Manne gehört, welcher das Auge der Franzosen genannt wird?«
»Ja. Er ist der Spion der Franken.«
»Keiner kennt ihn!«
»Keiner!«
»Ich denke an ihn, indem ich an diesen Fruchthändler Malek Omar denke.«
Es sah fast aus, als ob der Scheik erschrecken wollte.
»Allah il Allah!« rief er. »Mein Sohn, Deine Gedanken sind schlimm.«
»Vielleicht aber treffen sie das Richtige!«
»Du meinst, er ist es?«
»Es ist möglich, daß er es ist, obgleich ich es ihm nicht beweisen kann.«
»Er ist mein Gast; aber dennoch müßte er sterben, wenn er es wäre.«
»Vielleicht entdecken wir es, aber nicht sofort. Laß uns ihn prüfen.«
»Wie?«
»Ich werde ihm sagen, daß ich ihn in Algier gesehen habe.«
»Das soll eine Prüfung sein?«
»Ja. Wenn er gerechte Sache hat, wird er zugeben, daß er dort gewesen ist; leugnet er es aber, so ist sein Herz voller Trug gegen uns.«
»Aber wir haben dann doch noch keine Gewißheit.«
»Nein; aber wir wissen wenigstens, daß wir ihm nicht trauen dürfen.«
»Deine Sprache ist die Sprache der Vorsicht und Weisheit. Bleibe bei mir; denn Du sollst gegenwärtig sein, wenn diese Männer mit mir zu sprechen verlangen. Warst Du längere Zeit in Algier?«
»Mehrere Monate.«
»Hast Du die Sprache der Franken gehört?«
»Ja.«
»Hast Du Etwas von ihr behalten?«
»Ich kenne viele ihrer Worte und auch mehrere Fragen.«
»Sprich einige solche Worte zu diesen beiden Männern, und zwar dann, wenn sie es nicht erwarten. Vielleicht werden sie überrascht und gefangen, indem sie Dir darauf antworten.«
»Dein Rath ist klug, o Scheik. Ich werde ihn befolgen.«
Während dieses Gespräches hatten die Drei, von denen die Rede war, das Zeltdorf verlassen und den Eingang der Schlucht erreicht, wo gestern der Löwe getödtet worden war. Der Cadaver desselben war aus Ehrfurcht vor dem Herrn des Donners in den Sand vergraben worden; darum fanden sie keine Spur desselben. Sie setzten sich an dem Rande der Schlucht nieder, so daß sie sicher waren, jeden Nähernden sofort zu bemerken.
Sie hatten bis jetzt kein Wort gesprochen; nun aber begann Richemonte:
»Seit wann befindet Ihr Euch in diesem Lager?«
»Wenige Augenblicke,« antwortete der Tuarek.
»Welche Botschaft bringt Ihr?«
»Die, welche Du verlangtest.«
»So habt Ihr den Reisenden gesehen, welcher von Timbuktu kommt?«
»Wir haben ihn gesehen, denn wir sind zwei Tagereisen weit mit seiner Karawane geritten.«
»Habt Ihr Etwas erfahren?«
»Alles!«
»So erzähle.«
»Wir stießen zwei Tage vor Insalah zu dieser Karawane und wurden friedlich aufgenommen. Der Herr des Zuges stammt aus einem ferneren Lande des Nordens. Er ist ein Nemtse.«
Nemtse heißt Deutscher.
»Habt Ihr seinen Namen erfahren können?«
»Ja. Es ist ein Name, wie ihn nur ein Barbar, ein Ungläubiger tragen kann. Ich habe meine Zunge lange Zeit vergeblich gezwungen, ihn auszusprechen. Er lautet ohngefähr wie Ko-ni-kau.«
»Königsau?« fragte Richemonte.
»Deine Zunge ist gelenkiger als die meinige, denn ganz so, wie Du ihn aussprichst, ist dieser Name.«
»Hatte er viele Leute bei sich?«
»Er hatte einen Führer und einen Obersten der Kameeltreiber nebst fünfzehn Treibern. Und zum Schutze seiner Waaren begleiteten ihn dreißig Krieger vom Stamme der Ibn Batta.«
»Was trugen seine Kameele?«
»Viele trugen trockene Pflanzen, ausgestopfte Thiere und Bücher, auch Flaschen, in denen allerlei Gewürm sich befand. Mehrere Kameele aber waren mit kostbaren Waaren beladen, welche die Franken brauchen, die Tuareks aber nicht.«
»Wann wird diese Karawane nach Tuggurt kommen?«
»Erst wenn zwei Wochen vergangen sind.«
»Könnt Ihr sie dort beobachten?«
»Was bietest Du uns dafür?«
»Was verlangt Ihr?«
»Ich werde mich mit meinen Gefährten besprechen.«
»Thue dies. Ihr werdet uns in zwei Wochen hier in diesem Zeltlager finden, um uns zu sagen, wenn die Karawane von Tuggurt aufbricht.«
»So dürfen wir uns nicht ausruhen; denn wir müssen ihr bis Rhadames entgegenreiten. Werden wir hier frische Pferde bekommen?«
»Ihr könnt die Eurigen umtauschen; ich werde Euch dabei behilflich sein. Jetzt aber kannst Du in das Zelt des Scheiks zurückkehren, denn Du bedarfst der Ruhe, und ich habe mit meinem Sohne zu sprechen.«
Der Tuarek befolgte diese Weisung, und die beiden Zurückbleibenden begannen, sich in französischer Sprache zu unterhalten.
»Weißt Du, daß ich vorhin tüchtig erschrocken bin,« sagte Richemonte.
»Worüber?« fragte der Cousin.
»Hast Du den jungen Kerl gesehen, welcher uns begegnete?«
»Ja.«
»Ich kenne ihn, und ich befürchte, daß er auch mich erkannt hat.«
»Ah! Woher kennst Du ihn?«
»Von Algier aus. Er war der Begleiter des englischen Consuls gewesen und hat mich einige Male gesehen, als ich zum Gouverneur ging.«
»Das ist verteufelt unangenehm.«
»Ganz und gar.«
»Aber gefährlich doch noch nicht.«
»Das bezweifle ich. Wenn der Mensch nun davon spricht, daß er mich in Algier gesehen hat?«
»Nun, was thut das? Du giebst einfach zu, daß Du dort gewesen bist.«
»Was soll ich dort gewollt haben?«
»Die Blutrache! Können wir nicht Den, welchen wir tödten wollen, in Algier gesucht haben?«
»Das wäre allerdings möglich; aber Du vergissest, daß ich zu Scheik Menalek bereits gesagt habe, daß ich Algier noch gar nicht kenne.«
»Verdammt!«
»Ja. Es bleibt mir nichts übrig, als Alles abzuleugnen.«
»Das wird unter diesen Umständen allerdings das Beste sein. Doch glaube ich nicht, daß wir Mißtrauen erwecken. Wer weiß, ob der Kerl sich Dein Gesicht gemerkt hat.«
»Er hat es sich gemerkt, und ich bin ihm aufgefallen; das habe ich sogleich gesehen, als er uns begegnete; ich sah es ihm an den Augen an.«
»Nun, so hat er sich einfach geirrt. Menschen sehen sich ja ähnlich. Aber, da fällt mir ein, daß, wenn wir ja Mißtrauen erwecken, der Scheik sich sehr hüten wird, mit uns im Bunde die Karawane zu überfallen.«
»Das wäre allerdings ein dicker Strich durch unsere Rechnung.«
»Was thäten wir in diesem Falle?«
»Wir müßten uns auf die Tuareks verlassen. Sie könnten eine Anzahl der Ihrigen anwerben. Ich glaube, daß sie dazu bereit sein würden.«
»Aber diese Räuber würden Alles nehmen und uns nichts lassen.«
»Das befürchte ich nicht. Vieles von Dem, was der Deutsche mit sich führt, wird vollständig unbrauchbar für sie sein. Gehen wir zum Scheik, um mit ihm zu sprechen und Gewißheit zu erhalten, ob ich erkannt worden bin.«
Sie machten sich auf, um diesen Vorschlag auszuführen. Indem sie langsam wieder den Zelten entgegenschritten, bemerkte der Cousin Liama, welche bei einem wunderschönen Kameelfüllen stand und dasselbe zärtlich streichelte.
»Siehst Du dort die Tochter des Scheiks?« fragte er.
»Ja, sie ist's,« antwortete Richemonte.
»Ich muß hin.«
»Halt, jetzt nicht.«
Diese letzten Worte kamen zu spät. Der Andere hatte sich bereits mit raschen Schritten entfernt. Richemonte setzte seinen Weg fort, indem er eine zornige Verwünschung über den Verliebten in den Bart brummte.
Dieser näherte sich dem schönen Mädchen, indem seine Augen mit Gier auf ihren reizenden Formen ruhten.
»Sallam aaleikum – Friede sei mit Dir!« grüßte er sie.
»Aaleikum sallam,« antwortete sie, indem sie sich zu ihm umdrehte.
Aber als sie ihn erkannte, war es keineswegs ein freundlicher oder gar aufmunternder Blick, welcher auf ihn fiel.
»Die Tochter der Beni Hassan ist heute so schön wie immer,« sagte er.
»Und der Mann aus dem Osten schmeichelt wie immer,« antwortete sie.
»Es ist die Wahrheit, welche ich sage.«
»Es ist nicht nöthig, daß Du es sagst.«
»Warum nicht? Ist es Dir nicht lieb, schön zu sein?«
»Allah giebt die Schönheit, und er nimmt sie. Sie gehört ihm, aber nicht uns.«
»Du hast Recht. Aber so lange man sie besitzt, soll man sich ihrer freuen. Oder weißt Du nicht, welches Glück die Schönheit bringt?«
»Welches?« fragte sie im gleichgiltigsten Tone.
»Schönheit bringt Liebe.«
»Liebe, nur durch Schönheit erweckt, mag ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Die Liebe hat nur dann Werth, wenn sie die Tochter der Herzensgüte ist.«
»Auch jetzt hast Du Recht. Aber sage, ob Dein Herz gut ist?«
»Wer kann sein eigenes Herz erkennen? Wer darf von sich selbst sagen, daß er gut sei? Nur Allah sieht in die Verborgenheit.«
»Du sprichst so weise wie ein Marabut. Wenn man auch nicht den Werth seiner Seele erkennt, so kann man doch die Gefühle seines Herzens kennen. Sage mir, Liama, ob Dein Herz noch frei ist.«
»Frei? Kann das Herz ein Sclave sein?«
»Ja, ein Sclave der Liebe.«
»Dann würde ich die Liebe hassen, denn nur ein Tyrann besitzt Sclaven.«
»Und dennoch ist die Liebe ein Tyrann. Sie beherrscht das Herz, in welchem sie wohnt, vollständig. Auch mein Herz ist ihr Sclave.«
»Ich bedaure Dich,« sagte sie kalt.
»Ja, bedaure mich, aber erlöse mich auch.«
Er trat ihr einen Schritt näher und erhob den Arm, als ob er denselben um sie legen wollte. Sie aber wich zurück und sagte:
»Ich verstehe Dich nicht. Wie könnte ich Dich erlösen!«
»Indem Du meine Liebe erhörst. Ja, Liama, ich muß Dir sagen, daß ich Dich liebe, daß ich an Dich denke bei Tage und bei Nacht, daß ich ohne Dich nicht glücklich werden kann. Sage mir, ob Du mich wieder liebst.«
Seine Augen leuchteten in der Gluth der Leidenschaft. Er hatte diese Worte fast zischend zwischen den Lippen hervorgestoßen.
»Nein,« antwortete sie kalt.
»Nicht?« fragte er. »Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht. Allah allein giebt Liebe.«
Er biß sich auf die Lippe. Das hatte er nicht erwartet. Er, ein Franzose, ein Angehöriger der großen Nation, sollte bei diesem Arabermädchen keine Liebe finden? Das hatte er gar nicht für möglich gehalten.
»Bin ich Dir zu häßlich?« fragte er.
»Nein,« antwortete sie lächelnd.
»Zu alt?«
»Nein.«
»Zu arm?«
»Ich weiß ja gar nicht, wie viel Du besitzest.«
»Oder liebst Du bereits einen andern?«
Da richtete sich ihre Gestalt stolz empor.
»Wie darfst Du wagen, der Tochter des Scheik Menalek diese Frage vorzulegen,« sagte sie. »Bin ich Deine Dienerin, daß ich Dir antworten muß?«
Sie war in ihrem Stolze, in ihrem Zorne doppelt schön. Sein Auge verschlang sie fast. Seine Leidenschaft ließ sein Herz so heftig klopfen, als ob er durch einen Dauerlauf athemlos geworden sei.
»Nein, antworten mußt Du mir nicht,« sagte er, »sondern ich bitte Dich nur, mir eine Antwort zu geben.«
»Du hast keine Erlaubniß zu dieser Bitte.«
»Ah, Du liebst,« zischte er.
»Was geht es Dich an?«
»Viel, sehr viel. Ich habe Dir gesagt, daß ich Dich liebe. Jeder meiner Athemzüge gehört Dir; alle meine Gedanken sind Dein Eigenthum. Du sollst und Du mußt mich lieben; Du mußt mein Weib werden. Ich werde um Dich kämpfen, und ich sage Dir, daß ich Dich besitzen werde.«
Ehe sie Zeit fand, auszuweichen, hatte er ihre beiden Hände ergriffen.
»Laß mich!« sagte sie.
»Nein, ich lasse Dich nicht! Meine Liebe giebt mir ein Recht auf Dich.«
Sie versuchte, ihre Hände zu befreien, aber es gelang ihr nicht.
»Ich befehle Dir, fortzugehen!« sagte sie in gebieterischem Tone.
»Fortgehen? O nein, nein, und tausendmal nein!« antwortete er, indem er sich bestrebte, sie an sich zu ziehen.
Er vergaß, wo er war; er vergaß, daß man ihn hier auf der offenen Ebene beobachten konnte, ja, daß man ihn sehen mußte. Die Leidenschaft machte ihn blind, so daß er nicht einmal die beiden Männer bemerkte, welche hinter seinem Rücken rasch herbei geschritten kamen. Sie aber hatte dieselben gar wohl bemerkt, nur entging ihm das freudige Aufleuchten ihrer Augen.
»Soll ich um Hilfe rufen?« fragte sie.
»Rufe!« antwortete er. »Es wird Dir nichts nützen, denn ich werde noch in dieser Stunde bei Deinem Vater um Dich anhalten.«
Da erklang es hinter ihm laut und in französischer Sprache:
»Was thust Du da?«
Er drehte sich rasch um. Er bemerkte Saadi, welcher in kurzer Entfernung hinter ihm stand und antwortete schnell und zornig in derselben Sprache:
»Was geht es Dich an?«
Saadi war nämlich mit dem Scheik noch im Gespräche begriffen gewesen, als der Tuarek von der Schlucht zurückkehrte. Kurze Zeit später sahen sie auch die beiden Anderen daherkommen. Sie bemerkten, daß der Jüngere seitwärts abbog und nach der Gegend eilte, in welcher sich Liama befand.
»Er geht zu ihr!« sagte Saadi, indem sich seine Brauen zusammenzogen.
»Zu Liama?« fragte der Scheik.
»Ja.«
»Was will er dort?«
»Hat Liama es Dir nicht gesagt?«
»Nein.«
»Daß er ihr nachgeht, daß er ihr Schritt auf Schritt folgt?«
»Nein. Hat sie es Dir gesagt?«
»Ja.«
»Er mag sich hüten! Er ist ein Fremdling, den ich gastlich aufgenommen habe. Verletzt er das Gastrecht, indem er mein Kind beleidigt, so wird mein Dolch sein Herz finden. Und ist er gar ein Franzose, so – –«
Er hielt inne; aber seine Miene sagte deutlich, was er auszusprechen zögerte.
»Sieh, er spricht mit ihr! Komm!« sagte Saadi.
Er faßte den Scheik bei der Hand und zog ihn mit sich fort. Sie schritten schnell zwischen einigen Zelten hindurch und gelangten in das Freie. Die dort weidenden Thiere boten ihnen Deckung genug, unbemerkt in die Nähe des bedrängten Mädchens zu kommen. Ein starkes Lastkameel stand da, welches an den spärlichen Halmen naschte.
»Verstecke Dich hinter das Thier,« sagte Saadi.
»Warum?«
»Ich werde ihn in der Sprache der Franzosen anreden. Vielleicht antwortet er mir in derselben; er würde dies aber nicht thun, wenn er Dich sofort mit bemerkte. Der Sand wird unsere Schritte dämpfen.«
Der Scheik nickte und huschte mit einer Behendigkeit, welche man dem ernsten, gravitätischen Muselmann gar nicht zugetraut hätte, vorwärts, bis ihn der Leib des Kameeles verbarg.
Saadi schlich sich ebenso behende heran und rief die bereits erwähnten Worte:
»Was thust Du da?«
»Was geht es Dich an?« antwortete der Andere ebenso französisch, indem er sich herumdrehte und, zornig über die Störung, den Beduinen anblickte.
»Mehr als Du denkst.«
» Mille tonnerre, wie meinst Du das?«
Da trat der Scheik hinter dem Kameele hervor und sagte:
»Allah ist groß! Du redest die Sprache der Franzosen?«
Der Spion merkte jetzt erst, welch einen Fehler er begangen hatte; aber er faßte sich augenblicklich und antwortete, indem er auf Saadi deutete:
»Dieser doch auch.«
»Von ihm wußte ich es, von Dir aber nicht. Was thust Du hier?«
Erst jetzt ließ der Franzose die Hände des Mädchens los.
»Ich spreche mit Liama, Deiner Tochter,« antwortete er.
»Aber Du sprichst so mit ihr, daß sie um Hilfe rufen wollte!«
Die Hand des Scheiks hatte sich unwillkürlich an den Griff des Dolches gelegt.
»Ich habe ihr nichts Böses gethan,« meinte der Franzose.
»Sie hat mit Dir gerungen.«
»Das thut ein jedes Mädchen im ersten Augenblicke, wenn man mit ihr von Liebe spricht. Scheik Menalek, ich bitte Dich, mit nach Deinem Zelte zu kommen, denn ich habe nothwendig mit Dir zu sprechen.«
»Worüber?«
»Ueber Liama.«
»Hier steht sie, und hier stehe ich. Rede! Wir brauchen nicht erst nach dem Zelte zu gehen, denn wir können Deine Worte hier ebenso deutlich verstehen.«
Das kam dem Franzosen unerwartet. Auch war die Miene des Scheiks keineswegs so, daß sie ihm hätte Muth machen können. Bei einer Unterredung im Zelte hätte er auf den Beistand Richemontes rechnen können, während er hier allein war. Darum sagte er, auf Saadi deutend:
»Aber dieser hier?«
»Er darf Alles hören,« antwortete der Scheik. »Sprich! Ich höre.«
Dagegen gab es nun keine weiteren Einwendungen. Darum begann er zögernd:
»Ich – ich – – ich liebe Deine Töchter.«
Der Scheik nickte ernst, ohne eine Antwort zu geben.
»Ich hoffe, daß Du mir dies nicht verbietest.«
»Ich kann es nicht verbieten.«
»Ich bitte Dich, sie mir zum Weibe zu geben.«
Der Scheik warf mit einem stolzen Lächeln den Kopf zurück und sagte:
»Du sprichst mit sehr kurzen Worten. Ich bin Menalek, der Scheik der Beni Hassan. Die Heerden, welche Du hier siehst, sind mein Eigenthum. Wer aber bist Du, und wo weiden Deine Heerden?«
Diese Fragen brachten den Franzosen in Verlegenheit. Er konnte ohne in Gegenwart Richemontes keine Auskunft ertheilen; darum antwortete er:
»Ich bin reich!«
»Beweise es!«
»Sprich mit meinem Vater!«
»Ich kenne ihn nicht.«
»Er wird Dir sagen, wer wir sind und was wir besitzen.«
»Wird er mir das in der Sprache der Franzosen sagen?« fragte der Scheik boshaft.
»Er versteht sie nicht; er ist ein Beduine gerade wie Du.«
»Aber Du verstehst sie.«
»Nur einige Worte, welche ich zufällig gehört habe.«
»Hast Du Liama gesagt, daß Du wünschest, sie zum Weibe zu haben?«
»Ja.«
»Was hat sie Dir geantwortet?«
Der Franzose zögerte mit der Antwort. Er fühlte sich höchst verlegen.
»Liebt sie Dich?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du lügst! Du weißt, daß sie Dich nicht liebt; sie muß es Dir gesagt haben, denn sie hat ihr Herz bereits einem Anderen geschenkt.«
Der Franzose fuhr empor.
»Wem?« fragte er rasch.
Der Scheik deutete auf Saadi und antwortete:
»Hier steht er, den sie liebt und dem ich sie versprochen habe. Du kommst zu spät. Laß Dich nicht wieder bei Liama sehen. Er hat gestern den Herrn des Donners getödtet, und würde auch Dich tödten, wenn er noch einmal sehen müßte, daß Du diejenige berührst, welche sein Eigenthum ist. Hast Du mir noch Etwas zu sagen?«
Der Franzose war bleich geworden. Die Eifersucht wühlte tief in seinem Innern. Aber aus diesem leichenblassen Angesichte schoß sein Auge einen Blick glühendsten Hasses auf seinen bevorzugten Nebenbuhler.
»Wer ist Dieser?« fragte er.
»Es ist Saadi, ein Angehöriger der Beni Hassan.«
»Gut! Du fragst, ob ich Dir noch Etwas zu sagen habe? Nein, jetzt nicht, Scheik, aber jedenfalls später.«
Er drehte sich um und ging den Zelten zu.
»Allah sei uns gnädig! Er wird sich rächen!« sagte Liama, als er sich bis auf Hörweite entfernt hatte.
»Rächen? Dieser?« fragte der Scheik verächtlich. »Wir fürchten ihn nicht. Wie will er sich rächen, da er uns braucht, um die Karawane der Franzosen zu überfallen. Er hat uns nöthig, nicht aber wir ihn. Komm, Saadi, mein Sohn. Laß uns nach dem Zelte gehen, um weiter zu hören, was dieser Vater und dieser Sohn mit den Tuareks gesprochen haben.«
Indem sie neben einander herschritten, fragte er seinen Begleiter nach den französischen Worten, welche dieser vorhin ausgesprochen hatte. Saadi gab ihm eine Uebersetzung derselben.
»Kann es möglich sein, daß er nur wenige Worte versteht?« fragte der Scheik.
»Nein. Was er gesprochen hat, kann nur Einer sagen, der mehr als nur einige wenige Worte gehört hat.«
»So glaubst Du, daß er ein Franzose ist?«
»Ich glaube es. Er redet unsere Sprache gerade so, wie ich es in Algier gehört habe, wenn die Officiere der Franzosen arabisch sprachen.«
»So wollen wir vorsichtig sein. Wenn er ein Spion ist, so will er uns veranlassen, eine französische Karawane zu überfallen nur zu seinem Vortheile und zu unserm Schaden. Er würde den Raub an sich nehmen; wir aber würden die Rache des Gouverneurs auf uns laden und auf unsern Weideplätzen überfallen und getödtet werden.«
Als die Beiden in das Zelt traten, hatte der Cousin sich soeben neben Richemonte niedergelassen, ohne Zeit gefunden zu haben, Diesem das jetzt Erlebte mitzutheilen. Sie griffen, ohne sich Etwas merken zu lassen, zu ihren Pfeifen, während die Frau des Scheiks beschäftigt war, den Gästen ein Morgenmahl vorzulegen.
Dasselbe wurde verzehrt, ohne daß der Scheik und Saadi an demselben Theil nahmen. Dies war eigentlich ein sicheres und deutliches Zeichen, daß diese Beiden jetzt gewillt waren, die Gastlichkeit nicht in vollem Umfange in Anwendung zu bringen. Richemonte merkte dies gar wohl. Er fragte:
»Warum nimmst Du nicht von dieser Speise?«
»Ich pflege nicht, des Morgens zu essen,« antwortete der Scheik.
»Aber doch habe ich Dich des Morgens essen sehen.«
»Nur selten,« entgegnete Menalek kurz.
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