Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
In der Nähe der Azoren. Die Wiederkehr des Schnupfens. Der Gründer der Tanzkapelle. Der erste Ball. Reisegefährten auf offener See. Hinter Schornsteinen und Kesseln. Landsend. Jack und Bill. Der Leuchtthurm von Eddistone. Die Insel Wight. Im Hafen von Southampton. Die Folgen der Sabbathfeier.
Die kühlere Temperatur wirkt anregend auf die Tanzlust unserer Damen, nur stellt sich ihren Plänen ein unerwartetes Hinderniß entgegen: es fehlt an Tanzmusik; unser Steamer ist nicht mit Spielleuten versehen. Die Großsprecherei der deutschen Herren an Bord nimmt mit jedem Tage zu, der uns den Küsten Europa's näher führt. Mit den Engländern um die Wette schimpfen sie auf ihr Vaterland und brüsten sich mit ihrem englischen Bürgerthum, ihren englischen Pässen! Ein am 6. Juni Abends plötzlich eintretender Wetterumschlag legt ihren Schandmäulern Stillschweigen auf. Sämmtliche Prahlhänse verkriechen sich in die Kojen und sühnen durch die kläglichsten Jammerlaute ihre gegen die Heimath ausgesprochenen Beleidigungen. Am Morgen des 7. Juni hatten sich die Regenschauer gelegt und die Wolkengeschwader verzogen, aber die See verblieb 315 in ihrer heftigen Bewegung. Nach der Vermuthung des Capitäns und seiner Offiziere muß der Sturm der letzten Nacht grade in dieser Gegend arg getobt haben. Wir befinden uns unter dem 39. Grade, in der Nähe der Azoren. Die Schnelligkeit der »Seine« hat sich etwas vermindert. Legte sie in den letzten Tagen binnen vierundzwanzig Stunden zweihundertfünfzig Meilen zurück, so meldet der heutige Schiffsrapport deren nur zweihundertvierundzwanzig. Die Quecksilbersäule im Thermometer sinkt, und der Herold Europa's, der Schnupfen, erscheint an Bord. Am 8. Juni war ich so glücklich, einen der Civilisation angemessenen Thermometerstand von achtzehn Graden notiren zu können. Alle Goldonkel und Goldtanten aus Westindien klappern vor Frost mit ihren meistens falschen Zähnen, ich bin vor Entzücken außer mir. Die Temperatur ist die des Paradieses. Die Quälgeister der tropischen Zone sind spurlos verschwunden, von Ameisen, Mosquito's und Cockroaches ist keine Spur mehr vorhanden. In der Freude meines Herzens, endlich einmal mit den Füßen in die Stiefel fahren zu können, ohne eine ganze Horde dieser stinkenden Ungethüme zu zertreten, fordre ich meinen Freund Meyer auf, mit mir zum Dessert eine Flasche Champagner der besten Sorte auf das Wohl unseres kleinen Welttheils, seines Klimas und Menschenschlages zu leeren; aus nicht näher zu erklärenden Gründen, vielleicht in Folge der wiedergewonnenen Spannkraft der Nerven, bemächtigt sich der ganzen Genossenschaft von Passagieren eine sichtliche Aufregung. Noch zur rechten Zeit ist es einem jungen Hispanier, der ein Auge auf die tanzlustigste aller unserer Schönen, eine junge Havannah-Wittwe, geworfen hat und sich dadurch bei ihr zu 316 insinuiren hofft, gelungen, eine Kapelle zu Stande zu bringen. Freund Meyer will die geheimen Vorübungen derselben in den Räumen der zweiten Klasse belauscht haben. Die Orchester des Pariser Conservatoriums und der Berliner Symphoniesoiréen brauchen vor der Concurrenz unserer Seine-Virtuosen nicht zu zittern. Die neugebildete Tanz-Kapelle besteht aus einem Quartett, das freilich nach den von ihm gehandhabten Instrumenten nicht qualificirt ist, sich an Compositionen von Haydn, Mozart oder Beethoven zu wagen. Der verliebte Hidalgo spielt die Principalstimme auf einem Accordion, ein Knabe, der in allen Stunden, welche ihm neben seinen Kunstübungen freibleiben, Dienste in der Küche leistet, bläst die Pickelflöte (flauto ottavino), zwei junge Matrosen, denen ein natürliches Tactgefühl innewohnt, sind mit der Handhabung des Triangels und der Castagnetten betraut und haben es rasch zu vieler Fertigkeit auf ihren Schlag- und Klapperinstrumenten gebracht. Nur in der künstlerischen Beherrschung der Stärkegrade lassen ihre Leistungen noch Manches zu wünschen übrig, und nicht immer gelingt es den Spielern des Accordions und der Pickelflöte, mit der von ihnen vorgetragenen Melodie hörbar durchzudringen. Der erste Ball fand am 8. Juni, zwischen sieben und elf Uhr Abends Statt. Das von unserer jungen Kapelle hervorgebrachte Geräusch war abscheulich, – die Thatsache darf nicht verschwiegen bleiben – aber die Ohren und das Vergnügen der Passagiere litten nicht weiter darunter. Die Musik übte eine so magisch berückende Macht aus, daß ein spanisches, noch leidlich junges Ehepaar, welches in Begleitung eines reizenden fünfjährigen Töchterchens nur nach Europa reiste, um den Scheidungsproceß einzuleiten, 317 allen Groll bei Seite warf und wie wahnsinnig umherwalzte. Der Cavaliere servente der Dame, ein in Seidenband machender Engländer, benutzte dieses Intermezzo in seinem Cultus der Schönheit und sprach dem Grog so eifrig zu, daß er schon um zehn Uhr, in der Position des von Don Juan niedergestochenen Comthurs, von drei Stewards sinnlos betrunken in seine Koje getragen werden mußte.
Am 9. Juni erhielten wir Reisegesellschaft. Ich war den Tag über auf dem Verdeck geblieben und hatte den jetzt nicht mehr tiefblauen, sondern hellgrünen Meeresspiegel mit bewaffnetem Auge gemustert; die Ausbeute meiner Forschungen waren zwei Segelschiffe, die gleich uns nach Europa steuerten und von unserem Steamer allmälig überholt wurden. Beide Schiffe blieben in einer Entfernung von zwei bis drei Meilen östlich und westlich in Sicht; erst die hereinbrechende Dämmerung entzog uns den Anblick der eiligen Reisegefährten. Am Morgen, nach einer sehr unruhigen Nacht, waren wir ihnen mit Hilfe unserer Dampfkraft so weit zuvorgekommen, daß sie uns nicht mehr einzuholen vermochten. Das Wetter blieb auch am 10. Juni unfreundlich, allein die Hoffnung, uns dem Ziel der Reise zu nähern, wirkte als Präservativ gegen die Seekrankheit. Unsere putzsüchtigen Schönen gebehrden sich bereits, als säßen sie in einer Kutsche und erwarteten in der nächsten Viertelstunde, vor einem Balllokal oder aristokratischen Salon zu halten und vom Ceremonienmeister an der blumenbekränzten Pforte empfangen zu werden. Sie erschienen beim zweiten Frühstück wie auf Verabredung sämmtlich in großer Toilette, der spanische Gesandte dagegen, mein vis-à-vis bei Tische, beginnt sein Aeußeres zu vernachlässigen. Die 318 diplomatische Abrechnung, die ihn zu Hause erwartet, scheint nicht die angenehmste zu sein. Mich erfreut die Angabe, daß wir uns unter dem 47. Grade nördlicher Breite befinden, mehr, als die Meldung eines erheblichen Gewinns in der Klassenlotterie.
Die Luft kühlt sich, je weiter wir nordöstlich kommen, rasch ab; und am 11. Juni war es so kalt, daß wir in der tropischen Hitze verweichlichten Passagiere die wärmsten Plätze des Steamers aufsuchten, und in der Nähe der beiden dicken Schornsteine, oder im Zwischendeck neben den Kesseln uns niederließen. Unser Empfang in den nördlichen Regionen ist nicht der freundlichste. Der nordwestliche Horizont ist durch einen nachtdunklen Wolkenvorhang verhüllt; der weiße Schaum der hohen Wogen bildet mit der tiefen Schwärze derselben einen frappanten Contrast. Die vierhundert Fuß lange, colossal schwere, eiserne »Seine« hüpft auf den wilden Gewässern wie ein Korkpfropfen umher. Mittags zwischen zwölf und ein Uhr begegneten wir zwei Barkschiffen, die der Capitän für deutsche oder amerikanische hielt. Die Fahrzeuge antworteten nicht auf Flaggensignale der »Seine«, und die Seeoffiziere waren schnell fertig mit Ausdrücken, wie »deutsche Grobheit! – amerikanischer Stolz!« – Nach meiner Meinung hatten die kleinen Fahrzeuge zu viel mit ihrer eigenen Sicherheit zu thun, um sich auf unnütze Höflichkeitsbezeugungen einzulassen. Der Seegang war so gewaltig, daß wir in einer Entfernung von kaum tausend Schritten, sobald die nächste Bark in ein Wellenthal versank, nur die Mastspitze mit ihrem Wimpel erblickten. Mein alter französischer Kojenbursche hat die Rettungsjacke oder den Schwimmgürtel heute gar nicht mehr abgelegt. Ich 319 mache gute Miene zum bösen Spiel und benutze die bedrohliche Situation zu künstlerischen Studien. Die Annäherung des Landes erhellt aus einer Menge kleiner Schiffe, die wie Seemöven vor dem zunehmenden Sturme flüchten. Gegen Sonnenuntergang fiel ein starker Regen, und der heftige Wind legte sich. Schon um halb sieben Uhr hatten wir, so oft sich der Wolkenschleier hob, Landsend, die äußerste Südwestspitze von England, erblickt. Als die sinkende Sonne einen Augenblick die Wolken durchbrach und ein grelles Streiflicht auf die Küste warf, stimmten die Passagiere ein ohrenzerreißendes Jubelgeschrei an. Ich stand in den Anblick versunken auf dem Vorderdeck und vernahm noch die Unterhaltung zweier Matrosen, die nach einem mehrjährigen Aufenthalte zwischen den Wendekreisen den vaterländischen Himmel auf ihre Weise begrüßten. »Gott sei Dank,« sagte Jack und schlug seinem Collegen Bill kräftig auf die Schulter, »endlich einmal schönes Wetter!« »Der Teufel soll den blauen Himmel holen!« fügte Bill ehrbar hinzu und warf das ausgekaute Priemchen weitausholend über Bord. Gegen elf Uhr langte der Lootse an, doch war er außer Stande, über den Verlauf des dänischen Krieges, über welchen namentlich wir Deutschen ihn mit Fragen bestürmten, Auskunft zu ertheilen. Der arme Mensch hatte in den letzten drei Wochen keinen Fuß auf das feste Land gesetzt. Unter seiner sicheren Führung passirten wir rasch die verschiedenen Leuchtthürme, darunter das fabelhafte Bauwerk von Eddistone.
Am 12. Juni wurden wir zeitig vom Lager aufgescheucht, der tägliche Scheuerproceß des Verdecks begann ungewöhnlich frühe, und trotz des gräulichsten englischen Spleenwetters 320 unter den heitersten Gesprächen und Gesängen der Mannschaft. Vor der Kajüte des Capitäns sollte ich noch in der zwölften Stunde meiner Erdumsegelung Augenzeuge einer höchst komischen Scene sein. Der Wichsier des Befehlshabers und der Offiziere bediente sich nämlich eines Matrosen als – Kleiderstock. Der Mann zog den jedesmal zu reinigenden Rock an, und dieser wurde alsdann nach allen Regeln der Kunst auf seinem Leibe tüchtig ausgeklopft und abgebürstet, ohne daß der lebendige Ständer eine Miene verzog. Eine kurze Unterhaltung, die ich mit diesem verdienten Subalternen angeknüpft, wurde durch einen kleinen Aufzug beendet, der aus den minorennen Angehörigen der Schiffsmannschaft, den Schiffsjungen, bestand und sich mit der Feierlichkeit einer nach Vorlaß strebenden Loyalitätsdeputation näherte. Der Kleiderstock ertheilte mir die nöthige Auskunft. Die »Seine« ist ein reinliches Schiff, und die Knaben müssen an jedem Morgen dem Capitän selber über ihre correct vollzogene Fußwaschung Rechenschaft ablegen.
Um neun Uhr Morgens erheiterte sich der Himmel, die Wolken zerstoben vor dem Hauche der frischen Brise, und wieder erschien das reine Blau seiner hohen Stirn, zu der sich im Licht des Tages, wie im Dunkel der Nacht, die sehnsüchtigen Blicke aller Sterblichen richten, die der Hoffnung einer jenseitigen Ergänzung und Consonanz dieses Daseins voller schneidenden Dissonanzen nicht zu entsagen vermögen. Aber dieses Blau war nicht mehr der tiefe Farbenton der südlichen Zone, es leuchtete nur in einer schwindsüchtigen Verklärung, als ob auch der Dunstkreis seine Disposition für das in Großbritannien so hartnäckige Uebel nicht verleugnen könnte. Wir dampften an der Insel 321 Wight vorüber, um elf Uhr an Cowes Osbornhouse, und trafen um zwölf Uhr im Hafen von Southampton ein. Das hohe politische Interesse des römischen Brutus lag mir fern, und doch war ich nahe daran, gleich ihm einen tendenziösen Fall zu thun und den mütterlichen Boden der europäischen Erde zu umarmen. Beinahe zwei Jahre hindurch hatte ich Afrika, Asien und Amerika durchschweift. Der Anker der »Seine« war aber noch nicht gefallen, als der nach Alexandria bestimmte Dampfer »Delhi« an uns vorbeifuhr und salutirte. Meine alte Reiselust war erloschen, ich sah ihn ohne die geringste Anwandlung von neidischen Gefühlen in See stechen. Am Hafenquai standen in dichten Haufen rothborstige Englishmen in ihren Sonntagsröcken und starrten uns neugierig an; eine solche, nicht wider die kirchlichen Satzungen verstoßende, obenein unentgeltliche Sabbathunterhaltung durfte nicht unbenutzt bleiben. Die Herren mit ihren starren Gesichtszügen, den hohen steifen Vatermördern, den glänzend gestriegelten Angströhren auf dem Kopfe und den reglementsmäßig egal unter dem Arme getragenen Regenschirmen glichen einem großartigen Wachsfigurencabinet, das noch einmal vor der Verpackung und Einschiffung zu Nutz und Frommen der Einheimischen öffentlich ausgestellt wurde.
Der Wirrwarr auf unserem Dampfer dauerte länger als eine halbe Stunde, ehe alle Gepäckstücke ihren rechtmäßigen Eigenthümern ausgehändigt und mit ihnen an Land geschafft worden waren. Die weibliche Partei des erwähnten, in der Scheidung begriffenen spanischen Ehepaares sah sich sogar genöthigt, ihren trunkfälligen englischen Liebhaber, zugleich mit ihren Koffern, der Sorgfalt der 322 Gepäckträger anzuvertrauen. Zur Feier der Ankunft in Europa hatte der Unglückliche wieder das ihm bekömmliche Maaß spirituoser Flüssigkeiten überschritten. Er stand in seiner holden menschlichen Schwäche indessen nicht vereinzelt da; nach ihren Schwankungen zu urtheilen, waren viele Mitglieder des auf dem Quai stehenden Wachsfiguren-Cabinets seinem Beispiele gefolgt. Sehr bald hatte ich in einem comfortabel eingerichteten Hotel ein Unterkommen gefunden und wurde von dem dienstfertigen Domestiken sogleich an den Frühstückstisch gesetzt; ich erhob dagegen meinerseits keine Einwendungen. Wir Alle hatten an Bord der »Seine« in sehnsüchtiger Erwartung unserer Ankunft keinen Bissen mehr genossen; möglicherweise war uns auch Nichts mehr angeboten worden. Das Dejeuner war vortrefflich, nur das Gebäck erinnerte mich an manches »Tschau Tschau« aus meinen chinesischen Excursionen. Das Milchbrot war nämlich alt und hart, denn kein Bäcker hatte es gewagt, in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag frisches Brot zu backen. Auf dem Wege nach dem Zollhause wurde ich indessen gewahr, daß nicht alle Gewerbtreibende in Southampton mit den Bäckermeistern gemeinsame Sache machten und ihre Gewissenhaftigkeit theilten. Die Tabaksläden und Conditoreien standen offen, und wenn auch die Schnapsläden an Sonntagen erst um fünf Uhr Nachmittags geöffnet werden dürfen, so erhellte doch aus dem taumelnden Gange vieler Spaziergänger, daß sie, um ihren Sabbathbedarf zu beziehen, auf nicht offizielle Weise Zutritt gefunden hatten. Da alle öffentlichen Vergnügungen am Sonntage in England ausfallen, auch Concerte in Gärten nicht Statt finden, so ist es erklärlich, wenn die ungebildete Menge 323 als Erholung von den Berufsarbeiten der Woche zu berauschenden Getränken ihre Zuflucht nimmt.
Die Post war, wie die Bäckerläden geschlossen, und ich mußte auf die Auslieferung meiner poste restante Briefe aus Deutschland bis Montag warten, eine hastig angefertigte Depesche an die Meinigen wurde jedoch im Telegraphenamte zur sofortigen Beförderung angenommen. Die Zöllner und Sadducäer auf dem Mauthamte hielten sich gleichfalls nicht streng an das drakonische Gesetz der Sonntagfeier gebunden; von zwei bis halb vier Uhr mußte ich in dem Local zubringen, ehe meine Habseligkeiten und Sammlungen aufgefunden, untersucht und mir ausgehändigt waren. Für Dockgebühren und Trägerlohn hatte ich acht und einen halben Shilling zu erlegen. Den Rest des Nachmittags benutzte ich zur Einwechselung der landesüblichen Münzen, dann nahm ich meine Maler-Utensilien unter den Arm und wanderte nach dem Hafen, um aus Dankbarkeit und zur bleibenden Erinnerung an den Dampfer »Seine« eine Aquarelle desselben und der maritimen Umgebung zu malen. Meine Reise sollte auch in England schließen, wie ich sie auf ägyptischem Boden in Alexandria begonnen hatte, d. h. mit Steinwürfen.
Eingedenk des alten Satzes eines Wasserfeindes: daß die Schiffe und das Meer weit besser vom Festlande aussehen, als wenn man sich auf ihnen befindet, hatte ich es mir in dem festen Glauben, mich in einem civilisirten Lande zu befinden, bequem gemacht und setzte eben die Bleifeder an, als plötzlich Scheiben eines Blumentopfes und mehrere kleine Steine mir um die Ohren flogen. Einige Minuten später war ich von Krethi und Plethi umringt. Jung und Alt 324 drängte ungestüm heran und schrie: »Sabbathschänder« (Sabbathbreaker). Ein ungezogener Junge machte Anstalt, während Andere schrieen: »Zeichnen sei eine Arbeit, und am Sonntage verboten!« meinen Malerstuhl umzustoßen; jede mündliche Auseinandersetzung wäre vergeblich gewesen, da der durchdringende Branntewein-Geruch den physischen und psychischen Zustand der Horde verrieth. Das Rathsamste war, bei Zeiten an einen geordneten Rückzug zu denken. Zum Glück hielt ein Cab in der Nähe, ich sprang hinein, und der Kutscher entführte mich pfeilgeschwind zur Stadt hinaus; vor einem Aleshop hielt mein Retter. Ich verstand ihn; er hoffte, für das an mir verübte gute Werk belohnt zu werden. Es war erst drei Viertel auf fünf, und vor fünf darf am Sonntag Niemand in einer Kneipe sitzen, ich ging also durch den »Gentleman bar« bezeichneten Eingang – der andere trägt die Ueberschrift »Bottle departement« – drängte mich durch einen Haufen umherstehender angetrunkener Bursche, ließ für mich und den Cabführer zwei Gläser Ale hinausbringen, und beschloß den ersten Tag meiner Anwesenheit auf europäischem Boden mit einer einstündigen Spazierfahrt. 325