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Während die überseeische Welt mehr und mehr in den Krieg mit uns hineingezogen wurde, eröffnete der Ausbruch der Revolution in Rußland im März 1917 die Aussicht auf eine Durchbrechung der feindlichen Koalition. Erinnerungen an den Siebenjährigen Krieg wurden wach, in dem in der Stunde der höchsten Gefahr dem großen König die Kunde kam von dem Tod seiner unversöhnlichen Feindin, der Kaiserin Elisabeth, und von dem Entschluß des neuen Zaren, den Krieg mit Preußen alsbald einzustellen.
Revolution in Rußland
Solche Hoffnungen sollten sich jedoch fürs nächste nicht erfüllen. Zwar waren die sozialistischen Massen, deren Aufstand das alte Regime gestürzt hatte, Gegner des Krieges. Aber die Regierung des Fürsten Lwoff, die sich auf den Trümmern der zaristischen Autokratie bildete, war eher eine Regierung der imperialistischen Liberalen als eine Regierung der den Frieden begehrenden Blassen. Vor allem der neue Minister des Auswärtigen, Herr Miljukow, versicherte gegenüber den Ententebotschaftern und in öffentlichen Reden, daß Rußland den Krieg bis zum Endsieg über Deutschland fortsetzen werde. Am 22. März 1917 erklärte er vor den Vertretern der russischen Presse: »Für uns ist ein entscheidender Sieg unerläßlich; die Liquidierung des Deutschen Reichs, ohne die eine Festigung der Ideen, für die wir kämpfen, unmöglich ist, ist heute t notwendiger und wichtiger denn je.
Die Entente suchte die Kriegsstimmung des revolutionären Rußland mit allen Mitteln zu steigern. Der Präsident Wilson sprach in seiner Kongreßbotschaft vom 2. April 1917 von den »wunderbaren und ermutigenden Ereignissen in Rußland«, durch die ein neuer würdiger Teilnehmer an dem »Ehrenbund« der Nationen entstanden sei. Jetzt, nachdem die Zarenherrschaft gestürzt war, die weder das demokratische England noch das republikanische Frankreich von dem Bündnis mit Rußland abgehalten hatte, ertönte in den Reihen unserer Feinde noch lauter als zuvor das heuchlerische Feldgeschrei »Demokratie gegen Autokratie«; den Russen wurde eingeredet, daß ein Sieg Deutschlands den Verlust ihrer neuen republikanischen Freiheit bedeute. Der Reichskanzler Gezeichnete in seiner Reichstagsrede vom 29. März 1917 diese Ausstreuungen als »eitel Lüge und Verleumdung« und betonte, daß wir nicht beabsichtigten, uns in die inneren Angelegenheiten Rußlands einzumengen, Er fügte hinzu, daß wir nichts anderes begehrten, als möglichst bald wieder mit dem russischen Volk in Frieden zu leben, »in einem Frieden, der auf einer für alle Teile ehrenvollen Grundlage aufgebaut ist«.
Friedenssehnsucht in Rußland
Einen Augenblick lang schien es, als ob die Friedenssehnsucht in Rußland die Oberhand gewinnen sollte. Unter dem Druck der in den Arbeiter- und Soldatenräten organisierten Massen beschloß die russische Regierung am 10. April eine Erklärung, in der es hieß:
»Die Verteidigung unseres eigentlichen nationalen Vaterlandes bildet die hauptsächlichste Aufgabe unseres Krieges. Die provisorische Regierung überläßt es dem Willen des Volkes, in enger Gemeinsamkeit mit unseren Verbündeten alle den Weltkrieg und seine Beendigung betreffenden Fragen endgültig zu entscheiden, hält es aber für ihr Recht und ihre Pflicht, schon jetzt zu erklären, daß das freie Rußland nicht das Ziel hat, andere Völker zu beherrschen, ihnen ihr nationales Erbe wegzunehmen und gewaltsam fremdes Gebiet zu besetzen, daß es vielmehr einen dauerhaften Frieden auf Grund des Rechtes der Völker, ihr Schicksal selbst zu bestimmen, herbeiführen will. Das russische Volk erstrebt nicht die Steigerung seiner Macht auf Kosten anderer Völker, es hat nicht das Ziel, irgendein Volk zu unterjochen oder zu erniedrigen.«
Aber obwohl die deutsche und die österreichisch-ungarische Regierung in offiziösen Erklärungen alsbald von dieser Kundgebung Akt nahmen und deren Übereinstimmung mit ihren eigenen Absichten feststellten, kam die Sache des Friedens nicht vom Fleck. Auch daß die deutschen Sozialdemokraten eine Resolution des russischen Kongresses der Arbeiter- und Soldatenräte, die am 14. April zugunsten eines allgemeinen Friedens ohne Annexionen und Entschädigungen gefaßt wurde, am 20. April mit einer Entschließung beantworteten, die sich für das gleiche Ziel aussprach, blieb ohne Wirkung; desgleichen die vom Reichskanzler am 15. Mai im Reichstag abgegebene Erklärung:
Vom U-Bootkrieg bis zur Friedensresolution
»Wenn Rußland weiteres Blutvergießen von seinen Söhnen fernhalten will, wenn es alle gewaltsamen Eroberungspläne für sich aufgibt, wenn es ein dauerndes Verhältnis friedlichen Nebeneinanderlebens zu uns herstellen will – ja dann ist es doch eine Selbstverständlichkeit, daß wir, die wir diesen Wunsch teilen, das dauernde Verhältnis der Zukunft nicht zerstören, seine Entwicklung nicht durch Forderungen unmöglich machen werden, die sich mit der Freiheit und dem Willen der Völker selbst nicht vertragen und die in das russische Volk selbst nur den Keim zu neuer Feindschaft legen würden.«
Zwar erzwang der Arbeiter- und Soldatenrat Mitte Mai eine Umbildung des Kabinetts, bei der Miljukow ausschied und Iverenski das Kriegs- und Marineministerium übernahm. Zwar stellte sich die neue Regierung grundsätzlich auf den Boden eines Friedens ohne Annexionen und Entschädigungen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Aber in derselben Kundgebung, die diese Grundsätze proklamierte, lehnte das neue russische Kabinett »jeden Gedanken an einen Sonderfrieden« ab und sprach die Erwartung aus, daß »das revolutionäre Heer Rußlands nicht die Vernichtung seiner westlichen Alliierten durch die deutschen Truppen gestatten wird, damit sich diese dann mit ganzer Macht auf Rußland werfen«.
Neue russische Offensive
Daß die neue russische Regierung gleichzeitig Schritte in Aussicht stellte, um ihre Verbündeten für einen Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu gewinnen, konnte die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, daß auch nach diesem Umschwung an einen Sonderfrieden mit Rußland, und damit an Frieden überhaupt, noch nicht zu denken war.
Eine in der ersten Maihälfte aus den Kreisen des russischen Arbeiter- und Soldatenrates angeregte vertrauliche Aussprache mit deutschen Vertretern an der Dünafront verlief unter diesen Umständen ergebnislos. 'Ja es gelang dem Druck der Ententemächte, das neue russische Kabinett zu veranlassen, gegen Ende Juni 1917 russischen Heere zu einer neuen großen Offensive gegen Deutschland vor zu schicken. Die Offensive war von Kerenski, der als Vertreter der revolutionären Massen in das Kabinett eingetreten war, vorbereitet und befohlen worden. Wenige Wochen nach ihrem Beginn ersetzte Kerenski den Fürsten Lwoff als Ministerpräsident. Die Auflehnung der Anhänger Lenins, der Bolschewisten, gegen die Kriegspolitik wurde blutig unterdrückt, Lenin selbst mußte sich längere Zeit hindurch verborgen halten.
So war es um die Mitte des Jahres 1917 offenkundig, daß der Friede mit Rußland, den man von der Revolution erhofft hatte, nur durch einen neuen Schlag gegen die russische Armee gebracht werden konnte.