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Der Sonne entgegen

Es sind gut tausend Jahre her, seit junge, abenteuerlustige Nordländer einen Vorstoß auf das Land der Unsterblichkeit unternahmen, das sie auch richtig erreichten, wenn auch in einem andern Sinne als sie selbst meinten.

Was sie eigentlich im Schilde führten, hat man vergessen, die Geschichte erzählt nur im allgemeinen von dem Übermut und der Abenteuerlust der Lodbrogsöhne; was sie aber trieb, war dieselbe Hoffnung, die sich später auf andere Geschlechter vererbt hat, unter anderen Formen, aber mit annähernd demselben Inhalt, die nordische Sehnsucht. Die Träume der Lodbrogsöhne sind verweht, aber die Taten, zu denen ihre Reise ins Blaue Veranlassung gab, stehen fest und gehören der Geschichte an.

Sie fuhren also mit ihren zweiundsechzig Schiffen südlich durch den Kanal, wandten Englands steiler Küste den Rücken und wurden auf der anderen Seite von ebenso hohen grandiosen Felsen begrüßt, Frankreichs Toren, ein Anblick, der ganz von ihnen abprallte; gewiß, hier gab es Reiche zu erobern, aber darauf konnte man später zurückkommen, jetzt hatte man wichtigere Dinge vor, hier galt es nicht Fetzen von den Ausläufern der Welt, sondern den Mittelpunkt selbst, die Mutter aller Reiche, das große Midgard im Osten, wo die Goldberge in ewig unvergänglichem Sonnenschein ragten.

Die blendenden Zukunftsaussichten aber hinderten sie nicht, unterwegs scharfen Ausguck zu halten. Die Küste von Frankreich, die sie zur linken Hand behielten, während sie nach Süden fuhren, prägte sich ihrem Gedächtnis für Lebenszeit ein, jedes Vorgebirge, jede Landkennung, nach der sie ihren Kurs richteten, jede Flußmündung, jedes Profil und jede Strandlinie, Meile um Meile, war für sie eine schöne Reiselektüre, eine gewaltige Runenschrift, die sie von weitem teils zu deuten, teils zu erraten versuchten: Nichts tat dem Auge so wohl wie neuauftauchende, fremde Küsten.

Sie haben die braunen Vorgebirge an der Nordküste von Spanien gesehen, die langen, feurigen Wogen, die in der Ecke des Biskayischen Meerbusens über den Strand laufen, ihre Schiffe haben die Relinge hineingetaucht, und die Drachen haben die geschnitzten Häupter bald auf die eine, bald auf die andere Seite gelegt und zu diesen neuen Ufern hinübergeschielt; sie haben gesehen, wie das Land sich von der Küste mit einer steinigen Brust erhebt, steiler und steiler, bis es in die mausgrauen und weißen Felsen der Pyrenäen, Spaniens Tore, überging.

Irgendwo auf den steilen Heidestrecken haben ihre scharfen Seemannsaugen eine Ziegenschar und einen Hirten mit seinem langen Stab erspäht, der unbeweglich dastand, solange sie ihn sehen konnten, weil er seinerseits die wildfremden, dunklen Fahrzeuge mit den aufgerissenen Tiersteven betrachtete, die an seiner Welt vorbeizogen.

Hier und dort, mit meilenweiten Zwischenräumen, haben sie einen niedrigen, runden Turm auf einer Landzunge gesehen, grau und bemoost wie die steinige Umgebung, einen von den Wächtern des Landes.

Niemand kann heute mehr aufzählen, was wißbegierige, landfrohe Nordländer vor tausend Jahren auf einer Reise um die Küste von Europa gesehen haben, so viel aber ist sicher, daß nichts ihrer Aufmerksamkeit entging, von Skagen und Lindesnäs, bis Flamborough Head, Finisterre, San Vincente, der Straße von Gibraltar und weiter ins Mittelmeer hinein, soweit Meervögel fliegen und der Walfisch schwimmt; sie haben Europa umsegelt wie ein Hengst, der um seine Stuten herumläuft, und was sie nur einmal von weitem gesehen hatten, das betrachteten sie später mit der Überlegenheit des Entdeckers als ihr Eigentum.

 

Was neu für sie war, war im übrigen den Nordländern im allgemeinen altbekannt; schon manchesmal in entschwundenen Jahrhunderten waren Nordländer hier gewesen. Sowohl an Frankreichs wie an Spaniens Küste und später überall, wo sie im Mittelmeer hinkamen, hatten sie Gelegenheit, bald eine runde Anhöhe, bald einen Dolmen in der Landschaft zu erspähen, ganz wie sie sie vom heimatlichen Strand gewohnt waren; dort ruhten einige ihrer Vorfahren, die diese Gegend schon früher bereist und ein steingefügtes Begräbnis hinterlassen hatten, das vertraut zu den Wikingen hinauswinkte, wenn die Bevölkerung ihnen auch sonst fremd und feindlich war.

Sie kamen an der Küste von Andalusien vorbei, das nach einem nördlichen Auswanderervolk, den Vandalen, benannt war, die hier vor Jahrhunderten Land erobert hatten und wieder verschwunden waren; hier verloren sie übrigens einige Schiffe in einem Kampf, den sie in der Mündung des Guadalquivir lieferten. Die Eingeborenen gewannen in diesen flachen Gegenden Salz aus dem Meerwasser und häuften es zu Hügeln, die die Wikinge von weitem für pure Diamanten hielten, beim Näherkommen aber hatten sie etwas anderes zu schmecken bekommen.

Sie waren nicht immer vom Glück begünstigt. Als sie Galizien passierten, bevor sie zum Guadalquivir kamen, wollten sie an Land gehen und Blumen pflücken; es sah so hübsch grün drinnen im Land aus, und die Männer bekamen solche Sehnsucht nach Kräutern, Zwiebeln und anderem Gemüse; frisches Fleisch hatte man wirklich auch nötig, die Schafe hatten gerade geworfen, man konnte die kleinen Lämmer so allerliebst auf den Wiesen umherspringen sehen, ja, und es wäre auch nicht vom Übel, wenn man ein kleines Mädchen träfe, das sich auf einem Spaziergang befand; die Mädchen waren etwas dunkelhäutig in dieser Gegend, färbten aber nicht ab – darum wurde beschlossen, an Land zu gehen.

Der Zugang wurde ihnen indessen hartnäckig verweigert, die Einwohner hatten hier lange, unheimlich aussehende Galeeren, die hinter den Felsenzungen hervorstrichen und mit einer Unmasse Riemen wie riesige Krabben auf sie loskamen. Sie hatten Wurfmaschinen an Bord, mit denen sie auf weite Entfernungen warme Steine schleuderten, die einen unangenehmen Geruch von Asche und heißem Salzwasser verbreiteten, wenn sie dicht neben einem niederfielen.

Hier verlor die Flotte zwei ganze Schiffe, die ziemlich wertvolle Ladung gehabt hatten, Kostbarkeiten, Vieh und Gefangene, die verschiedenerwärts an Frankreichs Küste erbeutet worden waren. Schlimmer aber war, daß auch die ganze Besatzung mit draufging, mehrere Dutzend Krieger, die sich nicht gedacht hatten, daß ihre Reise zum Himmelreich mit einem ruhmlosen Tod in Spanien oder Sklaverei für den Rest ihres Lebens endigen sollte.

Sie bekamen indessen Ersatz für den Schaden etwas weiter südlich in Algeciras, wo ein herrlicher großer Tempel, eine maurische Moschee, dicht am Wasser lag, wie ein Geschenk für sie; hier nahmen sie alles und steckten den Tempel in Brand, bevor sie weiterzogen.

Die kommenden Wochen gaben ihnen überhaupt sehr viel zu tun, fast vergaßen sie ihr eigentliches Vorhaben oder schoben es jedenfalls für eine kurze Zeit auf, im Interesse naheliegender oder, wie sie fanden, unaufschiebbarer Geschäfte.

Während der Rauch des brennenden Algeciras noch weit und breit am Himmel zu sehen war, fuhren sie durch die Straße von Gibraltar, die sie Nörvasund nannten, und legten den Kopf in den Nacken, um die gewaltigen Pfosten am Tor zum Mittelmeer zu messen; sie gaben zu, daß sie außerordentlich hoch seien; daß sie aber als Himmelsstützen dienen sollten, schien ihnen doch sehr unwahrscheinlich, wenn sie ihren Augen trauen durften, und das taten sie übrigens jederzeit und überall.

Nachdem man im Mittelmeer angelangt war, konnte man anfangen, sich nach den glücklichen Inseln umzusehen. Sie meinten jetzt genügend in südlicher Richtung vorgedrungen zu sein, der große Bär war merklich im Norden hinter ihnen gesunken; von jetzt ab hielten sie östlichen Kurs. Es war im Mai, Wärme hatten sie genug bekommen, mehr wünschten sie sich nicht, wohin sie auch geraten mochten.

 

Schon im Meerbusen von Biskaya hatten sie gemerkt, daß die Luft wärmer wurde; seit sie aus dem nebligen Kanal heraus waren, hatten sie jeden Tag Sonne gehabt. Die Farben ihrer Kleider und Schiffe, die in dem langen Winter für sie verlöscht waren, stachen ihnen jetzt in die Augen, man sah alles fast zu gut; die häßlichen, grobhäutigen Männer vertrugen das Licht nicht recht, obgleich sie so viel davon gefabelt hatten.

Die Küsten wurden grüner und grüner, der Wind trug Blumenduft vom Lande zu ihnen hinüber, sie sahen frisch ausgesprungene Bäume, und plötzlich gab es ein endloses Singen und Summen an Bord. Selbst das Hornvieh, das man an Bord hatte und das ein trauriges Dasein in den engen Schiffen führte, fing an unruhig zu werden und nach den Wiesen zu brüllen, die es riechen konnte.

Die Männer fanden Narzissen im Wald, wenn sie an Land gingen, um Essen zu kochen, und steckten die zusammengerollten Blumen in die Nasenlöcher, um den Sommer zu genießen, während sie in den Kesseln rührten. Sie pflückten Gras für das Vieh an Bord, lauschten den lieblichen kleinen Vögeln und reckten sich vor Behagen in der Sonnenwärme.

Die Jungen durchschwärmten die Landschaft mit heißem Kopf und jagten Eingeborene, wenn sich Gelegenheit dazu bot, spähten im Walde nach Wild und schnitten große Freiazeichen in die frische Rinde der Bäume. Die Bienen, die sie mit hatten, waren aufgewacht und rumstierten wild in den Körben, aber noch war es nicht Zeit, sie herauszulassen.

Im Mittelmeer begegneten ihnen die Schwalben, die auf der Reise nach dem Norden waren, und für diese interessierte man sich sehr, weil man wußte, daß sie auf dem Weg zur Heimat waren und in nicht gar zu langer Zeit anfangen würden, ihr Nest unter den Dachbalken dieser und jener Hütte zu bauen, die man so gut kannte und die jetzt so weit fort war, und weil man außerdem annahm, daß sie geradeswegs von den Inseln der Seligen kamen, nach denen man auf der Suche war.

Die Schwalben kamen massenweise und setzten sich auf die Schiffe, so zahm, daß man sie in die Hand nehmen konnte. Vielleicht waren sie auch müde, jedenfalls konnte man spüren, daß sie aus dem guten Lande kamen. Wenn es nur nicht noch sehr weit war, denn es hatte den Anschein, als ob die Schwalben Hunderte von Meilen geflogen seien, oft waren sie so müde, daß sie tot auf die Schiffe herabfielen.

Seltsam vermengten sich Erinnerungen aus der Heimat und unersättliches Verlangen nach einer noch weiteren Welt in der Brust der Männer, wenn sie gedankenvoll so eine kleine Schwalbe, die sich müde geflogen hatte, in der Hand hielten.

Es wurde wärmer und wärmer, je mehr das Jahr vorwärtsschritt und je südlicher sie kamen. Erst mußten sie die Schafspelze ablegen, dann die wollenen Kleider, und schlimm genug war es, die Kettenpanzer und all das andere Eisen, das von der Sonne erhitzt wurde, auf dem bloßen Hemd zu behalten. Es war Hochsommer. Nur die Nächte blieben ihnen fremd, sie waren nicht hell wie zu Hause, und kühl, sondern enthielten eine dumpfe Glut, die ihrem Wesen fremd war.

Aber das machten sie sich anfangs nicht klar, die Wärme und die freigebige Sonne stieg ihnen wie ein Rausch zu Kopf. Und da die Sehnsucht nach dem Sommer eine so große Rolle in den Träumen der Wikinge spielte, wurde ihr Vorhaben, das Land der Seligen zu suchen, dadurch etwas in den Hintergrund gedrängt. Sicher ist jedenfalls, daß sie sich den ganzen Sommer im Mittelmeer von allerhand anderen verlockenden Dingen als just den Freuden des Himmelreiches aufhalten ließen.

 

Die wichtigsten Punkte ihres Unternehmens sollen hier ebenso kurz berührt werden, wie die Chronik sie überliefert hat. Von der Gibraltarstraße fuhren sie in südöstlicher Richtung und machten Überfälle auf die nordafrikanische Küste, das jetzige Marokko, wo sie ein wohlgelungenes Schlachten veranstalteten und sehr seltenen und kostbaren Hausrat eroberten.

Die Eingeborenen, die von den Nordländern Blaumänner genannt wurden, kämpften zu Pferde in weiten losen Gewändern mit Lanzen und krummen Schwertern; sie zeigten schon von weitem ihre Zähne, so daß einem angst und bange werden konnte; wenn man ihnen aber auf den Leib rückte, hatten sie nicht viel Widerstandskraft. Hier kriegten die Wikinge nach Herzenslust, machten nieder, was ihnen an Blaumännern in den Weg kam, und nahmen, was es an Wertgegenständen gab.

Die Eingeborenen hielten ihre Frauen zu Haufen in Käfigen eingesperrt, in die die Nordländer eindrangen und sich Quartier verschafften, anfangs zum größten Entsetzen der sonnengebräunten Jungfrauen, die furchtbar schrien in der Annahme, daß sie sterben sollten, aber wieder in die Kissen zurücksanken, als sie begriffen, daß die neuen Hausherren nur das Gewohnte von ihnen verlangten.

Hier in diesen ambraduftenden Taubenschlägen lernten die Nordländer einige Worte der maurischen Mundart girren, die allerbesten Worte der Sprache. Die dämmerschwarzen Frauen lehrten sie Datteln essen, und viele der jungen Krieger fanden solch großes Behagen an der ovalen Frucht, daß sie drauf und dran waren, sowohl Skandinavien, England, Frankreich als auch dem Himmelreich untreu zu werden und den Rest ihres Lebens hier in zärtlicher Sklaverei zu verbringen. Die Sehnsucht nach freier Luft und Kampf aber gewann doch bald wieder die Oberhand.

Eine Woche alles in allem hatte der Feldzug in Mauretanien gedauert, als die Wikinge die dortigen Freuden satt hatten und ebenso plötzlich ihres Wegs reisten, wie sie gekommen waren.

Sie sahen ein, daß die glücklichen Inseln nicht in dieser Richtung lagen. Wohl gab es Dinge, die darauf hindeuteten, wie zum Beispiel die Palmen, die sie hier zum erstenmal sahen und die in Verbindung mit immergrünen Büschen und Fruchtbäumen den Beschreibungen vom Himmelreich einigermaßen entsprachen. Der Weizen aber wuchs hier keineswegs wild, sondern mußte, wie anderwärts, gesät und gebaut werden.

Die Eingeborenen pflügten die Erde mit einem Ast, vor den ein Trampeltier gespannt war, ein höchst eigentümliches und närrisches Geschöpf, das die Nordländer hier zum erstenmal sahen und über das sie sich halb tot lachten. Man meinte zu schlafen und schlecht zu träumen, wenn so ein Trampeltier, das auch zum Lastentragen verwendet wurde, angeschaukelt kam; man wurde ganz schwindlig vom bloßen Anblick.

Das Trampeltier machte den Eindruck, als sei es aus Teilen verschiedener Tiere schlecht zusammengesetzt, es ähnelte sowohl einem Pferd wie einem Schaf, käute wieder, obgleich es keine Zähne im Oberkiefer besaß, hatte einen Schwanz wie ein Ochse, einen Spalt in der Nase, was an den Hasen erinnerte, Beine wie ein Elentier, aber mit ausgetretenen, schwammigen Füßen; der Hals gemahnte an einen furchtbar großen Vogel, die Hinterpartie sah aus, als ob sie nicht zum Körper gehöre; nur den Buckel hatte das ehrwürdige Tier für sich, den hatte es nicht von anderen entliehen. Ja, es gab manches Törichte und Wunderbare in der Welt.

Hier in Mauretanien sahen die Nordländer auch wilde Menschen mit Hundeköpfen, oder wenn man lieber will, Hunde mit Menschenhänden, und zwar an Vorder- und Hinterbeinen, obgleich sie auf allen Vieren gingen; diese Wesen stammten von lüsternen Frauen ab, die die Wohnstätten der Menschen verlassen hatten und von den wilden Tieren in der Wüste aufgenommen worden waren.

Denn landeinwärts, hinter den bebauten, fruchtbaren Strichen, lagen öde Sandgegenden, die von der Sonne versengt waren, ohne einen einzigen grünen Keim; wenn der Weg zum Land der Seligen durch diese anscheinend endlosen Strecken führte, was nicht unmöglich war, konnten sie die Reise jedenfalls nicht zu Schiff machen, weshalb die Nordländer vorzogen, das Land zu umsegeln.

Ein Beweis, daß die Richtung stimmte, lag unter anderem darin, daß es in der Wüste Drachen gab, die den Zutritt verhindern wollten. Einer der Krieger verrichtete eine Heldentat, indem er einen dieser Drachen tötete. Obgleich das Ungeheuer weder Feuer spie noch Flügel hatte und kaum einen Meter lang war, was natürlich seine tödlich gefährliche Beschaffenheit nur noch merkwürdiger machte, glich es trotzdem in jedem Zug einem Drachen. Am Schwanz hatte es Piken, die es im lebenden Zustand gewiß wie Pfeile abschießen konnte, es war über und über schuppig und garstig, ein äußerst giftiger Drache; der Held, der es erlegte, brachte später das Fell mit nach dem Norden, wo es noch lange als ein Wunder aufbewahrt wurde.

 

Von Afrika begaben die Lodbrogsöhne sich nach Spanien zurück, womit sie nicht recht fertig geworden waren, fuhren diesmal an der Ostküste entlang, wo sie die Mohren im Lande Padmir schlugen und Orihuela in Asche legten.

Darauf landeten sie auf den Balearischen Inseln, wo eine einfache, herzliche Bevölkerung wohnte, die die Wikinge wie nahe Anverwandte empfing; hier war es, wo die Einwohner die jungen Mädchen den Fremden am Strande entgegenschickten mit blühenden Mandelzweigen in den Händen, aber sonst ohne einen Faden am Leibe, um sie gnädig zu stimmen, was ihnen auch gelang. Die älteste der jungen Frauen näherte sich vertrauensvoll demjenigen der Seeräuber, den sie am größten und schönsten fand, es war Björn Eisenpanzer, und legte ihre kleine Hand in seine beiden großen, die sich gleich sorgsam um die ihre schlossen.

»Wie heißt du?« fragte er in seiner barbarischen Sprache, die sie ja nicht verstand.

»Formintera,« sagte sie.

Und es war Formintera.

 

Die Balearen wurden zwar gründlich leer gegessen, alles, was es an Speise und Getränken gab, ging bei fabelhaften Gelagen zum gemeinsamen Besten drauf, von Mord und Brand meldet aber die Chronik nichts. Es waren die seligsten Inseln, die die Wikinge bis jetzt gefunden hatten, und sie trennten sich nur ungern davon. Der Aufenthalt blieb wie ein Nebel von blühenden Fruchtbäumen und Mädchenarmen in ihrer Erinnerung haften. Aber sie mußten ja weiter.

Von hier begaben sie sich nach Norden in einem heißen Verlangen nach Abkühlung und tauchten an der inneren Seite von Südfrankreich auf, wo sie die Flüsse hinauffuhren, Klöster niederbrannten und Mönche totschlugen.

Die Gegend gefiel ihnen, und zwar so gut, daß sie mehrere Monate blieben und mehr und mehr Lust bekamen, sich hier ganz niederzulassen. Von einem Lager an der Rhonemündung als Ausgangspunkt gingen sie planmäßig vor, plünderten Nimes und Arles und brandschatzten Valence. Hier sammelten sie sich allen Ernstes Reichtümer, und die älteren Führer mit König Haastein an der Spitze wären am liebsten hiergeblieben, um das Land zu erobern.

Es war eine reiche Gegend, die man wegen eines unsicheren Anteils am Himmelreich kaum im Stich lassen konnte. Die Wikinge waren allerdings nicht zahlreich genug, um sich so ausgedehnte Provinzen untertan zu machen; sie behielten nicht immer die Oberhand, sondern erlitten schwere Verluste gegen die Franken, die zu kämpfen verstanden, aber was konnte sie hindern, nach Hause zu fahren und Verstärkung zu holen?

Die Jungen auf der Flotte aber wollten weiter; sie fanden, daß sie das Versprochene noch nicht bekommen hätten; sie ließen sich von den Grundbesitzen in Südfrankreich, mochten sie auch noch so herrlich sein, nicht blenden. Das Endresultat war, daß man in See stach und sein Ziel nach Osten weiter verfolgte.

Hier stießen sie auf das schöne Italien, das sich bis auf weiteres zwischen sie und ihre Träume legte.


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