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Der Streit um das Bistum Brixen

Um diese Zeit bereiteten an sich unbedeutende Vorfälle an den Grenzen des Reiches, in Tirol, Ereignisse vor, die die drei Freunde vom Baseler Konzil noch einmal zu grundsätzlichem Kampf zusammen und gegeneinander führen sollten. Im Jahre 1450 starb der Bischof von Brixen, und ein anderer wurde vom Kapitel gewählt. Der Papst, obwohl er die Rechtmäßigkeit der Wahl anerkannte, setzte anstatt dessen den Kardinal Nikolaus von Cusa ein, den er aus bestimmten Gründen für geeigneter hielt, den Platz auszufüllen. Mit eben diesen Gründen hing es wohl zusammen, daß Siegmund, der Herzog von Tirol, die päpstliche Wahl bestritt, indem er sich auf das im Jahre 1439 auf dem Reichstag zu Mainz abgeschlossene Konkordat berief, wonach die Kapitel das Recht hatten, den Bischof zu wählen. Den Hintergrund der Entzweiung bildeten folgende Umstände: um ein zentralisiertes Landesfürstentum zu begründen, wollte der Herzog von Tirol die beiden Bistümer Trient und Brixen, selbständige Staaten in seinem Staat, nach Möglichkeit in den seinigen hineinziehen. Er pflegte zu sagen, für sein Land und für die Bistümer könne Sicherheit nur erlangt werden, wenn die Verwaltung der bischöflichen Temporalien, also der weltlichen Rechte, so eng mit der Verwaltung seines Landes verknüpft wäre, daß dieselbe einheitlich geführt werden könne, nicht durch die Regierung der Bischöfe getrennt würde. Die geistlichen Angelegenheiten möchten immerhin von den Bischöfen verwaltet werden. Im Hinblick auf das Bistum von Trient hatte das Baseler Konzil das Bestreben des Herzogs unterstützt, ohnedies hatten die Bischöfe, die häufig durch die Stadt Trient bedrängt worden waren, die landesfürstliche Oberhoheit des Herzogs bereits weitgehend anerkannt. Um nun zu verhindern, daß der Herzog das Bistum Brixen in derselben Weise an sich ziehe, wünschte der Papst eine verläßliche und unbeugsame Persönlichkeit an der Spitze desselben zu sehen und erlas dazu Nikolaus von Cusa. Zunächst ließen Herzog und Bischof sich die Vermittelung des Erzbischofs von Salzburg gefallen, die festsetzte, daß der Herzog den päpstlichen Bischof anerkennen, und der Bischof versprechen solle, sich gegen den Herzog so zu verhalten wie seine Vorgänger. Schon nach zwei Jahren trübte ein unscheinbarer Vorfall die empfindlichen Beziehungen zwischen den beiden Fürsten. Das hoch über Bruneck gelegene Frauenkloster Sonnenberg befand sich schon lange mit dem Bischof von Brixen im Streit wegen der Gerichtsbarkeit über einige Täler. Als nun die Äbtissin Verena von Stuben mit einem Teil ihrer Untertanen Händel bekam, suchten diese Schutz bei dem Bischof, der auch für sie eintrat und zugleich die oberste vogteiliche und richterliche Gewalt über das Kloster in Anspruch nahm. Nein, sagte Verena von Stuben, diese Gewalt stehe dem Herzog zu und wandte sich hilfesuchend an Siegmund; es versteht sich, daß dieser nicht zögerte, den Schirm zu übernehmen. Daß der Streit sich zuspitzte, war die Folge von Cusas reformatorischem Eifer, mit dem er das überall so heillos gelockerte Klosterleben zur ursprünglichen Strenge zurückführen wollte. Er bedachte nicht, daß im Laufe der Jahrhunderte die Lebensführung überhaupt sich geändert hatte und daß von dieser Entwicklung auch die Klöster berührt werden mußten, in die ja meist Angehörige adliger Häuser eintraten. Die Äbtissin Verena, eine unerschrockene Frau, gab zu, daß das Kloster in geistlichen Dingen dem Bischof unterstehe, versprach auch, sich mit den Nonnen der Reformierung zu unterziehen; aber die Freiheit zu reisen und auch mit Männern über die Angelegenheiten des Klosters sich zu besprechen mochte sie nicht aufgeben und hielt es auch für unmöglich, eine Umwandlung des Lebens, wie Cusa sie verlangte, mit einem Schlage durchzuführen. So suchte sie die Sache hinzuziehen und stützte sich dabei auf ihren Schirmherrn, den Herzog. Auch bei anderen erregte die Strenge des Bischofs Widerwillen; zum Beispiel verbot er den Tanz auf Kirchweihtagen, und daß die Männer in Wehr und Waffen dabei erschienen, wie es üblich war. Dadurch brachte er nicht nur das Volk gegen sich auf, sondern auch gewisse Edle, die das Recht hatten, die Kirchweihtage einzuberufen und zu überwachen. Nachdem der Streit zwischen Bischof und Äbtissin sich durch drei Jahre ergebnislos hingezogen hatte, tat der Bischof die stolze Jetzabel, wie er sie nannte, in den Bann. Auf der Schwelle der Kirche, in der der Bann ausgesprochen war, schleuderten die Geistlichen nach alter Weise die ausgelöschten Kerzen gegen das Kloster hin zum Zeichen der ewigen Verdammnis, in die Gott hingegeben habe Datan und Abiram, die das Erdreich lebendig verschlang. Der Herzog hatte während dieser Begebenheit die Äbtissin abwechselnd unterstützt und preisgegeben, je nachdem das Verhältnis zum Bischof es angemessen erscheinen ließ; denn den offenen Bruch wollten beide womöglich vermeiden.

Wie aber beider Absichten und Auffassungen nun einmal waren, ließ sich derselbe auf die Dauer nicht vermeiden. Der Herzog wollte die weltliche Gewalt im Fürstentum Brixen an sich bringen, der Bischof wollte nicht nur darauf nicht eingehen, sondern war sogar der Meinung, der Herzog, der sich als sein Oberherr gebärdete, sei eigentlich sein Vasall, den seine, Cusas, Vorgänger zum Vogt, das heißt zum Beschirmer des Bistums angenommen hätten. Kaum hatte er die Regierung angetreten, so begann er in den Archiven nach Urkunden zu stöbern, die sein Recht erweisen sollten. Es glückte ihm, wie er behauptete, den urkundlichen Nachweis liefern zu können, daß den Bischöfen von Brixen alle königlichen Rechte, die sogenannten Regalien, von verschiedenen Kaisern verliehen seien, wozu das Recht auf alle Erze und Salze gehörte, die in ihrem Gebiet entdeckt wären oder noch entdeckt werden würden. Von Kaiser Friedrich III. ließ er sich ein Privileg Friedrichs II. bestätigen, das ihm den Besitz aller Silbergruben, Metall- und Salzgänge im Bistum Brixen verbürgte. Da er außerdem Matrei und Steinach, die von einem seiner Vorgänger verpfändet waren, wieder einlösen wollte und Anspruch auf allerlei Rechte und mehrere Schlösser erhob, die dem Bistum früher einmal entzogen worden waren, so würde, wenn es nach ihm gegangen wäre, der Herzog fast ganz Tirol mitsamt seinen Bergschätzen verloren haben. Der Herzog konnte darauf entgegnen, daß die Ausbeutung der Bergwerke immer von den Landesherren von Tirol sei ausgeübt worden, daß Cusas Vorgänger nie etwas dagegen eingewendet, ihn überhaupt als Landesfürsten anerkannt hätten, daß die Bischöfe von Brixen und Trient beide tirolische Landstände wären und damit eine bestimmte Stellung im Lande unter dem Landesfürsten einnähmen, seinem Gebiet in bestimmter Weise eingeordnet wären.

Die alten Urkunden, die der Bischof aus dem Staube ausgegraben hatte, waren längst von verwandelten, gegenwärtigen Verhältnissen überwachsen und entwertet und mußten im Anhauch des Tageslichtes zu Asche zerfallen.

Aber kam es denn überhaupt auf Urkunden an? Sie bildeten doch nur, und das wußten wohl beide, die Unterlage für einen Kampf zweier Mächte. Die Räte des Herzogs begründeten seine Stellung folgendermaßen: Das Vogteirecht habe den Herren von Tirol die Oberherrlichkeit über alle zu der Vogtei gehörigen Schlösser, Länder und Güter gegeben, damit Land und Leute, geistliche wie weltliche, im einmütigen Gehorsam des Landesfürsten blieben und für einen Mann stehen möchten. Kraft der Vogtei habe der Landesfürst alle Personen und Untertanen, seien es Prälaten, Grafen, Ritter und Knechte, in seinem Schutz gehabt, wie sie hinwiederum alle im Genuß der Freiheiten des Landes wären. Die Einwohner des Landes, Prälaten, Grafen, Ritter, Knechte, Bürger und Bauern, würden nicht so friedlich nebeneinandersitzen, die Straßen würden nicht so friedlich gehalten werden, wenn ein Prälat oder sonst jemand, der Regalien und Herrschaftsrechte hätte, neben dem obersten Landesfürsten herrschen wollte. Einem jeden Fürsten stehe es zu, im Kreise seiner landesfürstlichen Herrschaft die Obrigkeit also zu handhaben, daß der Gehorsam ungespalten und das Fürstentum unzertrennt bleibe. Es waren die Gründe, die damals und später alle Fürsten anführten, um die in ihrem Gebiet liegenden selbständigen Herrschaften sich einzuverleiben und unterzuordnen; es waren aber auch die Gründe, die mit innerer Notwendigkeit zur Bildung größerer, geschlossener Territorien hindrängten.

Nikolaus von Cusa, dessen großer Geist dem Geist der Menschen auf neuen Bahnen voranging, unternahm es, den Zerfall des alten Reichs aufzuhalten, in dem Staat und Kirche ineinander verflochten waren, ihm Kraft und Glanz wiederzugeben. An zwei Punkten setzte er seine Kraft ein: Reformierung der herabgekommenen Geistlichkeit, damit der Klerus wieder zu Ansehen und Glaube im Volke komme, und Zurückwerfen der weltlichen Regierungen und ihrer Begier nach den weltlichen Besitzungen und Rechten der geistlichen Fürsten. Sicherlich wußte er, daß die weltlichen Regierungen, fürstliche und städtische, bereits tief in die geistliche Festung eingedrungen waren; vielleicht gerade darum stand er mit einer so düsteren Entschlossenheit, einer so tragischen Starrheit auf seinem verlorenen Posten.

Noch rückte er mit seinen angesammelten Urkunden nicht vor, aber er lehnte das listige Ansinnen des Herzogs ab, sein Kanzler zu werden, das dieser mit viel Erfolg bei den Bischöfen von Trient in Anwendung gebracht hatte, und trug sich mit dem Plane abzudanken und das Bistum einem bayrischen Prinzen zuzuwenden, in der Meinung, daß ein mächtiger Prinz aus dem Hause, das dem österreichischen von jeher feind war, dem Herzog wirksameren Widerstand entgegensetzen könne als er. Wie die Gegner sich so, zum Schlage ausholend, gegenüberstanden, kam es soweit, daß der Bischof den Herzog beschuldigte, ihm nach dem Leben getrachtet zu haben, und sich wie ein Verfolgter auf die Felsenburg Andraz zurückzog. Da ein mörderischer Angriff auf einen Bischof als todeswürdiges Verbrechen galt, war die Anklage bedenklich, und der Herzog wies sie entrüstet zurück. War sie ganz aus der Luft gegriffen? War sie die Folge einer durch die gegenseitigen Ränke erzeugten Nervosität oder ein Mittel im Kampfe?

Aufs äußerste gespannt war die Lage, als zwei für sie bedeutungsvolle Ereignisse eintraten, einmal daß im Jahre 1458 Enea Silvio Piccolomini zum Papst gewählt wurde, der als Freund und Bewunderer des Cusaners besonders nachdrücklich mit ihm zusammenwirken würde. Weicher und geschmeidiger als der unbeugsame Freund, gab er diesem bisweilen auch wider die eigene Ansicht nach, wie es ihm denn lieber gewesen wäre, wenn der Zwist zwischen dem Bischof und dem Herzog von Tirol sich gütlich hätte beilegen lassen. Er hatte nämlich als Papst seinen ganzen Ehrgeiz darauf gestellt, die Fürsten des Abendlandes zu einem Kreuzzug gegen die Türken zu vereinen, an dessen Spitze er selbst sich stellen wollte, obwohl er nicht mehr jung und gar nicht gesund war. Zu diesem Zweck berief er eine Fürstenversammlung nach Mantua, auf welcher Herzog Siegmund persönlich erschien, außerdem aber in bezug auf seinen anhängigen Streitfall durch Gregor von Heimburg vertreten war. Dies war das zweite Ereignis des Jahres 1458, daß Siegmund die Bekanntschaft des furchtlosen Syndikus von Nürnberg machte und in ihm den Mann entdeckte, der juristische Kenntnisse, Klugheit, Redegabe und Haß der päpstlichen Allgewalt für ihn einsetzen konnte. Wie mochte Pius II., so nannte sich der neue Papst, zumute sein, als er den einstigen Freund und Mitstreiter gegen sich in die Schranken treten sah! Der Verlauf des Konvents brachte ihm die trübe Einsicht, daß die Zeit vorüber war, wo päpstlicher Einfluß die Fürsten für ein Unternehmen gewinnen konnte, das ihnen keinen persönlichen Vorteil versprach. Gregor von Heimburg bekämpfte den Türkenkrieg, gerade weil es der Papst war, der ihn führen wollte.

Man müßte sich wundern, daß Gregor von Heimburg, der als Syndikus von Nürnberg die Gewalttätigkeit eines Fürsten so ernstlich bekämpft hatte, sich nun für das Machtstreben eines Fürsten einsetzte, wenn man nicht bedächte, daß er hier gegen den Absolutismus des weltbeherrschenden Papstes vorgehen konnte, den zu erschüttern das Ziel seines Lebens war. Unverkennbar wurde das Auftreten des Herzogs schroffer, seit er Heimburg in seinen Dienst genommen hatte. Nachdem Cusa den Herzog durch Drohungen gereizt hatte, wie daß er ihm die Brixener Lehen entziehen und sie dem Kaiser übertragen werde, schickte der Herzog ihm, um der Sache ein Ende zu machen, einen Absagebrief, überfiel ihn in Bruneck und zwang ihm einen für sich günstigen Vertrag ab. Cusa verließ sein Bistum und bewog den Papst, Herzog Siegmund, den er im Interesse seines Kreuzzuges viel lieber freundlich behandelt hätte, zu exkommunizieren. Heimburg verfaßte dagegen eine Appellation an einen künftigen Papst und ein künftiges Konzil, ja an die gesamte Herde unseres Herrn Jesu Christi, wie er sich ausdrückte, und an jeden, der sich unser erbarmen und das Recht eines niedriger Gestellten auch gegen zürnende höher Gestellte verteidigen will, endlich an alle Freunde der Gerechtigkeit und Unschuld. Es war eine unerhörte Herausforderung, denn eben erst hatte Pius II. die Bulle Execrobilis erlassen, in der er alle für den Bann verfallen erklärte, die an ein künftiges Konzil appellieren würden, womit er also die auf den Konzilien zu Konstanz und Basel aufgestellten Grundsätze verdammte. Heimburg appellierte an ein künftiges Konzil, aber nicht nur das, sondern auch von der sichtbaren Kirche an eine unsichtbare. Am Grünen Donnerstag des folgenden Jahres schaltete Pius die Exkommunikation des Herzogs und Heimburgs zwischen den altherkömmlichen Fluch über die Häretiker und den über die Seeräuber und Sarazenen ein.

Nachdem diese endgültige Verfluchung unter pompösen Zermalmungsandrohungen verhängt war, blieb alles wie zuvor. Der Herzog blieb Herzog, und Heimburg blieb sein Rat, das Volk starrte einen Augenblick auf die päpstlichen Blitze wie auf ein gemaltes Gewitter und ging dann wieder seinen Geschäften nach. Da doch etwas geschehen mußte, verfiel Pius II. auf die schweizerischen Eidgenossen als auf besonders getreue Söhne. Sie hatten zur Zeit des Konstanzer Konzils dem Vater des jetzigen Herzogs den Aargau weggenommen, freilich im Auftrage des Kaisers im Gegensatz zum damaligen Papst, und würden sich jetzt vielleicht bereitfinden lassen, Herzog Siegmund den Thurgau zu entreißen. Zwar hatte er sie aus irgendeinem Grunde kürzlich in den Bann getan, aber den hob er auf und ermunterte sie, die Exekution zu vollstrecken. Nicht sofort willigten die Eidgenossen ein, und nachdem sie sich schließlich aufgerafft und den Thurgau, des Herzogs letzte Besitzung in der Schweiz, erobert hatten, schlossen sie mit ihm Frieden. So hatte der Papst es nicht gemeint, er schalt und mahnte, allein vergebens, die Eidgenossen blieben verstockt. Der Kaiser, an den er sich nun wandte und mit dem der Papst so eng durch die Reichsgesetze und persönlich durch 210 000 Dukaten verbunden war, schlug doch den verwandtschaftlichen Zusammenhang höher an und weigerte sich, gegen seinen Vetter einzuschreiten. Die nun ergehende Vorladung Siegmunds, Heimburgs, sämtlicher anderer Räte des Herzogs, des Bischofs von Trient, des Kapitels von Brixen, der meisten Äbte Tirols, vieler geistlicher und weltlicher Herren, der Bürger aller Städte, fast aller Einwohner der Grafschaft Tirol nach Rom, wo sie wegen ihrer Rechtgläubigkeit in bezug auf den Artikel: ich glaube an eine heilige, katholische und apostolische Kirche, vernommen werden sollten, regte Heimburg zu witzigen Ausmalungen dieses Massenaufbruchs an. In seiner Entgegnung sagte er, man könne wohl glauben, daß eine Kirche sei, nicht aber könne man an eine Kirche glauben, denn man glaube nur an Göttliches, nicht an Erschaffenes, und bezeichnete damit die Kirche als eine menschliche Einrichtung. Es blieb dem Papst nur die Hoffnung auf die Wirkung einer Handelssperre, die als Folge der Exkommunikation eintreten sollte. Cusa selbst drängte darauf, daß alle nach Tirol führenden Wege gesperrt und alle Lebensmittel zurückgehalten würden, damit eine völlige Aushungerung die Hartnäckigen endlich niederzwänge. Pius scheute sich nicht, die Edelleute aufzufordern, daß sie, was sie ohnehin gern taten, die Handelsleute überfielen und ihnen ihre Waren, z. B. Salz und Wein, wegnähmen. Obschon auch die Sperre schwer durchführbar war, wie denn z. B. der Erzbischof von Salzburg erklärte, seine Untertanen müßten ohne von Tirol eingeführte Lebensmittel verhungern, ließen doch ihre in Tirol allmählich peinlich empfundenen Folgen den Herzog eine Beilegung des Streites wünschen. Da auf der anderen Seite der Papst mit Schrecken sah, wie wenig seine Bannflüche verfingen, schien eine von der Republik Venedig vorgeschlagene Vermittelung nicht mehr ganz aussichtslos. Der von ihr damit betraute Morosini, ein feiner und kluger Mann, suchte mit unsäglicher Geduld eine Verständigung herbeizuführen. Es spricht für Gregor von Heimburg, den er bei diesem Anlaß kennenlernte, wie hoch ihn der gebildete Venezianer schätzte. Dem päpstlichen Legaten gegenüber sprach er die Ansicht aus, daß der Papst und Cusa durch Humanität und Güte mehr ausrichten würden als durch Gewalt. »Ich muß bezeugen«, schrieb er, »daß mir der Herr Gregorius in einem ganz anderen Licht erschien, als er mir geschildert war, und ich glaube mit Recht überzeugt sein zu dürfen, daß ich alles durch seine Klugheit und Umsicht erreicht habe. Nicht nur der Herzog, sondern ganz Deutschland hält ihn für einen höchst gelehrten Mann und entschiedenen Freund der Wahrheit und des Friedens.« Diese eifrigen, wohlwollenden Bemühungen scheiterten an der Unversöhnlichkeit des Nikolaus von Cusa. Er blieb dabei, daß das Hochstift Brixen der Herr und der Herzog der Vasall sei; ohne Unterwerfung und Abbitte des Herzogs gestattete er dem Papst nicht, die Exkommunikation aufzuheben. Nachdem Venedig sich zurückgezogen hatte, nahm der Kaiser das Vermittelungswerk auf. »In der Tat, heiliger Vater«, schrieb er dem Papst, »wäre es Zeit, die Sache beizulegen. Die Autorität der Kirche verliert, wie wir sehen, zu sehr an Achtung. Es ist nötig in Berücksichtigung unserer Zeit von der Strenge ein wenig nachzulassen.« In Berücksichtigung unserer Zeit! Ja, das hatte sich gezeigt, daß der päpstliche Bannfluch einen Fürsten nicht mehr vom Throne schleudern konnte. Pius II. sah es ein, Cusa nicht. An seiner starren Haltung wäre die Vermittelung wohl wieder abgeglitten; da berührte den Knoten, den alles Zerren anstatt ihn aufzulösen nur desto fester zusammengezogen hatte, die Geisterhand des Todes, und er fiel schlaff auseinander: rasch nacheinander starben im Spätsommer 1464 erst Nikolaus von Cusa, dann Pius II. Gleich darauf wurden die Vorschläge des Kaisers angenommen. Siegmund beugte sich nicht; da er sich durchaus weigerte, Abbitte zu leisten, erbot sich der Kaiser zu einer stellvertretenden Demütigung vor dem Papst. Ob und in welcher Form sie ausgeübt wurde, steht nicht fest.

In dieser Versöhnung war Gregor von Heimburg nicht inbegriffen und suchte sie wohl auch nicht. Da sein Verhältnis zu Nürnberg schon seit einigen Jahren gelöst war, trat er durch Vermittelung Herzog Albrechts von Sachsen in Beziehung zu Georg Podiebrad, dem König von Böhmen, der als Kalixtiner den Gegner des Papstes gebrauchen konnte und mächtig genug war, den Verfemten zu schützen. Dieser bedeutende Fürst, den einige unternehmende Männer im Reich gern unter Beiseiteschiebung des schläfrigen Friedrich zum Kaiser gemacht hätten, war immer bereit, großartige Pläne auszuführen, die er selbst entwarf oder die andere ihm unterbreiteten. Er plante eine Organisation der abendländischen Fürsten, die der päpstlichen Macht die Waage halten könnte, er dachte sogar daran, die Türken aus dem vor kurzem eroberten Konstantinopel hinauszuwerfen und sich selbst zum oströmischen Kaiser zu machen. Wieder hatte Heimburg Gelegenheit, mit Rat und Schrift gegen die Gewaltherrschaft des Papstes zu wirken, der einen Feldzug gegen den hussitischen Böhmenkönig führte, wie Pius II. gegen Herzog Siegmund getan hatte, ihn in den Bann tat und seine Untertanen und die benachbarten Fürsten gegen ihn auf hetzte. Mathias von Ungarn, auch ein hochstrebender und begabter Mann, setzte sich schließlich, den Ermahnungen Gehör schenkend, in Bewegung und ließ sich zum König von Böhmen wählen; ein Krieg wäre zwischen den beiden mächtigen Emporkömmlingen des Ostens entbrannt, wenn nicht Georg Podiebrad dem Tod erlegen wäre. So war Gregor von Heimburg ohne Aufgabe und ohne Schutz. Albrecht von Sachsen, der Schwiegersohn des Verstorbenen, nahm ihn auf und brachte ihn nach Dresden; aber trotz der herzoglichen Gunst wollte die Stadt den Gebannten nicht bei sich dulden. Da entschloß sich der verlassene Kämpfer, die Absolution des Papstes zu suchen und erhielt sie auf Albrechts Befürwortung. Es war im Jahre 1472; bald darauf starb er.

Der Verlauf des Streites zwischen dem Herzog von Tirol und der Kirche zeigt, wie nah der Gedanke der Säkularisation geistlicher Güter den weltlichen Fürsten lag, wie sie, sowie es möglich schien, ihn grundsätzlich ergriffen und rücksichtslos durchzuführen versuchten, und was für ketzerische Gedanken in Verbindung damit laut, öffentlich dem Papst entgegengeworfen werden konnten. Es zeigte sich freilich auch, was für Kampfmittel dem Papst doch noch zur Verfügung standen, wie er Ehrgeizige, Unzufriedene und Habgierige zu benutzen wußte, und wie auch der Bannfluch dadurch lästig werden konnte, daß sich Feinde seiner zum Schaden des Betroffenen bedienten. Noch war ein Gebannter, wenn er nicht Fürst war, ein Ausgestoßener, für manches einfache Gemüt ein gebrandmarkter Frevler, für die vielen Niederträchtigen ein bequemes Ziel. Selbst ein so überzeugter Gegner des Papstes wie Gregor von Heimburg gab am Ende nach. War der einst so Tapfere müde geworden? Tat er es, um dem Herzog von Sachsen, dem einzigen, der ihm ein Asyl anbot, keine Schwierigkeiten zu machen? Oder war auch in ihm ein Gefühl geblieben oder wieder erwacht, das sich nach der Geborgenheit im Schoße der alten Mutter Kirche sehnte, die alle Christen des Abendlandes umfaßte und zu Brüdern machte?


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