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Es erscheint notwendig, um auch den äußeren Lebenslauf des Barons Münch weiter zu verfolgen, wieder in jene Zeit zurückzugreifen, da im Jahre 1844 derselbe den Rang eines »k. k. niederösterreichischen wirklichen Regierungsrates« bekleidete. Im August desselben Jahres wurde an der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien die Stelle des ersten Kustos, mit welcher der Rang eines wirklichen Hofrates verbunden war, erledigt. Des Dichters Halm literarischer Name war schon ein derartig gefeierter, daß infolge seiner Bewerbung darum in der Tat mit kaiserlicher Entschließung vom 21. und 25. Dezember ihm diese »erledigte Stelle eines ersten Kustos mit dem Range und Charakter eines Hofrates und mit einem Gehalte jährlicher 4000 Gulden und einem Quartiergelde jährlicher 600 Gulden« verliehen wurde.
Der nun mitten unter die herrlichen literarischen Schätze jener berühmten Bibliothek als Vorstand versetzte Dichter legte schon am 27. Dezember 1844 den vorgeschriebenen Diensteid ab. Freilich war ein anderer, heute längst als größter österreichischer Dramatiker berühmter Poet – Franz Grillparzer – durch diese Besetzung tief gekränkt worden. Denn auch Grillparzer befand sich unter den Bewerbern und hatte in seinem Majestätsgesuche an den Kaiser Ferdinand die stolzen Worte aussprechen können: »Die Vorzüge und wohl auch die Mängel des Unterzeichneten sind jedem Gebildeten bekannt, so daß er Eure Majestät zu beleidigen glaubte, wenn er erstere hier weitläufig auseinandersetzen wollte.« Es scheint die bureaukratische Stellung Münchs, aber nach den damaligen Anschauungen allerdings auch sein adeliger Rang als Baron, diesem den Vorzug vor Grillparzer eingeräumt zu haben und auf die Ernennung von Einfluß gewesen zu sein. Grillparzer hat in dem Gedichte: »Weihnachten 1844. Bei einer Zurücksetzung im Dienste« seiner bitteren Stimmung darüber Ausdruck gegeben:
Man gab mir die Gewißheit,
Mein Streben sei verkannt,
Und ich ein armer Fremdling
In meinem Vaterland.
Und nie im Leben hat der Dichter der »Ahnfrau« diese Zurücksetzung verwinden können. Als Münch viele Jahre später starb, schrieb der Greis unter dem Eindrucke jener Tage noch die Stachelverse nieder:
Du bist mir in allen Beförderungen zuvorgekommen,
Selbst im Tod, den ich für mich in Anspruch genommen.
Es wäre gefehlt, zu glauben, daß Baron Münch sein neues Amt leicht genommen hätte. Er war namentlich anfangs bestrebt, den Anforderungen, welche die berühmte Bibliothek an deren Vorstand stellte, möglichst gerecht zu werden. Dabei ist ins Auge zu fassen, daß die Aufgaben eines Bibliothekschefs zu jener Zeit bei weitem noch nicht so schwierige waren wie heutzutage. Katalogisierungen wurden noch nicht so genau und geregelt vorgenommen, wie es die Bibliothekswissenschaft jetzt vorschreibt, die Bücheranschaffungen erschienen bei der verhältnismäßig geringen Dotation keine so weitreichenden, wie sie die Ansprüche unserer Tage verlangen. Zunächst entwickelte Münch schon 1845 als Bibliothekar seiner Vorgesetzten Behörde einen bibliothekarischen Arbeitsplan, dessen Grundsätze selbst strengen Anforderungen entsprachen. Dieser Plan richtete sein Hauptaugenmerk auf die Umarbeitung des Kataloges der Druckwerke, auf den alphabetischen Zettelkatalog, welcher mit den Büchern selbst und dem Handkataloge in Übereinstimmung zu bringen, sowie auf die Bezeichnung mit dem wissenschaftlichen Fache, in weiches jedes Buch einzureihen sei. Ferner sollten Tausende von Bänden der Adligate Adligate nennt man die beigebundenen selbständigen Schriften. getrennt und ausgeschieden werden. Alles dies sollte dann die Ausarbeitung eines Materien- und Realkataloges ermöglichen, »auf dem zwar nicht der innere Wert einer Bibliothek, wohl aber ihre höhere Brauchbarkeit, ihre Gemeinnützigkeit, ihre wissenschaftliche Bedeutung beruhe« und deren »Abfassung stattfinden müsse, wenn die Bibliothek nicht für immer hinter auswärtigen Bibliotheken zurückbleiben soll.« Daneben hielt der erwähnte Bericht die genaue Durchsicht und Verbesserung des Inkunabelnverzeichnisses, sowie auch die Anlage eines Kataloges der Autographen für wünschenswert. – Auch in bezug auf die notwendige Erhöhung der Dotation für Bücheranschaffungen stellte Münch seine Anträge und es gelang ihm, für 1847 schon diese Erhöhung auf den Betrag von 19 000 Gulden C. M. zu erlangen, sowie einen außerordentlichen Zuschuß von 2290 Gulden auf die Dauer von 10 Jahren für vier Hilfsarbeiter zur Verfassung des neuen Kataloges. Zu Ende des Jahres 1847 wurde die Hofbibliothek auch durch die Überlassung der drei oberen Stockwerke des »Augustiner Hotels« vergrößert. Mit der Abfassung des erwähnten neuen alphabetischen Katalogs über 300 000 Bände und die Neuerwerbungen, sowie über 16 900 Handschriften wurde um dieselbe Zeit begonnen. Namentlich die Bearbeitung des Handschriftenkatalogs ist für die Geschichte der Hofbibliothek und der Gelehrsamkeit von höchster Bedeutung. Zunächst wurde ein vollständiges Verzeichnis sämtlicher abendländischen Handschriften im Zusammenwirken mit der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Angriff genommen, an welcher Arbeit namentlich die an der Bibliothek Wirkenden: Th. Karajan, Ferdinand und Adolf Wolf, Franz Miklosich, A. Mussafia, Joh. Haupt und A. Wahrmund beteiligt waren. Noch unter Münchs Amtsführung erschienen von diesen Handschriftenverzeichnissen ( Tabulae codicum manuscriptorum ...) Bd. 1-5 im Druck zur Freude der ganzen gelehrten Welt. Übrigens hatte Münch auch in anderer Beziehung der ihm unterstellten Bibliothek große Aufmerksamkeit zugewendet, er überwachte die Einlieferung der Pflichtexemplare, welche in je einem Stücke aus ganz Österreich der Hofbibliothek eingesendet werden müssen und sorgte für die gleichmäßige Erwerbung der Neuerscheinungen auf allen literarischen und wissenschaftlichen Gebieten. Auch ließ er ein Verzeichnis der durch die Zensur verbotenen Bücher von 1814-1848 aus den amtlichen Papieren der Hofbibliothek anlegen. Ebenso wurde die an seltenen Blättern so reiche Kupferstichsammlung auf der Höhe gehalten, wovon schon die Tatsache Zeugnis ablegt, daß im Jahre 1851 1365 Gulden für den Ankauf kostbarer Stiche bewilligt und verausgabt wurden. Es war namentlich Münchs Sorge, unter den Beamten der Bibliothek die geeigneten Kräfte auszusuchen und sie zur Verwaltung jener Fächer zu berufen, die ihren Fähigkeiten entsprachen. Da Münch selbst stets für die spanische Literatur besonderes Interesse hatte, sind ihm auch die Abschriften der Dramen Lope de Vegas aus den Bibliotheken des Fürsten Metternich in Wien und Osuna in Madrid zu verdanken. Einige schätzbare Vermächtnisse unter Münchs Leitung begründeten auch eine wertvolle Musikaliensammlung, welche ebenfalls immer weiter vermehrt wurde. Diesen verschiedenen Tätigkeiten als Oberleiter der Hofbibliothek gegenüber erscheint es wohl von geringer Bedeutung, was ihm später zum Vorwurf gemacht wurde, daß die Entlehnung von Büchern nur hochgestellten Persönlichkeiten leicht gemacht erschien, wobei verschiedene Unordnungen eintraten und sogar manches Buch erst nach Jahren wieder zum Vorschein kam. Wer die Einrichtungen in Bibliotheken jener Zeit kennt, weiß, daß solche Ausstellungen vielen damaligen Bibliotheksvorständen hätten gemacht werden können und daß gerade der Leiter der Hofbibliothek mit außerordentlich vielen Rücksichten zu kämpfen hatte, welche ihm die allerdings in einer so großen Anstalt nötige peinliche Ordnung überaus erschwerten.
Unter den Persönlichkeiten, mit denen Münch namentlich während der Zeit verkehrte, da er die leitende Stellung an der Hofbibliothek bekleidete und bibliothekarisch tätig war, sind zwei hervorzuheben, welche er beide durch den Umgang mit dem Ehepaar Rettich kennen lernte. Die eine derselben ist Ignaz Papsch, welcher früher auch Schauspieler und mit Rettichs befreundet war und sich später schriftstellerischen Arbeiten widmete, für die er ein nicht gewöhnliches Talent bekundete. Papsch wirkte vom Jahre 1850 an als Redakteur des »Illustrierten Familienbuchs des österreichischen Lloyd« und ihm zur Seite stand in der Redaktion der hier gleich zu erwähnende Faust Pachler. Das freundschaftliche Entgegenkommen, welches die Rettichs dem liebenswürdigen und gefälligen Papsch entgegenbrachten, ließ auch Baron Münch diesem sein volles Vertrauen schenken und leitete einen Verkehr ein, zu dem der zurückhaltende Münch sich sonst nicht so leicht entschloß. Als Papsch 1862 starb, hat Münch-Halm die Grabschrift für den auf dem Währinger Friedhofe bei Wien Ruhenden verfaßt, die mit dem Verse schloß: »Treu warst du, treu bis in den Tod.«
Eigenartige Beziehungen waren es, welche dem Baron Münch Faust Pachler näher brachten. Der poetisch angelegte Pachler (geb. 1819, gest. 1891), ein Grazer, in dessen Elternhause viele literarische und künstlerische Persönlichkeiten verkehrten, hatte ebenfalls durch das Hofschauspielerpaar Rettich, welches auf einem Gastspiel in Graz den jungen Pachler kennen lernte und fortan seine poetischen Bestrebungen mit Teilnahme verfolgte, die Bekanntschaft des Dichters der Griseldis gemacht. Pachler war schon in früher Jugend auf dramatischem Gebiete überaus eifrig tätig, welche Tätigkeit er sein ganzes Leben hindurch fortsetzte, ohne aber jemals besondere Erfolge zu erringen. Nur einige kleine Lustspiele, ein patriotisches Gelegenheitsstück und im Jahre 1848 das Trauerspiel: »Jaroslav und Wassa« gelangten, letzteres in Brünn, zur Aufführung. Es war aber stets das innige Bestreben des noch in jugendlichen Jahren stehenden Pachler, über seinen Beruf zum dramatischen Dichter von fachmännischer Seite Auskunft zu erhalten und er wandte sich deshalb brieflich an Münch, dem er seine dramatischen Arbeiten mitgeteilt hatte. Das bezeichnende, freundliche und herzliche Antwortschreiben Münchs an den 20jährigen Pachler möge hier, da es auch auf Halms Ansichten ein scharfes Licht wirft, vollinhaltlich seine Stelle finden. Es ist vom 15. Oktober 1840 datiert und lautet Bisher ungedruckt.:
»Daß ich die Wärme und Herzlichkeit des Schreibens, das Sie an mich zurückließen, tief empfunden habe, und daß ich mich für Ihre freundliche Gesinnung zum lebhaften Danke verpflichtet fühle, werden Sie mir wohl aufs Wort glauben; Sie würden sonst wohl eben nicht in dieser Weise an mich geschrieben haben. Was die Verspätung der Beantwortung betrifft, so bitte ich sie mit dem Übermaße meiner Geschäfte, zum Teile aber auch mit dem Umstande zu entschuldigen, daß ich über die Art und Weise derselben lange mit mir im Zwiespalt war. Nun mit mir ins Reine gekommen, zögre ich nicht länger, Ihren lieben Brief, und zwar mit folgendem, zu erwidern.
Das Wort, lieber Faust, ist eine veränderliche Größe; und wie mündliche Überlieferung nach dem Zeugnisse der Geschichte Tatsachen durch willkürliche Zusätze und Abkürzungen entstellte und ihnen den Charakter der Mythe aufprägte, so ist auch das leicht bewegliche Gemüt des Menschen nur zu geneigt, das empfangene Wort nach seinen vorübergehenden Stimmungen umzugestalten, an seinem Sinn zu deuteln und zu mäkeln, und an seiner ursprünglichen Bedeutung so lange hin und her zu rücken, bis sie sich den geheimen Wünschen dessen gefügt, der sie verdreht, indem er ihre geheimsten Tiefen zu ergründen glaubt. Solche Manövers sind am meisten von Seite junger Gemüter zu befürchten, die bei nervöser Reizbarkeit ihr Leben in abgeschlossener Einsamkeit zubringen und da mir überdies in Ihrem Schreiben ein bedenkliches Oszillieren der Stimmung, ein Auf- und Niederwogen der Empfindung auffällt, so glaube ich es nicht freundlicher beantworten zu können, als wenn ich Ihnen hier mit wenigen Zügen ein wahres und treues Bild meiner Ansichten über Ihr poetisches Talent fixiere, so daß ruhiger Betrachtung jedes Mißverständnis unmöglich werden soll.
Ich weiß nicht, ob Sie poetisches Talent haben oder nicht? Was ich von Ihnen kenne, spricht eben bei der Zerfahrenheit der Sprache, der Unbestimmtheit der Charaktere, der Unbehilflichkeit der Motive, die sich weder gehörig unterstützen, noch irgend eine Ihrer Ideen klar herauszustellen imstande sind, die unglückliche Wahl eines ganz unpassenden Stoffes mit eingerechnet, gegen poetisches Talent überhaupt oder gegen dramatisches insbesondere.
Bei alle dem wage ich dennoch nicht, Ihnen mit Bestimmtheit zu sagen, Sie haben kein poetisches Talent. Sie verraten Geschick für den Versbau; Sie sollen hübsche lyrische Gedichte gemacht haben; und endlich ist auch hier die Liebe und Ausdauer, mit der Sie sich der Kunst ergeben haben, in Anschlag zu bringen, obwohl darin vielleicht vieles auf Rechnung des Widerspruchsgeistes und der Abgeschiedenheit Ihres Talents gesetzt werden muß. Wenn Sie nach ruhiger Erwägung des Für und Wider nun selbst die Bilanz ziehen wollen, so wird sich Ihnen ergeben, daß dieselbe gegen poetisches Talent und zwar schon darum ausfällt, weil echtes poetisches, insbesondere dramatisches Talent als etwas Ungewöhnliches anzusehen ist und daher durchaus nicht ohne schlagende Beweise seiner Existenz vermutet werden darf.
Da Sie indessen erst zwanzig Jahre alt sind, Ihnen also unleugbar die Möglichkeit bleibt, uns binnen kurzem eines Besseren über Ihr Talent zu belehren, so kann ich Ihnen keineswegs raten, gleich jetzt und gänzlich von Ihren literarischen Bestrebungen abzulassen: ich glaube vielmehr, Sie sollen die treue Freundin Poesie, die Sie frühe liebgewonnen haben, nun mit noch viel innigerer Liebe, mit der Liebe des Mannes umfassen und diese dringt vor allem auf das Verständnis der innersten Seele der Geliebten. Sie sollen daher ernste und gründliche Studien der dramatischen Klassiker aller Nationen auf die Ihnen von mir mündlich bezeichnete Weise anstellen; Sie sollen bei der Wahl von Stoffen besonnen, bei der Ausführung mit Umsicht vorgehen und nie um keiner Rücksicht willen Wahrheit und Schönheit irgend einem Nebenzwecke aufopfern: aber Sie müssen alles dies nur als Erholung, als Zerstreuung betreiben und mit ganzer Seele sich einem Berufsstudium zuwenden, weil Ihre literarischen Bestrebungen am Ende doch nur fruchtlos bleiben könnten und weil am Ende jeder Dichter ein Mensch ist und also im Leben wurzeln und blühen muß, wenn er nicht verschwebeln und vernebeln will. Sie müssen endlich, und das ist das Wichtigste vor allem, feste sittliche Lebensansichten, Charakter, eine ruhige männliche Haltung zu gewinnen suchen, denn nur eine solche gebietet Achtung im Leben, nur eine solche vermag in der Poesie Bilder kräftiger Männlichkeit, edler Weiblichkeit hervorzurufen, wo kränkelnde Reizbarkeit Sie nur auf Wege führen kann, auf denen ich Sie nie zu treffen wünsche.
Ich würde Ihnen gern noch mehr sagen, wenn ich bei der Last meiner Geschäfte nicht mit guten Augenblicken Haus halten müßte; allein ich glaube Ihnen genug gesagt zu haben, wenn anders guter Wille empfängt, was guter Wille gibt.
Mit aufrichtigster Teilnahme Ihr ergebenster
Münch.«
Der Romanist Ferdinand Wolf, über dessen freundschaftliche Beziehungen zu Münch schon früher hier Mitteilung gemacht wurde, war damals Skriptor der Hofbibliothek und auch mit Pachler befreundet; als letzterer eine Lebensstellung suchte, welche auch seinen literarischen Bestrebungen entsprach, riet ihm Wolf, sich ebenfalls um eine Anstellung an der Hofbibliothek zu bewerben. Der Erfolg dieser Bewerbung erschien um so sicherer, da Pachler, wie das früher Angeführte ergibt, sich ja der Aufmerksamkeit des Vorstandes und Kustos, Baron Münch, in besonderer Weise erfreute. Es gelang denn auch in der Tat und Pachler wurde in der berühmten kaiserlichen Bibliothek angestellt, wodurch er mit dem Chef derselben sowohl amtlich als auch außeramtlich in verschiedenen Gesellschaftskreisen häufiger verkehrte. Baron Münch – der Dichter Halm – zeigte aber auch dem Poeten Pachler das größte Entgegenkommen, er gab ihm Ratschläge bezüglich der fortbetriebenen dramatischen Arbeiten, munterte den jungen Dichter zu solchen auf und schlug ihm selbst Stoffe zur dramatischen Bearbeitung vor, kurz, er wurde auch auf literarischem Gebiete Pachlers aufmerksamer Führer und Leiter. Laube hatte im Jahre 1850 als Direktor des Burgtheaters Pachler, welcher auch mit ihm in Gesellschaften zusammentraf, den Vorschlag gemacht, die für das Theater eingereichten neuen Stücke zu lesen und so gleichsam eine Art dramaturgischer Tätigkeit für den Burgtheater-Direktor zu übernehmen. Aber Münch-Halm, den Pachler um Rat fragte und zugleich darum, welchen Weg Münch als den besten für die Ausgestaltung seiner (Pachlers) Zukunft erachte, riet dem nun schon einige Jahre als Beamten der Hofbibliothek fest Angestellten ab. Aus einem ungedruckten. Briefe Münchs Mitte Juli 1850 an Pachler gerichtet, welcher diese Frage besprach, sei die nachfolgende Stelle hervorgehoben:
»Sie wollen um jeden Preis etwas Tüchtiges sein und werden, was lieblich und gut ist; nicht minder lieblich und gut ist es, daß es Sie kränkt, nicht schon etwas Tüchtiges geworden zu sein: weder lieblich noch gut aber wäre es, die Hoffnung aufzugeben, es noch zu werden oder gar von Hirngespinsten, wie das Laubesche Projekt, die Erfüllung Ihrer Hoffnungen und Wünsche zu erwarten, die nur auf dem festen Boden der Wirklichkeit erreicht werden kann. Auf diesem liegen nun zwei Wege vor Ihnen: der dramatisch-dramaturgische und der bibliothekarische, denn Sie können doch nicht im Ernste daran denken, in Ihrem 30. Jahre sich noch für einen neuen dritten Wirkungskreis mühsam ausbilden zu wollen. Was den ersten der beiden obenerwähnten Wege betrifft, so werden Sie nicht zweifeln, daß zum Dramaturgen nur der Erfolg des dramatischen Dichters führen könne. Dieser ist noch nicht erreicht, muß also auf dem Wege, den Sie bei der Begum eingeschlagen haben, erreicht werden. Ihre jetzige Stimmung scheint mir nicht so hoffnungslos als sie Ihnen vorkommt, sondern vielmehr eine sehr günstige, sobald Sie nur den rechten Stoff finden. Darum bat ich Sie, einen solchen zu suchen; finden Sie ihn nicht, so werde ich ihn liefern und Sie werden ihn in der Weise, wie wir im April übereingekommen, ausarbeiten. Blüht Ihnen auf diesem Wege Erfolg, so werden Sie ihn wohl entsprechend fortzusetzen wissen. Im gegenteiligen Falle bleibt der bibliothekarische Weg. Sie haben in dieser Beziehung schon vieles geleistet und werden, dafür stehe ich Ihnen, wenn Sie sich mit solchem Ernste darauf werfen wie auf die Poesie, nicht lange mehr hinter Birk E. Birk war damals Skriptor und wurde später selbst Vorstand der Hofbibliothek. zurückstehen. Dies aber alles nur für den Fall, daß es mit dem dramatischen Dichter nicht gehe, was ich aber nicht glaube, wenn ich die Kraft und Bestimmtheit erwäge, mit der Sie in dem ersten Teile Ihres Briefes Ihren jetzigen Seelenzustand geschildert. Mut also, Mut, lieber Freund! Ein gutes Stück, dann eine gelungene Bearbeitung der Begum und Sie fassen Fuß auf der Bühne et cetera adjicientur nobis.«
Es ist aus dieser Briefstelle zu ersehen, daß Halm von den dramatischen Fortschritten Pachlers jetzt schon eine bessere Meinung hatte, als sie aus dem früher hier angeführten Briefe hervorgeht. Diese Meinung war namentlich durch das Trauerspiel Pachlers »Begum Sumro« begründet, welches 1849 im Druck erschien und auch früher, freilich vergeblich, der Direktion des Burgtheaters eingereicht wurde; Pachler hat das Stück unaufgeschnitten, also auch ungelesen, zurückerhalten. Aber einige Jahre darauf wurde von ihm die Aufführung dieses Dramas überhaupt nicht mehr ins Auge gefaßt, ja auf die Bitte Münchs diesem sogar der Stoff zu einem eigenen Stücke abgetreten, das als »Begum Somru« von Halm im Jahre 1863 wirkungsvoll ausgearbeitet, dessen letzte größere Arbeit bildet, welche reich an dramatischer Kraft und Schönheit erscheint. Es sei gleich an dieser Stelle erwähnt – was das freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden Männern überaus bezeichnend hervorhebt – daß Pachler noch zwei Stoffe dem Dichter Friedrich Halm zur poetischen Bearbeitung mitteilte. Der eine derselben betraf die Geschichte von einem Morde, welcher sich zur Zeit der Großeltern Pachlers wirklich ereignet hatte, die mehrere in der Geschichte vorkommende Persönlichkeiten gut gekannt hatten. Der zweite Stoff rührte ebenfalls aus der persönlichen Erfahrung Pachlers her, welchem die Liebesgeschichte zwischen einer jungen verheirateten Frau und einem jungen Manne, die sich unter mancherlei eigenartigen Verhältnissen abspielte, zur Kenntnis gekommen war, in der ebenfalls die meisten Begebenheiten tatsächlich stattgefunden hatten und die Pachler zu einer Novelle verarbeiten wollte. Verschiedene Schwierigkeiten, welche sich ihm dabei ergaben, veranlaßten Pachler bei einer Besprechung darüber mit Halm diesem schließlich zu erklären: »Diese Schwierigkeit zu lösen, wäre etwas für Sie« und Halm hat tatsächlich die Behandlung des Stoffes in Angriff genommen. So entstanden die beiden ausgezeichneten Erzählungen Halms: »Die Marzipan-Lise« (vollendet im Jahre 1855) und »Das Haus an der Veronabrücke« (im Jahre 1864 vollendet). Der Erzähler legte in die Bearbeitung des ihm gebotenen Rohstoffes die ganze Kraft seiner künstlerischen Begabung, welche sich denn in diesen novellistischen Schöpfungen auch auf dem von ihm bisher nur in der Jugend einmal versuchten und dann verlassenen Gebiete der Prosaerzählung jetzt als glänzend erwies.
Baron Münch hatte schon eine Reihe von Jahren seine leitende Stellung an der Hofbibliothek bekleidet und durch eine Zahl von dramatischen Arbeiten längst seinen rühmlichen Namen erworben, als das Jahr 1848 hereinbrach, welches von den stürmischen Märztagen an für das politische wie für das geistige Leben in Österreich eine so tief einschneidende Wirkung ausübte. Es ist bekannt, daß Dichter und Schriftsteller in jener Zeit zu Wien gar manche hervorragende politische Rolle spielten, ja sich an den Kämpfen selbst beteiligten und in die fieberhafte Bewegung oft unbesonnen genug mit verflochten erschienen. Der Dichter Halm zählte zu den ruhigen, besonnenen Elementen. Man kann nicht behaupten, daß er den geistigen Errungenschaften jener Tage und den Manifestationen, welche dieselben hervorbrachten, kühl gegenüberstand. Als eine Versammlung des Wiener Schriftsteller- und Redakteur-Vereins am 10. April 1848 im Sperlsaale stattfand, wobei M. G. Saphir zum Präsidenten gewählt wurde, fiel die Wahl eines der 6 Ausschüsse mit 84 Stimmen auf Friedrich Halm, der also jedenfalls mit den gestellten Forderungen einverstanden war. Daß er aber die Forderungen und Errungenschaften der Freiheit jener Tage etwas anders auffaßte als viele andere der Mitbeteiligten, zeigen seine damals entstandenen (ungedruckten) Gedichte »Was ist die Freiheit« mit den Schlußversen:
Nicht Schrecken, Segen laß uns rings verbreiten.
Für Recht und Ordnung laß uns freudig streiten,
Laßt, Brüder, frei von Schuld und Wahn uns sein,
Denn das ist wahre Freiheit, das allein!
und »Die Farbe der Freiheit« mit dem Schlusse:
An Liebe reich, von Schuld und Unrecht rein,
Weiß, heil'ge Freiheit, muß dein Banner sein.
Baron Münch lebte in jenen bewegten Tagen wie früher, wenn er nicht im Amte war, zumeist in seinem geliebten Hütteldorf, und es ist kein besonderes Eingreifen in die Bewegung von ihm aus jener Zeit zu verzeichnen. Von Wien aus schrieb er am 25. Mai 1848 die kurzen Zeilen an Rettichs (ungedruckt): »Wien ist voll von Barrikaden und ich kann nicht durchdringen. Was mit der Sophie und den andern ist, weiß ich gar nicht; fortzugehen ohne über Ihr Schicksal Gewißheit zu haben, geht durchaus nicht an. Es bleibt mir daher nichts übrig, als wahrscheinlich die Nacht in Wien zuzubringen, womöglich in Ihrer Wohnung, wenn ich bis zu ihr vorzudringen imstande sein sollte. Gott mit uns allen, auf fröhliches Wiedersehen. Dieses Sturmgeläute ist gräßlich.« – Wahrscheinlich dem Drängen der Freunde nachgebend, war er in den furchtbaren Oktobertagen doch der Stadt entflohen. Bei der Beschießung Wiens am 31. Oktober 1848 wurde das Gebäude der Hofbibliothek und des Naturalienkabinetts in Brand gesteckt, das Dach des Gebäudes brannte lichterloh. Die in der Bibliothek Anwesenden, namentlich Birk und Pachler, gaben sich unter Lebensgefahr alle Mühe, um unermeßlichen Schaden abzuwenden. Zum Glück hatten die Bücherschätze nur durch das eindringende Wasser etwas Schaden gelitten, im übrigen erschien, da der Brand bald gelöscht wurde, das Schlimmste abgewehrt.