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Als das Eis auf den dänischen Inseln geschmolzen war und sie wie nasse Kieshügel in der Ostsee lagen, mit Blöcken und Granitsteinen bestreut, kam zuerst die Sonne und spendete Wärme, kam der Wind mit Spuren weiter Wanderung auf seinem Mantel, und das neugeschaffene Land kleidete sich in Flechten und Moos. Mücken fanden den Weg zu den kalten Seen und vermehrten sich dort, und ihnen folgte ein Ein und Aus von Zugvögeln, die Samen hinterließen, woraus Gras, Weiden, Zwergbirken, Blaubeeren und Heidekraut sproßten. Das erste Dänemark war eine Tundra, arktische Heide.
Als das Land nach und nach austrocknete und wärmer wurde, zogen große Laubbäume ein, vorläufig noch hochnordische, die Espe stand während hunderttausend Jahren und spielte geblendet im Sonnenschein mit ihren Blättern, die Birke wuchs heran, der Wacholderbusch blieb zwergenhaft, wurde aber alt in der Landschaft. Dann wanderte die Föhre ein und verdrängte die graziöse Espe.
Nach und nach wurde die Erde entsprechend trocken und doch nicht zu trocken für die Eiche, sie war breit und nahm bald der Föhre den Platz weg, sie hatte Zeit und ließ sich wie für alle Zeiten mit ihrem hübschen Gefolge von Nußbaum und Dornbusch, Kaprifolien, Ebereschen und wilden Äpfeln nieder. Während vieler, vieler Jahrtausende, die gar nicht zu schwinden schienen, bildete sie den dänischen Wald.
Da begann ein neuer Baum vom Süden einzuwandern; er ging langsam und sicher auf seinen Wurzeln, jeder Schritt nicht weiter als ein Samenkorn vom Zweig fällt, er gebrauchte Hunderte von Jahren zu einer Meile, drang aber beständig vorwärts; das war die Buche. Und der neue Baum eröffnete einen stillen, seltsamen Kampf mit der Eiche. Nicht, daß sie sich schlugen, es wäre der schlanken Buche übel bekommen wenn sie sich in die knorriges Riesenarme der Eiche verwickelt hätte, nein, die Buche lächelte. Die Buche lächelte, grünte zeitig und streckte sich, spannte einen hohen, luftigen Ast über den Kopf der alten untersetzten Eiche, und wo der Schatten des spitzenzarten Laubes hinfiel, welkte die Eiche, ging durch Mangel an Licht aus und bekam einen dürren Skelettarm; mehrere junge Buchen rückten ihr lächelnd auf den Leib und grünten zeitig, bis die ganze Eichenkrone hingewelkt und nur noch der alte hohle Mammutstamm übrig war. Und die Buche lächelte. War sie nicht ein herrlicher Baum?
Und jetzt bildet die Buche den ganzen Wald. Die brausenden, lieblich grünen Kronen stehen wie ein einziges Laubdach beisammen, von den schlanken, hellgrauen Säulen der Stämme getragen.
Aber wie die Buche Licht liebt, in dem Maße verbreitet sie auch Dunkelheit. Weder Haselsträucher, Dombüsche noch der wilde Apfelbaum können unter der lächelnden Buche gedeihen, nur Sauerklee und Anemonen breiten einen blühenden Frühlingsteppich über das welke Laub, zeitiger als die Buche selbst ausspringt.
Unterholz und Buschwerk sind verschwunden. Etwas Ungesundes geht in der Erde vor, seit die Buche Alleinherrscher geworden ist, der Waldboden wird vom Wind ausgetrocknet und geht aus Mangel an Licht in Gärung über, statt der fetten, schwarzen Erde bilden sich harte, unfruchtbare Krusten auf der Erdoberfläche, die schließlich sogar die Luft von den Wurzeln der mächtigen Buche ausschließen.
Die Buche hat sich selbst aus dem Dasein herausgeschattet. Die großen Bäume verfallen, der Wald siecht dahin, schließlich sinkt er zu einem kriechenden Buchengestrüpp zusammen, das die Erde bedeckt, ohne sich erheben und wieder zu Bäumen werden zu können.
Wenn die letzten Wurzelschößlinge verfault sind, hinterlassen sie einen sumpfigen, unfruchtbaren Erdboden, wo nur Blaubeeren und Moos gedeihen. Dann kommt das Heidekraut wieder. Und so kehrt der Wald in sich selbst zurück und wird wieder Heide wie in der Urzeit.
Und dann kann die Natur von vorn anfangen.
Ende