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Der allbekannte Kimponghui war wieder einmal zur Königsstadt gegangen, um sein Glück beim Beamtenexamen zu versuchen, und war freilich wieder durchgefallen. Es war ja klar: wie konnte denn Kimponghui ein so schwieriges Examen bestehen; er hatte niemals ein klassisches Buch ernstlich studiert.
Doch streichelte er seinen Bart, trug seinen Gelehrtenhut aufrecht und ordentlich. Es war ihm gleichgültig, wann er das Examen bestand. Er konnte zuerst gemächlich wieder nach der Heimat wandern, und wenn es Frühjahr wurde, noch einmal sein Glück versuchen. In solche Gedanken versunken saß er auf der Veranda seines Gasthauses. Sollte er aber sofort nach Hause reisen? Nein, dachte er, das wäre doch ein wenig langweilig. Er mußte 184 wieder etwas unternehmen, womit er wenigstens einen dieser Glücklichen, die ihr Examen bestanden hatten, ärgern konnte. Er überlegte lange und begab sich nach der schönen Stadt Pyongyang, in der ein neuernannter Beamter sein glanzvolles Leben beginnen sollte.
Dort angekommen, errichtete Kimponghui eine kleine Bude am Ufer des Taidong-Stromes, bestrich sie mit ein wenig rotem Lack und behängte sie mit einer großen Tafel, auf die er schrieb: »Laube der Wasserschöpfung«. Vor dem Eingang der Laube war aber ein verschlossenes Kästchen aufgestellt, in das man Münzen hineingleiten lassen konnte.
Danach bestellte er alle Wasserträger der Stadt zu sich, und traf mit ihnen eine heimliche Abmachung, wonach die Wasserträger ihr Wasser eine Zeit lang nun an dieser Stelle vor der Laube schöpfen und für jeden Gang drei Münzen in das Kästchen werfen sollten. 185 Sie versprachen es gerne; es war ihnen ja gleichgültig, wo sie ihr Wasser schöpften, und die Münzen, die sie einwarfen, erhielten sie jeden Abend wieder zurück und obendrein noch eine gute Belohnung.
Drei Tage lang saß Kimponghui in der Laube, und drei Tage lang schöpften die Wasserträger ihr Trinkwasser vor der Laube. Am dritten Tage aber kam der erwartete Statthalter zufällig vorbeigeritten und sah eine Weile dem Betrieb zu. »Wer seid ihr und warum müssen die Wasserträger ihre Münzen in das Kästchen werfen?« fragte der würdige Mann.
»Ich sehe, ihr seid ein fremder Mann«, sagte Kimponghui gleichgültig. »Durch einen kleinen Dienst, den mein Großvater dem König erwiesen hatte, erhielt unsere Familie das erbliche Recht, jedes Jahr vom dritten März bis fünften Mai das Trinkwasser dieses Stroms den Wasserträgern zu verkaufen.« 186
Der gierige Beamte setzte sich neben ihn und sah noch eine Zeit lang zu. Den ganzen Tag floß Geld in das hübsche Kästchen hinein. »Ich will euch etwas vorschlagen«, sagte der Beamte nach langer Überlegung; »es ist so mühsam für euch, so den ganzen Tag hier zu sitzen und aufzupassen, ob die Wasserträger ihre Münzen einwerfen. Stattdessen sollt ihr heute noch von mir dreitausend Yang erhalten, und ihr überlaßt mir dafür das Recht des Wasserkaufens.«
Kimponghui weigerte sich, es wäre pietätlos, das erbliche Recht des Großvaters zu verkaufen. Als der Beamte aber fünftausend Yang anbot, ließ er sich doch überreden, erhielt einen Wechsel, den er sofort einlöste, übergab dem hohen Beamten den Schlüssel zu dem Kästchen und ritt noch am selben Abend auf einem schönen Pferd seiner Heimat zu. 187