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[XIII]

Der Besuch Mabuses beim Grafen Told fand statt. »Ihr Krankheitsbild ist durchaus nicht ein außergewöhnliches,« sagte Mabuse. »Es heilt aus, wenn Sie die Sicherheit über sich wieder erlangen. Es wird unheilbar und verschlimmert sich, wenn Ihnen das nicht gelingt. Es ist ein Vorbote einer dementia praecox. Ich werde Sie, wie alle Patienten, aus taktischen Gründen in Ihrem Hause behandeln. Ich stelle eine Bedingung, daß Sie, so lange Sie in Behandlung sind, das Haus nicht verlassen und niemanden sehen, der Sie an Ihr früheres Leben erinnert.«

Told war betäubt von der Gewaltsamkeit, mit der dieser Arzt gegen ihn auftrat. Zart und scheu, wie er war, erdrückt von dem Erlebnis, wagte er kein Wort gegen ihn. Er fürchtete ihn von der ersten Minute an.

Als Mabuse die Villa verließ, in der er eine Menge Dinge gesehen, die von dem Kult zeugten, den der Graf mit seiner Frau trieb, sagte er sich: Er muß fort, wenn sein Name nur einmal wieder über ihre Lippen kommt.

Mabuse war in einer wilden und tierhaften Weise erregt. Die Berührung mit diesem Mann, dem die Frau solange schon zueigen gewesen war, pflügte seine Adern auf, reizte ihn, als sei er ein Stier und empfinge Wurfspeere in den Nacken. Er bückte sich unversehens wie zum Angriff vor und bohrte sich in seine Vorstellungen hinein, berstend vor Haß und Rachsucht. Es war ihm, als sei eine Beule in ihm geplatzt und entließe einen Strom von Bösem. Er warf sich vollends hinein.

Als er heim kam, ging er gleich zu dem Zimmer, in dem die Gräfin eingeschlossen war. Der Raum war wie ein Versteck ins Haus hineingeborgen. Licht kam nur aus einem runden Fenster, zu dem sich die Decke in reichen Formen emporwölbte.

Die Frau erhob sich, als er kam. Sie war weiß wie das Leinentuch ihres Bettes. Sie ging ihm entgegen und sagte: »Es ist in der Nacht etwas mit mir geschehen, das außerhalb meines Bewußtseins liegt. Was haben Sie mit mir gemacht?«

»Was Sie mit sich machen ließen!«

Da erzitterte die Frau so stark, daß sie niederglitt, und am Boden liegend, hob sie ihren Blick, verletzt, wie von einem angeschossenen Tier zu ihm und rief entsetzt: »Teufel! Teufel!«

»Dieser Name gefällt mir,« sagte Mabuse. »Er schmeichelt mir. Er ist, ohne daß Sie es ahnen, eine Liebkosung. Das nächstemal werden Sie mich Luzifer nennen. Denn ich werde Ihnen das Licht bringen!«

Die Gräfin, zusammengebrochen am Boden liegend, verfiel einem leidenschaftlichen Schluchzen. Eine haltlose, verzerrende Angst brach in ihr auf. Sie rief, bebend, im Weinkrampf: »Wo ist mein Mann?«

Aber da sah sie, daß Mabuse eine so nichtige, kleine und wegschiebende Bewegung machte, daß der Frau geschah, als ränne ihre schmerzhafte, peinigende Frage wie ein Taukügelchen aus der Hand und spurlos verschwindend in den Staub, und es sei überflüssig, nach ihr auch nur einmal hinabzuschauen. Und so über ihr zerfetztes Herz gebeugt, fragte sie sich: Ist dieser Mann denn so gewaltig, daß vor ihm und seinem Willen alles zergeht, was ich war, und was andere Menschen vorher mir waren?

Wieder mußte sie sich dem zwiefachen Strom ergeben, der sie zu tragen begann. Heimlichstes, selber nie Gesehenes trieb aus der Flut in ihr Hirn. Gemartert ließ sie ihre Vorstellungen gewähren. Mußte es nicht wahr sein, was so aus ihrem Blut entstand? Sie konnte sich von dem Neuen nicht mehr trennen. Sie konnte sich dagegen wehren; sie konnte dagegen antoben. Aber sie konnte es nicht mehr von sich ablösen.

Der Mann stand schweigsam über ihr. Die Stummheit bedrohte sie. Sie dachte, mit einem eigenen Laut könne sie dies Drohende zerschlagen wie eine Seifenblase. Aber sie fand nicht die Kraft zu einem anderen Wort und wiederholte, gefesselt an ihren Zustand, die Frage: »Wo ist mein Mann?«

Da ging Mabuse wortlos und schroff hinaus.

Als er von ihr so fortgegangen war und in dem Raum nichts anderes mehr zurückgelassen hatte als seinen herrischen Unwillen, vermißte sie etwas. Es wäre ihr lieber gewesen, er stünde noch da. Ihre Vereinsamung wuchs um sie und schlug alle Grenzen ein. Eine Raumlosigkeit tat sich um sie auf, wie ein Abgrund, der mit saugenden Spektren sie hinablockte. Aber sie konnte nicht stürzen. Sie hing an einer dünnen Wurzel. Sie wußte: Diese Wurzel ist das Wenige, was mir aus meinem bisherigen Leben geblieben ist.

Sie wünschte, auch diese Wurzel möchte abreißen. Lieber hätte sie den ganzen Tod gehabt als das Schweben über dem Nichts.

Mabuse ging in seinem Zimmer hin und her. Er war ein gefangenes Tier, gefangen zwischen seiner Rachwut und Herrschsucht und dem Widerstand dessen, was draußen gegen sein Ziel lag. Es war etwas so Kleines wie die Erinnerungen, mit denen eine Frau an die Stunden gebunden war, die sie geheim oder vor Menschen mit ihrem Mann verbracht hatte. Aber weil es so wenig war, wuchs die Vernichtungsraserei so begehrend in ihm an, um es ganz zu zermalmen.

Spoerri kam. Er war als Soldat gekleidet. »Weshalb?« fragte Mabuse unwirsch, vergaß aber gleich seine Frage und wollte etwas über Georg hören.

»Er ist in Schachen in der Villa. Er geht nicht aus. Er ist vorsichtig!«

»Was macht er?«

»Nachts hilft er das Kokainlager unter dem Gartenhaus nach der Schweiz hinüberbringen. Ich wüßte einen neuen Artikel, den sie drüben abnähmen. Äther!«

»Weshalb Äther?« fragte Mabuse.

»Man beginnt es zu konsumieren.«

»Wer – man? Wo?«

»Bei uns, in der Schweiz!«

»Bei euch? Zu wievielen seid ihr?«

»Man kann es unter die Leute bringen!« »Das erinnert mich an die Mädchen, die Sie nach der Schweiz exportierten, um den Salvarsanschmuggel zu beleben. Ich will nichts von Geschäften wissen. Verstehen Sie – nichts!«

»Ich sage nichts mehr darüber!«

»Spoerri, vielleicht nie mehr!« Da drang ein Jodler aus dem rauhen Hals Spoerris. »Herr Doktor! Citopomar?«

»Wie saufen, Spoerri, wir saufen! Ich weiß nicht! Wir saufen! Hirtenknabe mit 86 000 Mark Jahreseinkommen …«

»O, was habe ich davon? Ich stecke es ja immer wieder in die Unternehmen vom Herrn Doktor!«

»Weil es sich dort um 10 Prozent höher verzinst als bei einer Versicherungsgesellschaft. Soll ich dich auf die Sohle nehmen, Hirtenknabe? Trink'!«

Spoerri fiel als der erste vom Sessel. Er lag auf dem Boden, rund um sich Schmutz, und schaute unglücklich den Herrn an. Er lag da wie ein Hund, der am Sterben war und sich bewußt wurde, das Leben des Herrn nun nicht mehr bewachen zu können.

Mabuse, pendelnd, mit einer Hand schon an die Tischkante gekrallt, um nicht mit dem Stuhl zu Boden zu drehen, stotterte: »Spoerri, glaubst du, es gibt einen Menschen, dessen Wille so stark ist, daß er einen Mann töten kann, ohne ihn zu berühren?«

Aber Spoerri verstand nicht. Mit seinen glotzenden Augen schaute er dumm und treu, bekümmert und krank zum Herrn hinauf.

»Ich kann das! Und ich tue es! … Schlafe!« sagte er plötzlich; und sich erhebend, trat er den andern mit dem Fuß nieder.

Mabuse ging einige Schritte. Er mußte sich stützen. Da raffte er sich auf. Sein Willen durchstieg ihn wie eine bronzene Schraube. Und steif und starr, ohne zu schwanken, vom Trunk entzündet und über sich selbst hinausgehoben, ging er in das Zimmer, in dem sich die Gräfin aufhielt, und blieb bei ihr, ohne ein Wort zu sagen. Von dieser Stunde der Schmach an war die Frau willig seiner Knechtschaft. Sie vergaß ihre Vergangenheit, vergaß sich selber und war ihm untertan.

In der Nacht fuhr Mabuse nach dem Bodensee.

Beinahe, da er in der Nähe der Villa die Lichter löschte, verunglückte er am Wagen der Straßenwalze, die keine dreißig Schritte von seinem Garteneingang entfernt stand. Unmittelbar vor ihr griffen die Bremsen fest. Da fuhr er nicht gleich ins Haus, sondern einen Kilometer weiter, ließ das Auto am Straßenrand stehen und ging am Ufer entlang zum Haus.

»Weshalb sagen Sie mir nichts von der Straßenwalze?« herrschte er Georg an. »Eine Streichholzschachtel, die draußen auf dem Wege liegt, kann unser Verderben sein. Holen Sie das Auto! Laufen Sie! Es steht auf Wasserburg zu an der Landstraße. Bringen Sie es zu Steuer und kommen Sie gleich zurück.«

Am nächsten Morgen rief der Fernsprecher Wenk aus dem Schlaf. »Hier Straßenwalze!« hörte er. Er erwachte sofort.

»Ich höre, bitte!«

»Gestern nacht um zwei Uhr kam ein Auto, blieb unmittelbar vor unserem Wagen halten und fuhr dann weiter. Da es ohne Licht fuhr, folgte auf meinen Befehl Schmied mit dem Rad. Er fand es eine Viertelstunde weiter an der Landstraße verlassen. Er kam sofort zur Meldung zurück. Ich schlich mich in den Garten der Villa. Aber der Hund schlug an. Da ging ich außen herum ans Ufer. Ich sah einen Mann vom See her in den Garten und ins Haus gehen. Als Schmied und ich dann zum Auto zurückgehen wollten, war es nicht mehr da. Heute morgen nichts Auffallendes!«

»Danke! Erwarten Sie mich heute!«

Eine Stunde, bevor dieses Gespräch durch die Drähte lief, es war noch Nacht, hatte Mabuse die Villa verlassen. Er hatte Frauenkleider angelegt und war fortgerudert. Er fuhr auf Nonnenhorn zu. Ein Motorboot kam, ein Fischer, der vom Schmuggel aus der Schweiz nach Hause fuhr. Mabuse hielt ihn an. Der Fischer sagte, er habe keine Zeit. Er müsse mit seinen Fischen heim. Da sprang Mabuse mit einem Satz aus seinem Boot hinüber auf ihn, warf ihn unter die Bank, knebelte ihn und schob ihn in das Ruderboot. Er fesselte ihn unter die Bank an, kletterte in das Motorboot zurück und steuerte es in den See. Er zog die Weiberkleider aus. Darunter hatte er einen Anzug, in dem man ihn für einen Fischer gehalten hätte. In weitem Bogen fuhr er zum Ufer zurück, begab sich zu dem Bauern, in dessen Scheune das Auto verborgen war. Georg lag darin und schlief.

Während einer längeren Aussprache mit Georg zog sich Mabuse um und fuhr dann ins Württembergische. Georg ging nach Schachen zurück.

Mabuse wollte nach Stuttgart. Seine Gesellschaft hatte ihn von dort aus am gestrigen Morgen antelephoniert: ein Kranker wolle ihn konsultieren. Das hieß: es war jemand eingefangen worden, der sich zum Ausplündern eignete.

Als Mabuse abends am Spieltisch saß, kam ihm plötzlich wieder das Bild vor Augen, wie er unvermittelt vor der Dampfwalze seine Bremsen zog. Die Walze stand mit großen Umrissen in der Finsternis. Es war, als wollte sie über ihn niederfallen, wobei sie ganz unmeßbare Verhältnisse annahm und langsam sich zu den Gesichtszügen des Staatsanwalts Wenk änderte. Wie ein vorsintflutliches Tier stand sie nun, in dies Gesicht gekleidet, in seiner Erinnerung. Eine flatterige Unruhe störte Mabuse. Er verließ vorzeitig den Spieltisch mit Verlust und fuhr noch in der Nacht nach München zurück.

Unterwegs sagte er sich, als käme eine plötzliche Erkenntnis über ihn: Es ist lächerlich. Es ist nur eine Verdrängung, der ich erlegen bin. Ich will den Wunsch nach dieser Frau durch die Angst vor dem Staatsanwalt verdrängen!

Da lag Wenk noch stärker als bisher in seinem Weg. Weshalb war er noch da? Hatte Mabuse nicht deutlich genug befohlen? So wollte er den Befehl wiederholen!

In seiner Wohnung in München legte er sich gleich ins Bett. Er schlug die Lust nieder, zur Gräfin zu gehen, und schlief rasch ein.

Als die Straßenarbeiter in Schachen nach der Mittagspause zur Arbeit zurückkehrten, hatte sich ein Mann unter sie gemischt, aus einer Wirtschaft heraus, der ihren Aufseher zu sprechen wünschte. Ob er wohl Arbeit fände? fragte er.

»Meine kannst du gleich haben, wenn du sie gut bezahlst,« scherzte einer.

Aber der Mann sagte, er wolle die Arbeit ja nur, um selber dafür bezahlt zu werden.

»Das ist etwas anderes,« lachte der Arbeiter. »Da ist der Aufseher.«

Der Mann ging zu ihm. Er sprach leise mit ihm und zog ihn wie unabsichtlich von den andern fort.

Er könne vielleicht Arbeit bekommen, sagte der Aufseher, als der ein Polizeikommissar tätig war. Er wolle seine Papiere sehen.

Die gab der Mann her, indem er sagte: »Herr Kommissar, zeigen Sie sich nicht erstaunt. Tuen Sie, als läsen Sie die Papiere durch, und stellen Sie mich als Gehilfen des Heizers auf die Walze. Der Heizer ist doch Sergeant Schmied?«

»Jawohl, Herr … Ja, also gut! Kommen Sie,« antwortete der Kommissar. »Sie können die Arbeit haben, da … kommen Sie. Schmied, bitte!« rief er. Er erklärte Schmied leise, daß der Herr Staatsanwalt als Gehilfe den Tag auf der Walze verbringe.

»Was haben Sie noch beobachtet?« fragte Wenk, als er mir Schmied auf der Maschine fuhr.

»Der Herr Kommissar hat Sie deswegen nochmals angeläutet. Aber Sie waren schon fort. Es ist sonderbar. Wir sahen doch den Mann nachts in die Villa gehen; wir dachten, es sei der gewesen, der das Auto an der Straße stehen gelassen habe. Aber das scheint nicht zu stimmen. Als wir dann zum Auto zurückkamen, war das Auto fort. Heute früh nun fuhr eine Frau in der Nähe des Ufers hinter der Villa in einer Gondel. Ob sie von der Villa kam, konnten wir nicht feststelle«. Eine Stunde später aber kam auf einmal der beobachtete Poldringer die Landstraße her und ging ins Haus hinein. Den hatten wir aber gar nicht aus der Villa fortgehen sehen. Das ist das Sonderbare,« »Sie haben keinen Verdacht, die Villa könnte einen unbekannten Ausgang haben?«

»Nein, unsere Beobachtungen Poldringers haben bisher stets ganz genau gestimmt. Er kam immer denselben Weg zurück, den er fortgegangen war. Er geht überhaupt kaum aus. Nicht jeden dritten Tag!«

»Gibt es kein Mittel, in die Villa hineinzukommen?«

»Ohne Auffallen zu erregen, nicht. Ich sehe das an der Art, wie Bettler dort abgefertigt werden. Sie haben drinnen einen Wolfshund, der scharf dressiert ist … Man käme auch nicht heimlich hinein.«

»Ist der Poldringer jetzt drin?«

»Ja, ich sah ihn vorhin an einem Fenster!«

»Hatte das Auto ein Nummernschild?«

»Ja, Kreis Konstanz. Hier ist die Nummer!«

»Das ist wohl gefälscht. Es kam von Lindau, sagten Sie?«

»Jawohl. Ich habe die Nummer nach Friedrichshafen, Ravensburg, Lindau, Wangen und Konstanz hintelephoniert. Von Konstanz aus wurde mir dann mitgeteilt, die betreffende Nummer gehöre einem Auto der dortigen Sanitätskolonne. Das Auto habe Konstanz noch nie verlassen.«

»Kann man es sich nicht so erklären, daß das Auto in der Villa angemeldet war, aber nicht vor der Villa hielt, weil man das so im Gebrauch hat, oder weil etwas dem Insassen verdächtig war, zum Beispiel die Straßenwalze … daß Poldringer benachrichtigt war, das Auto an der Straße erwartete und es zu irgendeinem Versteck weiterführte? In der Zeit kam der Mann, der es hergebracht, in die Villa. Entweder ist er nun mit Poldringer noch drin, oder er war das Weib in der Gondel. Er fuhr dorthin, wo das Auto eingestellt war. Dieses Versteck müßten wir ausfindig machen!«

»Wir hören nachts öfter den Lärm eines Motorboots nicht weit vom Ufer. Aber das können wir ja nicht überwachen.«

»Ich schlafe diese Nacht bei Ihnen im Wagen. Wir stellen den Wagen einen halben Kilometer weiter vom Haus weg. Kann man sich in der Nähe der Villa gut eindecken?«

»Ja«

»Wir gehen dann zusammen. Abgemacht? So lerne ich noch Straßen glattwalzen,« lachte dann Wenk. »Bisher tat ich das nur mit Verbrechern.«

»Jawohl, Herr Staatsanwalt!« erheiterte sich Schmied und zog den Hebel, der die Maschine anhielt. »Werfen Sie Kohlen ein, Herr Staatsanwalt!« Und Wenk schaufelte der Maschine das feurige Maul voll Kohlen.

»Bis dahin haben der Herr Staatsanwalt auch nie einer Straßenwalze eingeheizt, sondern nur Verbrechern!« verweilte der Heizer bei dem von Wenk begonnenen Witz.

»Noch nicht genug, Herr Schmied, wie Sie an der Villa sehen. Aber ich hoffe, mit Ihrer Hilfe …«

»Wir kriegen sie, Herr Staatsanwalt!« antwortete Schmied eifrig.

»Nur nicht so feurig! Ich glaube, wir haben es mit der im Augenblick wohl gefährlichsten Bande Europas zu tun. Sie wissen, festgestellt sind schon jetzt: Falschspielerei, Mord und Terror! Und zwar bandenweise!«

»Jawohl!« sagte Schmied.

Als sie abends zusammen den Wagen verließen, flüsterte Schmied: »Herr Staatsanwalt erlauben, daß ich auf etwas auf? merksam mache. Ich tue jeden Abend hier so, als erginge ich mich ein wenig nach der Arbeit. Rauche eine Pfeife dazu. Da ist seitlich, sehn Sie, wo wir jetzt hinkommen, eine kleine Tür. So oft man da vorbeigeht, bellt der Hund. Da hab' ich mir gedacht, da ist was los! Man sieht sie aber nicht von der Straße. Sehn Sie …jetzt bin ich gerade dran … so! und da knüpf ich rasch so im Vorbeigehen … hören Sie den Hund! … immer einen Zwirnfaden über. Wenn die Tür geöffnet wird, reißt es den Faden ab, ohne daß der Durchgehende es merkt. Ich habe dann noch die Kontrolle über diese Tür in der Hand, selbst wenn ich sie nicht sehe. Ich weiß dann, ob er nicht in der Dunkelheit hier hinausging. Morgens ist mein erster Weg zur Tür, um den Faden wieder wegzureißen.« »Hängt er jetzt schon?«

»Ich habe ihn gerade angeknüpft!«

»Das haben Sie geschickt gemacht. Ich hab's nicht einmal gemerkt!« lobte Wenk.

»Gehen wir zurück. Eigentlich ist es ein Nebenweg der anderen Villa!«

»Kennen Sie deren Bewohner?«

»Seit dreißig Jahren schon bewohnt sie ein altes Fräulein. Es bestehen gewiß keine Beziehungen zwischen den beiden Villen.«

Sie gingen auf die Straße zurück. »Wenn Sie schlafen wollen, so stehe ich nicht im Weg, Herr Schmied. Ich weiß ja jetzt einigermaßen!«

»Gut wäre es schon. Die letzte Nacht, Herr Staatsanwalt! und vor vier muß ich wieder draußen sein.«

»Ich weiß. Also gute Nacht …«

Wenk durchging die ganze dunkle Frühlingsnacht. Es geschah nichts. Er bemerkte nichts. Am nächsten Morgen begab er sich in das Hotel in Lindau, dessen Adresse er in München hinterlassen hatte. Er sei von München angerufen worden, sagte ihm der Leiter. Sein Diener lasse melden, der Graf Told wünsche ihn dringend so bald als möglich zu sprechen. Der Herr Graf habe es in die Münchener Wohnung telephoniert. Er sei sehr aufgeregt gewesen und habe den Diener gebeten, es gleich dem Herrn Staatsanwalt nachzudrahten.

Wenk fuhr nach München zurück. Er klingelte gleich den Grafen an. Eine fremde Stimme antwortete, der Herr Graf sei verreist.

»Hat er nichts hinterlassen?«

»Nein!«

»Wohin ist er gereist?«

»Ohne Adresse. Schluß!«

Das kam Wenk sonderbar vor.


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