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Leibaffe, Papageien, Kämme und Bänder, Alles lag bei der Gräfin von Ahlfeldt bereit, ihren Sohn Friedrich zu empfangen. Sie hatte mit großen Kosten den neuesten Roman der berühmten Scudery kommen lassen. Nachdem sie diese kleinen Sorgen mütterlicher Zärtlichkeit beseitigt hatte, dachte sie an nichts Anderes mehr, als ihrem Hasse gegen Schuhmacher und seine Tochter freien Lauf zu lassen. Die Abwesenheit des Generals Levin lieferte die armen Gefangenen schutzlos in ihre Hände.
Sie wünschte Aufklärung über eine Menge Gegenstände, die nur sehr unbestimmt zu ihrer Kenntniß gelangt waren: Wer war der Leibeigene oder Vasall, den die Tochter des Exkanzlers liebte? In welcher Verbindung stand Baron Ordener mit dem Gefangenen von Munckholm? Was war der Grund der so unbegreiflichen Abwesenheit Ordeners? Was war zwischen Levin Knud und Schuhmacher vorgefallen? Selbstsucht und Neugierde zogen die Gräfin unwiderruflich nach Munckholm hin.
Als eines Abends Ethel einsam im Garten des Gefängnisses saß, öffnete sich die Thüre, und eine große weiß gekleidete Dame trat herein. Ein Lächeln schwebte auf ihren Lippen, süß wie vergifteter Honig.
Ethel sah sie mit Verwunderung, fast mit Furcht an. Seit dem Tode ihrer alten Amme war diese das erste Weib, das sie im Kerker von Munckholm gesehen hatte.
»Mein Kind,« sagte die Fremde mit sanfter Stimme, »Sie sind die Tochter des Gefangenen von Munckholm?«
»Ich heiße Ethel Schuhmacher,« erwiederte die Jungfrau. »Mein Vater sagt, man habe mich, als ich noch in der Wiege lag, Gräfin von Tongsberg und Prinzessin von Wollin genannt.«
»Ihr Vater sagt Ihnen das!« rief die Frau in einem Tone aus, den sie alsbald wieder ermäßigte. Dann fügte sie hinzu: »Sie haben viel Unglück erfahren!«
»Das Unglück hat mich bei meiner Geburt mit eisernen Armen umfangen; mein edler Vater sagt, daß es mich nur im Tode loslassen werde.«
»Und Sie murren nicht gegen diejenigen, die Ihr junges Leben in diesen Kerker geworfen haben? Sie verfluchen nicht die Urheber Ihres Unglücks?«
»Nein, damit nicht unser Fluch die nämlichen Uebel, welche wir leiden, auf ihre Häupter herabziehe.«
»Kennen Sie die Urheber der Uebel, über welche Sie sich beklagen?«
Ethel dachte einen Augenblick nach und erwiederte: »Alles ist durch den Willen des Himmels geschehen.«
»Redet Ihr Vater niemals mit Ihnen von dem König?«
»Dem König? Für den bete ich Morgens und Abends, ohne ihn zu kennen.«
Ethel begriff nicht, warum sich die Fremde bei dieser Antwort in die Lippen biß.
»Nennt Ihnen Ihr unglücklicher Vater, wenn er zornig ist, niemals seine unversöhnlichen Feinde, den General Arensdorf, den Bischof Spollyson, den Kanzler Ahlfeldt? . . .«
»Ich weiß nicht, von wem Sie da reden.«
»Kennen Sie den Namen Levin Knud?«
»Levin von Knud? Es scheint mir, daß das der Mann ist, für welchen mein Vater so viele Achtung und beinahe Zuneigung hegt.«
»Wie!« rief die Frau aus.
»Ja, Levin von Knud war es, den mein Vater vorgestern so lebhaft gegen den Gouverneur von Drontheim vertheidigte.«
»Gegen den Gouverneur von Drontheim? Treiben Sie nicht Ihr Spiel mit mir? Es ist Ihr Wohl, was mich hierher geführt hat. Ihr Vater hat gegen den Gouverneur von Drontheim die Parthie des Generals Levin von Knud genommen?«
»Des Generals! Es scheint mir des Hauptmanns . . . Doch nein, Sie haben Recht. Mein Vater schien eben so viel Anhänglichkeit an diesen General Levin von Knud zu haben, als er Haß gegen den Gouverneur von Drontheim bezeugte.«
»Abermals ein seltsames Räthsel!« dachte die Gräfin. »Was ist denn« fragte sie, »zwischen Ihrem Vater und dem Gouverneur von Drontheim vorgefallen?«
Dieses Verhör ermüdete die arme Ethel; sie fixirte die Fremde und sagte: »Bin ich denn eine Verbrecherin, daß Sie mich so verhören?«
Diese einfache Frage setzte die Gräfin in Verlegenheit; sie faßte sich jedoch und erwiederte: »Sie würden nicht so reden, wenn Sie wüßten, warum und für wen ich komme . . .«
»Wie!« fragte Ethel hastig, »kommen Sie von ihm? Bringen Sie mir Nachricht von ihm? . . .«
»Von wem?«
Ethel hielt inne, als sie eben den Namen aussprechen wollte, denn sie sah eine düstere Schadenfreude im Auge der Fremden blitzen.
»Sie wissen also nicht, wen ich meine?« sagte sie traurig.
»Armes Kind, was kann ich für Sie thun?«
Ethel hörte nichts, Ihre Gedanken irrten durch die nördlichen Berge hinter dem reisenden Abenteurer her.
»Hofft Ihr Vater aus diesem Gefängniß zu kommen?«
Diese zweimal wiederholte Frage brachte die Jungfrau wieder zu sich.
»Ja,« sagte sie, und eine Thräne glänzte in ihrem Auge.
»Er hofft es! Und auf welche Weise? . . . Durch welche Mittel? . . . Wann? . . .«
»Wenn er das Leben verläßt.«
Es liegt bisweilen in der Einfachheit eines jungen unverdorbenen Herzens eine Macht, welche die Ränke einer in Bosheit gealterten Seele spielend vereitelt. Dieser Gedanke schien dem Geiste der Gräfin vorzuschweben, denn der Ausdruck ihres Gesichts änderte sich plötzlich, sie legte ihre kalte Hand auf Ethels Arm und sagte in einem Tone, der an Offenheit grenzte: »Haben Sie sagen hören, daß das Leben Ihres Vaters durch eine richterliche Untersuchung aufs Neue bedroht sei, daß er im Verdacht stehe, eine Empörung unter den Bergleuten im Norden angezettelt zu haben?«
Die Worte Empörung und Untersuchung boten der Jungfrau keine klaren Ideen dar; sie hob ihr großes schwarzes Auge zu der Fremden: »Was wollen Sie damit sagen?«
»Daß sich Ihr Vater gegen den Staat verschwört, daß sein Verbrechen beinahe entdeckt ist, daß dieses Verbrechen Todesstrafe nach sich zieht . . .«
»Todesstrafe! . . . Verbrechen! . . .« rief das arme Mädchen aus.
»Verbrechen und Tod!« sagte ernst die Fremde.
»Mein Vater! Mein edler Vater! Er ist ein Verschwörer! Was hat er Ihnen denn gethan?«
»Sehen Sie mich nicht so an, ich sage Ihnen noch einmal, daß ich nicht feindlich gegen Sie gesinnt bin. Ihr Vater steht im Verdacht, ein großes Verbrechen begangen zu haben. Ich setze Sie davon in Kenntniß und sollte eher Ihren Dank verdienen, als diese Beweise des Hasses.«
Dieser Vorwurf rührte Ethel: »Verzeihung, edle Dame! Wir haben bis jetzt nur Feinde kennen gelernt. Ich war mißtrauisch gegen Sie, das werden Sie mir verzeihen, nicht wahr?«
Die Gräfin lächelte. »Wie, meine Tochter! Haben Sie bis auf diesen Tag nicht einen einzigen Freund gefunden?«
Ethel erröthete und zauderte mit der Antwort: »Ja! . . . Gott weiß die Wahrheit. Wir haben einen Freund gefunden . . . einen einzigen!«
»Einen einzigen! Wie heißt er? . . . Sie wissen nicht, wie wichtig es ist . . . Es ist zum Besten Ihres Vaters . . . Wie heißt dieser Freund?«
»Daß weiß ich nicht.«
»Treiben Sie keinen Scherz mit mir, da ich Ihnen dienen will. Bedenken Sie, daß es sich um das Leben Ihres Vaters handelt. Wie heißt dieser Freund?«
»Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich von ihm nichts als den Taufnamen weiß: er heißt Ordener.«
»Ordener! Ordener!« wiederholte die Fremde in auffallender Bewegung. »Und wie heißt sein Vater?«
»Das weiß ich nicht. Was liegt an seiner Familie und seinem Vater! Dieser Ordener ist der edelste aller Menschen.«
Der Ton, in welchem die Jungfrau diese Worte aussprach, verrieth der Fremden das Geheimniß ihres Herzens. Sie heftete einen festen Blick auf Ethel und fragte ruhig: »Haben Sie von der nahen Vermählung des Sohnes des Vicekönigs mit der Tochter des Großkanzlers von Ahlfeldt gehört?«
»Ich glaube ja,« war die gleichgültige Antwort.
»Nun, was halten Sie von dieser Heirath?«
»Möge sie glücklich sein!« erwiederte die Jungfrau unbefangen.
»Die Grafen Guldenlew und Ahlfeldt, die Väter der beiden Verlobten, sind zwei große Feinde Ihres Vaters.«
»Möge die Vereinigung ihrer Kinder glücklich sein!« wiederholte Ethel mit sanfter Stimme.
»Es kommt mir da ein Gedanke,« fuhr das verschmitzte Weib fort: »wenn das Leben Ihres Vaters in Gefahr ist, so könnten Sie bei Gelegenheit dieser Heirath durch den Sohn des Vicekönigs seine Begnadigung erlangen.«
»Der Himmel vergelte Ihnen Ihre Theilnahme an uns, aber auf welche Weise sollte ich meine Bitte bis zu dem Sohne des Vicekönigs gelangen lassen?«
»Wie! Kennen Sie ihn denn nicht?«
»Ob ich diesen mächtigen Herrn kenne? Sie vergessen, daß mein Fuß noch nicht über die Schwelle dieses Kerkers gekommen ist!«
»Unmöglich! Sie müssen den Sohn des Vicekönigs gesehen haben, er ist hieher gekommen.«
»Das ist möglich, aber von allen Menschen, die hieher kamen, habe ich nie einen andern gesehen, als ihn, meinen Ordener . . .«
»Ihren Ordener! . . . Kennen Sie einen jungen Mann von edlen Zügen, schlankem Wuchs, ernstem gesetztem Wesen, sanftem offenem Auge, frischer Farbe, hellbraunen Haaren . . .«
»Daß ist er! das ist mein Ordener!« rief Ethel hastig aus.
Die Gräfin zitterte, ward roth und blaß und rief mit zermalmender Stimme aus: »Unglückliche, Du liebst Ordener Guldenlew, den Bräutigam Ulrikens von Ahlfeldt, den Sohn des Todfeindes Deines Vaters, des Vicekönigs von Norwegen.« Ethel sank ohnmächtig nieder.