Mirok Li
Iyagi
Mirok Li

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2. Mutterstolz

Eine alte Maulwurfsmutter fand ihren einzigen Sohn so edel und schön, daß sie ihn nur mit der Tochter des höchsten Wesens der Welt zu vermählen wünschte. So ging sie nach langen und reiflichen Überlegungen zur Sonne und bat sie um die Hand ihrer Tochter. Die Sonne lächelte und sagte: »Deine Werbung um meine Tochter ehrt mich sehr. Doch bin ich nicht das höchste Wesen der Welt, wie Du Dir's ausgedacht hast. Die Wolke ist mächtiger als ich, weil sie mich oft zudeckt. Gehe lieber zu Wolken und freie um eine Wolkentochter!«

Das sah die Maulwurfsmutter ein, eilte zu einer Wolke und bat sie um die Hand ihrer Tochter.

»Deine Werbung um meine Tochter ehrt mich nicht wenig«, sagte die Wolke, »aber ich bin auch nicht das höchste Wesen der Welt. Die Sonne 31 kann ich wohl verdecken, solange es mir gefällt, sobald aber ein Sturm daherbraust, werde ich weggefegt, als wäre ich nur ein Fetzen dünnes Papier. Vermähle Deinen Sohn lieber mit einer Tochter des Windes!«

Das sah die Maulwurfsmutter wieder ein. Sie eilte zu einem stürmischen Wind und sprach ihm von ihrem Anliegen.

»Deine Werbung um meine Tochter freut mich sehr«, sagte der Wind seufzend, »doch bin auch ich nicht das höchste Wesen der Welt. Die Wolken kann ich wahrhaftig wegfegen, als wären sie nur welke herbstliche Blätter. Es gibt aber viele Dinge, die ich nicht wegblasen kann. Vor allem sind es die Standbilder an den Gräbern, die ich nicht umwerfen kann. Sie bleiben stehen, ohne zu wackeln, wenn ich mich auch noch so anstrenge. Vermähle Deinen Sohn lieber mit der Tochter eines Standbildes.«

Das leuchtete der Maulwurfsmutter 32 wieder ein; sie ging schließlich zu einem Standbild und brachte ihr Anliegen vor.

»Deine Werbung freut mich«, sagte das Standbild ohne viel Anteilnahme. »Natürlich sind wir stark genug gegen den Wind. Wind ist eben Wind und wir sind Stein. Der Wind kann uns nichts anhaben. Wir stehen hier in aller Ruhe und sorgenlos sowohl im Mondschein als auch in der heißesten Sonne. Ihr aber«, rief es verärgert, »Ihr Maulwürfe macht unser Dasein voll Sorgen. Ihr grabt und wühlt Tag und Nacht unter unseren Füßen, daß wir oft schwindelig werden. Nimm doch eine Tochter deinesgleichen für Deinen Sohn!«

Nicht wenig enttäuscht und doch voll Stolz, daß die Maulwürfe schließlich doch die höchsten Wesen der Welt waren, kehrte sie nach langer Wanderung in ihre Höhle zurück und vermählte ihren edlen und schönen Sohn mit einer ebenso edlen und schönen Maulwurfstochter. 33

 


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