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[XVI]

Spoerri hatte die Gräfin aus der Villa im Westen, in der sie eine halbe Stunde lang gewohnt hatte, ins Auto gerissen.

Mabuse hatte mit seinem neuen kleinen Wagen das große Fahrzeug zwischen Kaufbeuren und Günzburg eingeholt. Sie fuhren, ohne anzuhalten, weiter. Es war alles zwischen ihnen seit langem so festgelegt.

Als die Straße nach Wangen von der Lindauer Chaussee abbog, hielt mit einem Schlag der vorfahrende große Wagen. Das kleine Auto fuhr dicht an. Die Gräfin wurde herübergehoben. Mabuse raste weiter. Spoerri fuhr nach Österreich.

Mabuse hatte angeordnet, von hier aus die Flucht geteilt vorzunehmen. Spoerri sollte über den Rhein in die Schweiz. Ein jeder mußte Dr. Ebenhügel in Zürich seine Adresse geben, der sie dann beiden austauschen könnte. Mabuse und die Gräfin fuhren nach der Villa Elise. Dort wartete Georg, der durch Brieftaube unterrichtet war, mit dem Koffer, in dem die Dokumente und Edelsteine gesammelt waren, die Mabuse mit auf die Flucht nahm. Sie sollten dann zu dreien ohne Verzug über den See in die Luxburger Ach fahren und mit einem Auto, das dort wartete, auf der Romanshorner Straße weiter nach Zürich. Für Zürich war nur ein kurzer Aufenthalt vorgesehen, in dem Geschäfte erledigt wurden.

Es war zu erwarten, daß die bayerischen Behörden die Schweiz baten, nach den Flüchtigen zu fahnden. Mabuse wollte deshalb den Aufenthalt in der Schweiz so kurz wie möglich halten und gleich zur italienischen Grenze weiter eilen. Pässe hatte er für sich und die Gräfin auf einen portugiesischen Namen anfertigen lassen.

Ein italienischer Beamter war gekauft. Von ihm an fielen alle Schwierigkeiten zu Boden wie Blätter im Herbst.

Die Gräfin lag im Hintersitz des Wagens. Sie war verborgen von der auffallend hohen Karosserie. Vor sich sah sie unbewegt wie ein Urgestein Mabuse sich über das Steuer errichten. Das werfende Federn des rasenden Wagens und die ungewisse Nachtdüsternis ließen die Umrisse seiner breiten Gestalt ins Gespenstische verfließen. Nur diese Umrisse hatten Leben. Mabuse machte nicht die geringste Bewegung. Er war dort vor ihr herausgewachsen wie ein Felsblock aus einer Wiese.

Straßenalleen, Bauerngehöfte, Dörfchen flogen zurück. Der Bodensee kam in die Nacht. Einige Lichter, an fernen Ufern verteilt, Flächen, versinkend in der Finsternis, von der Ahnung der Menschen ertastet, ein Wechsel der Luft, die man einatmete und die das Gesicht badete … Zwei ferne Städtchen schwammen wie erleuchtete Schiffe auf dem Meer. Das war schon die Schweiz.

Lindau blieb abseits. Villenstraßen bogen sich über das sausende Fahrzeug.

Und dann kam die letzte Minute. Der Wagen prallte über das Geleis am Enzisweiler Bahnhof, tobte auf die Villa Elise zu. Mabuse sah von weitem durch die Nacht mit seinen scharfen und geschulten Augen, daß das Gartentor weit offen stand.

Die Tauben waren also richtig und rechtzeitig angekommen. Ihm war, als ob er aus dem Brausen der Schnelligkeit heraus, das hinter ihm zusammenschlug, in der Finsternis eine fremde Bewegung empfunden hätte. Es war kurz nach halb vier Uhr. Er paßte mit allen Sinnen rund um sich, ohne die Schnelligkeit zu bremsen.

Als er ins Tor einbiegen sollte, warf er, und er ließ dem Wagen seinen vollen Lauf dabei, die Bremsen alle mit äußerster Kraft einen Augenblick lang zu. Der Wagen schlug wie ein Fisch hinten auf, warf herum und schoß, wieder losgelassen, grade ins Tor hinein und in den Gartenweg. Eine bleierne Finsternis fiel über Mabuse.

Da fühlte er, daß etwas den Wagen angesprungen war. Eine Gestalt schwang von der Bremserseite über die Tür, preßte sich zwischen die Seitenlehne und Mabuse. Zwei Hände fuhren über seine Hände, entrissen ihm das Steuer. Ein heißer Mund, wild, schwarz, hinreißend wie die Nacht, flüsterte in ihn hinein:

»Herr Doktor! Ich. Georg. Geben Sie das Steuer. Wir sind umstellt. Gleich in den See …«

Mabuse ließ das Steuer, warf sich von den Bremsen. Der Wagen in der neuen Faust dröhnte wie Schnellfeuergeschütze an die nachtgrauen Wände der Villa, schnob um eine Ecke, setzte auf einen Rasen, tollte halb über den Rasen, halb durch den Kies eines Gartenweges auf die Mauer zu, die sich vor dem See errichtete, niedrig, den hohen Garten vom Wasser abhaltend. Der Wagen schwänzelte einmal wie ein wildes Pferd und tobte einen geneigten Holzsteg hinab, dessen Bretter unter ihm donnerten wie ein Gewitter.

Einen Augenblick später schlug er die Nase ins Wasser. Der See kreischte auf.

Georg machte einige blitzschnelle Griffe, von Mabuse unterstützt. Den Schrei der Gräfin warf die Nacht zurück. Dann fuhr das Fahrzeug, mit einigen wilden Schwankungen zuerst, aber bald ruhig, nur vorwärts drängend, im Wasser weiter.

»Es funktioniert wie Zauber!« rief Georg.

Denn dieser Wagen war eine Erfindung von ihm. Man konnte ohne Aufenthalt mit ihm von der Landstraße ins Wasser; ein paar Hebelgriffe verwandelten ihn in ein Motorboot.

»Die Tauben sind schuld!« sagte Georg, als er das Fahrzeug ganz in seiner Gewalt hatte. »Als sie in der Dunkelheit kamen, vor einer Stunde, da hörte ich auf einmal, als ginge eine flüsternde Stimme in einem Buschwerk. Ich paßte scharf auf. Ich glaubte zu bemerken, daß eine Bewegung um den ganzen Park herumschlich. Hier … dann zwanzig Schritte weiter  … dann wieder zwanzig Schritte weiter … im Kreis herum, ganz im Kreis herum, und da wußte ich, daß wir umstellt seien. Na, ich kam unbemerkt wenigstens bis ans Gartentor. Fünfzig Minuten habe ich gebraucht für die hundert Meter. Wenn wir den Bootwagen nicht hätten, säßen wir jetzt mit Handschellen drinnen in der Villa Elise  …«

Die Polizeibeamten, die sich mit aller erdenklichen Vorsicht um die Villa herum verteilt und bis zum Schließen des Ringes vier Stunden gebraucht hatten, da einer nach dem anderen gekommen war, hörten das Auto durch die Nacht heranbrausen. Sie lagen gespannt auf ihren Posten und warteten auf den Pfeifenruf, der sie über das Haus und die Verbrecher loswerfen sollte.

Es war ein kleines Intermezzo vor einer Stunde eingetreten. Ein Vogel war auf einmal durch einen Baum geflogen und im Dachwerk des Hauses verschwunden. Einer der Beamten, die dem Haus zunächst lagen, hatte ihn wahrgenommen. Er hatte gesehen, wie der Vogel am Dach herumflatterte und auf einmal irgendwie verschwand, ohne daß er das Dach wieder verlassen hätte. Seine Vermutung, es könnte eine Brieftaube gewesen sein, wurde bald durch die Erscheinung eines zweiten Vogels bestätigt, der auf dieselbe Weise im Dachwerk verschwand.

Der Beamte schlich sich zum Kommissar zurück und meldete, was er gesehen und vermutete. Der Kommissar erfaßte sofort die Bedeutung, die diese Boten haben konnten: daß Poldringer von München her und von den dort Geflohenen gewarnt wurde.

Er ließ deshalb mit großer Vorsicht einen Beamten von Posten zu Posten gleiten und die Tatsache mitteilen, daß der Hausinsasse nun wahrscheinlich gewarnt sei und daß man mit doppelter Vorsicht, aber auch vervielfältigter Schlagkraft in der gegebenen Minute los müsse.

Diese Bewegung, die der Bote des Kommissars um das Haus zog, war es, die Georgs feine Witterung empfunden hatte.

... Das Auto Mabuses sprang in den Park. Der Kommissar mit zitternden Fingern hob schon die Signalflöte an die Lippen. Er wollte im Augenblick, wo die Insassen den Wagen verlassen und die Tür der Villa hinter sich zuziehen wollten, das Zeichen geben.

Zwei Beamte lagen in den Sträuchern links des Hauseinganges und waren an der Tür, bevor im Innern der Schlüssel umgedreht werden konnte. Aber der Kommissar war nicht zum Flöten gekommen.

Das Auto umbrauste die Ecke und hielt nicht an der Tür. Es stürzte ums Haus herum, als wollte es Hals über Kopf sich in den See werfen. Der Kommissar, in der Aufregung und Enttäuschung alle Vorsicht aufgebend, sprang hervor, ihm nach und sah nun wirklich, daß das Auto in den See hinein verschwand. Es hob sich gleich einem unheimlichen Amphibium über das Mäuerchen, donnerte den Holzsteg hinab und sprang in die Nachtflut.

Da erst pfiff er. Die Beamten liefen von allen Seiten herbei und eine Weile durcheinander. »Ans Ufer!« brüllte der Kommissar.

Sie sahen kein Auto mehr. Sie hörten schon zweihundert Meter vom Ufer entfernt ein Motorboot in die Finsternis entlaufen. Sie suchten unter dem Steg, das Ufer hinab und hinauf, kopflos und erschüttert, aber vergeblich.

Da erst verstand der Kommissar, was vor sich gegangen sein mußte. Die unendlichen Mühen, Anstrengungen und Hoffnungen eines ganzen Monats waren zerschlagen. Der große Fang war ihm entglitten. Er war so zerdrückt von diesem wahnsinnigen Gedanken, daß er den Revolver, den er nackt in der Hand hielt, unbewußt an seine Schläfe führte, als habe er sein Leben durch das Mißglücken des Unternehmens verwirkt.

Er riß ihn eine Sekunde später wieder weg, und der Schuß fuhr, seine Haare versengend, vergeblich in die Nacht. Auf dem See blinkte ein Lichtzeichen auf. Weiter ein zweites. Der Schuß hatte die Aufpasserboote mobil gemacht.

Da erst erinnerte sich der Kommissar dieser Helfer, die er im Ansturm der Verzweiflung ganz vergessen hatte. »Die Morselampe!« schrie er. War es möglich, daß er die Boote vergessen hatte?

Die verabredeten Lichtzeichen wurden zu den beiden Booten gesandt: »Flüchtlinge in Motorboot auf den See entkommen!«

»Verstanden!« blinkte es zurück, und einige Augenblicke später schlugen die Scheinwerfer über das finstere Wasser.

Es ging nicht lange, so hatten sie das fliehende Boot entdeckt, aber auch gewarnt. Denn es war im Begriff gewesen, in sie hineinzurennen.

Mabuse und Georg bemerkten sofort die Gefahr. Die beiden Scheinwerfer kamen ihnen entgegen wie die geöffneten Kiefer eines Ungeheuers, das nahte, um sie zu verschlucken. Georg trieb das Steuer nach Backbord, das Boot fiel geneigt in voller Fahrt in die neue Richtung. Das Wasser strömte am Steuerruder auf wie ein Hügel und leuchtete brausend in der Nacht. »Es bleibt nur eins,« sagte leise Mabuse, »die Rheinmündung!«

Er überlegte kühl und rasch. Er stand wieder in einer Lage, die ihm bekannt war, weil er sie ungezählte Male in Gedanken durchlebt und besiegt hatte. Am deutschen Ufer, an das sie leicht hätten zurückfahren können, war wohl weitab alles gegen sie mobil. Am österreichischen lag nur Bregenz, das die Scheinwerfer leicht auf die Beine brachten. Die Rheinmündung hatte zwischen zwei Ländern ein breites, fast unbewohntes Gebiet. Sie konnten in zwanzig Minuten drüben an Land sein und zwischen Österreich und der Schweiz wählen. Glückte es, das Fahrzeug so gut aufs Land zu bringen, wie es ins Wasser gekommen war, so hatten sie einen Vorsprung, der ihre Rettung sicher machte.

Aber eins der verfolgenden Boote lag weit im See. Es schien die Absicht der Fliehenden zu erraten. Es folgte ihnen nicht direkt. Es glitt über Steuerbord, Fahrt mit ihnen haltend, dem Schweizer Ufer zu, als wollte es im günstigen Augenblick ihnen den Weg verlegen.

Vielleicht wollte es aber auch nur sich zwischen sie und die Schweiz legen. Die Scheinwerfer der beiden Boote schlugen zusammen über Mabuses Boot her. Der Motor schrie. Über dem Pfänder lag ein kaum merkbarer Streifen des kommenden Tages. Schüsse klangen hinter ihnen. Das eine der Boote lag nun in ihrem Kielwasser, blieb aber leicht zurück. Die beiden Verfolger signalisierten durch Morselampen miteinander.

Georg steuerte eine Weile in leichten Zickzacklinien. Das Fahrzeug warf hin und her unter dem oft wechselnden Druck des Steuers auf das Wasser. Georg wollte vortäuschen, als versuchte es, nach der Schweiz durchzubrechen. Aber er war auch von den Scheinwerfern erregt. Es gelang ihm nicht, auch nur auf Augenblicke aus der Lichtbahn herauszukommen.

Das eine der Boote, das ihnen im Rücken fuhr, ging wohl nur deshalb jetzt so langsam, weil es keine andere Aufgabe hatte, als sie unter Licht zu halten und ihnen den Rückweg nach dem deutschen Ufer abzuschneiden? Die Morsezeichen waren geheim. Weder Georg noch Mabuse, die sich sonst auf derartiges gut verstanden, weil sie beide viel auf See gewesen, verstanden sie.

Auf einmal erlosch auf dem Fahrzeug, das steuerbordseits mit ihnen fuhr, der Scheinwerfer. Sie hörten über dem Höllenlärm, den ihr eigener Motor machte, wie die Maschine dieses Bootes gegen vorher um einen Ton heller und näher klang. Ihr eigener Motor stand auf seiner Höchstleistung.

Die Schüsse hatten aufgehört. Über den Geräuschen ihres Bootes erhob sich ein anderer Lärm. Mabuse hielt seine beiden Ohren hin, ihm entgegen, stahlkalt und aufgereckt, grell beleuchtet von dem Scheinwerfer. Er trug noch die Polizistenuniform, die ihm die Flucht ermöglicht hatte.

Die Gräfin hatte anfangs in einer halben Ohnmacht am Boden gelegen. Die Schüsse, das schießende Dröhnen des Bootes, die Eile, die Aufregung der beiden Männer hatten sie nach und nach wach gereizt. Sie begann zu erfassen, was geschah. Sie auch hörte über dem Lärm ihres Fahrzeuges ein zweites Geräusch. Sie richtete sich auf. Sie hob den Kopf über Bord und hielt das Ohr in die Dunkelheit, woher der zweite Ton kam.

»Was ist das?« fragte sie Mabuse, der neben ihr stand, mit dem Rücken gegen die Fahrt, breitbeinig und sicher scheinend. An die Reeling mit den Händen gestützt, ließ er das Licht des Scheinwerfers auf sich liegen, nur um zu horchen …

»Nichts!« zischte er zurück. »Schweig'!«

»Was ist das?« fragte die Frau noch einmal mit scharfer Stimme, und ein Ton klang auf in dieser Stimme, den sie lange nicht mehr an sich gehört hatte.

Ihr war, als löste sich ein Stein, der ihr Herz eindeckte, langsam in eine breiige Masse auf. Sie gab sich diesem Vorgang, der halb außer ihres Bewußtseins lag, immer heftiger hin. Sie erkannte immer deutlicher, was in ihr zu geschehen im Begriff war. Da schrie sie auf einmal, sprang auf und stellte sich gegen Mabuse: »Jetzt aber! …«

Und hörte den verfolgenden Ton von See und Nacht über sich herfallen wie ein Glück, das außer Rand und Band geraten war. Sie saugte sich mit den Ohren und mit dem Herzen an das leichte, süße Geräusch … Sie spürte, wie es sekundenweise stärker wurde. Sie verstand:

Der Verfolger fuhr rascher als sie, kam näher …

»Was ist: jetzt aber?« rief Mabuse sie heftig an. »Schweig' und setz' dich!«

»Was ist das für ein Ton … dort?« fragte sie mit einer singenden Stimme.

»Der Tod … vielleicht!« sagte Mabuse ruhig zurück.

»Für dich!« schrie die Frau über das kreischende Heulen des aufgewühlten Wassers in sein Gesicht. »Ich darf dich abschütteln! Ich werde gerettet vor dir! Der Werwolf wird gefangen. Deine Macht über Menschen und über mich ist aus!«

»Das will ich dir zeigen,« raunte Mabuse ihr zu, sich dicht über sie bückend. Dann geschah es, so rasch, daß sie kaum auseinanderhielt, was vor sich ging.

»Georg!« rief Mabuse. Nur dies eine Wort. Dann zog er sich die Polizistenuniform von den Kleidern und warf sie hin, und schon hatte Georg sie angezogen und stand neben der Gräfin, sich dem Licht des Scheinwerfers preisgebend, Mabuse aber am Steuerrad.

Sie hörte einen Ruf nahe. »Anhalten!« schrie nochmals eine Stimme aus dem zweiten Ton heraus, der so wollüstig in ihr Ohr gesaugt lag. »Anhalten!« …

Eine Kugel zwitscherte. Ein Knall zerspellte die Luft.

Georg schoß zurück. Das Boot schwankte auf. Aber dann hatten es plötzlich zwei hohe Dämme eingefaßt. Wo war der See? Wo war die weite Nacht? Es rauschte. Es kämpfte gegen die Frühjahrswasser des Rheins.

Der Scheinwerfer war verschwunden. Eine sachte, milde Grauheit hob die Flut und die Dämme aus der Finsternis. Sie waren glatt wie Eisenbalken. Eine Brücke stellte sich quer über sie. Der Schall des Motors schoß von ihrem Gewölbe herab auf sie nieder.

Da schlug eine fremde Kraft die Gräfin zu Boden. Das Boot bohrte sich mit einem rasenden Schlag hinten in die Höhe. Aber die Frau wurde aus dem Niederstürzen aufgefangen. Etwas nahm sie hoch. Das fühlte sie noch. Etwas lief. Schreie erstickten in einem roten Nebel.

Georg lag an Land. Er hatte einen Arm gebrochen. Er hob mit der gesunden Hand den Polizistenhelm auf und stülpte ihn auf seinen Kopf. Er war von dem Fall leicht betäubt. Aber er hätte fortlaufen können. Dennoch blieb er liegen.

Es dauerte nicht lange, so sah er zwei Revolver auf sich gerichtet. Zwei elektrische Laternen brannten ihre Kreise in seine Augen. »Es ist der mit der Uniform!« sagte eine Stimme.

Georg blieb ruhig. Er wurde vom Land in ein Boot gerissen, an eine Bank gefesselt. Ein Motor setzte an. Das Fahrzeug raste auf der Strömung hinab. Es fuhr quer dann über den See nach Schachen zurück.

Der Tag begann, als sie Georg den Holzsteg hinaufschleppten. Sie zogen ihn in die Villa hinein und schlossen ihn in einen Raum, der vergitterte Fenster hatte und aus dem er nicht hätte fliehen können, selbst wenn nicht zwei Männer bei ihm geblieben wären.

Der Kommissar sagte: »Das ist er, Gott sei Dank! In der Polizistenuniform! Gott sei Dank!«

Wenk stieg um fünf Uhr in der Früh mit dem Wasserflugzeug in München auf und landete zwei Stunden später vor Schachen. Er flog die Treppen hinauf in die Villa Elise und zu dem Raum, in dem der gefangene Räuberkönig seiner wartete … des Besiegers …

»Hier ist der Doktor Mabuse!« schrie ihm der Kommissar entgegen. »Jetzt haben wir ihn, Gott sei Dank!«

Wenk, ganz Musik, ganz Rauschen, Sieg, Kraft und Trompeten, trat in die Tür und sah auf den an den Stuhl festgebundenen Polizisten.

»Wo?« fragte er.

»Dort … auf dem Stuhl der!«

Wenk schaute genauer hin.

Schon wußte er: Entkommen! Schon fiel alles wieder zurück in den endlosen, leeren schwarzen Schacht, noch bevor er ein weiteres Wort hörte oder sprach.

Auf einmal sagte der Kommissar: »Aber das ist doch der Poldringer, den wir hier überwacht haben!«

»Ja, das ist der Poldringer!« antwortete Wenk traurig.

Mabuse war entkommen.


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