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Wenige Tage nach seinem Empfang bei Montezuma erhielt Cortez von der Küste her die Nachricht, daß seine Niederlassung dort überfallen, zwei der Spanier getötet und ihr Befehlshaber tödlich verwundet worden seien. Hier war Verrat im Spiel, und Cortez zweifelte keinen Augenblick, daß dieser Überfall nicht ohne Wissen des Königs Montezuma erfolgt sei. Er verlangte daher von diesem nicht nur Bestrafung der Übeltäter, sondern entschloß sich kurzerhand, sich des Königs Person zu bemächtigen, um so die vornehmste Geisel für seine eigene Sicherheit in Händen zu haben.
Montezuma bot erst seinen Sohn und seine Töchter als Geiseln an; da aber Cortez damit nicht zufrieden war und mit Gewalt drohte, begab sich der König in die Gefangenschaft der Spanier, und als das Volk Miene machte, den König befreien zu wollen, beruhigte er selbst es mit der Versicherung, daß er sich freiwillig seinem Gast als Geisel ausliefere.
Die Spanier behandelten übrigens ihren Gefangenen mit allen ihm zukommenden Ehren, und er führte seinen Hofhalt wie im eigenen Palast. »So gut war die Behandlung, die ich ihm erwies,« erzählt Cortez selbst, »und so groß seine Zufriedenheit mit mir, daß ich es wagen konnte, ihn mit der Freiheit zu reizen, ja ihn zu bitten, er möge doch wieder in seine eigene Wohnung zurückkehren. Er aber wollte nicht fortgehen, denn er habe beschlossen, Euer Majestät Vasall zu werden, und er wolle seine Untertanen davon überzeugen.«
Der Verdacht des Cortez gegen Montezuma war nur zu wohl begründet. Als der aufrührerische Kazike, der die spanische Niederlassung überfallen hatte, durch des Königs Abgesandte nach Mexiko gebracht und nebst seinem Sohn und fünfzehn Hauptleuten von Cortez zum Feuertode verurteilt wurde, gestanden er und seine Genossen auf dem Scheiterhaufen, daß sie nur auf des Königs Gebot also gehandelt hätten. Zur Strafe dafür ließ Cortez den hinterlistigen Montezuma als den Anstifter des Verrats in Fesseln legen, die schlimmste Demütigung, die er dem Könige vor seinem Volke antun konnte. Als er ihm darauf die Freiheit schenkte, wagte Montezuma nicht mehr, den Schutz der Spanier zu verlassen, und blieb in dem ihm angewiesenen Palast.
Als dann der Neffe des Königs, der Fürst einer großen benachbarten Stadt, die etwa 150 000 Einwohner zählte, der unwürdigen Behandlung des Landesherrn ein Ende machen wollte, wurden die Verschworenen auf Montezumas eigenen Befehl verhaftet, und angesichts der Vornehmsten seines Volkes huldigte nun der König in feierlicher Form dem Beherrscher Spaniens. Die alte Prophezeiung von der Wiederkehr des Lichtgottes, versicherte er jetzt in öffentlicher Versammlung seinen Untertanen, sei in Erfüllung gegangen, und das ganze Volk solle nun dem General jenes großen Königs Karl dienen und ihm die geforderten Abgaben entrichten.
Wohl oder übel gehorchten die Azteken dem Befehl ihres Königs, und monatelang durchstreiften die Spanier ungefährdet das Land, um es zu kolonisieren und allenthalben die Steuern für den König Karl in Form von Gold und Kleinodien einzutreiben. Im geheimen aber ging die Empörung durch das Land und wartete nur auf den günstigen Moment loszubrechen, denn Cortez hatte nicht nur die geheiligte Person des Königs verunglimpft, er hatte auch als guter Christ scharfe Maßregeln gegen die Menschenopfer der Azteken ergriffen. Und dieser von den Indianern ersehnte Augenblick war nahe.
Der beleidigte Stolz und die Rachsucht des Statthalters Velazquez hatten nicht geruht, und eine Expedition zur Gefangennahme und Bestrafung des Abtrünnigen war auf dem Wege. Achtzehn Schiffe hatte Velazquez mittlerweile ausgerüstet, und mit achtzig Pferden, achthundert Mann und siebzehn Kanonen, also mit einer weit größeren Heeresmacht, als Cortez je besessen hatte, stieg plötzlich der Bevollmächtigte des Statthalters, der Hauptmann Panfilo Narvaez, in der Nähe von Vera Cruz ans Land.
Bei seiner gefährlichen Lage, deren sich Cortez wohl bewußt war, wirkte diese Nachricht auf ihn und seine Leute wie ein plötzlicher Donnerschlag. Erst versuchte er, sich friedlich mit dem Gegner zu verständigen. Aber Narvaez ließ die ihm zugesandten Boten festnehmen, horchte sie über die Lage des Cortez aus und forderte seine Unterbefehlshaber und indianischen Verbündeten auf, zu ihm überzugehen, da er, Narvaez, allein der vom Könige von Spanien bestätigte General und stellvertretende Gouverneur sei.
Das plötzliche Auftauchen dieses Prätendenten drohte nicht nur Cortez um die ganzen Früchte seiner Anstrengungen zu betrügen, sondern mußte auch die wenigstens angebahnte friedliche Eroberung des Landes für die spanische Krone gänzlich in Frage stellen. Und wenn sich die neuen Ankömmlinge mit den grollenden Azteken verbanden, war Cortez verloren.
Hier half nur ein kurzer Entschluß. Der Befehlshaber von Vera Cruz hatte sich durch das Auftreten des Narvaez nicht verblüffen lassen, sondern dessen Gesandte gefesselt auf dem Rücken mexikanischer Lastträger Cortez zugesandt. Nachdem dieser sie freundlich aufgenommen hatte, waren sie bald für ihn gewonnen und berichteten ihm, daß auch die Soldaten des Narvaez ihm keineswegs übel gesinnt seien. Da war keine Zeit zu verlieren. Cortez ließ daher den König Montezuma und die in seinem Quartier aufgehäuften Schätze unter der Aufsicht von hundertfünfzig Mann in Mexiko zurück, eilte mit dem Rest seiner Getreuen, im ganzen mit einer Streitmacht von zweihundertsechzig Spaniern und zweitausend Indianern Narvaez entgegen, überfiel ihn in der Nacht und nahm ihn gefangen. »Als wir eindrangen,« erzählt Bernal Diaz, »war es stockfinster und es regnete stark, und erst später ging der Mond auf; aber auch die Finsternis war uns von großem Nutzen, denn in der dunklen Nacht flogen eine Menge Leuchtkäfer umher, die von Narvaez' Leuten für Lunten zum Losbrennen der Musketen gehalten wurden und ihnen daher einen ganz besonderen Begriff von der großen Zahl unserer Feuergewehre beibrachten.«
Den gefangenen Hauptmann und seine Freunde sandte Cortez unter starker Bedeckung nach Vera Cruz; die übrigen Soldaten gingen ohne Widerstand zu ihm über, und für die zwei von Cortez' Leuten, die in dem kurzen Nachtkampf geblieben waren, sah der kühne Feldherr jetzt seine Streitmacht um achthundert Mann und achtzig Pferde verstärkt. Die Indianer kamen erst am andern Morgen an; Cortez hatte sie nicht an dem Kampfe teilnehmen lassen wollen, damit sie nicht die Niederlage der Weißen sähen und nun auch an seiner Unüberwindlichkeit zweifeln sollten. Der Nimbus, der in den Augen der Indianer die Weißen wie überirdische Wesen schützend umgab, war sowieso schon im Weichen begriffen.
Aber kaum war Cortez dieses Sieges froh geworden, als eine noch weit schlimmere Botschaft aus Mexiko eintraf. Der Befehlshaber der dortigen Besatzung hatte in leichtsinnig herausfordernder Strenge bei einem indianischen Opferfest sechshundert junge vornehme Azteken niedermetzeln lassen, weil sie einen Aufruhr zu Montezumas Befreiung angezettelt hätten. Da war die Geduld der langmütigen Indianer zu Ende, die ganze Stadt war in Aufruhr geraten, und die Indianer belagerten nun das kleine Häuflein der Spanier, die sich ohne Entsatz unmöglich lange halten konnten.
Schleunigst kehrte Cortez nach Mexiko zurück. Die sonst so lebhafte Stadt schien wie ausgestorben, und kaum hatte er sein zum Glück jetzt so stattliches Heer in den umliegenden Palästen einquartiert und das Lager befestigt, als der Kampf begann.
Unter ohrenbetäubendem Kriegsgeschrei machten die unübersehbaren Massen der Indianer einen Angriff auf die spanische Festung, und hätte Cortez nicht seine Kanonen gehabt, so wäre er mit seiner ganzen Schar von der Wucht und Übermacht dieses verzweifelten Ansturms erdrückt worden. Die Brustwehren und Hauswände starrten von Pfeilen und Wurfgeschossen, und die Höfe der Paläste waren mit Haufen von Wurfsteinen bedeckt. Auch waren die Azteken keineswegs zu verachtende Soldaten, die ohne Ordnung und Disziplin in den Kampf liefen. Ihre Wehrmacht war fast nach europäischen Begriffen in Kompanien und Bataillone geteilt und hatte die verschiedensten Rangstufen. Die gemeinen Soldaten schützten sich durch einen Baumwollpanzer gegen leichtere Wurfgeschosse; die Vornehmen aber hüllten sich in silberne oder goldene Brustharnische und trugen hölzerne, federgeschmückte Helme. Neben Pfeil und Bogen führten sie Schwerter, Keulen und Lanzen, und sie waren obendrein große und starkgebaute Leute, mit denen die Europäer ohne ihre überlegenen Feuerwaffen sich kaum hätten messen können.
Am folgenden Tag machte Cortez mit seinen gefürchteten Reitern einen Ausfall, aber die rotbraune Menschenmauer, die seine Festung belagerte, schien nur immer zu wachsen, obgleich die Indianer von den Flinten- und Kanonenkugeln in Reihen niedergemäht wurden; die Artilleristen brauchten gar nicht zu zielen, sondern nur aufs Geratewohl ihre Feuerschlünde in die hellen Haufen der Andrängenden hineinzurichten. Aber mit Todesverachtung drängten immer neue Scharen der Feinde vor, und von den Dächern der Häuser hagelten schwere Steine auf die Weißen herab. Vergebens, daß Cortez die nächsten Häuser niederbrennen ließ – es waren ihrer zu viele, und das Feuer verbreitete sich nicht, da es immer schnell von dem nächsten Wassergraben eingedämmt wurde.
Noch immer hatten die Spanier den König Montezuma in ihrem Gewahrsam, und da er offenbar an dem Aufruhr der Stadt unbeteiligt war, hatten sie ihn nach wie vor freundlich behandelt. Da Cortez nun einsah, daß er ohne Zufuhr von Lebensmitteln und Trinkwasser inmitten des Feindes mit seinem ganzen Heer elend umkommen müsse, blieb nichts übrig als der Rückzug, und Montezuma sollte nun den Unterhändler abgeben. Er wurde auf das Dach eines Hauses geführt, um von seinen eigenen Untertanen den freien Abzug der Spanier zu erwirken.
Aber der König hatte durch die schmachvolle Gefangenschaft bei den Weißen sein Ansehen bei dem Volke verloren, und man hatte bereits seinen Bruder zu seinem Nachfolger erwählt. Als er jetzt, ein entthronter König, im vollen Schmuck seiner bisherigen Würde zu den Seinen von der Freundschaft der Spanier und ihrem beabsichtigten Rückzug sprach, schimpfte man ihn einen Feigling, und statt einer Antwort schleuderte man Steine und Geschosse auf ihn, so daß er schwerverwundet zusammenbrach.
Als Montezuma aus seiner Betäubung erwachte und sich der Demütigung bewußt wurde, die er von seinem Volke erlitten hatte, riß er sich den Verband von seiner Wunde herunter, und drei Tage später war er tot.
Das war am 30. Juni 1520. Cortez ehrte den um seinetwillen gefallenen Aztekenkönig. Durch gefangene Indianer ließ er den Feinden den Leichnam zur Bestattung übergeben, die auch seinem Range gemäß erfolgte. Aber mit dem Tode Montezumas gab es nichts mehr, was die Indianer noch zur Schonung hätte bewegen können, und sie schworen, die Waffen nicht eher niederzulegen, als bis der letzte Spanier gefallen sei.