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Vom U-Bootkrieg bis zur Friedensresolution des Reichstags

Der U-Bootkrieg und die Neutralen

Mit dem Scheitern der Friedensbemühungen und der Erklärung des uneingeschränkten U-Bootkriegs ist der Völkerkrieg in ein neues Stadium eingetreten. Der Anschluß der Vereinigten Staaten an unsere Feinde, der für eine Anzahl überseeischer Neutraler ein Vorbild zu gleichem Tun war, hat den Krieg eigentlich erst zum »Weltkrieg« gemacht.

Wilson beantwortete die Mitteilung über die Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkriegs nicht sofort mit einer Kriegserklärung; dazu wäre er nach der Verfassung der Vereinigten Staaten ohne Zustimmung des Kongresses nicht berechtigt gewesen. Er antwortete zunächst nur mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Am 3. Februar 1917 machte er in einer Botschaft dem Kongreß von diesem Schritt Mitteilung, Er fügte hinzu, daß er sich bis zum Beweis des Gegenteils weigere, zu glauben, daß Deutschland seine Ankündigung, die mit seinen in der Note vom 4. Mai 1916 gegebenen feierlichen Versprechungen in Widersprach stehe, tatsächlich wahr machen werde; sollte er sich darin irren, so werde er »den Kongreß um die Ermächtigung ersuchen, die Mittel anwenden zu können, die notwendig sind, um unsere Seeleute und Bürger bei der Verfolgung ihrer friedlichen und legitimen Unternehmungen auf dem offenen Meer zu schützen«.

Am 26. Februar richtete Wilson an den Kongreß eine Botschaft, die sich auf den Boden der »bewaffneten Neutralität« stellte und die Bestätigung seiner Vollmachten zur Bewaffnung der amerikanischen Handelsschiffe und zur Inanspruchnahme der erforderlichen Kredite nachsuchte. In einer weiteren Botschaft vom 3. April 1917 erklärte er die »bewaffnete Neutralität« für »mehr als unnütz«. Es entspreche der gewöhnlichen Klugheit, die deutschen U-Boote zu zerstören, ehe sie die Absicht eines Angriffs erkennen ließen; zudem leugne die deutsche Regierung das Recht der Neutralen, in der Sperrzone überhaupt Waffen anzuwenden, um die Rechte zu verteidigen, die kein moderner Jurist jemals bestritten habe. Er schlug vor, der Kongreß möge beschließen, »den Kriegszustand anzunehmen«, der Amerika von Deutschland auferlegt sei, und sofort alle Maßnahmen zu ergreifen, nicht nur um das Land in vollen Verteidigungszustand zu setzen, sondern auch um Deutschland die Bedingungen zur Beendigung des Krieges aufzuerlegen.

 

Kriegszustandserklärung Amerikas

Die Erklärung des Kriegszustandes mit Deutschland wurde am 4. April vom Senat mit 82 gegen 6, am 5. April vom Repräsentantenhaus mit 374 gegen 80 Stimmen beschlossen. Mit ähnlich starken Mehrheiten wurde am 29. April von beiden Häusern des Kongresses ein Gesetz angenommen, das die allgemeine Wehrpflicht einführte. Gleichzeitig wurde ein Kriegskredit von 7 Milliarden Dollar bewilligt, aus dem sowohl die eigenen Kriegsausgaben gedeckt, wie auch die Alliierten finanziell unterstützt werden sollten. Niemand konnte mehr im Zweifel sein, daß die Vereinigten Staaten ihre volle Kraft aufbieten würden, um der Koalition unserer Feinde zu helfen, uns niederzuzwingen.

So erfüllten sich die Befürchtungen derjenigen, die von der Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkriegs nicht nur den Abbruch der diplomatischen Beziehungen, sondern auch den Krieg mit Amerika, nicht nur eine Unterstützung der Entente mit Geld und Waffen, sondern auch das Einsetzen der ganzen amerikanischen Volkskraft erwartet hatten.

Aber Herr Wilson ging noch weiter: er machte den Versuch, die ganze bisher noch neutrale Welt gegen die Mittelmächte mobil zu machen.

Schon in seiner Botschaft vom 3. Februar 1917 hatte er verkündet, er nähme als ausgemacht an, daß alle neutralen Regierungen denselben Weg einschlagen würden wie die Vereinigten Staaten. Alsbald nach dem Abbruch der Beziehungen wandte sich die der Aufforderung, sich ihrem Vorgehen anzuschließen. Die europäischen Neutralen beschränkten sich jedoch darauf, unmittelbar bei der deutschen Regierung gegen den uneingeschränkten U-Bootkrieg Einspruch zu erheben, ohne weitere Konsequenzen zu ziehen. Am meisten gefährdet erschienen unsere Beziehungen zu Spanien; es gelang jedoch durch einige nicht unerhebliche Zugeständnisse, auch dieses Land so weit zu beschwichtigen, daß ein Bruch vermieden wurde.

Die Aufforderung der Vereinigten Staaten zu einem gemeinsamen Vorgehen wurde am schärfsten von der schwedischen Regierung zurückgewiesen. Sie erinnerte die Regierung in Washington daran, daß sie, die schwedische Regierung, mehrfach Vorschläge zu einem Zusammenarbeiten der Neutralen zwecks Aufrechterhaltung des Völkerrechts gemacht habe (Vorschläge, die in der Hauptsache gegen die völkerrechtswidrige Seekriegführung Englands gerichtet waren). Mit Bedauern habe sie aber feststellen müssen, »daß die Interessen der Vereinigten Staaten ihnen nicht gestatteten, sich diesen Vorschlägen anzuschließen«. In dem Ziel der Abkürzung der Übel des Krieges sei die schwedische Regierung mit der amerikanischen einig. Aber das von der amerikanischen Regierung gewählte Verfahren stehe durchaus im Gegensatz zu den Prinzipien, die bisher die Politik der schwedischen Regierung geleitet hätten; diese wolle in der Zukunft wie in der Vergangenheit den Weg der Unparteilichkeit und Neutralität gegenüber den beiden kriegführenden Gruppen weiter verfolgen und ihn nur dann verlassen, wenn die Lebensinteressen des Landes und die Würde der Nation dazu zwängen.

 

Verhalten der Neutralen

Auch in der Folgezeit bewahrten die europäischen Neutralen trotz der schwierigen Lage, in die sie durch den doppelten Druck des Handelskrieges unserer Feinde und des deutschen U-Bootkriegs gerieten, ihre Neutralität.

Dagegen folgten eine Reihe überseeischer Länder dem Beispiel der Vereinigten Staaten. Den Reigen eröffnete China, das sich schon im Februar 1917 auf den amerikanischen Standpunkt stellte, Mitte März auch formell die Beziehungen zu Deutschland abbrach und uns später (Anfang Mai 1917) den Krieg erklärte. China wurde durch den U-Bootkrieg unmittelbar kaum berührt. Es folgte lediglich dem Druck der Vereinigten Staaten, in denen es gegenüber den Gefahren, die seinem Bestände von Japan und anderen Angehörigen der uns feindlichen Koalition drohten, den einzigen Beschützer sah. Eine unmittelbare Unterstützung konnten unsere Feinde aus dem Beitritt Chinas kaum ziehen. Aber die Kriegserklärung Chinas an Deutschland eröffnete die namentlich von England heiß gewünschte Möglichkeit, alles, was die Tüchtigkeit und Intelligenz deutscher Kaufleute in Jahrzehnten auf chinesischem Boden an Handelsniederlassungen und geschäftlichen Beziehungen aufgebaut hatten, in Grund und Boden zu zerstören.

Ähnlich zu beurteilen ist auch das Abschwenken weiterer überseeischer Neutraler in das Lager unserer Feinde. Bolivia hatte sich schon gleich nach dem 3. Februar 1917 den Vereinigten Staaten angeschlossen. Cuba und Panama traten Anfang April der Erklärung des Kriegszustandes durch die Union bei. Kurz darauf, am 11. April, brach Brasilien aus Anlaß der Versenkung eines brasilianischen Dampfers die Beziehungen zu uns ab. Es folgten eine Reihe mittel- und südamerikanischer Republiken, so daß auf dem amerikanischen Erdteil schließlich nur noch Mexiko, Argentinien, Chile, Paraguay, Columbia, Venezuela und Salvador in der Neutralität verharrten. Auch das Königreich Siam, in dessen Häfen Deutschland seit langem bedeutende Handelsniederlassungen gegründet und entwickelt hatte, fügte sich dem Druck der Entente und erklärte uns ohne jeden Anlaß Ende Juli den Krieg.

In Europa vermochte Griechenland der von der Entente ausgeübten Erpressung nicht zu widerstehen. Am n. Juni 1917 sah sich König Konstantin, der mit bewundernswerter Unerschrockenheit an der Neutralität festgehalten hatte, zur Abdankung und zum Verlassen des Landes gezwungen. Damit war Griechenlands Übergang in das Lager unserer Feinde besiegelt.

So stand schließlich gegen uns und unsere drei Verbündeten die ganze Welt im Kampf, bis auf die drei skandinavischen Staaten, die Niederlande, die Schweiz, Spanien, Persien, Mexiko und einige südamerikanische Republiken.


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