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26. Cortez auf dem Wege nach Mexiko.

Cortez wußte von dem Lande, das vor ihm lag, nichts weiter, als daß hundert Stunden in das Innere hinein ein mächtiges Indianerreich liege, in dessen Mitte, in einem unzugänglichen See erbaut, eine große goldene Stadt mit tausend Türmen throne. Ein blutgieriger König namens Montezuma herrsche über dieses Reich und hüte die goldene Stadt, und die Indianer der Küste wußten ihm nicht genug von der unbegrenzten Macht dieses Aztekenfürsten zu erzählen. Das ganze Land weit und breit zolle ihm Tribut an Gold, Kleinodien und – jungen Menschen, die zu Hunderten den Götzen der Azteken geopfert würden.

Meilenweit seufzte die indianische Bevölkerung unter dieser Blutherrschaft – ein ungemein glücklicher Umstand für den klugen und kühnen Spanier, den man schon in Cempoalla, der ersten großen Indianerstadt nahe der Küste, als den langersehnten Befreier vom blutigen Joch der Azteken mit offenen Armen aufnahm.

Aber Cortez war vorsichtig und mißtrauisch, doch nahm er die ihm entgegengebrachte Freundschaft der Indianer gern an. Jenseits des Meeres, über das er gefahren, so erzählte er den Rothäuten, herrsche noch ein weit mächtigerer Fürst als Montezuma, voll Wohlwollen und Güte, und er sei gekommen, um die Huldigung der Indianer für seinen großen Kaiser entgegenzunehmen. Keine Menschen- und Blutopfer verlange dieser Herrscher jenseits des Meeres – nichts weiter als Gold. Und Cortez war vorsichtig und menschlich genug, diesen Tribut in Gold den Eingeborenen nicht mit Gewalt abzuzwingen; unter seinen Begleitern hielt er strenge Manneszucht und gestattete den Farbigen gegenüber weder Roheiten noch Grausamkeiten. So kam er auf den ersten Etappen seiner Expedition mit den Eingeborenen friedlich aus. An die Zahlung von Tribut waren sie ja gewöhnt, und sie brachten dem Herold des sagenhaften Herrschers jenseits des unermeßlichen Meeres freiwillig ihre Schütze dar.

Schon ehe Cortez von Cempoalla weitermarschierte, traf eine Botschaft vom Könige der Azteken bei ihm ein. Durch seine Spione hatte Montezuma sehr bald von dem seltsamen weißen Fremdling gehört, der nur ein Abgesandter eines weit mächtigeren Königs zu sein sich rühme. Aber er bat dringend, sein Land und seine Stadt nicht zu betreten, da er und sein Volk arm seien und die Spanier nicht gebührend bewirten könnten. Aber er strafte seine eigenen Versicherungen Lügen, indem er zugleich Geschenke mitschickte, die Cortez und seine Begleiter in nicht geringes Erstaunen setzten.

Da war eine Scheibe von der Größe eines Wagenrads, das die Sonne vorstellte, aus purem Golde und von herrlichster Arbeit; sie mochte wohl an 20 000 Goldpiaster Wert haben. Dann brachten die Gesandten Montezumas eine zweite Scheibe, noch größer als die erste und von schwerem Silber. Sie stellte den Mond mit vielen Strahlen dar, und wunderbare Figuren waren kunstvoll darin eingraviert. Das dritte Geschenk war eine Sturmhaube, ganz mit gediegenen Goldkörnern gefüllt, so wie sie aus den Bergwerken kommen, an 3000 Piaster Wert, für die Spanier aber noch viel wertvoller, da diese Sendung ihnen verriet, daß es reiche Goldgruben im Laude gab. Dazu kamen zwanzig goldene Enten, getreu nach der Natur und sehr zierlich gearbeitet; dann Figuren von Hunden, Tigern, Löwen und Affen und zehn Halsketten aus Gold, in Silber und Gold gefaßte Fächer und Büsche der schönsten grünen Federn und schließlich noch dreißig Pakete Baumwollstoff, der mit bunten Federn durchwirkt war.

Nichts war natürlich besser geeignet, die Neugier und Habsucht der Fremden zu reizen, als diese kostbaren Geschenke, und Cortez erwiderte also den Abgesandten höflich, aber bestimmt: er habe von seinem kaiserlichen Herrn im fernen Spanien den bestimmten Auftrag erhalten, den König der Azteken zu dessen Vasallen zu ernennen, und da sich diese Botschaft nur persönlich ausrichten lasse, werde er auf jeden Fall nach Mexiko kommen. Bei dieser Antwort blieb er, unbekümmert um der Abgesandten Bitten und Drohungen.

Noch von Cempoalla aus sandte Cortez einen Bericht über seine bisherigen Abenteuer und dazu als nachdrücklichste Zeugnisse den größten Teil der erhaltenen Kostbarkeiten an den König von Spanien, Kaiser Karl V. Sein Verhältnis zu Velazquez behandelte er dabei mit der nötigen Diplomatie und bat, ihn selbst als Statthalter, und Oberrichter in den neuen von ihm gesehenen und zu unterwerfenden Ländern anzuerkennen. Die kostbare Fracht verlud er auf das beste Schiff, das auch glücklich nach Spanien gelangte, wenn auch sehr spät.

Die übrigen Schiffe ließ er als seeuntüchtig auf den Strand laufen, um den Feiglingen und den Anhängern des Statthalters von Kuba unter seiner Mannschaft, die schon eine Rebellion gegen ihren Feldherrn angezettelt hatten, den Rückweg abzuschneiden. Dann erst begann er seinen eigentlichen Alexanderzug quer durch das Indianerreich nach der Hauptstadt Mexikos.

In Vera Cruz ließ er 150 Mann zurück, die eine Festung erbauen sollten, und ihrem Oberbefehlshaber übertrug er zugleich die Herrschaft über die Indianer von Cempoalla. Zur größeren Sicherheit seiner Niederlassung und um nicht im Rücken heimtückisch angefallen zu werden, wußte er aber die meisten Vornehmen jener Stadt und zahlreiches Kriegsvolk zu veranlassen, mit ihm nach Mexiko zu ziehen. Diese Leute von Cempoalla wurden ihm treue Verbündete.

In geschlossener Marschordnung zog nun dieses Heer von 350 Spaniern und vielen tausend Indianern durch die Provinz Cempoalla, wälzte sich die Bergrücken nach der Hochebene von Anahuac hinauf und durchquerte eine Wüste bis zur Stadt Tlatlanquitepec. Hier sahen die Spanier zum erstenmal trefflich gebaute Häuser aus behauenen Steinen und trafen auf Zeugnisse einer hochentwickelten fremden Kultur.

Auf die Frage des Cortez an den Häuptling oder Kaziken, ob auch er Vasall des Montezuma sei, erhielt er die erstaunte Antwort:

»Gibt es denn jemand, der nicht Vasall des Montezuma ist?«

Cortez aber ließ sich durch diese Antwort nicht verblüffen, sondern er begann, dem Häuptling klar zu machen, daß Montezuma keineswegs der Beherrscher des ganzen Weltalls sei, sondern daß es noch viele andere und größere Fürsten gäbe, die aber alle Vasallen des Königs von Spanien seien und sich dies zu nicht geringer Ehre schätzten. Auch Montezuma müsse mit seinem ganzen Volke Vasall dieses mächtigsten aller Herrscher werden, und der Kazik von Tlatlanquitepec könne daher nichts Besseres tun, als sich gleich in die Dienste der europäischen Majestät zu begeben. Des zum Zeichen ersuchte ihn Cortez um einen Tribut an Gold, wofür er ihm hohe Ehre und Gunst versprach; weigere er sich aber zu gehorchen, so werde er Strafe erleiden.

Der schlaue Häuptling wollte aber nur auf Befehl Montezumas seine Schätze herausrücken, und Cortez gab sich damit zufrieden, um sich keine Feinde im Rücken zu schaffen. Auch die übrigen Gesandten der benachbarten Indianerfürsten empfing er freundlich, obgleich sie nur dürftige Gastgeschenke brachten. Ihm lag daran, sie über Montezuma und ihr Verhältnis zu jenem Tyrannen auszuforschen, und dann setzte er, obgleich auch seine Freunde aus Cempoalla ihm dringend abrieten, seinen Weg nach Mexiko fort.

Bei der großen Stadt Tlascala stellten sich ihm die Indianer zum erstenmal feindlich gegenüber. Unter schweren Gefechten mit den äußerst kriegerischen Eingeborenen mußte sich Cortez in einem Götzentempel auf einem Hügel verschanzen, machte von hier aus bald hierhin bald dorthin Ausfälle auf die ungeordneten Scharen der Feinde und gab ihnen durch Zerstörung ihrer Dörfer seine Überlegenheit zu fühlen. Abends zog er sich dann immer wieder in seine Festung zurück.

Bei diesen Gefechten erregten die wenigen Reiter, die Cortez mit sich führte, die größte Furcht, denn Pferde waren den Rothäuten völlig unbekannt, und wenn die prächtig aufgeschirrten Streitrosse in die dichten Haufen der indianischen Krieger eindrangen, verbreiteten sie überall den größten Schrecken, um so mehr als die steifen Baumwollrüstungen, die die Indianer trugen, sie in der Flucht behinderten.

Bald sahen die Rothäute, daß sie trotz ihrer gewaltigen Übermacht an Zahl der kleinen Armee von Europäern nicht beikommen konnten; sie versuchten es daher mit List. Ihre Häuptlinge kamen zu Cortez, baten reumütig um Verzeihung und erklärten sich als Vasallen des allmächtigen Herrschers, den ihnen Cortez durch seine Dolmetscher als den Herrn der Welt schildern ließ. Während sie nun Lebensmittel brachten und mit den Spaniern unterhandelten, merkten sie sich das Innere der Festung, um sich bei einem nächtlichen Überfall zurechtzufinden.

siehe Bildunterschrift

Zug des Ferdinand Cortez durch Mexiko.

Aber Cortez hatte einen Gefangenen zum Eingeständnis dieses Kriegsplanes gebracht und war auf seiner Hut. Als daher auch die List der Indianer nichts half, bot endlich ihr Oberfeldherr mit fünfzig der vornehmsten Kaziken aus Tlascala den Frieden an. Cortez willfahrte nur zu gern, denn schon hatte sich seiner Soldaten ein panischer Schrecken bemächtigt; sie fürchteten, sich auf die Dauer gegen die Übermacht der tapferen Rothäute nicht halten zu können, und es bedurfte schon der ganzen Überredungskunst des Anführers, um Meuterei unter ihnen zu ersticken.

Nachdem sich dann Cortez eine Weile abwartend verhalten hatte, folgte er endlich den dringenden Einladungen der Häuptlinge und betrat die Provinz Tlascala, d. h. Brotland, und die gleichnamige prächtige Hauptstadt. Wie staunten die Spanier hier über die stattlichen und wohnlichen Häuser, über den großen Marktplatz, auf dem alles zu kaufen war, wie bei ihnen daheim: Fleisch und Gemüse, baumwollene Kleidungsstücke und Porzellan, nicht geringer als in Spanien, Kohlen und Arzneikräuter, und goldene Schmucksachen in Menge. Sogar öffentliche Bäder gab es hier und Barbierläden, in denen man sich den Kopf waschen lassen konnte!

Die Verwaltung der Stadt und Provinz war eine Art Republik, und eine große Beamtenschaft sorgte für die öffentliche Sicherheit. Die Einwohner bezeigten sich jetzt als zuverlässig und treu, denn Cortez hatte ihnen die Überzeugung beigebracht, daß er auch den mächtigen Montezuma zum Vasallen seines Königs machen werde. Sie selbst verachteten und haßten die Azteken und deren Götzendienst, dem so viele von ihrer jungen Mannschaft, die durch Hinterlist oder im Krieg gefangen wurden, auf blutigen Altären geopfert wurden. Tapfer und kriegsgewandt wie sie waren, hatten sie sich gegen Montezumas Tyrannei bisher behauptet, und sie verzichteten lieber auf den Genuß von Salz, als daß sie mit den Mexikanern in Berührung kamen, die große Salzlagunen besaßen.

Als Montezuma die Niederlage der Tlascalaner, die ihm selbst bisher widerstanden hatten, erfuhr, schickte er abermals eine noch größere Gesandtschaft an Cortez mit einem großen Schatz an Gold und Baumwollstoffen. Aber er wiederholte um so dringlicher die Aufforderung, sein Land zu meiden; lieber wolle er freiwillig Tribut zahlen.

Aber Cortez blieb natürlich bei seinem Entschluß. Darauf erhielt er von Montezuma eine Einladung nach der ersten aztekischen Stadt Cholula, und obwohl ihn die Tlascalaner warnten, folgte er diesem Rufe und zog in die prächtige, türmereiche Stadt ein. Er versäumte aber nicht, sich in dem großen Quartier, das man ihm zur Verfügung gestellt hatte, tüchtig zu verschanzen, denn er merkte bald, daß Montezuma ihn hier wie in einer Mausefalle zu fangen beabsichtigte. Als er dann durch eine getaufte Indianerin, die als Dolmetsch diente, über die hinterlistigen Pläne Montezumas Gewißheit erhalten hatte, kam er ihm zuvor, indem er kurz entschlossen die Häupter der Stadt und die Befehlshaber der ringsum liegenden Kriegsheere, nachdem er sie zu einem Besuche eingeladen hatte, gefangen nehmen ließ. Ihrer Führer beraubt, unterwarfen sich nun auch die aztekischen Soldaten, und sie taten dies um so lieber, als ihnen Cortez Hoffnung machte, daß er die Tyrannenherrschaft des Aztekenkönigs, unter dem auch sie alle litten, vernichten werde.

Als nun alle Bitten und Drohungen, List und Gewalt und immer wieder erneute Geschenke den fremden Eindringling nicht zurückhalten konnten, gab Montezuma schließlich nach und ließ ihm sagen, er möge »zu glücklicher Stunde« kommen.

Von einer glänzenden Gesandtschaft aus Mexiko wurde nun Cortez mit seinem kleinen spanischen Troß, der aber durch große Haufen seiner indianischen Freunde zu einer stattlichen Armee angewachsen war, über die Einsenkungen zwischen den beiden mächtigen Vulkanen Popocatepetl und Iztaccihuatl geleitet und jenseits der Grenze in geräumige Quartiere gebracht, die mit Lebensmitteln und Heizmaterial reichlich versehen waren, denn hier in der Nähe der hohen Berge war es empfindlich kalt. Dann ging es über Cuitlahuac und Iztapalapa, die Stadt der hängenden Gärten und duftenden Blumen, an der Lagune von Mexiko entlang, und schon erhob sich das Ziel des Marsches, die gewaltige türmereiche Stadt, königlich aus den Wassern.

Die vornehmsten Kaziken beeilten sich jetzt, den mächtigen Fremden mit Geschenken an Gold zu empfangen; die Einwohner standen in kostbarer Kleidung zu beiden Seiten des Heereszuges und betrachteten staunend, halb mißtrauisch, halb kindlich neugierig, die fremden Blaßgesichter. Besonderen Respekt erweckten auch bei ihnen die blitzend angeschirrten Rosse mit ihren gepanzerten Reitern. Zuletzt führte der Weg auf einen breiten Damm, an einem festen Bollwerk vorüber, und über mehrere Brücken hinweg betrat nun Cortez die wunderbare Hauptstadt der Azteken.

Mit seinen dreihundert Spaniern war er jetzt hundert Stunden von der Küste aus durch fremdes Land und ein kriegerisches Volk gezogen, ohne einen anderen Schutz als seinen festen Willen, sein tapferes Herz und sein gutes Schwert. Das Wunder seiner Erscheinung und die geheimnisvolle Sendung des Fremden an den allmächtigen Montezuma von einem noch weit gewaltigeren Herrscher jenseits des Meeres umgab das Häuflein Spanier in den Augen der Eingeborenen mit einer überirdischen Gloriole. Und dieses Wunder war ihr sicherster Schutz gegen die an Zahl tausendfach überlegenen Indianerhorden.


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