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XII.

Das Ende der großen Schlacht.


Während die beiden havarierten Schlachtschiffe untergingen, und die Swiftsure sich langsam nach Süden in der Richtung auf die Küste fortschlich, um womöglich noch auf Strand laufen zu können, erreichte der Kampf zwischen dem Rest der englischen Flotte und den deutschen Geschwadern seinen Höhepunkt. Einige Minuten hindurch waren freilich beide Flotten durch den Rauch gezwungen, das Feuern einzustellen; dennoch hörte das schwere Donnern der Geschütze nicht vollständig auf. Die vier gewaltigen deutschen Schlachtschiffe schienen noch keinen ernstlichen Schaden genommen zu haben, obwohl sie sämtlich geringere Beschädigungen aufwiesen. Ebensogut hatten die vier englischen Dreadnoughts die Probe bestanden.

Aber die anderen Schlachtschiffe hatten alle schwer gelitten. Die Duncan und die Russell hatten, die eine ihre Schornsteine, die andere beide Masten verloren, und die Duncan konnte infolgedessen ihre Fahrtgeschwindigkeit kaum beibehalten. Auf der Montague war eine der Barbetten außer Gefecht gesetzt worden, und auf der Albemarle war einem der zwölfzölligen Geschütze seine Mündung entweder abgesprengt oder fortgeschossen worden. Die Albemarle hatte eine Granate vorn unter der Wasserlinie bekommen, und eine ihrer Abteilungen war voll gelaufen.

In der deutschen Linie brannte die Lothringen mittschiffs; sie hatte ihren vorderen und mittleren Schornstein verloren und lag tief im Wasser, aber ihre schweren Geschütze waren noch in Aktion. Auf sie konzentrierte jetzt die englische Linie den größten Teil ihres Feuers, während die Deutschen die Duncan und die Russell mit Granaten bearbeiteten. Das zweite und das dritte deutsche Geschwader beschossen aus ihren Backbordbatterien die englische Hauptflotte, während ihre Steuerbordbatterien mit der Exmouth und der Glory aufräumten.

In dieser Phase des Kampfes blieb die Duncan zurück und schor fast in demselben Augenblick aus der englischen Linie aus, wie die Lothringen aus der deutschen. Der englische Admiral ließ alle seine Schiffe gleichzeitig um acht Striche wenden, indem er die Ordnung seiner Linie umkehrte, um der havarierten Duncan zu Hilfe zu kommen. Einen Angriff auf die Lothringen zu unternehmen, würde soviel bedeutet haben, wie seinen Weg durch die deutsche Linie zu forcieren, und angesichts der zunehmenden numerischen Ungleichheit mochte er eine solche Tollkühnheit nicht riskieren. Bevor er aber seine Absicht ausführen konnte, war der deutsche Admiral an die Duncan herangefahren und ließ die Sachsen und den Großen Kurfürsten aus ihren Turmgeschützen eine Breitseite von 20 elfzölligen Granaten auf sie abfeuern, die beinahe alle gleichzeitig trafen, – der Abstand war jetzt zu kurz, um vorbeizuschießen. Von diesen Geschossen – es waren abwechselnd Stahlgranaten und panzerdurchschlagende Kappgranaten – durchbohrten zwei den Seitenpanzer; zwei andere trafen die vordere Barbette, und eine explodierte gegen den Kommandoturm; die übrigen trafen mittschiffs. Als der Rauch für einen Augenblick durch einen Windstoß fortgeblasen wurde, sah man, daß die Duncan langsam und regungslos sank.

So waren vier englische und zwei deutsche Schlachtschiffe dahin; von den letzteren war eines freilich noch flott und dampfte langsam nach Nordosten auf die zwei deutschen Zerstörerdivisionen zu, die den Moment zur Anfahrt und zum Todesstreiche auf die englische Flotte abwarteten.

Es war jetzt gegen zehn Uhr morgens; beide Flotten entfernten sich für einige Minuten voneinander. Ein weiteres deutsches Schlachtschiff, die Westphalen, mußte aus der Gefechtslinie ausscheiden und der Lothringen folgen, da ihre beiden Türme von englischen zwölfzölligen Granaten für den Augenblick unbrauchbar gemacht, und ihre kleineren Geschütze fast sämtlich durch das erbarmungslose Feuer aus den neun zweizölligen Geschützen des Agamemnon demontiert worden waren.

Die Deutschen stellten ihre Geschwader wieder her und teilten eins der Schlachtschiffe des zweiten dem ersten Geschwader zu. Mit je sieben Schlachtschiffen in den beiden ersten Geschwadern und fünf im dritten näherten sie sich abermals der englischen Linie, die sich ebenfalls neu formiert hatte, indem der Agamemnon nun den Platz an der Queue einnahm. Auf der Höhe von Dunbar fing die Schlacht wieder an. Hinter den Deutschen konnte man jetzt, wo der Rauch sich verzogen hatte, 15 oder 20 Torpedofahrzeuge erkennen. Andere Zerstörer- und Torpedodivisionen waren weiter seewärts zu sehen.

Die deutschen Schlachtschiffe dampften direkt auf die englischen los, indem sie das Manöver wiederholten, das sie bei der Eröffnung der Schlacht angewandt hatten. Das erste und zweite Geschwader formierte sich in Linie und steuerte auf die Backbord-, das dritte aber auf die Steuerbordseite der englischen Linie zu. Um nicht umzingelt zu werden, wandte Lord Ebbfleet sich gegen das deutsche Hauptgeschwader; vielleicht hoffte er noch in dieser elften Stunde das Glück dieses unheilvollen Tages vermöge die Batterien seiner gewaltigen Schiffe wiederherstellen zu können. Während eines seiner Schiffe nach dem anderen wendete, um vor dem Feinde vorbeizuziehen, erhielten sie von den beiden deutschen Linien ein überaus heftiges Feuer; die Kommandotürme der Vanguard und der Sachsen wurden zu gleicher Zeit von mehreren Granaten getroffen.

Im Kommandoturm der Sachsen blieb keiner der Insassen am Leben, auch Admiral Helmann nicht. Und ebenso verhängnisvoll war die Explosion des deutschen Geschosses gegen den Turm der Vanguard: Lord Ebbfleet ward durch einen Splitter getötet, sein Stabschef erlitt eine tödliche Verwundung, und niemand, der im Turm war, kam ohne Verletzung davon. So waren die Gehirne beider Flotten paralysiert!

In dem Augenblick, wo die Vanguard steuerlos war, ersahen die deutschen Zerstörer ihre Gelegenheit; vier derselben schossen von vorne auf den mächtigen Rumpf des englischen Flaggschiffes zu, und ehe es dem Steuer wieder gehorchte, traf ein Torpedo es rechts voraus, sprengte zwei Abteilungen ein und ließ eine große Menge Wasser einströmen. Sein Bug senkte sich, es hielt sich noch einige Minuten auf seinem Platze in der Linie, schor dann langsam seitwärts aus und steuerte mit sichtlicher Mühe südwärts auf die nahe Küste zu. Wieder kam eine Division von vier Zerstörern zum Angriff herbei; aber noch waren seine großen Türme intakt und empfingen sie mit mörderischem Schrapnellfeuer: zwei der Boote wurden schrecklich zugerichtet; die zwei anderen überlebten die erste Salve und flogen dicht an ihre Beute heran, das eine auf Backbord, das andere auf Steuerbord, und da die kleineren Geschütze der Vanguard demontiert und nicht mehr imstande waren, die Boote aufzuhalten, so kamen beide dazu, zwei Torpedos abzuschießen. Drei davon gingen vorbei, aber der vierte traf unter dem vorderen Turm. Das Schiff zog soviel Wasser, daß es östlich von Dunbar auf Grund kam und bis an das Niveau seines Hauptdeckes untertauchte, unfähig, seine großen Geschütze zu gebrauchen, weil die Erschütterung es in dieser Lage entzweigerissen haben würde.

Die Deutschen detachierten die Preußen, um die Vanguard vollends zu zerstören, und folgten mit den übrigen Schlachtschiffen dem Rest der englischen Flotte, der auf die offene See hinaussteuerte.

Admiral Parker hatte sich hierzu entschlossen, weil er hoffte, südöstlich, die englische Küste entlang, zu entkommen; er hatte den Kampf aufgeben müssen, denn mit neun Schiffen gegen achtzehn war selbst dann nichts auszurichten, wenn von diesen achtzehn auch mehrere schwer havariert sein sollten. Überdies ging den englischen Schiffen bereits die Munition aus.

Die 17 deutschen Schiffe formierten sich zur Verfolgung in einer einzigen Linie und steuerten einen dem der englischen Schiffe parallelen Kurs; da ihre Spitze über die der englischen Linie etwas vorgriff, konnten die vier Schlachtschiffe der Sachsenklasse nun ihr ganzes Feuer auf die drei noch übrigen Dreadnoughts richten. Die andern vierzehn deutschen Schlachtschiffe bearbeiteten die sechs älteren und schwächeren englischen. Der Abstand zwischen beiden Flotten betrug 4500 bis 6000 Yards, das Feuer aber war langsam, da sich auf beiden Seiten Mangel an Munition fühlbar zu machen anfing.

Nahezu fünf Stunden hatte der Kampf bisher gewährt; es war nun 11 Uhr 30 vormittags. Draußen auf offener See und in Lee der deutschen Schlachtschiffe wurden mehrere deutsche Panzerkreuzer sichtbar, die inzwischen die dringendsten Ausbesserungen ausgeführt und aus einem Magazinschiff neue Munition übergenommen hatten. Sie dampften jetzt abermals heran und hatten wenigstens vier oder fünf Torpedobootdivisionen bei sich.

Beide Flotten liefen ungefähr 13 Knoten; die am schlimmsten zugerichteten englischen Schlachtschiffe waren auch zu mehr nicht imstande.

Das auf die Sachsen konzentrierte Feuer aus den zwölfzölligen Geschützen des Thunderer fing endlich an seine Wirkung zu tun. Den Kommandoturm der Sachsen hatte schon die Vanguard in Trümmer geschossen, und dadurch war ihre Leitung und Steuerung sehr erschwert worden; auch von ihren elfzölligen Turmgeschützen waren zwei vollständig demontiert. Deshalb sah sich die Sachsen gezwungen, gegen zwölf Uhr aus der deutschen Linie zu scheren und der Bayern die Führung zu überlassen.

Um dieselbe Zeit signalisierte die Albemarle, daß sie in größter Not sei: sie brannte lichterloh, die Schornsteine waren hart mitgenommen, die beiden Masten über Bord, zwei Abteilungen voll Wasser, die meisten Geschütze unbrauchbar!

Wer von der zerschossenen Hinterbrücke des Thunderer die englische Linie entlang sah, konnte sich nicht verhehlen, daß noch andere Schiffe nur mit Mühe ihre Position innehielten. Und wie hatte ihr Aussehen sich verändert: Schornsteine, Schornsteinkappen und Masten fort, die zierlichen Linien des graugestrichenen Stahlwerks verbogen und gebrochen, überall gähnende Löcher in den ungepanzerten Teilen! Die See war gerötet von dem Blut, das aus den Speigatten rann!

Auf der Gegenseite sah es ziemlich ebenso aus. Einige Schiffe mußten hinter der langen Linie zurückbleiben, und viele waren übel zugerichtet, alle aber zeigten deutliche Spuren der englischen Geschosse. Die mächtigen Stahlaufbauten der Deutschland-Klasse waren derartig zerschossen, daß sie nicht wiederzuerkennen waren. Die Braunschweig hatte von einer konzentrierten Breitseite des Bellerophon ein riesiges Loch im Rumpf erhalten; ihr vorderer Schornstein und vorderer Mast waren vollständig weggeschossen, und aus der gähnenden Öffnung erhob sich, von dichten Dampf- und Rauchwolken umqualmt, das Panzergerüst des Kommandoturms. Nur ihr hinterer Turm feuerte noch.

Gegen ein Uhr nachmittags mußte die Albemarle es aufgeben, ihren Platz in der englischen Linie zu behaupten. Admiral Parker signalisierte ihr mit Mühe und Not – denn seine Signalisierapparate waren alle weggeschossen, er mußte seine Zuflucht zu Signalflaggen nehmen –, daß sie versuchen solle, südwärts an der Küste auf Strand zu laufen. Seine Flotte wenden zu lassen, um der Albemarle zu Hilfe zu kommen, hätte nur die Vernichtung des Restes seiner Streitkräfte zur Folge gehabt.

Die Albemarle steuerte südlich; zwei deutsche Schlachtschiffe aber folgten ihr, schossen ihr noch einige Granaten in den Leib und vereinigten sich dann wieder mit der deutschen Flotte. Was jetzt von der englischen Flotte noch übrig war – nur sechs Schiffe –, brachte seine Fahrt auf 15 Knoten und dampfte, der Agamemnon an der Queue, dem Ehrenplatze, langsam aus Schußweite heraus. Nordwärts freilich folgte immer noch die unheimliche Schar der deutschen Torpedoboote, die bei den Engländern um so größere Besorgnis erregten, je weniger sie bei dem Munitionsmangel und der starken Beschädigung der kleineren Geschütze auf sämtlichen englischen Schiffen hoffen durften, ihren Angriffen mit Erfolg zu begegnen.

Gegen zwei Uhr nachmittags feuerte das deutsche Admiralschiff auf 10 000 Yards den letzten Schuß der großen Schlacht von North Berwick ab.


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