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45. Walfischfänger.

Wieviel Wunder und Merkwürdigkeiten mag der Albatros auf seiner luftigen Bahn zeitlebens gesehen haben! Er beobachtet das Treiben auf dem Deck der großen Segelschiffe und sieht die schwarzen Rauchwolken aus dem Schornstein der Dampfer emporqualmen. Er gewahrt die plumpen Bewegungen der sechs Meter langen See-Elefanten auf dem Strandkies der Inseln Südgeorgiens im Osten von Kap Hoorn und schaut zu, wenn die schwarzen oder grauen Rücken der Walfische sich spielend über dem Wasser krümmen.

Gewiß hat er sich auch einmal nordwärts in den Atlantischen Ozean hinein verirrt und dort zugesehen, wie die norwegischen Walfischfänger den Blauwal angreifen, das größte aller jetzt lebenden Tiere; denn der Blauwal wird 27 Meter lang. Heutzutage benutzen die Walfischjäger starkgebaute, schnell und leicht zu steuernde Dampfer, von deren Vordersteven aus eine drehbare Kanone die Harpunen schleudert. Am Vorderende der Harpune sitzt eine Spitzgranate, die im Leib des Walfisches explodiert und ihn tödlich verwundet. Am Hinterende ist ein dickes Tau befestigt. Der Dampfer folgt dem Walfisch, bis er tot ist, dann wird das Tier mit der Dampfwinde an das Schiff herangezogen und nach der Walfischstation in einen Küstenfjord hineinbugsiert. Hier wird es abgespeckt, der Tran wird gekocht, in Tonnen gefüllt und dann in den Handel gebracht.

Schöner und weit gefährlicher war der Walfischfang, den die Vorfahren unseres Albatros einst in den nördlichen Meeren sahen, denn der Mensch ist seit tausend Jahren der ärgste Feind der Walfische, und einige Walarten sind schon fast ganz ausgerottet. Damals schossen die Jäger nicht mit einer Kanone, sondern warfen die Harpune mit kräftiger Hand. Jedes Schiff hatte mehrere Walfischboote ohne Kiel, die vorn und hinten spitz zuliefen, so daß sie beliebig vorwärts und rückwärts gerudert werden konnten. Sobald man in der Ferne einen Walfisch erblickte, wurden die Boote ins Wasser hinabgelassen. Jedes war mit sechs erfahrenen Jägern bewaffnet; der eine war Steuermann, der andere Harpunierer, und die übrigen saßen an den Rudern. Die daumendicke Harpunenleine lag sorgfältig wie eine Spirale aufgerollt bereit. Jeder von den sechs wußte von alters her, was er in jedem Augenblick zu tun hatte, daher war es an Bord mäuschenstill, und alle handelten ohne Kommando.

Nun rudert eins der Boote auf den Walfisch los, und aus etwa vier Meter Entfernung schleudert der Harpunierer seine scharfe Waffe dem Tier mit aller Kraft in die Seite. Die Harpune hat kaum ihr Ziel getroffen, so weicht das Boot wieder pfeilschnell zurück, denn jetzt steht das Leben auf dem Spiel! Haben die Jäger Unglück, so schlägt der Walfisch mit seiner wagerechten, ungeheuer starken Schwanzflosse von oben her auf das Boot und zertrümmert es mit einem Schlag, oder er bringt es durch eine Bewegung von unten zum Kentern. Meist aber denkt er nur an Flucht. Mit ungeheurer Geschwindigkeit sucht er die Meerestiefe, und die Harpunenleine läuft über die Messingrolle im Vorderende des Bootes so schnell ab, daß sie einen singenden Ton von sich gibt. Wehe dem Mann, der von ihr erfaßt wird, er wird mit hinabgerissen und ist verloren. Der Walfisch taucht mit einem Stoß bis zu vierhundert Meter Tiefe hinunter. Dort unten ist es still und dunkel, und hier verweilt er eine halbe oder wohl auch eine ganze Stunde, dann muß er wieder hinauf, um Atem zu holen. Die Leine verrät den Fängern, wo er ungefähr auftauchen wird, und dorthin rudert nun eines der übrigen Boote. Sobald sich der Wal wieder über der Oberfläche zeigt, saust eine zweite Harpune durch die Luft.

Jetzt ist der Walfisch viel zu atemlos, um wieder untertauchen zu können. Statt dessen schwimmt er auf dem Wasser geradeaus ins Meer hinein und peitscht die Wogen mit seiner Schwanzflosse, um sich von seinen Quälgeistern zu befreien. Aber so verzweifelt schnell er auch dahinsaust, so hoch die Schlagwellen ihn auch umschäumen – die Boote zieht er mit. Die Männer haben ihre Leine eingezogen, und die Boote sind dem Walfisch schon ganz nahe, aber noch ist höchste Aufmerksamkeit geboten, um die Leine wieder zu lockern, falls der Walfisch nochmals untertauchen sollte. Das Schicksal der Bemannung liegt in der Hand des Steuermanns. Die Vordersteven der Boote zeigen hoch in die Luft, und um sie herum schäumt das Wasser hoch auf. So schießen sie hin über den Ozean, bei Tag oder bei Nacht, gleich fliegenden Fischen, über den Wellenkämmen auf und nieder. Mit angespannten Muskeln, zusammengebissenen Zähnen und unverwandtem Blick folgen die Jäger jeder Bewegung des verwundeten Tieres und ihres Bootes.

Jetzt nimmt die Geschwindigkeit des Walfisches ab, er beginnt zu ermatten und ist schließlich ganz erschöpft. Seine Bewegungen werden ungleichmäßig, er macht halt, windet und wirft sich an der Oberfläche hin und her und schlägt mit dem Schwanz um sich, daß das Spritzwasser weit umherrauscht. Da nähert sich ihm eines der Boote. Eine lange Lanze wird dem Tier metertief in der Herzgegend ins Fleisch gestoßen oder wohl auch ein Sprengschuß auf ihn abgefeuert. Sind die Lungen getroffen, so sendet der Walfisch durch die Nasenlöcher einen Blutstrahl durch die Luft, er »hißt die rote Flagge«, wie der Jäger sagt. Damit ist sein Schicksal besiegelt, er hat sich ergeben, und bald zeigen die Todeszuckungen, daß wieder einer der Riesen des Meeres seinem weiten Reich auf ewig Lebewohl sagt.

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