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Das Regiment der Arquebusiere von Munckholm befand sich auf dem Marsch in den Engpässen zwischen Drontheim und Skongen. Der Lieutenant Randmer, ein junger dänischer Baron, trat zu dem Hauptmann Lory, der von der Pike auf gedient hatte. Der Hauptmann marschirte düster schweigend, mit gewichtigem aber sicherem Schritte.
»Nun, Herr Hauptmann,« rief ihm der lustige Lieutenant zu, »was ist Ihnen denn? Sie sind traurig.«
»Allerdings und nicht ohne Grund,« erwiederte der alte Offizier, ohne den Kopf zu erheben.
»Nur nicht so betrübt! Sehen Sie mich an, bin ich traurig? Und doch hätte ich wenigstens eben so viele Ursache dazu, als Sie.«
»Ich zweifle daran, Baron Randmer; ich habe mein einziges Gut, meinen ganzen Reichthum verloren.«
»Herr Hauptmann, unser Unglück ist ganz das gleiche. Erst vor vierzehn Tagen hat der Lieutenant Alberik mit einem einzigen Wurf mein schönes Schloß Randmer nebst allen dazu gehörigen Besitzungen gewonnen. Ich bin zu Grunde gerichtet; aber sehen Sie mich darum weniger lustig?«
Der Hauptmann erwiederte betrübt: »Herr Lieutenant, Sie haben nur Ihr schönes Schloß verloren, ich aber meinen Hund.«
Auf diese Antwort hielt das leichtsinnige Gesicht des jungen Mannes die Mitte zwischen Lachen und Rührung.
»Herr Hauptmann,« sagte er, »trösten Sie sich. Sehen Sie, ich habe mein schönes Schloß verloren.«
Der Hauptmann unterbrach ihn: »Was will das heißen? Uebrigens werden Sie wieder ein anderes Schloß gewinnen.«
»Und Sie werden wieder einen andern Hund finden.«
Der alte Mann schüttelte den Kopf.
»Einen Hund werde ich wohl wieder finden, aber nicht meinen alten Drake.«
Er hielt inne; einige Thränen glänzten in seinen Augen und fielen über seine gefurchten Wangen herab.
»Ich habe,« fuhr er fort, »nie etwas geliebt, als ihn; ich habe weder Vater noch Mutter gekannt. Mögen sie im Frieden ruhen, wie mein armer Drake! Er hat mir im pommerischen Kriege das Leben gerettet; ich nannte ihn dem berühmten Admiral zu Ehren Drake. Dieser gute Hund! Er ist mir immer treu geblieben, wie es mir auch gehen mochte. Nach dem Treffen von Oholjen streichelte ihn der General Schack mit eigener Hand und sagte: ›Ihr habt da einen schönen Hund, Sergent Lory!‹ Damals war ich noch Sergent.«
»Das muß Einem wunderbar vorkommen, Sergent zu sein!« unterbrach ihn der junge adelige Offizier.
Der alte Soldat hörte nicht darauf und fuhr, wie in Gedanken verloren, fort: »Dieser arme Drake! Aus so vielen Gefahren frisch und gesund zurückzukommen, um, wie eine alte Katze, in diesem verfluchten Golf von Drontheim zu ersaufen! Mein armer Hund! Du wärest würdig gewesen, mit mir auf dem Schlachtfelde zu sterben.«
»Sie sind ein tapferer Soldat,« rief der Lieutenant, »wie können Sie traurig sein, da wir uns vielleicht morgen schlagen werden?«
»Ja,« erwiederte der alte Hauptmann verächtlich, »gegen saubere Feinde!«
»Wie! diese teuflischen Bergleute! Diese satanischen Bergbewohner!«
»Steinbrecher und Straßenräuber! Leute, die nicht einmal in Schlachtordnung aufmarschiren können! Das sind mir die rechten Leute, um einem alten Knasterbart, wie ich bin, der alle Feldzüge in Pommern und Holstein mitgemacht hat, die Spitze zu bieten! Mir, der unter dem berühmten Schack und dem tapfern Guldenlew gefochten! . . .«
»Aber Sie wissen nicht, daß diese Banden einen gefürchteten Anführer haben, einen wilden Riesen, so groß und stark wie Goliath, einen Dämon, der nichts als Menschenblut trinkt . . .«
»Wen denn?«
»Den berüchtigten Han den Isländer.«
»Bravo! Ich wette, daß dieser furchtbare Obergeneral nicht einmal eine Flinte in den vorgeschriebenen Tempos zu laden weiß.«
Der Lieutenant lachte laut.
»Lachen Sie nur! Es wird in der That recht gut lassen, wenn wackere Soldatensäbel sich mit elenden hauen, und tapfere Piken mit Mistgabeln kreuzen! Das sind würdige Feinde! Mein guter Drake hätte sie nicht für werth gehalten, sie in die Füße zu beißen!«
Sie wurden durch die Ankunft eines Offiziers unterbrochen, der athemlos herbeilief.
»Herr Hauptmann Lory!« rief er aus. »Mein lieber Randmer!«
»Was gibt es?« fragten die Beiden zusammen.
»Meine Freunde . . . Ich bin starr vor Entsetzen . . . Ahlfeldt! . . . Der Lieutenant Ahlfeldt! . . . Der Sohn des Großkanzlers! . . . Sie wissen, mein lieber Baron Randmer! . . . Dieser elegante Friedrich . . . Dieser Geck! . . .«
»Elegant war er,« erwiederte der junge Baron, »sehr elegant! Inzwischen hatte ich doch auf dem letzten Balle zu Kopenhagen eine geschmackvollere Maske als er . . . Was ist ihm denn begegnet?«
»Ich weiß, wen Sie meinen,« sagte zu gleicher Zeit der Hauptmann Lory, »den Friedrich von Ahlfeldt, den Lieutenant in der dritten Compagnie, mit den blauen Aufschlägen. Er versieht den Dienst ziemlich nachlässig.«
»Man wird sich nicht mehr über ihn beklagen, Herr Hauptmann!«
»Wie?« fragte Randmer.
»Er liegt in Garnison zu Wahlstrom,« sagte der alte Hauptmann.
»So ist es,« fuhr der Offizier fort, »der Oberst hat einen Boten bekommen . . . Dieser arme Friedrich! . . .«
»Was ist es denn, Hauptmann Bollar? Sie erschrecken mich.«
»Bah!« sagte der Hauptmann Lory. »Unser Geck wird ohne Urlaub fort sein, wie gewöhnlich. Sein Hauptmann wird den Herrn Sohn des Herrn Großkanzlers in Arrest geschickt haben. Das ist wohl Alles.«
Der Hauptmann Bollar klopfte ihn auf die Achsel: »Lory, der Lieutenant Ahlfeldt ist lebendig gefressen worden.«
Der junge Baron Randmer brach in ein tolles Gelächter aus, während Lory seinen Kameraden anstaunte.
»Ich sehe,« rief der Lieutenant aus, »daß Sie noch immer der alte Spaßmacher sind, aber mit dieser Geschichte werden Sie mich nicht anführen.«
Der Lieutenant kreuzte die Arme über einander und lachte aus vollem Halse. Was ihn bei der Sache am meisten ergötzte, war die Leichtgläubigkeit des alten Lory. »Das ist ein rechter Spaß,« fuhr er fort, »und eine gute Erfindung, diesen Friedrich, der eine so zärtlich lächerliche Sorgfalt für seine Haut hatte, lebendig auffressen zu lassen.«
»Randmer,« sagte Bollar ernst, »Sie sind ein Thor. Ich sage Ihnen, Ahlfeldt ist todt. Ich weiß es aus des Obersts eigenem Munde.«
»Ho! Wie gut er seine Rolle spielt! Recht herrlich!«
Bollar zuckte die Achseln und wandte sich dem alten Lory zu, der ihn kaltblütig um eine nähere Erzählung des Vorfalls bat.
»Ja, ja,« fiel der Lieutenant lachend ein, »erzählen Sie uns doch, von wem dieser arme Teufel mit Haut und Haaren aufgefressen worden ist. Hat er einem Wolf zum Frühstück, einem Büffel zum Mittagessen, oder einem Bären zum Nachtmahl gedient?«
»Der Oberst,« sagte Bollar, »hat unterwegs eine Depesche erhalten, daß sich die Besatzung von Wahlstrom vor einer bedeutenden Abtheilung der Rebellen auf uns zurückzieht . . .«
Der alte Lory runzelte die Stirne.
»Sodann enthielt dieser Bericht, daß der Lieutenant Friedrich von Ahlfeldt, als er vor drei Tagen in dem Gebirge auf der Jagd war, in der Nähe der Ruine von Arbar von einem Ungeheuer in seine Höhle getragen und lebendig aufgefressen worden sei.«
Der Lieutenant Randmer lachte abermals hell auf: »Ho! Ho! Unser guter Lory glaubt an Ammenmährchen. Recht so, lieber Bollar, nur fein ernsthaft! Sie sind ein Spaßvogel ohne Gleichen. Aber sagen Sie uns doch, wer ist denn dieses Ungeheuer, dieser Menschenfresser, der einen königlichen Lieutenant davon trägt und auffrißt, wie ein junges Reh?«
»Sie sollen es nicht erfahren, sondern Lory, der nicht so toll ungläubig ist. Dieser Menschenfresser ist Han der Isländer.«
»Der Anführer der Rebellen?« rief der alte Offizier.
»Nun, sehen Sie selbst, Lory,« rief Randmer spottend aus, »daß man keine Tempos braucht, wenn man ein so gutes Gebiß hat.«
»Baron Randmer,« sagte Bollar, »Sie haben dasselbe leichte Blut, wie Ahlfeldt; hüten Sie sich, dasselbe Schicksal zu haben.«
»Ich muß gestehen,« rief Randmer, »daß die unerschütterliche Ernsthaftigkeit des Hauptmanns Bollar mich bei der Sache am meisten ergötzt.«
»Und ich,« erwiederte dieser, »muß gestehen, daß mich die unerschöpfliche Lustigkeit des Lieutenants Randmer bei dieser ernsten Sache am meisten erschreckt.«
Eine Gruppe Offiziere, in lebhafter Unterhaltung begriffen, näherte sich.
»Ich muß diesen Herren doch,« sagte Randmer, »Bollars spaßhafte Erfindung mittheilen. Kameraden,« fuhr er fort, indem er auf sie zuging, »wißt Ihr auch, daß dieser arme Friedrich von Ahlfeldt von dem barbarischen Han dem Isländer lebendig aufgefressen worden ist?«
Er begleitete diese Worte mit lautem Gelächter. Aus der Mitte der neu Angekommenen erschallten Rufe des Unwillens.
»Wie,« hieß es, »Sie lachen? – Spricht man so von einer so entsetzlichen That? – Ueber ein solches Unglück lachen?«
»Wie!« erwiederte Randmer bestürzt. »So wäre es denn wahr?«
»Sie haben es uns ja selbst wiederholt! Glauben Sie denn Ihren eigenen Worten nicht?« rief man ihm von allen Seiten zu.
»Ich hielt es für einen Scherz von Bollar . . .«
»Das wäre ein schlechter Spaß gewesen,« sagte ein alter Offizier, »aber zum Unglück ist es keiner. Unser Oberst, der Baron Boethäun, hat eben diese schreckliche Nachricht erhalten.«
»Abscheulich! Entsetzlich!« wiederholten viele Stimmen.
»Wir haben es also,« sagte ein Offizier, »mit Bären und Wölfen in Menschengestalt zu thun?«
»Das ist entsetzlich,« rief Bollar aus. »Unser Regiment ist unglücklich: Dispolsen, diese armen Soldaten zu Cascadthymore, Ahlfeldt! . . .«
Baron Randmer erwachte plötzlich aus tiefem Nachdenken, dessen Ergebnis die Worte waren: »Es ist kaum zum glauben, dieser Friedrich, der so gut tanzte!«