Mirok Li
Iyagi
Mirok Li

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5. Die Schildkröte und der Hase

In dem prachtvollen Drachenpalast der Südsee hatten sich alle Würdenträger und Untertanen höheren Ranges versammelt, weil der Wasserkönig erkrankt war; er litt an einer schweren Krankheit, gegen die nur die Leber eines Hasen wirksam sein sollte. Nun berieten sich sorgenvoll alle klugen Fische, wer sich aufs Land wagen könnte, um eine Hasenleber zu holen.

Tage und Nächte lang berieten sie sich vergebens, bis an einem Morgen eine große alte Kröte sich meldete. »Ich habe mein ganzes langes Leben nicht ein einziges Mal unserem König dienen können«, sagte sie, »so daß ich nicht gewußt habe, weshalb ich lebe. Ich werde wagen, ans Land zu gehen und einen Hasen mitzubringen.« Alle waren erleichtert und die Kröte begab sich sofort auf den Weg.

Sie schwamm mehrere Tage und 40 Nächte, bis sie endlich ein Ufer erreichte und nach einer kurzen Ruhe bedächtig ans Land kroch. Das Schicksal war ihr gut; sie sah schon am ersten Tag einen weißen Hasen herbeihüpfen, sie grüßte ihn. Überrascht besah sich der Hase die Kröte und fragte sie, warum sie denn aufs Land gekommen wäre. »Ich bin nur so spazieren geschwommen, um zu sehen, wie es da auf dem Land ist«, sagte sie schlau.

»Ist es im Wasser schön zu leben?« fragte der Hase.

»Selbstverständlich«, sagte die Kröte. »Da ist man gut geborgen. Da hat man viel zu essen und kann herumschwimmen ohne jede Hindernisse. Nicht zu vergleichen mit hier auf dem Lande, wo man sich Tag und Nacht vor dem Jäger, dem Falken, dem Wolf fürchten muß.«

»Das ist wahr!« sagte der Hase.

»Willst du wohl mit mir ins Wasser gehen?« fragte sie ihn in freundlichem Ton, »ich trage dich unbeschädigt ins 41 Wasser und bringe dich zu unserem König, damit du dort ein gutes Leben haben kannst.« Der dumme Hase fiel darauf herein und bestieg den Rücken der Kröte, die schnell aufs Meer hinausschwamm. Sie schwamm lange, bis sie in die Mitte der See an die Stelle kam, wo sie in die Tiefe gehen mußte. Da sagte sie aber zu dem Hasen: »Du bist ein dummer Hase, weil du mir geglaubt hast. Ich bringe dich nur deshalb zu unserm König, weil er deine Leber essen muß, um gesund zu werden.« Da erschrak der Hase heftig, zitterte, faßte aber gleich neuen Mut und sagte: »Nein, bist du dumm, du hättest mir vorher sagen sollen, daß du meine Leber brauchst; ich habe keine Leber bei mir, habe sie zu Hause gelassen. Bei uns nimmt keiner seine teuere Leber ohne weiteres auf die Wanderung mit.«

Der Schildkröte leuchtete es ein, daß sie dumm gewesen war und daß es nun keinen Wert hatte, einen Hasen ohne Leber zum König zu tragen. Nach 42 kurzer Überlegung drehte sie sich um, schwamm noch einmal ans Land, damit der Hase seine Leber aus dem Versteck holen konnte. Am Ufer angelangt, sprang aber der Hase vom Rücken der Schildkröte herunter und hüpfte schnell davon, ohne nur ein einziges Wort zu sagen. Die Schildkröte kriecht aber heute noch bald am Strand bald im Wasser und wartet auf den Hasen, um ihn mit der Leber zu ihrem König zu bringen. 43

 


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