Victor Hugo
Han der Isländer. Band 2
Victor Hugo

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XLVIII.

Bleich und niedergeschlagen ging der Graf von Ahlfeldt mit großen Schritten in seinem Zimmer auf und ab. Er zerknitterte mit seinen Händen ein Paket Briefe, das er eben durchlesen hatte, und stampfte mit dem Fuß auf den Boden.

Am andern Ende des Gemachs stand, mit allen Zeichen tiefster Ehrfurcht, Nychol Orugix in seiner rothen Kleidung, seinen Filzhut in der Hand.

»Du hast mir da einen Dienst geleistet, Musdoemon!« murmelte der Kanzler mit verbissenem Zorn zwischen den Zähnen.

Der Henker hob schüchtern seinen stupiden Blick zu ihm empor: »Euer Gnaden sind also zufrieden?«

»Was willst Du da?« fragte der Kanzler, indem er sich barsch umwandte.

Der Henker, stolz darauf, einen Blick des hohen Hauptes auf sich gezogen zu haben, lächelte voll Hoffnung: »Was ich will, Ew. Gnaden? Die Stelle des königlichen Scharfrichters zu Kopenhagen, wenn Euer Gnaden mir die guten Nachrichten, welche ich Ihnen gebracht habe, durch diese Gunstbezeugung vergelten wollen.«

Der Kanzlei rief die beiden Hellebardiere, die vor seiner Thüre Wache hielten: »Greift diesen Schlingel da, der die Frechheit hat, mich zu verspotten!«

Die beiden Hellebardiere schleppten den bestürzten Nychol weg, der in der Angst noch zurückrief: »Aber, gnädiger Herr . . .«

»Du bist nicht mehr Scharfrichter der Provinz Drontheimhus! Ich setze Dich ab,« rief ihm der Kanzler zornig nach und schlug die Thüre hinter ihm zu.

Der Kanzler griff wieder zu den Briefen, es waren die Liebesbriefe, welche die Gräfin von Ahlfeldt mit Musdoemon gewechselt hatte. Das ist Elphegens Hand. Der Kanzler ersieht daraus, daß Ulrike nicht seine Tochter, der so sehr bedauerte Friedrich vielleicht nicht sein Sohn ist. Dieser Hochmuth, die Ursache aller seiner Verbrechen, rächt sich jetzt an ihm selbst. Er wollte seine Feinde ins Verderben stürzen; er hat nur sein eigenes Ansehen, seinen eigenen Einfluß vernichtet. Er mußte seinen bösen Rathgeber selbst dem Tode überliefern, und dieser rächte sich an ihm durch die Mittheilung, daß sein Weib eine Ehebrecherin sei.

Er geräth in Wuth, er will die Elende noch einmal sehen; er will ihr ihre verbuhlten Briefe ins Gesicht werfen, ehe er sie verstößt. Er durcheilt mit schnellen Schritten die Zimmer des Palastes, er tritt wüthend in ihr Gemach – und findet eine Wahnsinnige. Die Nachricht von dem schrecklichen Tode ihres Sohnes hatte sie der Vernunft beraubt.


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