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Freiheit, komm! Steig nieder in heitrer Anmut,
Morgenrothell, Flügel umstrahlt und Antlitz,
Senk dich, Lenzhauch atmend und frischen Waldduft,
Senk dich herab uns!
Lange schon, lang' kündete deine Ankunft
Donnerlaut rings berstendes Eis, und lang' schon
Deines Aufgangs Bote bekämpft der Sturmnacht
Dunkel das Zwielicht.
Komm du selbst nun, Zögernde! Sieh, das Saatkorn
Harrt, es harrt längst schwellend in Saft der Fruchtbaum
Deines Anhauchs, tausend und tausend Leichen
Harren der Urständ! –
Recht und Wahrheit, männlicher Mut, Geradsinn
Treue selbst, denn Sklaven gebeut Gewalt nur,
Was vom Tier je Menschen zu Gott emporhob,
Harrt der Belebung.
Aus der Grabschlucht dumpfer Verließe ruft dir's,
Unterm Bahrtuch frömmelnden Zwanges regt sich's,
Bleich im Treibhaus schmachtend; dir kehrt dem Licht sich
Wissen und Kunst zu.
Komm, o komm! Dein würdig, belehrt vom Blutmeer,
Wie es Frankreich einst in Verblendung ausgoß,
Froh, doch wachsam zähmend der Freude Gärung,
Harret die Welt dein!
Nicht der Wahn mehr trüg'rischer Gleichheit täuscht uns;
Bürgertum strahlt leuchtend der Zeit als Ziel vor,
Maß und Ordnung tritt dir entgegen; Duldung
Grüßt mit dem Ölzweig.
Hör denn, Freiheit, unsres Gebetes Aufschrei;
Komm, doch nicht als rächender Blitz Jehovas,
Als ein Lichtstrahl aus des Erlösers Augen
Schweb uns hernieder!
Wie der Heiland einstens, verschmäh Gewalttat,
Sieg' durch Eintracht! Sieh, es bedarf ja eins nur,
Eines Wunders! Laß uns nur alle frei sein
Wollen, so sind wir's!
Oder wär' dies, wär' es zuviel der Wunder!
Weh dann, weh uns! Einzelner Wellen Andrang
Trotzt wie vor, dann starrend der Fels und Freiheit
Blüht uns im Grab erst.
Wehe! Machtlos schwindet, ein Traum zerstäubt uns
Zeit und Kraft dann! Späte Geschlechter trägt erst,
Trägt ein Blutmeer, dampfend zu dir hinüber,
Grünendes Eiland!