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Es war ein bedeckter Frühlingstag, mild und erquicksam wehte die Luft, das neue Gras war duftend aus der Erde geschossen, zwei große Buben wälzten sich darauf umher, und jubelten und tollten. Als sie sich ermüdet hatten, saßen sie ein wenig still, und Athem schöpfend und sich erholend sahen sie nach der Stadt hinunter, über welche zuweilen ein breiter üppiger Sonnenstrahl sich ausbreitete, wenn die dünnen, schleierartigen Wolken eine kleine Strecke wichen und sich lösten.
Diese Stadt war Prag, das vielgethürmte; am Kapuzinerberge spielten die Buben.
Vielleicht klingt es Manchem unwahrscheinlich, Mancher wird es aber selbst erfahren haben, daß wir in einer gewissen Knabenzeit unter Ballspiel und Tändelei oft geneigt sind, ganz altväterisch ernsthaft über diejenige Lebenszukunft zu sprechen, welche für den Knaben existirt. Das heißt über diejenigen Wünsche, welche man aus den nächsten Vergleichen und Beispielen schöpft, ob man es nicht zum Exempel sehr schön finde, wie jener Nachbar zu leben, der den ganzen Tag Bücher lesen, oder wie jener, der sich stattliche Pferde und geputzte Lakaien halten, oder wie jener, der immerfort Tabak rauchen und neben der geschmückten, freundlichen Frau vor der Thür oder am Fenster sitzen könne. Es giebt Knaben, welche neben einander im Grase liegen, und sich ganz detaillirte wirthschaftliche Pläne mittheilen, wo sich der eine bloß so und so viel tausend Thaler und Gretchen zur Frau wünscht, weil sie eine vortreffliche Wirthin und von Herzen gut sei, der andre freilich größere Dinge, dann geben sie sich die Hand mit dem herzhaften Versprechen, sich immer zu lieben, wenn auch der eine ein großer Herr werden sollte und der andere nicht.
Unsere beiden Knaben geriethen an jenem Frühlingstage auch auf ein ähnliches Gespräch, und bekundeten darin ihre sehr verschiedenen Charaktere. Lebhaft waren beide, aber jeder in andrer Art: Victor, ein dunkelgelockter, feuriger Bursch, war voll Ungestüm und Wildheit, aber leicht beschwichtigt, leicht versöhnt; Gustav, ein blonder, feiner Knabe, war munter, dreist, bei Hindernissen und Widersprüchen leicht eigensinnig. Jener, eines nur mäßig bemittelten Bürgers Sohn, strebte in's Weite, bestimmte Verhältnisse aus der nahen Umgebung lockten ihn nicht, was Reichthum, Glanz und Ueberfluß! sagte er mit ein wenig andern Worten, die locken mich nicht, aber ein Held will ich werden, die Welt soll meinen Namen kennen, verzauberte Prinzessinnen will ich befrei'n, rothe Hosen mit Goldborten will ich tragen.
Es schmerzt mich, sagen zu müssen, daß dieser Romantiker nicht der Held unserer Geschichte wird, wenn auch Gustav, für den Augenblick sein Gefährte, weniger reizt.
Dieser stammte von armen Eltern, war aber zeitig von einem Onkel adoptirt worden, und hatte eine reiche Erbschaft und glänzende Existenz vor sich. Der Onkel und die Tante liebten ihn wie den Augapfel, und er war auch wirklich ein schöner, in Blüthe strotzender Knabe – »blond war sein Haupt, leicht war sein Sinn.«
Victor's Lebenswunsch ward von ihm nicht beachtet, und er sagte ohne weiteres Eingehen darauf: Ich werd' mir ein Billard anschaffen, ein ordentliches, großes, und im Gartenhause werd' ich mir ein Theater bauen, du kannst aber alle Tage mit mir ausfahren, Victor, und zu Mittage essen mußt du auch mit mir.
Ach, erwiederte dieser, ich werde ganz anderswo herumreiten. –
Du sollst aber nicht, rief Gustav, und sprang in die Höhe.
Victor besänftigte ihn, und schlug vor, nach Hause zu gehn, es habe schon zwölf geschlagen, und wenn er's Mittagessen versäumte, so ginge es ihm schlecht. Gustav hatte noch keine Lust, und Victor ließ sich bereden. Als sie nun später nach Hause sprangen, bekam dieser Prügel, weil er das Mittagessen verpaßt habe, Gustav aber ward mit Liebkosungen empfangen, weil ihm nichts Uebles passirt sei, und die Tante bat nur streichelnd, er solle sich nicht immer so erhitzen. –
Nach einigen Jahren hatte sich Mancherlei verändert. Victor war in die weite Welt gegangen, sein Vater ließ sich nicht gern nach ihm fragen, die Leute zuckten die Achseln, wenn darauf die Rede kam; Gustav's Onkel war gestorben, und die kränkelnde Tante, welche das Vermögen zu administriren hatte, schloß sich mit immer größerer Zärtlichkeit an den schön und kräftig gedeihenden Neffen. Gustav war mit zwanzig Jahren eine ausgezeichnete, glänzende Erscheinung in Prag. Schön, heiter, gewandt, voll Leben und Bewegung, Erbe eines großen Vermögens war er überall willkommen, gefiel er allerwärts.