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Schon gleich bei seinem Gegenbesuch hatte Cortez dem Könige durch einen Dolmetscher erklären lassen, daß er von seinem kaiserlichen Herrn den Auftrag erhalten habe, Montezuma zum Christentum zu bekehren. Aber sooft der Spanier anfing, ihm die Grundlehren seines Glaubens auseinanderzusetzen, wich der König stets mit der Versicherung aus, daß er ja gerne bereit sei, seinem spanischen Oberherrn allen verlangten Tribut zu bezahlen.
Montezuma hatte früher selbst das Amt eines Oberpriesters bekleidet, und von den blutigen Mysterien seines Volkes sich so plötzlich ab- und der unverständlichen, milden Religion des Lichtgottes zuzuwenden, das war ein Schritt, zu dem er sich bei aller sonstigen Nachgiebigkeit und trotz aller von Cortez aufgewandten Überredungskünste nicht bestimmen lassen wollte.
Hatten schon die Spanier in Tlascala und Cholula über die vielen großen Tempel und Stufentürme gestaunt, so fanden sie in der Residenzstadt Mexiko alle ihre Erwartungen weit übertroffen. Die Heiligtümer ließen sich kaum zählen, da fast jede vornehme Familie ihren eigenen Tempel für die Götter des Hauses und ihre eigenen Begräbnistürme besaß. Vor allen anderen aber ragte das gewaltige Heiligtum des Kriegsgottes hervor.
Es lag in der Mitte der Stadt und bildete hinter einer hohen, stark befestigten Mauer mit seinen vierzig Türmen eine drohende Festung für sich. Der höchste dieser Türme lag inmitten eines riesigen Platzes, auf dem religiöse Spiele gefeiert wurden. Rund um diesen wohlgepflasterten Platz erhoben sich viele prächtige Gebäude, in denen neben zahlreichen Kapellen für einzelne Götter auch die Wohnungen der Priester und viele Gräber lagen. In hundertundsieben Stufen verjüngte sich dieser gewaltige Turm nach oben, und die höchste Stufe bildete ein flaches Dach, das zwei Hallen trug. In diesen Hallen standen die Bilder der Hauptgötter, weit über natürliche Menschengröße, aus schwerem Gold und edlen Steinen errichtet oder aus einem Stoff, von dessen Zusammensetzung Cortez in seinen Berichten an den König von Spanien eine grauenhafte Erklärung gibt. Aus einer Masse Sämereien und Gemüse kneteten die Priester einen Teig, den sie mit dem rauchenden Herzblut menschlicher Schlachtopfer anfeuchteten! Oben aus der höchsten Plattform jenes Turmes, auf einem mächtigen Jaspisblock, wurde diesen Opfern, nachdem man sie vorher zum Tanz vor den Götzenbildern gezwungen hatte, das Herz aus dem lebendigen Leibe gerissen und sein Blut mit jenem Teige vermengt, so lange, bis eine zur Herstellung so großer Bildsäulen hinreichende Menge vorhanden war. War das Götzenbild vollendet, so wurde ihm ein weiteres Opfer an zuckenden Menschenherzen gebracht, und ebenfalls mit Herzblut pflegte man die Gesichter der Götzen zu bestreichen, wenn Festtage begangen wurden oder die Priester ein besonderes Anliegen an ihre Götter hatten.
Der höchste und zugleich blutgierigste Gott der Azteken, dem diese grausamen Opfer gebracht wurden, hieß Huitzilopochtli – oder wie wir sagen: Fitzliputzli; er war der zur Gottheit erhobene erste Anführer der Azteken, der sie, ungefähr zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts, auf die Hochebene von Anahuac geführt, die früheren Einwohner des Landes, die Tolteken, vertrieben und durch Unterwerfung zahlreicher Nachbarstämme das gewaltige Reich gegründet hatte, das Montezuma jetzt beherrschte.
Zu diesem greulichen Götzendienst brauchten die Mexikaner jährlich etwa 20 000 Menschen, die teils als Tribut von den Nachbarstämmen geliefert werden mußten, teils im Kriege oder auf Raubzügen gefangen wurden. Die Schädel der geschlachteten Opfer wurden zu Pyramiden aufgetürmt, und einige Begleiter des Cortez versicherten, daß sie an einer einzigen solchen Schädelstätte 136 000 Menschenköpfe gezählt hätten!
Diese blutigen Religionsbräuche machten das Volk der Azteken zu einem Schrecken für alle Nachbarn, und so mochte wohl die Persönlichkeit des tapferen Spaniers, der sich mit seiner kleinen Schar furchtlos in die Höhle des Löwen begab, diesen geknechteten Völkerschaften als der Lichtgott erscheinen, der im Auftrage eines weit mächtigeren Herrschers kam, sie von der Blutherrschaft Montezumas und der Azteken zu erlösen. Wenn Montezuma selbst in Cortez den verheißenen Lichtgott zu erkennen vorgab, so handelte er nicht anders als einstmals der König Herodes, als er durch List sich des neuen Königs der Juden, des Messias, zu bemächtigen und ihn zu töten beabsichtigte. Des sollte Cortez bald innewerden.