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Das wunderliche Verhältniß zwischen den beiden Leuten hatte schon eine Zeit lang gedauert; es war Gustav unterhaltender, gegen Abend statt auf's Kasino in Wlaska's Stübchen zu geh'n. Nur ein schöner Jagdtag ging ihm darüber; er war neben dem feurigen Mädchen vollkommen harmlos geblieben, und es ist schwer zu sagen, ob nur irgend etwas anderes, als das Ungewöhnliche der Unterhaltung ihn anzog, im Ganzen war er völlig gedankenlos dabei. Er hörte auch wohl nur mit halbem Ohre hin, wenn Wlaska Schauspiele recitirte, und spielte unterdessen behaglich mit den Ohren seines großen Jagdhundes. Fuhr dieser einmal bei einer überraschenden Bewegung des Mädchens bellend auf, so amusirte ihn das sehr. Es schlief Alles noch in tiefem Schlafe bei diesem jungen Manne, auch die Sinnlichkeit, er war gleich einer Nuß mit harter Schale, man wirft sie dem Kerne unbeschadet hin und her. Auch die Eitelkeit, sollte man glauben, war noch nicht aufgewacht, und doch war etwas davon thätig bei seinem halben Interesse für Wlaska; eitel sind wir schon, wenn wir noch gar nichts sind, diese Eigenschaft ist wie ein fettes Fleisch mit unsern edelsten Theilen verwachsen. Er dachte nicht darüber nach, aber die Behaglichkeit davon empfand er doch, der Gott eines hübschen, ungewöhnlichen Mädchens zu sein.
Es war ein warmer Frühlingsabend, als er mit seinem Hektor von der Jagd heimkehrend über den Gartenzaun sprang, und in die offene Thüre von Wlaska's Stübchen trat. Sie saß an dem alten Klavier, und sang eine große Arie, Gustav nicht bemerkend. Er blieb stehen, drohte dem Hunde, der in's Zimmer springen wollte, hörte eine Weile zu, zog dann leise den Schuß aus der Büchse, und sah, als die Arie noch immer nicht endigen wollte, nach den Wolken, wahrscheinlich um zu prüfen, ob den andern Tag Jagdwetter sein werde.
Als ihn Wlaska bemerkte, sprang sie jubelnd auf ihn zu, und sie wäre ihm vielleicht um den Hals gefallen, wenn er nicht kühl die Hand zum Gruße entgegengestreckt hätte. Das Verhältniß stand schon lange auf dem Punkte, daß nur seine große Harmlosigkeit den leidenschaftlichen Ausdruck des Mädchens immer noch zurückhielt.
Sie küßte ihm die Hand, und er strich ihr das wallende, dunkle Lockenhaar aus der Stirn, streichelte ihr die Wange, und verwunderte sich, wie man so heiß werden könne vom bloßen Singen.
Wlaska brachte einen der schweren Stühle an die Thür, und als der ermüdete Jäger darauf Platz genommen, und tief Athem holend die Ermüdung des Frühlingswetters fortgeblasen hatte, holte sie sich eine kleine Fußbank und setzte sich vor ihm nieder. Es war die Zeit der Abenddämmerung, die warme, würzige Frühlingsluft wogte weich aus dem Garten, dessen grüne Blüthenbäume im Abendscheine glänzten und flüsterten. Hektor hatte seinen Kopf auf Gustavs Knie gelegt, und es mochte ein artiges Bild sein, vom Garten aus die Gruppe zu sehen, welche auf dem Hintergrunde des barocken Zimmerchens sich noch wunderlicher ausnahm. Der schlanke Jäger mit der Büchse und dem grünen Jagdrocke, Wlaska im leichten dunkelrothen Kleide, den einen glatten Arm auf Hektors Hals legend, mit dem andern auf Gustavs Knie sich stützend und zu ihm aufsehend. –
Das sanguinische Mädchen ward indessen bald von ihrem Temperamente übereilt, der feine Duft und Zauber einer Neigung, welche noch immer das entscheidende Wort vermieden hat, existierte nicht für sie, das mädchenhaft Zurückhaltende war in ihr übersprungen durch stete Beschäftigung mit excentrischen Gebilden und Ausdrücken – sie fiel am Ende Gustav wirklich um den Hals, schluchzte, weinte und rief dazwischen, daß sie ihn mit unwiderstehlicher Allgewalt liebe. Hektor bellte, Gustav nahm es hin, wie man die Liebkosungen eines Kindes aufnimmt, nur mit dem Unterschiede, daß solch ein Empfangen von seiner Seite nicht Produkt der Reflexion war, er dachte nur eben nichts Weiteres dabei. Eine Liebesneigung war nicht da, die Sinnlichkeit lag noch ohne Augen in ihm, wenn sie auch bereits existirte – so kam's, daß ihm der Zustand wohl ein leichtes Behagen weckte, daß er eine harmlose Tändelei für die Leidenschaft zurückgab, dem Mädchen Wange und Nacken streichelte, und ihren feurigen Kuß auf die Lippen dulden mochte. –
In dem Augenblicke öffnete sich die innere Thür des Zimmers, welche nach dem Hause führte, Hektor sprang auf und bellte noch lauter, Wlaska's Papa mit der langen Pfeife erschien auf der Schwelle. Er blies eine gute Wolke aus dem Munde, hob die Pfeife einen Moment lang völlig aus den Zähnen, und lächelte verschmitzt über das ganze Gesicht; dann fand die Pfeife wieder den alten Weg, er wandte sich zum Abgehn, und sprach: Kinderchen laßt euch nicht stören!