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Der Sündenfall

1

Karl Artur, der nun jeden Tag regelmäßig Holz spaltete, sah eines Morgens, als er eben seine Arbeit im Holzschuppen in Angriff genommen hatte, daß ein Schatten draußen vorbeizog. Er schaute auf und meinte, Thea Sundler zu erkennen, die er den ganzen Winter hindurch kaum gesehen hatte. Rasch warf er die Axt weg und eilte hinaus. Ganz richtig, es war Frau Sundler; aber sie war schon außerhalb der Zauntür und lief eilends den Hügel hinunter. Karl Artur rief ihr nach, doch anstatt zu halten, lief sie nur noch schneller. Er hatte in Hemdsärmeln gearbeitet, nun warf er hastig seinen Rock über und lief ihr nach. Da war etwas, das er ergründen mußte.

Der Organist war den ganzen Winter schwer an Rheumatismus erkrankt gewesen und hatte sich kaum bewegen können. Damit er aber seinen Dienst doch versehen konnte, halfen ihm der Orgeltreter und der Kirchendiener mit großer Mühe die schmale Treppe zur Orgelbühne hinauf. Thea begleitete ihn auch immer da hinauf, und sie saß dann während des ganzen Gottesdienstes neben ihm. Sie zeigte sich weder drunten in der Kirche noch in der Sakristei.

Karl Artur hatte allmählich Verdacht geschöpft, es sei doch wohl nicht allein die Krankheit ihres Mannes, warum sie nie mehr zusammentrafen, sondern sie halte sich wahrscheinlich aus einem anderen Grunde fern; und da er sie wirklich gern hatte, wollte er die Gelegenheit, eine Erklärung zu erlangen, nicht versäumen. Es gelang ihm auch, sie einzuholen, ehe sie unten am Hügel angekommen war und in die Dorfstraße eingebogen hatte.

»Thea!« rief er und legte ihr die Hand auf die Schulter. »So bleib doch stehen! Was ist dir denn? Hast du Angst vor mir?«

Sie schaute nicht auf, sondern suchte sich von seiner Hand zu befreien. »Laß mich gehen!« murmelte sie kaum hörbar.

Karl Artur kam ihrem Verlangen jedoch nicht nach, sondern stellte sich im Gegenteil mitten im Weg vor sie hin. Er bemerkte, daß ihre Augen rot umrändert waren und sie abgemagert aussah. Es war, als habe sie eine schwere Krankheit durchgemacht, sie ebenso wie ihr Mann.

Karl Artur sagte ihr, er werde sie nicht weitergehen lassen, ehe er gehört habe, warum seine treue Freundin und Ratgeberin jetzt nichts mehr von ihm wissen wolle. Was er denn getan habe? Auf welche Weise er sich gegen sie versündigt habe?

»Du!« sagte sie, und ihre Stimme bekam nun einen starken Beiklang von Schmerz. »Du! Solltest du dich gegen mich versündigt haben?«

»Ja, ich, ich. Du weichst mir ja überall aus!«

Sie sah ihn an mit einem Gesicht, das grenzenloses Leid ausdrückte. Karl Artur betrachtete sie mit Verwunderung. Thea hatte nie hübsch genannt werden können; aber ihre offenbare Verzweiflung machte die unschönen Züge rührend und ausdrucksvoll.

»Laß mich gehen!« stöhnte sie. »Frau Propst Forsius hat mir ein Versprechen abgenommen. Ich hab' ihr schwören müssen, nie mehr mit dir zusammenzutreffen. Nur unter dieser Bedingung hast du zu deiner Frau und in dein Haus zurückkehren dürfen.«

Damit schob sie ihn auf die Seite und bog in die Dorfstraße ein. Karl Artur hinderte sie nicht daran. Ihre Worte hatten ihm so viel zu denken gegeben, daß er ganz bestürzt mitten auf dem Wege stehenblieb.

Am nächsten Tage traf indes Karl Artur noch einmal mit Frau Sundler zusammen. Eines der Kinder war an Fieber erkrankt, und er war zu Dr. Romelius gegangen, um ihn zu dem Kinde zu holen. Aber der Doktor hatte an diesem Tage schon einen Kranken bei sich drinnen, und so wurde Karl Artur in das Wartezimmer gewiesen. Und da traf er Frau Sundler in eifrigem Gespräch mit einer älteren Bauersfrau.

Als Karl Artur eintrat, stand Frau Sundler rasch auf, wie um fortzugehen, aber sie änderte doch ihre Absicht und blieb sitzen. Karl Artur verbeugte sich schweigend, ohne einen Versuch zu machen, sie anzureden; aber es dauerte nicht lange, bis Frau Sundler sich selbst an ihn wandte.

»Per-Ers-Mutter und ich wurden verlegen, als du hereinkamst, weil wir eben von dir miteinander gesprochen hatten. Aber das war ja eigentlich gar nicht nötig, denn wir hatten nichts als Gutes über dich gesagt. Nicht wahr, Per-Ers-Mutter?«

Die große, kräftige Bauersfrau lachte ganz vergnügt. »O ja, der Herr Magister hätte jedes Wort hören dürfen«, sagte sie.

»Ja, gewiß«, bekräftigte Frau Sundler. »Wir sagten nur, wir könnten nicht begreifen, wie du es aushältst. Den ganzen geschlagenen Tag hindurch hast du zehn schreiende, lärmende Kinder um dich und bekommst nie einen Augenblick Ruhe. Wir sagten auch, von Anfang an seist du für etwas anderes bestimmt gewesen als zum Holzspalter und Schuhmacher für Kätner Matts Bälge. Aber um so merkwürdiger ist es ja, daß du ihrer nicht überdrüssig wirst.«

»Im übrigen scheint all die Arbeit dem Herrn Magister nicht schlecht zu bekommen«, warf die Bauersfrau ein. »Sie haben noch nie so gesund und kräftig ausgesehen.«

»Wir sagten auch, es sei klug von dir, einen Friesanzug zu tragen«, redete Frau Sundler weiter. »Das zeigt den Leuten, daß du im Ernst mit der Vergangenheit gebrochen hast. Du willst das Leben der armen Leute führen und verzichtest überdies darauf, wie ein vornehmer Mann auszusehen.«

»Im Anfang«, sagte die Bauersfrau, »im Anfang meinten wir alle, es sei nur so ein Getue mit dem kleinen Häuschen und mit der Armut. Aber nun haben wir etwas anderes zu sehen bekommen.«

Karl Artur fühlte, wie ihm eine heftige Röte des Verdrusses in die Wangen stieg. Er fand Thea rücksichtslos und bedeutete ihr mit einem Kopfschütteln, doch einen andern Gesprächsstoff zu wählen.

Aber Thea fuhr fort: »Was hat das zu sagen, daß du nicht mehr so gut predigst wie früher? Ich habe soeben zu Per-Ers-Mutter gesagt, dein ganzes Leben sei eine Predigt.«

»Ja, das Leben des Herrn Magister und seiner Frau ist eine Predigt für uns andere«, erklärte rasch bekräftigend die Bauersfrau. »Wenn sie am Sonntag mit der ganzen Kinderschar hinter sich, die gut gekleidet und rotbäckig und ordentlich, wie es Sitte und Brauch ist, in die Kirche kommt, dann müssen wir alten Bauernfrauen stehenbleiben und ihr nachgucken. Wir müssen daran denken, wie diese Kinder früher zerlumpt und unbändig hier auf den Hügeln herumjagten. Es ist eine große Tat, die die Pfarrleute getan haben.«

»Ja, das ist es«, sagte Thea, »und Per-Ers-Mutter, ich sag' Euch, wenn irgendein Mensch einen Ausweg wüßte, wodurch diese ganze Mühe mit den Kindern aufhörte, so würde er kaum damit herausrücken. Denn es wäre unrecht, mit etwas Schluß zu machen, das so schön ist und so allgemeine Bewunderung erweckt.«

Karl Artur hatte mit gebeugtem Kopfe dagesessen, jetzt schaute er hastig auf. Ein erwartungs- und hoffnungsvoller Ausdruck trat in seine Züge.

»Frau Sundler meint wohl nicht, es werde sich jemand finden, der die Kinder übernehmen wolle«, sagte die Bauersfrau. »Wenigstens hier in Korskyrka wissen wir von keinen anderen Verwandten als von einem Oheim, dem Bruder ihres Vaters, und der ist ebenso bettelarm wie ihr Vater auch war.«

»Aber wenn nun dieser Oheim sich gut verheiratet und einen eigenen Hof sowie eine gute Frau hätte? Man meint, es wäre nicht unmöglich, daß er sich um die Kinder annähme, wenn er Nachricht von dem Tode seines Bruders bekäme.«

»Na, wenn es sich so verhält«, sagte die Bauersfrau. Sie konnte jedoch nicht fortfahren, die Tür zu dem Zimmer des Doktors öffnete sich, ein Patient trat heraus, und nun war sie an der Reihe, hineinzugehen.

Als Karl Artur und Thea allein geblieben waren, herrschte einen Augenblick vollkommenes Schweigen zwischen ihnen.

Dann begann Thea in einem ganz anderen Ton als bisher; sie war jetzt lauter bebende Leidenschaft.

»Ich habe daheim gesessen und Gott um Hilfe für dich angefleht«, sagte sie. »Du wolltest armselig und einfach leben, ja, das wußte ich, aber niemals hätte ich geglaubt, daß du selbst Schuhe zusammenschustern und Holz spalten würdest. Auf diese Weise mußt du ja zugrunde gehen. Mir ist, als sei ich für dich verantwortlich. Ich sollte über dich wachen, und ich darf dich nicht einmal in mein Haus bitten. Das ist entsetzlich, entsetzlich!« Karl Artur machte eine Bewegung mit der Hand, wie um Thea am Weitersprechen zu verhindern; aber statt dessen trat sie dicht vor ihn hin und sprach mit solchem Nachdruck, wie wenn ihre Worte ihm bis in die tiefste Seele hineindringen sollten.

»Sundler hat einen Bruder«, sagte sie, »der Organist im Eksbezirk ist. Er ist jetzt bei uns zu Besuch, und gestern kam das Gespräch zufällig auch auf dich und die zehn Kinder. Da erzählte er, im Eksbezirk sei ein Mann, der aus Korskyrka stamme, und wahrscheinlich sei er der Bruder des Kätners Matt. Der Mann habe wenigstens mehrere Male mit meinem Schwager von seinem mittellosen Bruder und seinen vielen Kindern gesprochen; aber er weiß nicht, daß der Bruder tot ist. Mein Schwager reist heute abend heim. Soll ich ihm nun auftragen, daß sie von deiner und deiner Frau Barmherzigkeit leben, oder soll ich ihn bitten, nichts zu sagen?«

Karl Artur war aufgestanden. Er spannte die Brust und hob die Achseln. Alles, was er in diesem Winter um der Kinder willen gelitten und ertragen hatte, tauchte in seiner Erinnerung auf. Ach, sie loszuwerden, sie auf eine gute, ehrenhafte Weise loszuwerden.

»Du hast ja nicht einmal die nötige Ruhe mehr, um ordentlich nachzudenken«, eiferte Thea weiter. »Deine Predigten sind so, daß sich ein Schuljunge darüber schämen würde. Früher hast du wie ein Engel, der alle Geheimnisse des Reiches Gottes kannte, geredet. Jetzt weißt du gar nichts mehr.«

Karl Artur schwieg noch immer. In der letzten Zeit hatte er angefangen, sich an die einfache Lebensweise zu gewöhnen. Die Kinder und er waren gute Freunde geworden. Es kam ihm etwas feig vor, sie fortzuschicken, den Kampf nicht bis zum Schlusse durchzufechten.

»Sag etwas!« drängte Frau Sundler. »Ich muß Bescheid haben. Per-Ers-Mutter kann jeden Augenblick wieder hier sein. Gib mir nur das allergeringste Zeichen!«

Nun fing Karl Artur an zu lachen. Als ob es darauf nicht nur eine einzige Antwort gäbe! Thea hatte gesprochen, und hatte er nicht gefühlt, wie Ketten brachen, Eisfelder schmolzen, Freiheitslieder erklangen. Da tat er, was er noch nie getan hatte. Er beugte sich vor, schlang die Arme um Thea, und in der unaussprechlichen Dankbarkeit und Freude seines Herzens küßte er die häßliche Person mitten auf den Mund.

2

Wer war sie, daß sie mit ihrem eigenen Manne ins Gericht gehen wollte? Mit ihm, der soviel mehr wußte als sie, der das Wort Gottes verkündigen und alle auf böse Wege geratenen Sünder ermahnen konnte? Ja, sie mußte es glauben, daß er auch jetzt das Rechte getan hatte, als er die Kinder fortziehen ließ.

Wenn sie es sich richtig überlegte, wußte sie auch nicht, was ihr Mann sonst hätte tun sollen, als der eigene Oheim der Kinder dahergereist kam, um sich der Kinder anzunehmen. Wenn der Oheim ein bettelarmer Mensch gewesen wäre, dann hätte es allerlei einzuwenden gegeben; da er nun aber vermögend war und seinen eigenen Hof sowie eine gute Ehefrau, aber keine Kinder besaß, wie hätte Karl Artur da ihm verbieten sollen, die Kinder seines Bruders zu sich zu nehmen? Im Anfang hatte sie den Mann nur für einen Betrüger gehalten, der die Kinder von ihnen weglocken wollte. Aber die beiden ältesten hatten den Oheim wiedererkannt und andere Leute ebenfalls. Nur hatte bisher niemand gewußt, daß es ihm so gut ergangen war. Als er von Korskyrka fortzog, war er ebenso arm gewesen wie sein Bruder.

Das Kirchspiel, in dem dieser Oheim wohnte, lag weit droben im Norden, deshalb war es auch nicht verwunderlich, daß er nichts vom Tode seines Bruders, des Kätners Matt, erfahren hatte und daß dessen Kinder von Fremden aufgenommen worden waren. Aber sowie er gehört hatte, wie die Dinge lagen, reiste er sofort nach Korskyrka, um den zehn Kindern bei sich in seinem guten Hause eine Heimat zu bieten.

Das war ein schöner Zug von ihm gewesen. Er war gewiß ein guter, ausgezeichneter Mann, das mußte Anna Svärd glauben. Ihr nicht und auch sonst niemand konnte es mißfallen, daß der Mann die Kinder nach dem Eksbezirk mitgenommen hatte.

Karl Artur war durchaus nicht eigensinnig gewesen. Aber er hatte es so schön ausgedrückt, welch eine ganz besondere Schickung von Gott es sei, der diesen fremden Mann zu ihnen gesandt habe, der ihnen nun die schwere Last, die auf ihnen ruhte, und natürlich auf ihr am meisten, erleichtern wolle. Er hatte ihr zu bedenken gegeben, wenn sie nun im Laufe des Sommers ein eigenes Kind bekomme, könne sie ja nicht wie bisher immerfort für andere arbeiten.

Darin hatte sie ihm beistimmen müssen, und da war sie zweifelhaft geworden und hatte nicht recht gewußt, was sie wollte. Das Gerede von Gott hatte sie verwirrt. Die Kinder waren sehr lieb. Gott wollte vielleicht, sie sollten es besser bekommen, als sie es bei ihr gehabt hatten. Und Karl Artur hatte es vielleicht schwer gehabt, ja, schwerer als sie gewußt. Aber jetzt begriff sie es, als sie hörte, wie schön und gut er es meinte, wenn er für das Fortgehen der Kinder eintrat. Die Kinder waren merkwürdig wenig unglücklich darüber gewesen, daß sie ihre bisherige Hausmutter verlassen sollten. Sie würden in die Welt hinauskommen, würden Neues sehen! Der Oheim hatte Pferd und Kühe und Schweine und Hühner, die sie füttern und versorgen dürften. Und er hatte einen Hund, der fürs Essen danken und den Kantor nachmachen konnte, wenn dieser in der Kirche das Lied anstimmte. Die Kinder hätten sich das Glück nie träumen lassen, einen Hund Kirchenlieder singen zu hören.

Als die Kinder fort waren, hatte Anna Svärd sich auf die wacklige Staffel vor dem Hause gesetzt, und da saß sie nun noch. Sie konnte sich zu nichts aufraffen. So mit den Händen im Schoß hatte sie seit zwei Jahren nur an den Sonntagen hier gesessen, ja, kaum da je einmal. Sie sagte sich selbst, sie müßte froh sein, wenn sie nun endlich mal ein wenig ausruhen könne.

Karl Artur kam zu ihr heraus. Er setzte sich dicht neben sie, nahm ihre Hand in die seine und sagte, wie glücklich sie nun sein würden. Er glaube, die Kinder seien ihnen als Prüfung zugeschickt worden, und wenn sie ihnen jetzt abgenommen seien, so sei dies ein Zeichen, daß Gott mit Wohlgefallen gesehen habe, was sie für diese Kinder getan hatten.

Anna Svärd wußte ja, sie war nichts gegen ihren Mann, sie verstand nichts von Gottes Wegen und sie hatte nicht einmal in einem Buche lesen lernen können; aber jedenfalls wurde sie jetzt böse auf ihn. Sie erwiderte, diese Kinder habe Gott ihr aus lauter Gnade zugeschickt, und sie wisse nicht, was sie Böses getan, weil er sie ihr wieder genommen habe.

Als Karl Artur diese Antwort gehört hatte, war er aufgestanden und ohne ein Wort zu sagen ins Haus gegangen. Und sie hatte ihn nicht zurückgerufen, auch bereute sie ihre Rede nicht. Sie war wie ein mit bittrer Galle gefülltes Gefäß. Es war nicht leicht, ihr nahezukommen, ohne daß die Bitterkeit überfloß.

Sie war sich bewußt, sie müßte eigentlich jetzt hineingehen und drinnen, nachdem die Kinder fort waren, Ordnung schaffen; aber sie fürchtete sich davor. Sie fürchtete sich vor der großen Leere, die ihr da entgegengähnen würde.

Jetzt würde sie sich wieder ebenso hilflos und verlassen fühlen wie in der ersten Zeit nach ihrer Heirat, ehe sie sich der Kinder angenommen hatte. Von da an war Ruhe und Sicherheit über sie gekommen. Ach, daß sie so dumm gewesen war und jemand erlaubt hatte, ihr die Kinder zu nehmen!

Sie sah den Frachtwagen vor sich, der mit ihnen fortgefahren war. Die Kinder hatten ihn mit ihren Kleiderbündeln und anderen Dingen, an denen sie hingen, vollgepackt. Ein paar von den kleinsten Kindern hatten mit aufsitzen dürfen, die anderen mußten mit dem Oheim zu Fuß gehen. Der Oheim hatte gelacht und gesagt, es sehe aus, wie wenn er mit einem Zigeunerwagen dahergefahren käme; denn die Zigeuner zögen ja auf diese Weise mit ihren Sprößlingen und ihren Kleiderbündeln umher.

Die Kinder hatten sich gar so merkwürdig leicht von ihr verabschiedet. Sie hatten nur an den Wagen und an das Pferd und an das gedacht, was sie mitnehmen wollten, und am meisten leid hatte es ihnen getan, als das Miezekätzchen nicht mit ihnen gehen wollte. Kaum eine Träne hatten sie vergossen. Sie, Anna Svärd, hatte auch nicht geweint. Aber kaum waren die Kinder aus ihrem Gesichtskreis verschwunden, als ihr ganz ängstlich zumute wurde. Sie mußte an das Gesicht des Oheims denken. Es war nicht so sicher, ob er wirklich so freundlich und gutmütig war, wie er sich in ihrem Hause gezeigt hatte. Nein, er war gewiß falsch und böse und geizig. Die Kinder würden es schwer bei ihm bekommen.

Dies setzte sich in Anna Svärds Herzen als etwas unumstößlich Sicheres fest; es konnte kein Zweifel darüber herrschen. Sie hatte den Kindern nachlaufen und sie zurückholen wollen, hatte es aber dann doch nicht getan. Warum nur nicht, solange es noch Zeit war? Nun ließ ihr der Gedanke, die Kinder müßten frieren und hungern, keine Ruhe.

Jetzt war der Frühling im Anzug. Der Schnee war geschmolzen, und die Sonne schien warm und freundlich auf sie herab, während sie da auf der Hausstaffel saß. Die Kinder hätten jetzt bald in ihr eigenes Häuschen hinüberziehen können, und dann hätte es Karl Artur nicht mehr so schwer gehabt.

Sie versuchte, sich mit dem Gedanken aufzumuntern, daß sie von jetzt an nur noch für Karl Artur kochen müsse und nun auch nicht mehr die halben Nächte hindurch zerrissene Strümpfe zu flicken brauche.

Wenn sie doch nur wüßte, ob den Kindern da, wohin sie kamen, auch jemand die Strümpfe stopfte? Wenn sie wüßte, ob sie zu ihrem Abendgebet angehalten würden? Das kleinste Mädchen fürchtete sich so sehr im Dunkeln. Wenn sie nur wüßte, ob sich jemand um die Kleine, die erst sechs Jahre alt war und nicht einschlafen konnte, wenn nicht jemand neben ihr saß und ihr Händchen hielt, in Zukunft freundlich annähme?


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