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Melanchthon, der ein sehr reizbares Gemüt hatte und an trüben Stimmungen litt, war einstmals besonders niedergedrückt und geneigt, an aller Welt zu verzweifeln. Da geschah es, daß er im Hause eines Freundes dessen Frau sah, wie sie am Herde mit der Zubereitung des Essens beschäftigt, ein kleines Kind auf dem Arme trug und ein etwas größeres, das ihr am Kleide hing, das Vaterunser lehrte. Als ihm so vor Augen stand, was für Mühe von der Frau täglich getragen, was für Arbeit täglich geleistet wird, wie mitten durch die rohen und bösartigen Leidenschaften des Lebens ein Strom von wirkender Güte von ihr ausgeht, löste sich das Gewicht von seiner Brust, er sah zuversichtlicher in die Zukunft. Er mochte das Gefühl haben, welches ein nordischer Dichter in den Ausspruch gefaßt hat: die Frauen sind die Stützen der Gesellschaft. Man hätte sie bewundern können, wenn sie nur die schweren Aufgaben des täglichen Lebens, die gerade auf ihnen, den zarten, lasteten, freudig, ihrer eigenen Bequemlichkeit nicht achtend, auf sich genommen hätten; aber sie beteiligten sich auch mit ganzer Seele an den Kämpfen der Zeit. Die dramatischen, besonders die religiös gefärbten Epochen sind der Entfaltung der Frau günstig; denn die Frau, die weniger als der Mann gewöhnt ist, für den Erwerb zu sorgen, die alle Gefühlswerte höher schätzt als der Mann, deren Erleben sich zum großen Teil auf der Ebene der Phantasie abspielt, gibt sich im allgemeinen ihren Überzeugungen rückhaltloser hin als der Mann, vor allem, wenn sie sich auf das Göttliche beziehen. Wie alle Menschen, die ihre Kraft weniger aus einem starken, gesunden Körper als aus seelischen Quellen ziehen, scheint sie ihr in Kämpfen eher zu wachsen als sich zu erschöpfen, weicht sie vor keiner Anstrengung, keinem Opfer zurück. Das gilt besonders von der deutschen Frau, deren geistiges Leben, wieviel Ausnahmen es auch geben mag, zum Religiösen neigt.
An der humanistischen Bewegung hat die deutsche Frau sich nicht beteiligt, wenn es auch einzelne Frauen gab, die Latein lernten und die alten Schriftsteller lasen, aber Fragen über ciceronianischen oder taciteischen Stil, oder ob dieser oder jener Text der echte sei, interessierten sie wenig. Den Glauben aber verstanden sie, hier entschieden sie sich mit Leidenschaft und Sicherheit. So waren sie in den Anfängen des Christentums gewesen, so unter den Mystikern, Waldensern und anderen Ketzern. In den Ketzerprozessen wurden Frauen wie Männer verhört, gefoltert, verbrannt. Ein schönes Mädchen aus Holland, Hille Feiken, kam zur Zeit des Münsterschen Aufruhrs in das Lager des Bischofs, um wie Judith erst zu verführen, dann zu töten; stolz und unbeugsam ertrug sie die Qualen, die ihr angetan wurden. Frauen lasen die Bibel weniger wie die Männer, die sich mit dem Auslegen schwer verständlicher Stellen abgaben, sondern um sich von dem Strom des Glaubens durchrauschen und erschüttern zu lassen.
Die damaligen Umstände brachten es mit sich, daß die meisten Reformatoren früh heirateten; denn das war nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sondern eine grundsätzliche Kundgebung gegen die Altgläubigen. Manche von ihnen, wie zum Beispiel Martin Butzer und sein Freund Fazius, waren im Anfang ihrer Laufbahn stellenlos und mittellos. Die außerordentliche Sparsamkeit, zu der sie gezwungen waren, belastete am meisten die Frau, die mit den geringsten Mitteln einen Haushalt führen und Kinder aufziehen sollte. Besserte sich die Stellung des Mannes, wurde ihre Aufgabe nicht leichter. Die Reformatoren, die, wie Zwingli es ausdrückt, eine Art Tribunen sein sollten neben den Stadträten oder neben den Fürsten, waren in verantwortungsvoller und ausgesetzter Lage. Sie waren Botschafter der göttlichen Majestät und hatten als Vertreter einer solchen Macht großes Ansehn aber auch schwere Pflichten. Männer, wie Luther oder wie Martin Butzer in Straßburg, machten ein großes Haus, hatten viel Gäste, darunter Vertriebene, die unterstützt werden mußten. Nach Straßburg flohen viel Franzosen, besonders seit die hugenottische Bewegung zunahm; wenn es möglich war, beschäftigte sie der Rat, einstweilen nahmen die Geistlichen auf, soviel sie konnten. Luthers Familie war dauernd durch Flüchtlinge, Schützlinge, Freunde vermehrt. Die Frau mußte dafür aufkommen, daß alle behaust und bewirtet wurden. Daneben wurden sie zu den sozialen Einrichtungen herangezogen, die die Stadträte unter dem Einfluß der Reformation ins Leben riefen. Aus übriggebliebenen Briefen geht hervor, daß sie ein erwünschtes Element der regen Geselligkeit waren, die die Häuser der Reformation belebte. In jener erregten Zeit, wo täglich Neues, Bedrohliches oder Günstiges sich begab, erhofft oder gefürchtet wurde, kamen die Menschen gern zusammen und beredeten ihre Interessen. Wenn Seuchen ausbrachen, was nicht selten der Fall war, durften die Pfarrer nicht fliehen, sondern sie blieben, predigten und trösteten; den Frauen fiel die Pflege der Kranken zu. Von den vielen Kindern, die sie zur Welt gebracht, gepflegt und erzogen hatten, starben fast immer einige. Das war so, es mußte erlitten werden; aber es wird sich schmerzhaft, oft vielleicht unheilbar in die Seele der Mutter eingegraben haben, wenn sie es auch verschwieg. Im Jahre 1531 starb, allgemein betrauert, der Baseler Reformator Oekolampad und gleichzeitig die Frau seines Herzensfreundes Wolfgang Capito in Straßburg. Die Freunde waren in Sorge, wie Capito, der ohnehin zu Schwermut neigte, den doppelten Verlust ertragen würde. Martin Butzer, der keinen Ledigen, Mann oder Frau, sehen konnte, ohne ihn zur Heirat zu überreden, glaubte, daß nur eine Frau die Wunde heilen könne, und wandte sich vorsichtig an die Schwester des Ambrosius Blaurer, des Reformators von Konstanz. Daß diese, wie es scheint eine ebenso kluge wie durch weiblichen Reiz anziehende Frau, unverheiratet war, beunruhigte Butzer ohnehin; aber sie leitete eine Diakonissinnenanstalt und wollte das sowenig aufgeben wie ihre Studien, besonders das der Heiligen Schrift. Bei der Witwe Oekolampads jedoch, Wiltrudis Rosenblatt, einer Patrizierin, fand Butzer Gehör: sie wurde Capitos zweite Frau. Zehn Jahre später raffte eine Pest in Straßburg wieder einen Mann und eine Frau aus dem Kreise der Reformatoren hin, Capito und Butzers Frau. Butzer verlor außerdem drei Kinder. Es ergab sich wohl von selbst, daß die beiden Verwitweten sich heirateten. Butzer war damals 50 Jahre alt, ein Mann von schöner Erscheinung; sie, der zwei Männer durch eine Seuche entrissen waren, stellt man sich gern als ein holdes, warmes Geschöpf vor, das sich bereitwillig immer wieder dem so schönen und reichen Leben hingab. Sie brachte Töchter aus zwei Ehen mit, denen Butzer ein treuer, zärtlicher Vater war, froh, sein Talent, Ehen zu stiften, an ihnen ausüben zu können.
Luthers Frau, Katharine von Bora, scheint nicht eben schön gewesen zu sein; aber ein Zug von Humor, den auf einem ihrer Bilder der Freund des Hauses, Lukas Cranach, festgehalten hat, spricht an und lockt an, als finde man da einen Freund, dessen täglicher Umgang wohltue. In allen Briefen Luthers fühlt man, wie dieser Humor auf beiden Seiten die eheliche Beziehung, die so oft durch den Zwang des allzu nahen, allzu häufigen Beieinanderseins leidet, wie Sonnenschein oder Räucherwerk entgiftete und entbitterte. Sie war eine praktische Natur, umsichtig und tätig, wie sie das in dem großen Haushalt und bei der großartigen Unbekümmertheit ihres Mannes wohl gebrauchen konnte. Luther machte ihr einmal Versprechungen, wenn sie in einem bestimmten Zeitraum die ganze Bibel durchläse; hat sie es getan, so gewiß nicht zum Vergnügen. Daß die Innigkeit des Verhältnisses mit den Jahren zunahm, ehrt beide. In seinem Testament hat Luther mit ergreifenden Worten bezeugt, mit welcher Hingebung sie ihm gedient habe; wie verwöhnte Männer zu tun pflegen, stellte er sie in seinen Briefen gern als seine Tyrannin hin. Es war eine Tyrannei, bei der er sich wohl fühlte und die ihn entlastete, weil die Frau ihm in praktischen Dingen überlegen war.
Eine sehr anziehende, durch die Unmittelbarkeit ihres Empfindens und Urteilens ausgezeichnete Frau war eine andere Katharina, Gattin des Mathaeus Zell, der nicht der bedeutendste, aber der volkstümlichste Pfarrer Straßburgs war. Beide stimmten darin überein, daß sie sich wenig für die theologischen Streitfragen interessierten, die die protestantische Welt auseinanderrissen, sondern durch hilfreiche Nächstenliebe ihr Christentum bewiesen. Sie waren dadurch geeignet, für gewisse Seiten des Täufertums Verständnis zu haben, wirkten überhaupt der Verfolgungssucht entgegen und nahmen sich Verfolgter an. Selten betätigten sich Frauen schriftstellerisch und agitatorisch wie die bekannte Argula von Staufen, die mit zehn Jahren, lange vor Luthers Auftreten, die Bibel gelesen hatte und im Jahre 1524 sich für einen jungen Magister einsetzte, der wegen seines evangelischen Bekenntnisses von der Universität Ingolstadt zum Widerruf und Einsperrung in ein Kloster verurteilt war. Ursula Weydin, Schöffin zu Eisenberg, verfaßte eine Streitschrift in evangelischem Sinne gegen das Buch eines Abtes von Pegau.
Dadurch, daß die Natur das Los der Frau weitgehend bestimmt, ist das der fürstlichen Frau von dem der bürgerlichen in vielen Dingen nicht wesentlich verschieden, und war es besonders damals nicht: hingen sie doch alle von der Willkür des Mannes ab, litten sie doch alle gleich durch Geburt und Verlust von Kindern, durch die Gebrechlichkeit ihres Körpers, der ärztliche Kunst noch so wenig zu Hilfe kam. Durch Zurücksetzung oder gar Anfeindung von seiten des Mannes hatten fürstliche Frauen oft viel zu leiden; doch gab es auch solche, die auf dem Gebiete freier Liebesbeziehungen sehr ausgelassen waren. Als eine solche galt Elisabeth von Rochlitz, die früh Witwe wurde. Sie führte einen regen Briefwechsel nach allen Seiten, hatte immer viele Fäden in der Hand und fühlte sich desto wohler, je wirrer und toller es in der Welt zuging. Ihre Mutter war die schöne, kluge und tatkräftige Landgräfin Anna von Hessen, die als Witwe und Vormünderin ihres Sohnes Philipp mit bewunderungswertem diplomatischem Geschick zwischen den unbotmäßigen Ständen und den sächsischen Nachbarn die Herrschaft behauptete. Wie sie die verschiedenen Anführer der ständischen Bewegung gegeneinander ausspielte, wie sie die Feindschaft der sächsischen Vettern benutzte, dann wieder den Kaiser umgarnte und ins Spiel mischte, auch kriegerischen Zusammenstoß nicht scheute, bewies eine außergewöhnliche Selbstbeherrschung und Überlegenheit. Es hat etwas Tragisches, wie die selbständige, kühne Frau an dem allgemeinen weiblichen Schicksal zugrunde ging: nachdem sie sich, wie man ihr nachsagte, manche Freiheit gestattet hatte, heiratete sie, augenscheinlich aus Liebe, einen beträchtlich jüngeren Grafen von Solms, entfremdete sich dadurch ihren Sohn und mußte sich wegen der Mißheirat Zurücksetzungen gefallen lassen, die ihren Stolz verletzten. Nach dem frühen Tod ihres Mannes lebte sie noch einige Jahre ganz zurückgezogen, gebrochen in ihrem freudigen Tatendrange. Ihr strahlendes zuversichtliches Wesen ist auf Philipp, ihren Sohn, übergegangen. Erst die Krankheit, dann der Tod des Gatten waren es, die Anna von Hessen Raum zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit gaben. Häufiger mußten die Frauen sich behutsam dem rücksichtslosen Sichgehenlassen meist trunkliebender Männer anpassen und um ihre Würde, wohl gar um ihr Leben besorgt sein, wenn eine andere ihnen vorgezogen wurde. So flüchtete die bayrische Prinzessin Sabine vor dem Herzog Ulrich von Württemberg, der sich in die Frau des Hans von Hutten verliebt hatte, und Elisabeth von Brandenburg vor dem Kurfürsten Joachim, der eine Geliebte hatte und ihr außerdem wegen ihres Übertritts zum Luthertum zürnte. Oft hatten sich die jungen Prinzen nur widerwillig zu einer dem Vater vorteilhaft erscheinenden Ehe bequemt und begegneten der aufgezwungenen Gattin von vornherein mit Abneigung.
Von Kindheit auf wurden die Mädchen von ihren Müttern, die Bescheid wußten, zur Fügsamkeit und zum klugen Verhalten gegen den künftigen Gatten erzogen. Sie waren wohl von starrem fürstlichem Standeshochmut erfüllt, aber sie wußten, daß der Ehemann als Mann und als Fürst ein doppeltes Übergewicht hatte. Es versteht sich, daß bei aller Unterwürfigkeit die Frau, sei es durch Klugheit und Schönheit, sei es durch Unliebenswürdigkeit, Launenhaftigkeit und Verdrehtheit ihren Gatten nicht wenig plagen konnte, besonders wenn aus Gründen der Politik auf den Schwiegervater Rücksicht zu nehmen war. Die Regel indessen war doch, daß die Frau sich zu bescheiden hatte. Landgraf Wilhelm von Hessen, der Sohn Philipps, schrieb seinem Schwager, dem Pfalzgrafen Ludwig, indem er ihm riet, rechtzeitig seine Frau durch ein Testament zu versorgen, es sei ja billig, »daß die armen, hilflosen Leutlein, die uns alle Nacht an der Seite liegen und so viel Kümmernis und Schmerz um unseretwillen leiden mußten, auch beizeiten bedacht werden«. Arm und hilflos, so konnte man die Frau wohl nennen, ob sie auf dem Thron oder in der Hütte lebte. Was Bartholomaeus Zastrow von der »ungeschlachten« Ehe seiner »schönen, freundlichen, getreuen und frommen« Schwester Katharine erzählt, die ihr so viel Leiden brachte, daß die eigenen Eltern ihren Tod mehr wünschten als fürchteten, war nicht ungewöhnlich; Melanchthon erlebte Ähnliches mit seiner geliebten Tochter Anna. Während jetzt die Frauen im Durchschnitt ein höheres Alter als die Männer erreichen, starben damals die Frauen früh, durch die große Zahl der Geburten erschöpft. Oft war es die dritte Frau, die den bedeutend älteren Mann überlebte.
Man könnte denken, daß die Frau, die darauf hingewiesen war, da sie so wenig Rechte besaß, sich auf Schleichwegen ein bißchen Glück zu erlisten, zu einem ränkesüchtigen, gefallsüchtigen, unaufrichtigen Wesen sich entwickelt hätte; aber es ist glücklicherweise so, daß neben dem oft schielenden menschlichen Recht auch das göttlich-natürliche wie die Sonne durchbricht und sich alles unterwirft, daß in den vielfach verschlungenen menschlichen Beziehungen neben der Selbstsucht, die zertritt und zerreißt, auch schöne und edle Antriebe walten. Die dankbare Liebe der Söhne und Töchter konnte die Frau für viele Leiden entschädigen, der Sohn konnte ihr sogar zum Beschützer und Rächer werden. Das liebliche Jugendgesicht, das sich über seine Wiege beugte, sah der Herangewachsene selten noch, da es schon früh den Schmelz und die weiche Rundung verlor, aber ihr Geist, ihr frommes Wort, ihr fürstlicher Sinn blieben unvergessen. Auch die Achtung und Liebe des Mannes wurde zuweilen erworben, zuweilen verband herzliche Neigung und Treue die Eheleute ihr Leben lang.
Alle Beschwerden, aber auch allen Reichtum eines Frauenlebens, wie es in allen Ständen gelebt werden konnte, malen uns die Briefe der Kurfürstin Maria von der Pfalz, Tochter des Markgrafen Casimir von Brandenburg. Sie gewann ihren Gatten Friedrich, Sohn des Pfalzgrafen von Simmern, für das Luthertum und ertrug mit ihm die Entbehrungen, denen sie durch die Ungnade seines katholisch gebliebenen Vaters ausgesetzt waren. Als nach 13 Jahren, 1559, die Kurlinie mit Ottheinrich ausstarb, wurde Friedrich Kurfürst. Er hat in der Geschichte den Beinamen des Frommen erhalten, und sicherlich war sein Bekenntnis tiefste Überzeugung. Inzwischen war Maria, nachdem sie elf Kinder geboren hatte, eine gebrechliche, von allerlei Leiden heimgesuchte Frau geworden, denen sie tapfer widerstand, soweit es möglich war. Ob ihr wohl oder weh war, begleitete sie ihren Mann auf die Jagd, weil er es liebte, sie immer an seiner Seite zu haben. Wenn ihre verheirateten Töchter Kinder bekamen, ließ sie es sich nicht nehmen, sie zu pflegen; sie reiste hin, erfreute die Enkelkinder durch mitgebrachtes Spielzeug und betreute sie. In der feinsten und liebevollsten Weise suchte sie ihren unglücklichen Schwiegersohn, Johann Friedrich den Mittleren, den der Wunsch, seinem verhaßten Vetter August die Kur wieder abzugewinnen, in verhängnisvolle Unternehmungen verstrickte, durch verständige Warnungen zu retten. Solange sie bei den Töchtern war, fühlte sich Friedrich verwaist, einer Turteltaube gleich, die ihren Gesellen verloren hat, wie er selbst sagte, und erwartete ungeduldig ihre Rückkehr. Einen großen Schmerz tat er ihr an, als er vom Luthertum, in dem sie aufgewachsen war, zum Kalvinismus überging; allein die Innigkeit des ehelichen Verhältnisses konnte selbst dadurch nicht getrübt werden. Als sie mit 48 Jahren ihren Leiden erlag und Friedrich nun für immer von ihr verlassen war, schrieb er seinem Schwiegersohn, daß er seines besten Freundes, mit dem er in diesem mühseligen zeitlichen Leben mehr als 30 Jahre in aller herzlichen Liebe und Freundschaft zugebracht, beraubt sei. Eine schönere Grabschrift hätte ihrem heldenmütigen Herzen nicht gesetzt werden können. Wenn Friedrich trotzdem bald wieder heiratete, er wählte eine gleichfalls kürzlich verwitwete Frau, mit der er noch sieben Jahre zusammen lebte, so war das ein Beweis, wie glücklich ihn die Ehe gemacht hatte. Fast immer heirateten die Fürsten nach dem Tode der Frau sehr rasch wieder, zuweilen, um damit eine neue politische Kombination zu bekräftigen, doch aber auch, weil sie in dem harten wilden Leben der Zeit den einen süßen Klang, die holde Gegenwart einer Frau, nicht missen mochten.
Einem edlen Fruchtbaum gleich war Juliane von Nassau, Tochter Bothos des Glückseligen von Stolberg; im Frühling wiegt er die rosige Blüte in lauen Lüften, im Sommer ist er schwer von reifenden Früchten, und im Herbst umtanzen ihn jubelnde Kinder, und die Landleute pilgern zu dem schätzespendenden verehrungsvoll wie zu einem Heiligtum. Mit 17 Jahren heiratete sie einen Grafen von Nassau, dem sie fünf Kinder gebar, und nach dessen frühem Tode den verwitweten Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg, der dem jungen Hanauer Paare ein väterlicher Freund und Berater gewesen war. Er gehörte einem vornehmen, sehr alten Geschlecht an, das sich im 12. Jahrhundert nach dem Schlosse Nassau zu benennen angefangen hatte und aus dem einst ein Kaiser hervorgegangen war. Von ihrem zweiten Manne hatte Juliane zwölf Kinder, sieben Töchter und fünf Söhne, deren ältester einer der bedeutendsten Fürsten jener und aller Zeit war, Wilhelm von Oranien. Ihr Erbe und Einfluß war es wohl, daß alle Geschwister, namentlich die Söhne, die Standhaftigkeit und Opferwilligkeit besaßen, sich dem großen, zuerst aussichtslosen Werk der Befreiung der Niederlande zu widmen. Die stete, gleichmäßige Wirksamkeit ihrer Liebe und Sorgfalt, ihres sittlichen Ernstes, womit sie Kinder und Schwiegerkinder umfaßte, verband die Geschwister untereinander und an die Ehre Gottes und die Ehre des Hauses. Ohne daß sie besonders geistvoll oder unternehmend gewesen wäre, bildete sie den Mittelpunkt der Familie, dem sich alle beugten. Sie erlebte den Tod dreier Söhne, darunter ihres Lieblings Ludwig, in den Schlachten gegen Spanien und die bitteren Sorgen und Kämpfe des Oraniers unter Schmerzen, aber immer ihrem Glauben und ihren Pflichten treu und eine Stütze für andere. Sie hatte zu ihren Lebzeiten 160 unmittelbare Nachkommen. Von ihren Töchtern hatte eine zehn, eine fünfzehn, je zwei vierzehn Kinder. Das waren damals keine außergewöhnlich hohen Zahlen; aber nicht oft waren so viele Kinder einer Mutter so begabt und lebenskräftig wie die Julianes.
Eine verehrte katholische Fürstin war die Erzherzogin Maria, Stammesmutter der jüngeren habsburgischen Linie, die nach dem Erlöschen der älteren an die Spitze des Hauses trat. Sie war eine Wittelsbacherin und regierte mit fester, etwas harter, bayrisch-bäuerlicher Hand ihren weicheren Mann und ihre unbändigen Kinder. Es war nicht ihre Schuld, wenn etwas von der gelockerten, spielerischen Art der letzten Habsburger auf ihren Sohn Ferdinand überging; aber daß der katholische Glaube in Österreich nicht unterging, war überwiegend ihr Verdienst. Ganz anders waren die Habsburgerinnen, die Schwestern Karls V., deren Tatkraft durch den diesem Hause eigentümlichen Tropfen Rausch und Duft durchsüßt war. Karls Lieblingsschwester war Eleonore; einem Engländer erschien sie in Brüssel, als sie nicht mehr jung war, in einem faltenreichen Batistkleide mit Stickereien anmutig wie eine weiße Taube. Trotz seiner brüderlichen Liebe trennte er sie von dem schönen Pfalzgrafen Friedrich, der seinem Anspruch für sie nicht genügte. Nach vielen Jahren treuen Dienens wurde er durch die Hand einer Nichte der einst Geliebten entschädigt, während Eleonore Königin von Portugal und dann Königin von Frankreich werden mußte. Maria und Isabella hatten eine ausgesprochene Neigung für das Luthertum. Isabella war in sehr unglücklicher Ehe mit dem König von Dänemark verheiratet, Marias liebenswürdiger Gatte, der König von Ungarn, fiel jung in der Schlacht bei Mohacz. Sie heiratete nicht wieder, wurde nach dem Tode Margaretens, der Tante Karls V., die kluge, einsichtsvolle Regentin der Niederlande. Wenn Karl ihr einmal schrieb, gelte es einen Kampf anstatt mit Waffen mit dem Verstande zu führen, so sei sie der beste Kapitän, tat er ihr eigentlich Unrecht: sie war eine kühne, unermüdliche Reiterin und Jägerin und führte auch persönlich Kriegszüge an. Wie seiner Frau in Spanien, wenn er abwesend war, überließ Karl seiner Schwester die Regierungsgeschäfte mit unbedingtem Vertrauen.
Wenn uns in der Reformationszeit auf protestantischer Seite mehr interessante Frauen begegnen als auf katholischer, liegt das zum Teil daran, daß die im Vordergrunde der Zeit stehenden Männer, die Geistlichen, auf protestantischer Seite sich verheirateten, auf katholischer natürlich nicht; besonders aber daran, daß bei einer angreifenden, von neuen Ideen und Plänen erfüllten Partei mehr Kraft und Leben zu sein pflegt als bei den Beharrenden. Übrigens aber standen die katholischen Frauen unter denselben Bedingungen wie die protestantischen und haben sich in schwieriger Lage, zum Beispiel als Nonnen, überzeugungstreu und charaktervoll erwiesen. Viele Frauenklöster erzwangen durch unbeugsamen Widerstand eine längere Dauer, als den reformierten Gebietsherren bequem war. Am bekanntesten unter den aufrechten Klosterfrauen ist durch ihre Denkwürdigkeiten Caritas Pirckheimer geworden, Äbtissin eines Nürnberger Klosters. Sie war humanistisch gebildet, verstand Lateinisch und wechselte Briefe mit ihrem berühmten Bruder und seinen Freunden, deren Interesse sie teilte. Als der Nürnberger Rat die Reformation annahm und die Aufhebung der Klöster der Bevölkerung eine nützliche, notwendige Maßregel zu sein schien, weigerte sich Caritas Pirckheimer, sich und ihre Schützlinge dem Zwange zu unterwerfen, und wandte sich um Hilfe an den Pfleger, der die Rechte des Klosters im Rat zu vertreten hatte und sich jetzt zwischen der Pflicht seines Amtes und seiner Pflicht gegen Gott und den Staat in einer peinlichen Klemme fühlte. Man versuchte es mit Überredung durch einen protestantischen Prediger, der den Nonnen die evangelische Wahrheit erklären sollte. Sie hörten ihn an, und Caritas setzte ihn durch treffende Antworten und Einwendungen in Verlegenheit. Drei gewissenhafte, wohlwollende Personen, der Pfleger, der Pfarrer und die Äbtissin, in einen unlösbaren Konflikt verwickelt, bemühten sich verzweifelt, ihrer Aufgabe in anständiger Weise zu genügen. Die Frau tat es, als Angegriffene, als Schwächere und im Recht, in der stolzesten Haltung. Auf Bitten des Pflegers ließ sie sich schließlich auf ein Gespräch mit Melanchthon ein, mit dem sie sich leicht verständigte, die humanistisch gebildete Frau mit dem Humanisten. Er gestand zu, man könne im Kloster ebensogut selig werden wie in der Welt, und es sei unrecht, Leute mit Gewalt aus dem Kloster zu werfen. Sie schieden in Freundschaft.
Wenn im Reformationszeitalter die Frauen Gelegenheit hatten, in Kampf und Opfer sich hervorzutun, so kann man doch sagen, daß Reformation und Humanismus in ihren Folgen die Frau eher herabgedrückt als gehoben haben. Daß es für die Protestanten nur noch männliche Götter, keine Göttin mehr gab, daß sie sich nicht mehr an die große Fürbitterin Maria wenden konnten, entzog dem weiblichen Geschlecht einen Glanz und eine Würde. Durch ihre Männer beleidigte und gefährdete Frauen, besonders Fürstinnen, hatten bei der Kirche nicht selten Schutz gefunden: der Hofprediger hatte nur schlotternde Ermahnungen für den Schuldigen und wendige Trostesworte für die Gekränkte. Die scharfe Gegenüberstellung von Obrigkeit und Untertanen, von Herrenrecht und rechtloser Untertänigkeit machte sich auch in den Beziehungen der Frauen zu den Männern geltend. Die deutsche Frau versäumte mehr und mehr, ihrer Demut und Opferfreudigkeit den Stolz beizumischen, ohne den jene Eigenschaften zu häßlicher, oft liebedienerischer Unterwürfigkeit herabsinken. Überhaupt fingen die Schwächeren an, wie die Bauern es schon immer gewesen waren, Verachtete zu werden. Es konnte geschehen, daß das, was man einst an den Frauen bewundert oder angestaunt hatte, ihre Phantasie, ihr Ahnungsvermögen, ihre Neigung zu volkstümlicher Heilkunde, sie der Verdächtigung und grausamsten Verfolgung aussetzte. Das Zeitalter des Großen Krieges, der Zerstörung und Barbarei, der Wissenschaft und des Absolutismus leiteten Hexenbrände ein.