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Die Rückreise gestaltete sich gefährlicher als die Ausfahrt. Am 12. März 1493 erhob sich ein gewaltiger Sturm. Alle Segel mußten eingezogen werden, und die beiden von den Wellen wild hin und her geworfenen Schiffe verloren einander aus dem Gesicht. Die »Niña« stampfte so entsetzlich, daß die ganze Bemannung den Untergang vor Augen sah und sich auf den Tod vorbereitete. Auch Kolumbus hoffte nicht mehr, die Kunde von seiner Entdeckung nach Europa bringen zu können. Damit sie aber nicht mit ihm in den Wellen begraben werde, schrieb er einen Bericht auf Pergament, das, mit einem Wachsüberzug versehen, in einer Tonne geborgen wurde; die Tonne vertraute er dem empörten Meere an. Die abergläubischen Matrosen hielten das für eine Opfergabe zur Besänftigung des Sturmes, und der Ausgang schien ihnen recht zu geben: Wind und Meer beruhigten sich wieder, und einige Tage später erreichte die »Niña« glücklich die südlichste der Azoren. Von hier setzte sie dann die Fahrt nach der Tajomündung und nach Lissabon ungefährdet fort.
Am 15. März erschallte in der Hafenstadt Palos grenzenloser Jubel, die Bewohner strömten in dichten Scharen zum Kai hinunter, und alle Kirchenglocken läuteten: das berühmteste aller Schiffe der Erde, die »Niña« mit Kolumbus, war soeben im Hafen eingelaufen. Am Abend dieses Tages kam auch die »Pinta« mit vollen Segeln angefahren, aber der Empfang, der ihr wurde, war ein wesentlich anderer. Man wußte bereits, daß Pinzon, der fest darauf rechnete, Kolumbus sei bei jenem Sturm in den Wellen untergegangen, den ganzen Ruhm der Entdeckung Amerikas für sich in Anspruch zu nehmen beabsichtige; aber kein Mensch kümmerte sich um ihn, und wenige Tage darauf starb er, wahrscheinlich aus Wut und Erbitterung.
In Sevilla empfing den Entdecker eine Einladung des spanischen Königs Ferdinand und der Königin Isabella, die damals in Barcelona weilten. Seine Reise durch Spanien war ein einziger Triumphzug, und jede Stadt brachte ihm begeisterte Huldigung. In glänzendem Zuge führte man ihn durch die Straßen, und vor ihm her schritten sechs kupferbraune »Indier« mit bunten Federn im Stirnband. Auf den Wogen der Begeisterung ging der Name Christoph Kolumbus von Land zu Land, hatte er doch Spanien neue Länder geschenkt und einen bequemen Seeweg nach dem fernen Indien entdeckt, und zwar gerade zu einer Zeit, als die Portugiesen nach einem solchen Weg um Afrikas Küste herum eifrigst suchten. In Barcelona wurden ihm alle seine Titel und Vorrechte feierlich bestätigt. Jetzt war er wirklich Großadmiral über den Ozean und Vizekönig von Indien – jetzt stand er auf dem Gipfel menschlichen Ruhmes.
Nur zu bald aber begann die Zeit der Widerwärtigkeiten.
Auf seiner zweiten Reise, die Kolumbus mit siebzehn Schiffen unternahm, entdeckte er die nördlichen Antillen bis Portoriko und kam jetzt auch mit Menschenfressern in Berührung. In Kuba vermutete Kolumbus nunmehr wirklich, das Festland Asiens betreten zu haben, und er war überzeugt, daß man von hier aus trocknen Fußes nach Spanien wandern könne, wenn man Marco Polos Spuren folge. Seine Niederlassung auf Haïti fand er zerstört, die zurückgelassenen vierzig Matrosen waren von den Eingeborenen getötet worden. Auch unter seiner eigenen Mannschaft herrschte Unzufriedenheit, und die Eingeborenen begannen jetzt, sich heftig der fremden Eindringlinge zu erwehren. Obendrein schossen Rivalen seines Ruhmes wie Pilze aus der Erde, und in der Heimat zogen die Verleumdungen wie finstere Wetterwolken gegen ihn herauf.
Als er von dieser seiner zweiten Reise wieder in Spanien landete, begrüßte ihn kein Jubel mehr. In Portugal war ihm mittlerweile ein gefährlicher Nebenbuhler erwachsen; Vasco da Gama hatte 1497 den richtigen Seeweg nach dem wirklichen Indien entdeckt, indem er Südafrika umsegelte, und dieser Erfolg reichte hin, um in jener Zeit die Heldentaten des Kolumbus völlig zu verdunkeln. In Indien fand man unermeßliche Reichtümer – die armseligen Inseln des Kolumbus hatten dagegen nur Geld, Schiffe und Menschenleben gekostet!
Mit eiserner Willenskraft überwand Kolumbus aber noch alle die sich ihm entgegenstemmenden Hindernisse und segelte zum dritten Male nach seinem falschen Indien. Diesmal hielt er südlicheren Kurs und entdeckte die Insel Trinidad. Hier stellte er fest, daß das Wasser zwischen der Insel und der Küste Venezuelas süß war, und schloß daraus richtig, daß sich dort ein großer Fluß ins Meer ergießen müsse. Dieser Fluß war der Orinoco im Norden von Südamerika.
Auf Haïti brach wiederum Aufruhr aus, und die Feinde des Kolumbus sandten ihre Klagen gegen ihn nach der Heimat. Spanien schickte einen königlichen Bevollmächtigten ab, um eine Untersuchung einzuleiten, und dieser hatte nichts Eiligeres zu tun, als den Admiral fesseln zu lassen und ihn in Ketten nach Hause zu schicken! Dem Kapitän des Schiffes, das ihn zurückbrachte, schien diese Behandlung denn doch zu grausam, und er wollte den berühmten Entdecker, so lange er an Bord sei, von seinen Fesseln befreien. Aber Kolumbus duldete das nicht; er wollte gefesselt bleiben, und seine Ketten wollte er sein Leben lang aufbewahren »als Erinnerung an den Lohn, den er für seine Dienste erhalten«.
So schritt der ehemalige Triumphator jetzt mit eisernen Ketten durch die Straßen der Stadt Cadiz. Aber dieses Schauspiel weckte den Unwillen der Bevölkerung, und bei Hofe empfing man ihn wieder einigermaßen freundlich. Es gelang ihm sogar, die Ausrüstung zu einer vierten Reise zu erhalten, auf der er den Ozean in neunzehn Tagen durchquerte. Der neue Gouverneur der von Kolumbus entdeckten Inseln verbot ihm aber die Landung, und Kolumbus steuerte nunmehr westwärts, erreichte die Küste der jetzigen Provinz Honduras und fuhr südwärts längs der Küste von Nicaragua hin, in dem festen Glauben, dies sei Malaka, und er müsse, weiter südlich eine Durchfahrt nach dem eigentlichen Indien finden. Statt aber weiterzufahren, segelte er nach Kuba zurück. Ein Sturm verschlug ihn nach Jamaika, und hier mußte er in der äußersten Not seine Schiffe auf den Strand laufen lassen. Einer seiner Getreuen ruderte nun in einem Kahn vier Tage und Nächte über das offene Meer nach Haïti, um von dort Hilfe zu holen.
Inzwischen waren die Schiffbrüchigen übel daran. Die Eingeborenen verweigerten ihnen nicht nur jeglichen Beistand, sondern, bedrohten sie noch obendrein, und Kolumbus mußte zu einer List seine Zuflucht nehmen. Es stand gerade eine Mondfinsternis bevor. Er erklärte also den Eingeborenen, der Gott der Spanier werde ihnen auf immer das Mondlicht rauben, wenn sie ihm und seinen Leuten keine Unterstützung gewährten. Zum Entsetzen der Wilden folgte seinen Worten alsobald die Tat: der Schatten der Erde legte sich immer weiter über die Scheibe des Mondes! Da fielen die Eingeborenen dem mächtigen Zauberer zu Füßen und versprachen ihm alles, was er nur haben wolle. Erst tat Kolumbus so, als wenn er sich die Sache noch überlegen müsse; dann aber ließ er sich durch ihr Flehen rühren und versprach ihnen, daß sie ihren Mond behalten sollten. Und richtig: der Erdschatten schob sich nun langsam wieder von der Mondscheibe herunter und ließ das Gestirn so blank wie einen silbernen Schild hinter sich zurück.
Aus Jamaika schrieb Kolumbus einen seltsamen Brief an den spanischen Hof. Er berichtete darin, eines Nachts habe ihm eine geheimnisvolle Stimme ins Ohr gerufen: »Oh, du Tor, der du so säumig bist, zu glauben und deinem Gott zu dienen! Was hat er mehr für Moses oder für David getan? … Dir hat er Indien geschenkt! Du hast die Schlüssel zu den Toren des Ozeans erhalten, die mit gewaltigen Riegeln versperrt waren! In vielen Ländern gehorchte man dir, und du erwarbst dir einen ruhmvollen Namen in der ganzen Christenheit.« Voller Bitterkeit bricht dann Kolumbus in die Worte aus: »Laßt diejenigen, die nur immer alles bemäkeln und tadeln müssen und dabei hübsch warm zu Hause sitzen, immerhin fragen: Warum hast du dies und das bei dieser oder jener Gelegenheit nicht getan? Ich kann ihnen nur wünschen, sie hätten meine Reise selbst mitgemacht!«
Endlich erhielt er von Spanien Hilfe, und im Jahre 1504 kehrte er wieder heim. Aber niemand kümmerte sich mehr um ihn! Seine Güter wurden eingezogen, und seine Titel erhielt er nicht wieder. Man weigerte sich sogar, seinen Begleitern den rückständigen Sold auszuzahlen! Frühere Freunde kannten ihn nicht mehr.
Gicht und Gram warfen ihn in Sevilla aufs Krankenlager, und einsam und durch Enttäuschung und Kummer gebrochen starb er im Jahre 1506 in Valladolid. Niemand beachtete sein Hinscheiden. Keine einzige Chronik aus jener Zeit hat ein Wort über den Tod des großen Entdeckers verzeichnet! In aller Stille begrub man ihn in Valladolid; nachher überführte man seine Leiche in eine Klosterkirche zu Sevilla. – Ein halbes Menschenalter später brachte man sie zu Schiff nach Santo Domingo auf Haïti, und dort durfte nun Kolumbus 250 Jahre in Frieden schlummern, bis man ihn in der Kathedrale zu Havanna auf Kuba beisetzte. Beim Verluste Kubas an die Vereinigten Staaten nahmen die Spanier 1899 die Gebeine ihres großen Entdeckers mit in die Heimat. In der Kathedrale von Sevilla ist über Kolumbus' letzter Ruhestätte ein prächtiges Grabmal errichtet. –
Kolumbus war ein hochgewachsener, kräftig gebauter Mann mit einer Adlernase, sommersprossiger Haut, hellblauen Augen und rotem Haar, das früh durch vieles Denken und große Sorgen weiß wurde. Die Bewunderung und – die Kleinlichkeit vier langer Jahrhunderte haben sein ganzes Leben und seinen Charakter in allen Einzelheiten zergliedert. Einige sahen in ihm einen Propheten, einen Heiligen, andere nannten ihn einen schlauen Abenteurer, der Toscanellis Plan gestohlen habe, um sich selber Macht, Ruhm und Reichtümer zu verschaffen. Als aber vor nunmehr zwanzig Jahren die vier Jahrhunderte seit der Entdeckung Amerikas vollendet waren, erhielt Kolumbus überreiche Genugtuung; die ganze Welt feierte sein Andenken. Und mit Recht! Denn er hat wie kein zweiter Entdecker vergangener Zeiten noch ungeborenen Generationen neue Lebensgebiete erschlossen, er hat den Kreis der Erde um ungeheure Räume erweitert und die Weltgeschichte in neue Bahnen gelenkt.
Wie aber kam Amerika zu seinem Namen, der uns heute nichts mehr von dem Entdecker dieses Erdteils verrät? Schon zwei Jahre vor dem Tode des Kolumbus hatte Amerigo Vespucci aus Florenz, der viermal den Ozean überquert hatte, die Vermutung ausgesprochen, daß hier gar nicht von Asien, sondern von einer neuen Welt, im Gegensatz zur alten, die Rede sein könne. Daraufhin machte ein deutscher Schullehrer, der ein geographisches Lehrbuch schrieb, in der Einleitung dazu den Vorschlag: »Da der vierte Weltteil von Amerigo Vespucci ( Americus Vesputius) gefunden worden ist, sehe ich nicht ein, was uns hindern sollte, ihn nach dem Entdecker Amerigo oder Amerika zu nennen.« Dieser Vorschlag fand allgemein Anklang. Zu spät sah man ein, daß Kolumbia der richtige Name gewesen wäre.
Schlag auf Schlag folgte nun eine Entdeckung der anderen, und Amerikas Küsten nahmen auf See- und Landkarten nach und nach die uns so wohlbekannte Gestalt an. Nur bei einer der großartigsten Reisen, die die Weltgeschichte kennt, wollen wir einen Augenblick verweilen. Im Jahre 1519 segelte der Portugiese Magalhães mit fünf Schiffen längs der Ostküste Südamerikas südwärts und entdeckte dabei die Meeresstraße, die noch seinen Namen trägt. Aber was noch viel wichtiger war: er fand in dieser Meerenge endlich die westliche Durchfahrt nach dem ersehnten Indien. Ein schier endloses Meer überquerte er, aber das Wetter begünstigte ihn und keine Stürme bedrohten seine Schiffe. Daher nannte er dieses Meer den »Stillen Ozean«. Nach vier Monate langer Fahrt auf offenem Meer, und nachdem die Besatzung unter Hunger und Krankheit viel zu leiden gehabt hatte, erreichten schließlich drei der Schiffe die Philippinen. Hier landete Magalhães mit einer kleinen Schar, wurde aber von den Eingeborenen am 27. April 1521 überfallen und getötet. Nur eines der Schiffe, die »Victoria«, kehrte in ihre Heimat zurück; dieses Schiff war demnach das erste, das die Erde umsegelt hat.
Im Laufe der nächsten Jahrhunderte faßten nun die Weißen immer festeren Fuß in dem neuen Erdteil. Die Indianer wurden in die Wildnis zurückgedrängt, und in Nordamerika sind sie jetzt nahe daran, ganz vom Erdboden zu verschwinden. Unter französischer und später unter englischer Herrschaft entwickelten sich gerade die Teile Nordamerikas zu ungeahnter Macht und ungeheuerm Reichtum, die von den Spaniern verschmäht worden waren, als sie in unersättlicher Gewinnsucht an nichts anderes dachten, als an das Gold und die Schätze der Inseln und Küsten, die noch heute Westindien heißen.