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Die ersten poetischen Schöpfungen Münchs waren eine Zahl lyrischer Gedichte, welche in seinem Nachlasse gefunden wurden und die er etwa von 1823 bis 1828, also noch als Jüngling, zum großen Teile unter dem Einflüsse seiner jungen Liebe dichtete. Er hat sie unter dem Namen S. Fidelis ausgezeichnet, aber weniges davon und auch dies erst später veröffentlicht, als dem Dramatiker Halm schon reiche Anerkennung zu teil geworden. In diesen Jugendliedern macht sich der Einfluß des gerade damals als glänzender Stern am Dichterhimmel erschienenen Heine bemerkbar, wie bei so vielen noch lange nach Halm neu auftauchenden Poeten, Stücke epischen Charakters gemahnen an Uhland, den er ja, wie wir schon in dem bezüglichen Teile der vorliegenden Biographie gesehen, so hoch verehrte. Die Reime in diesen ersten Gedichten sind rein, die Sprache ist eine mitunter blumenreiche, manche Gedanken überraschen darin den Leser. Aber im ganzen machen diese Verse keinen tiefen Eindruck. Auch an einem umfassenden Trauerspiele: »Schwert, Hammer, Buch« hat der Dichter von 1829 bis 1833 gearbeitet. Dasselbe ist ebenfalls bis auf einige wenig beachtenswerte Fragmente (erschienen in dem Wiener Taschenbuch »Gedenke Mein« für 1839) nicht zum Drucke gelangt. Aber dieses umfangreiche Drama zeugt schon von der Entfaltung eines merkwürdigen Talentes. Es »rührt«, wie Pachler bemerkt, »mit seinem blühenden Unsinn, seinem oft gesuchten Zynismus, seiner phantastischen Verwirrung der Handlung, mit seiner absichtlichen Ignorierung der Zeit – durch seinen Enthusiasmus für alles Hohe und Edle aufs tiefste; es enthält neben Stellen, die kaum ein Knabe von vierzehn Jahren mehr schreiben dürfte, Prachtstellen, die des größten Dichters würdig sind und deren innere Wärme er nie mehr erreicht, geschweige denn übertroffen hat.
Die auf romantischer Grundlage ruhende Handlung führt aus, wie drei Söhne eines verstorbenen Kaisers von Trapezunt, denen die Wahl aus dessen heimlich aufbewahrter Hinterlassenschaft zum Erringen des Thrones freisteht: das Schwert – die Heldenlaufbahn – das Buch – die Laufbahn des gelehrten Dichters – und den Hammer – den Erwerbsbetrieb des gewöhnlichen Spießbürgers – erwählen und schließlich von Claudia, der Tochter des Grafen Tiridat, nach mannigfaltigen Schicksalen den Thron, der ihnen gebührte, besteigen sehen müssen. Eine große Menge Beiwerk zersplittert die ganze Handlung und Enk, welcher um jene Zeit des Dichters freundschaftlicher, aber strenger literarischer Berater geworden, unterdrückte des Dichters Gedanken an eine etwaige Aufführung.«
Aber schon hatte sich der Poet des Griseldisstoffes bemächtigt und von 1833 an, fortwährend unter Enks Leitung, dieses dramatische Gedicht geschaffen, welches unter dem Pseudonym Friedrich Halm am 30. Dezember 1835 über die Bretter des Burgtheaters ging und dem Verfasser zu einem geradezu beispiellosen Erfolge verhalf. Die »Griseldis« bildete für das Burgtheater, rasch darauf auch für alle größeren deutschen Theater ein Ereignis und Halms Name wurde nach deren Aufführung nicht nur auf deutschem, sondern auch auf fremdländischem Boden ein gefeierter. Der erste Eindruck des gewandt geschriebenen, alle dramatischen Effekte ausnutzenden und in edler poetischer Sprache und mit allem romantischen Zauber umwobenen Dramas ließ die Mängel des Stückes, die im Leben fast unmöglichen Charaktere, deren Zeichnung aber fest Umrissen erschien, übersehen. Die dramatisch so wirksame, von der ursprünglich italienischen Erzählung ganz abweichende Wendung des Schlusses ergriff die Zuhörer immer wieder und tatsächlich hatte Halm in diesem Schauspiele ein Stück geschaffen, das gänzlich von der gewöhnlichen Schablone abwich und die Schöpferkraft eines hohen poetischen Genius aufwies. Erst viel später ist man auf die erwähnten Mängel dieses »dramatischen Gedichtes« aufmerksam geworden, das aber als solches heute Noch Beachtung verdient. Es soll in den einführenden Worten zur »Griseldis« noch manches darüber mitgeteilt werden.
Hier aber ist nun der rasch darauf gefolgten zweiten dramatischen Dichtung Halms zu gedenken. Dieselbe, ein Trauerspiel, »Der Adept«, führt uns in dem Kölner Chemiker Werner Holm einen Mann vor, dem es nach vielen Versuchen und Aufwand seines ganzen Vermögens sowie desjenigen seines Gehilfen Hartneid in der Tat gelingt, Gold zu machen. Ohne Hartneid, welcher mit an der Errungenschaft teil haben möchte, verläßt Holm Weib und Kind, er tritt als russischer Fürst Borisoff in Benevent in Italien auf, sich mit den errungenen Schätzen allen Genüssen hingebend. Hier entdeckt ihn Hartneid und sucht vergebens das Geheimnis des Adepten zu ergründen. Hartneid macht nun kund, was es mit Holms Reichtum für ein Bewenden habe und dieser selbst, von seiner Geliebten Lucretia verraten und verlassen, soll gefangen werden, entflieht aber, Hartneid erdolchend, durch die Reihe der Häscher, welche ihn schon umstellt haben, noch Gold unter sie streuend. Wir finden ihn als Flüchtling wieder auf einer Alpenmatte der Schweiz bei dem armen Hirten Ruodi, welcher den Verfolgten verbirgt. Aber hier trifft Holm auch mit seiner in Armut geflohenen Hausfrau Agnes zusammen, welche ihm vom Tode der zwei dem Mangel preisgegebenen Kinder berichtet, dem Manne seine Flucht und Untreue verzeiht, sodann aber in jener Höhe erschöpft den Geist aufgibt. Der Hirte selbst verfällt nun dem Fluch des Goldes, da die Verfolger nahen und er von der Kunst seines Schützlings, das edle Metall machen zu können, erfährt. Obgleich Ruodis Schwester Aenneli den nun auch von ihrem Bruder Verratenen zu schützen versucht, wird er doch umstellt und ein Entrinnen ist bald unmöglich. Holm gibt sich mit dem Dolche selbst den Tod, nachdem er noch das Rezept zur Bereitung des Goldes vernichtet hat. – Trotz der nicht minder schönen und edlen Sprache, der Fülle von Gedanken und der fesselnden Anlage dieses 1836 zuerst aufgeführten Trauerspieles fand dasselbe doch nicht so allgemeinen Anklang und solche Verbreitung wie die »Griseldis«. Es liegt keine Klarheit in dem Grundgedanken, welcher die Schädlichkeit des Goldes Nachweisen will und die Unglück bringende Bedeutung des Reichtums; man vermißt eine ausgeprägte Schärfe der dargestellten Charaktere und auch der Charakter Holms zeigt sich als schwankender, als unschöner, namentlich seiner Familie gegenüber, die er ohne Grund ins Verderben stürzt.
Der Stoff zu dem im Dezember 1838 zuerst aufgeführten Trauerspiele »Imelda Lambertazzi« hat manche Ähnlichkeit mit jenem der Tragödie von »Romeo und Julie«. Auch hier stehen sich zwei Familien, die Geremei und Lambertazzi feindlich gegenüber, auch hier ist es ein Liebespaar Fazio und Imelda, welches diesen beiden Familien angehört. Fazio sucht durch den Vorschlag einer Verbindung mit Imelda die beiden Parteien zu versöhnen, aber die Lambertazzis verwerfen mit Hohn diesen Vorschlag. Imelda, hart bedrängt, entsagt ihrer Neigung und wird Azzos, des Freundes der Lambertazzi, Braut. Dennoch sollen die Liebenden wieder zusammentreffen, aber Fazio, von Azzo überfallen, tötet diesen. Beim Gange zur Waldkapelle; wo Imelda den Geliebten erwartet, wird dieser von Imeldas Brüdern angegriffen, mit vergiftetem Dolche an der Hand verwundet und Imelda findet ihn sterbend. Sie saugt das Gift aus seiner Wunde, erliegt aber demselben. Über den Leichen beider versöhnen sich die feindlichen Familien. Trotz mancher Anerkennung, welche namentlich der naturgetreuen Entwicklung der Leidenschaft und der Seelenzustände galt, sowie der Losreißung des Dichters von einer bestimmten Tendenz, die ja in anderen seiner Stücke hervortritt, ist doch auch dieses Trauerspiel nicht des allgemeinen weitreichenden Beifalls teilhaftig geworden. Es hatte namentlich an der unwillkürlich nahegelegten Vergleichung mit Shakespeares Meisterdrama zu leiden und daran, daß nicht die Macht des Schicksals das unglückliche Geschick der Liebenden besiegelt, sondern der blinde Haß der Menschen, welche nur danach streben, durch Mord diesem Hasse Ausdruck zu geben.
Anfangs April 1840 ging das Trauerspiel »Ein mildes Urteil« über die Bretter des Burgtheaters. Es spielt in altersgrauer Zeit auf britischem Boden. Die Heldin ist Edith, die jugendliche Gattin des bejahrten Godwin, welche von der Liebe zu dem Grafen Aelmar ergriffen, diesem eine Zusammenkunft gewährt, vom Gatten aber dabei überrascht wird. Dieser straft sie milde nur durch Verbannung aus seinem Angesichte. Die Reuige, welche erfährt, daß Godwin als Verräter beim Könige angeklagt wurde, tritt selbst vor König Edmund, bekennt ihre eigene Schuld und reinigt Godwin von dem Verdachte. Der König gebietet Godwin, die Gattin wieder aufzunehmen und verbannt den dagegen Widerstrebenden auf seine Burg Wedmor. Aber Weimar trachtet nach der Krone seines Vetters, des Königs, und empört sich gegen diesen. Er will mit England auch Edith erringen und glaubt mit deren Hilfe Godwin aus dem Wege räumen zu können. Edith führt Aelmar auf unterirdischem Wege ins Schloß Wedmor, scheinbar um ihm Godwin in die Hände zu liefern, sperrt den Grafen aber daselbst in ein Zimmer und bringt die Besatzung der Burg in Bewegung. Godwin erscheint, sprengt die Tür und tötet Aelmar, Edith aber, von einem Pfeile getroffen, stirbt in den Armen des versöhnten Gatten. Auch dieses Drama fand trotz seiner schönen Diktion – es ist in vierfüßigen Trochäen abgefaßt – manchen Widerspruch und nicht die begeisterte Ausnahme wie andere Schöpfungen Halms. Wenn auch im allgemeinen der poetischen Gerechtigkeit Genüge geschieht, so wirft doch die verräterische Handlungsweise Ediths gegen den allerdings verächtlichen Aelmar auf die bis dahin in Betätigung ihrer Reue hoch zu achtende Frau ein schlechtes Licht. Das schon zu Anfang des Stückes von Godwin gefällte milde Urteil und damit das Vorausgehen der Haupthandlung macht das weitere Interesse schwinden und so zeigen sich Mängel in der weiteren Komposition, die auch dem vollen Erfolge im Wege stehen.
Ein dramatisches Gedicht, am 4. März 1841 zuerst im Burgtheater unter dem Titel »König und Bauer« aufgeführt, bildet eine Bearbeitung von Lope de Vegas » El villano en su rincon« durch Friedrich Halm. Letzterer hatte sich, wie wir gesehen, schon auf Anraten Enks vielfach mit dem spanischen Drama beschäftigt und manche gute Lehre aus den besten Werken der berühmtesten spanischen Dramatiker gezogen. Mit »König und Bauer« ging er daran, eines der anmutigsten Stücke Lopes dem deutschen Publikum nahe zu bringen. Allerdings war es bei den vorgeführten Charakteren notwendig, daß er sie, wie Grillparzer bemerkt, »den Bedürfnissen der Zeit und des heutigen Theaters nach notwendig modifizieren und zum Teil abschwächen mußte«. Vgl. Grillparzers sämtliche Werke, Hrsg. v. M. Necker, Leipzig. 1903. Bd. 13 S. 99 f. Selbstverständlich hat aber Halm den Gang der Handlung beibehalten, welche den Gegensatz zwischen dem König und dem reichen Bauer Gomard, der sich auf einer selbstverfaßten Grabschrift rühmt, den König nie gesehen zu haben, zum Gegenstände nimmt. Der verkleidete König besucht den Sonderling, übernachtet bei ihm, läßt ihn später mit Sohn und Tochter an den Hof bringen, wo er die genossene Gastfreundschaft erwidert, die Familie zu hohem Stande erhebt und mit reichen Geschenken bedeckt. Gomard aber weist seine eigene Erhebung zum Seneschall dankend zurück und bittet, ihn zurückgezogen in seinen Bergen zu lassen und »König sein auf meiner Hufe!« Die ganze romantische Färbung des Stückes hat der Bearbeiter des Stückes beibehalten und noch durch den Schluß zu erhöhen versucht, denn in Lopes Drama nimmt der Bauer die Anstellung beim Hofe an. In der Form sind durch Halm wieder die fünffüßigen Jamben angewendet worden, welche der Dichter so trefflich zu beherrschen versteht. Das Stück ist in dieser Form stets des Beifalles, den es auch nach der ersten Aufführung gefunden, sicher und steht heute noch auf dem Repertoire vornehmer Bühnen.
Kaum ein Jahr darauf ist jenes dramatische Gedicht Halms zur ersten Aufführung gelangt, das schnell den Namen des Dichters neuerlich bis in die weitesten Kreise dringen ließ: »Der Sohn der Wildnis«, welchem zumal, die zart besaitete Frauenwelt zujubelte und das, in der Folge unzählige Male auf allen deutschen Bühnen aufgeführt, zwei Rollen für die Hauptpersonen bot, welche von stets packender Wirkung erschienen. Auch bezüglich dieses Dramas wird auf die einführenden Worte zu dem von mir besorgten Abdruck verwiesen.
Die nächste Schöpfung Halms, das Trauerspiel »Sampiero«, im Januar 1844 zuerst aufgeführt, zeigte keinen Fortschritt des Dichters. Schon die Gestalt des gewissermaßen als Freiheitshelden hingestellten Korsen Sampiero kehrt den rechten Heldencharakter nicht hervor. Allerdings steht Korsika unter der bedrückenden Herrschaft der Genuesen und wurde derselben durch Frankreich ausgeliefert, wogegen Sampiero mit seiner vollen Vaterlandsliebe eintritt und kämpft. Aber die verschiedenen Vorkommnisse lassen des Korsen Handlungsweise nicht in so edlem verklärten Lichte erscheinen, wie dies bei anderen Kämpfern für Freiheit und Recht der Fall ist. Sampieros Gattin Vanina, eine edel gezeichnete Frauengestalt, selbst Genueserin, hat keinen Anteil an der Begeisterung des Gatten, dessen verräterischer Geheimschreiber Ombrone, noch von früherer Zeit der Blutrache an Sampiero gedenkend, diesen zu verderben sucht und eben Vanina zum Werkzeuge hiefür sich erlesen. Ombrone veranlaßt die Frau, aus Marseille, wohin sie Sampiero gesendet, nach Genua zu segeln, um sich selbst als Unterpfand für den am Leben bedrohten Gatten anzubieten und schmiedet alle möglichen Ränke. Vanina wird von Sampieros Anhänger Antonio eingeholt, nach Marseille zurückgebracht, aber von ihren Brüdern aufgefangen und unter den Schutz des Parlaments von Aix gestellt. Dort entdeckt sie Sampiero und um zu erweisen, daß er seinem Vaterlande treu geblieben, tötet er die Gattin nach einer längeren peinlichen Szene, in welcher Vanina dem ihr angesagten Tode nicht widerstrebt. Sampiero selbst will nun mit den Seinen die Befreiung Korsikas vollenden. – Dieses einzige vollständig in Prosa abgefaßte Stück Halms bietet manche dramatisch wirksame Szene, läßt aber für keine der auftretenden Gestalten volle Sympathie aufkommen. Die Ermordung der Vanina ist eine unnütze Grausamkeit und vor dem Hasse gegen Genua, der Sampiero erfüllt, schwindet der Anteil an der Begeisterung desselben für sein Vaterland.
Lebendigkeit und Kraft der Darstellung läßt sich dem historischen Drama »Maria de Molina«, welchem der Dichter später den Titel »Eine Königin« gegeben, nicht absprechen, obwohl auch dieses zu den weniger bedeutenden Stücken Halms gehört. Im März 1847 zuerst in Wien aufgeführt, hat es später nicht viele Wiederholungen erfahren, zumal außerhalb der österreichischen Residenzstadt. Eigentlich ist auch dieses Drama die allerdings freie Bearbeitung eines spanischen Stückes von Gabriel Tellez (Tirso de Molina). Im Mittelpunkt der Handlung finden wir die Königin Maria, welche für ihren unmündigen Sohn Fernando IV. das Reich verwaltet und von dessen beiden Oheimen, den Kronprätendenten, bekriegt wird. Doch steht ihr der von ihr geliebte Diego, Herzog von Biskaya ritterlich zur Seite, dem sie aber nicht die Hand reichen will, um die Zukunft ihres Sohnes, des künftigen Herrschers, sicher zu gestalten. Der Oheim Don Juan will sogar durch den jüdischen Leibarzt Aben Esra den jungen König vergiften lassen. Die große Szene zwischen dem Arzt und der Königin, worin diese den ersteren zwingt, selbst den Giftbecher zu leeren, gehört zu den gewaltigsten Teilen des Stückes. Mehrfach verzeiht die Königin den verbrecherischen Ränken Don Juans, bis sie ihn bei einem dritten Male in den Kerker abführen läßt. In einem Nachspiele acht Jahre später regiert der König Fernando und glaubt, durch treulose Ratgeber, namentlich auch durch den aus dem Kerker entflohenen Don Juan verblendet, daß seine Mutter ihn entthronen, ja ihm selbst das Leben rauben wolle. Aber Maria entkräftet jeden Verdacht, entlarvt Don Juan, der wieder seinen Verrat im Kerker büßt, verzeiht dem Könige, der sie um Verzeihung anfleht und begibt sich in ein Kloster. Die edle Gestalt der Königin tritt in diesem Stücke würdig und glänzend hervor, auch der Charakter Don Diegos und der Kampf in den Seelen beider zwischen Liebe und Pflicht erscheinen ausdrucksvoll gezeichnet. Das dramatische Gefüge aber zeigt sich schon äußerlich durch das acht Jahre später handelnde Nachspiel gelockert, auch die Szenen zwischen Aben Esra und Maria sind trotz ihrer ausgezeichneten Anlage episodenhaft. Übrigens findet sich noch eine Zahl glänzender Szenen, welche die gewaltige Dichterkraft ihres Schöpfers ebensowenig verleugnen, wie die Zeichnung der übrigen Charaktergestalten.
In eine schlimme Zeit fiel die am 29. März 1848 stattgefundene Erstaufführung von Halms einzigem Lustspiele »Verbot und Befehl«. Wenn auch hier der Humor nur in einer einzigen Person, in dem eß- und trinklustigen Sekretär Antonio Tentori hervortritt, so erscheint doch die Verwicklung gut angebahnt. Der Beschluß des Staatstribunals in Venedig, welches den Befehl an den Edlen Pisoni enthält: er möge sich eifriger um die Witwe Stella Vendramin bewerben, damit dieser für den schlecht dotierten Gesandtschaftsposten so vortrefflich passende Mann die reiche Witwe heirate, und das Verbot desselben Tribunals für den Hafenkommissär Beccari, an öffentlichen Orten seiner Frau allzugroße, die Würde des Beamten verletzende Zärtlichkeit zu bezeugen, sowie die Verwechslung beider Aufträge durch den erwähnten Sekretär führen zu einer ganzen Reihe heiterer Szenen. Die Vereinigung Stellas und Pisonis findet schließlich statt und der vor seiner Bestrafung zitternde Sekretär erhält einen – dreimonatlichen Urlaub. Die venetianische Szenerie des Ganzen bietet einen farbenreichen Hintergrund für das unbedingt treffliche Lustspiel, welches, wie erwähnt, den Dichter auf einem sonst nie betretenen Gebiete zeigt. Manche Anspielungen und Stellen darin weisen auf die stürmische Zeit, in der es entstanden ist.
Am 18. Oktober 1854 wurde Halms berühmtes Trauerspiel »Der Fechter von Ravenna« zur ersten Darstellung gebracht. Von den Schicksalen dieses Stückes und den Kränkungen, welche es seinem zuerst anonym auftretenden Verfasser eintrug, war schon früher die Rede und möge noch auf die einleitenden Worte zu dem Abdrucke des Textes verwiesen sein. Jedenfalls zählt der Fechter zu einer der hervorragendsten Schöpfungen unserer neueren dramatischen Literatur.
Weniger glücklich war der Dichter mit der 1856 auf der Bühne erschienenen »Iphigenie in Delphi«. Unwillkürlich wird man durch den Titel an Goethes Meisterwerk erinnert. Schon dieser Umstand gereicht der ebenfalls jambisch abgefaßten Dichtung Halms nicht zum Vorteile. Die Fabel knüpft an die Ankunft Orests und Iphigeniens in der Heimat an, wo ein Oheim der Geschwister den Thron bestiegen hat und Orest von diesem für tot ausgegeben wird. Um nicht gefährdet zu sein, erzwingt Orest von Iphigenie das Versprechen, ihren Namen hier ja nicht zu verraten. So erfährt denn auch die Schwester Elektra, welche den Tod des Bruders beklagt, da sie im Haine der Pythia mit Iphigenie zusammentrifft, nicht deren Namen, vermutet aber aus manchen Äußerungen, die Fremde habe Orest gemordet. Elektra ist zum Furchtbarsten entschlossen, sie will mit dem stets aufbewahrten Beile die ihr unbekannte Schwester erschlagen. Schon schwingt Elektra das Beil, da erscheint im schrecklichsten Momente Orest selbst, der Totgeglaubte, die Aufklärung erfolgt und die Priesterin Pythia verkündet den Geschwistern das Wort des Heils. Starke ungezügelte Leidenschaft hat der Dichter Elektren verliehen, milde versöhnende Duldsamkeit Iphigenien. Aber die eigentliche dramatische Handlung schreitet langsam vorwärts und ist überhaupt keine reiche. Trotzdem weist dieses Drama zahlreiche Schönheiten auf, die allerdings mehr der lyrischen Seite angehören. Edle Gedanken in vollendeter Form sind in den Reden Elektras und Iphigeniens zahlreich enthalten und heben das Stück hoch empor über die verschiedenen andern lyrischen Dramen, welche diesen Stoff und andere klassische Stoffe behandeln.
Erst sieben Jahre später ist Halm wieder mit einem »dramatischen Gedichte« hervorgetreten. Es war dies das graziöse »Wildfeuer«, das so mannigfaltigem Widerspruche begegnete, aber wieder durch die Eigenart der Handlung, durch Schönheit der Sprache und Zartheit der Empfindung fesselte. Da diese Dichtung in der von mir besorgten Ausgabe enthalten ist, verweise ich auf die dem Text vorangestellten einleitenden Worte.
Das letzte Stück Halms, welches erst in einem Nachlaßbande der Werke des Dichters zum Drucke gelangte, ist eigentlich vor »Wildfeuer« anläßlich eines Gastspiels Julie Rettichs im Berliner Viktoria-Theater am 20. Juli 1863 zuerst ausgeführt worden. »Begum Somru«, in der letzten gedruckten Fassung als Trauerspiel bezeichnet, fällt seiner Anlage und Fabel, nach ganz außerhalb des Rahmens, der sonst Halms dramatische Arbeiten umschließt und fußt auf einem historischen Stoffe, welcher sich in der Revue des deux mondes 1845 fand und von Faust Pachler dem Dichter Halm ausdrücklich abgetreten wurde. Denn Pachler selbst hatte ein Trauerspiel »Begum Sumro« verfaßt, das 1849 sogar im Druck erschien, vom Verfasser aber später zurückgelegt wurde. Halm hat seine dramatische Kraft und Lebendigkeit diesem Stoffe und dem 1782 in Ostindien spielenden Stücke die Pracht des indischen Kolorits verliehen, auch in der indischen Fürstin Begum Somru, in deren Sklavin Schirin, in dem Residenten der ostindischen Kompanie Dyce, in dem selbstbewußten stolzen Generalgouverneur Warren Hastings kräftig hervortretende Charaktere geschaffen. Der feige und verräterrische Dyce, welcher scheinbar der indischen Witwe und Fürstin seine Liebe weiht, doch nur, um ihre Hand und die Gewalt zu erlangen, in Wirklichkeit aber ein Liebesverhältnis mit der Sklavin eingeht, sowie Begum Somru selbst stehen im Mittelpunkte der Handlung, die schließlich in der Entlarvung des Dyce, dessen Verrat die Fürstin mit Abscheu erfüllt, ihr Ende findet. Wie der Fürstin ist Dyce durch sein verräterisches Gebaren auch dem Generalgouverneur verächtlich geworden, dessen Bestrafung er nach dem selbstgewählten Tode der Begum überliefert erscheint. Das Gefüge dieses Stückes ist fest und geschlossen, das Drama hat Stellen von großer Schönheit und weist fast gar nicht jene lyrischen Stellen auf, die Halm so gern seinen früheren in Jamben abgefaßten ernsten Stücken verliehen hat. Leider fand das wirkungsvoll und feinsinnig abgefaßte Stück zuerst nicht die Aufnahme, welche es verdient hätte. Es ist erst am 18. Oktober 1867 auf dem Wiener Burgtheater zur Darstellung gekommen und dort allerdings innerhalb eines Jahres zehnmal vorgeführt worden.
Von den kleineren dramatischen Stücken Halms verdient der poesiereiche Einakter: »Camoens« (1837) hervorgehoben zu werden, welcher uns den Kampf zwischen dem inneren poetischen und dem äußeren praktischen Leben schildert und die edle Gestalt des sterbenden portugiesischen Dichters in glänzendem Lichte hervortreten läßt. Der Vollständigkeit wegen seien noch das Gelegenheitsstück: »Die Pflegetochter« (1840), welches sich auf die Gründung des Ordens der grauen Schwestern bezieht, das Festspiel zur Schillerfeier »Vor hundert Jahren« (1859) und das 1864 dargestellte Shakespeare-Festspiel »Ein Abend zu Titchfield« angeführt. Aus demselben Grunde sei erwähnt, daß der Dichter im Jahre 1842 unter dem Titel: »Die Kinder Cymbelins« eine von ihm gekürzte und zurecht gelegte Bearbeitung von Shakespeares »Cymbeline« zur Aufführung brachte. Auch hat er nach Lope de Vega frei bearbeitet das Bruchstück eines Dramas »König Wamba«, im dritten Bande der Werke veröffentlicht, von dem sich im Nachlasse die Ausführung des zweiten Aktes vorfand und von Pachler ebenso wie das Bruchstück eines Trauerspieles: »John Brown« veröffentlicht wurde.
Es ist schon angeführt worden, daß Halm auch lyrische und epische Gedichte verfaßt hat. Dieselben liegen in zwei Bänden, welche er selbst noch redigierte, und in einem Nachlaßbande, den Pachler zusammengestellt, vor. Wenn sich unter den lyrischen Gedichten auch manche selbständige und eigenartige finden, so ist doch in den Liebesliedern, die aus älterer Zeit stammen, die Einwirkung Heines unverkennbar. Manches hübsche Bild tritt uns in den Naturbetrachtungen und stimmungsvollen Zeichnungen, wie z. B. in dem Gedichte »Am Brunnen«, entgegen. Gern pflegt Halm die Form des Sonettes, in dessen knappe Zeilen er sinnige Gedanken zu bannen weiß, auch andere fremde Formen, wie Ghasele, Triolette, Ritornelle, versteht er künstlerisch zu handhaben. Sentenzenreich erscheint seine Spruchpoesie, welche er in den meist nur vierzeiligen Stücken unter dem Titel »Meinungen und Stimmungen« zusammengestellt hat und nicht gering ist die Zahl der Gelegenheitsgedichte, die bei einem Poeten wie Halm selbstverständlich mehr bedeuten als bloße Reime für festliche und andere Gelegenheiten. Nicht ohne Rührung wird man die aus den Jahren 1864 bis 1867 stammenden, im Nachlaßbande unter dem Titel »Schwere Jahre« enthaltenen Lieder und Gedichte lesen, von denen die meisten, an Julie Rettich gerichtet, uns die Verehrung darlegen, welche er der Künstlerin und Freundin entgegengebracht, eine Verehrung, die weit über das Grab hinausreicht.
Von den epischen Stücken, Balladen und Romanzen, in denen sich Halm vielfach Uhland zum Muster genommen hat, ist ihm mancher kräftige Sang geglückt, wenn auch die Länge dieser Dichtungen mitunter ermüdend wirkt. Er liebt es, nordische Stoffe in dieser Form zu behandeln, wendet sich aber auch anderen historischen Stoffen aus der deutschen Vorzeit zu. Das deklamatorische Element tritt allerdings in vielen der erzählenden Dichtungen zu Tage, von denen beispielsweise »Leogair« oder »Die Glocke von Innisfare« stets von fesselnder Wirkung erscheinen. Unter den übrigen Stücken finden sich auch Legenden, Sagen und dergleichen in ansprechender Bearbeitung. Ein gewisses Düster ruht allerdings auf vielen dieser poetischen Erzählungen, überaus schauerlich sind die Einzelheiten in dem längeren, übrigens vortrefflichen Gedichte »Die Brautnacht« ausgeführt, während das umfangreiche epische Gedicht »Charfreitag« die düstere Geschichte eines Manneslebens schildert, welches unter dem Eindrücke des am Freunde allerdings im Zweikampfe begangenen Totschlages erliegt. Die in versöhnlichem Schluß ausklingende Dichtung enthält Schilderungen von mächtiger Gewalt und weiß die Stimmung trefflich zu zeichnen.
Überraschend erschien es, als Faust Pachler und Emil Kuh, die von Halm selbst in dessen Testament als Herausgeber seines Nachlasses bestimmt wurden, daraus eine Zahl von Novellen vorlegten, von denen nur eine, »Die Marzipanliese«, in Gutzkows »Unterhaltungen am häuslichen Herd« bisher an die Öffentlichkeit getreten war. Diese Novellen reihen Halm ohne Frage den besten unserer Novellisten an. »Die Marzipanliese« ist eine Geschichte, welche uns die Liebe eines Mörders zu einem Mädchen vorführt, durch dessen Handlungsweise infolge eigentümlicher Schicksalswendung der Geliebte selbst einen grauenhaften Tod findet. Eine fesselnde Darstellung aus dem Jahre 1644 bietet die Erzählung »Die Freundinnen«, welche, aus irischem Boden spielend, von der Schuld der Lady Rich berichtet, von einer Schuld, die ein verwechseltes Schreiben des Gatten ihrer Freundin, Gräfin Elisabeth, enthüllt; das Vergehen der Lady weist aber eine Verkettung so seltsamer Umstände auf, daß die Gräfin bewegten Herzens der Freundin verzeiht. Ausgezeichnet in der Anlage und Durchführung ist das »Haus an der« Veronabrücke«, eine venetianische Novelle, in welcher die Gestalten plastisch hervortreten, die Begebenheiten gleichsam naturgemäß sich entwickeln und selbst der Schauplatz meisterhaft geschildert wird. Leider unvollendet ist »Die Marquise von Quercy«, eine Art Künstlernovelle aus der Zeit Ludwigs XV. geblieben, worin sich wieder treffliche Anlage und Durchführung in dem ziemlich umfassenden Bruchstück zeigt. Daß Halm schon in seiner Jugend vor der »Griseldis« bedeutendes Talent und Kraft zur novellistischen Darstellung besaß, erweist die von Pachler ebenfalls nur als Bruchstück vorgelegte Erzählung: »Das Auge Gottes«, welche der zwanzigjährige Poet verfaßt hat und die in vielen Beziehungen eine überraschende Reife in der Erzählung und Personencharakteristik bietet.
Wir sehen also Halm in drei Richtungen poetisch tätig, von denen allerdings die wichtigste die dramatische Richtung ist. Ein geistvoller Literarhistoriker und Gelehrter, Anton Schönbach, bemerkt, daß der Dichter in seinen Dramen »nie von einem Charakter ausgegangen ist, sondern stets von einem Problem, einer Aufgabe,« die er sich gestellt hat. In der Tat hatte er in seinen Hauptdramen nur sich die Aufgabe gestellt, einem Gedanken Ausdruck und Form zu verleihen, welcher sodann Szene für Szene der vollen Ausgestaltung zugeführt wird: so in der »Griseldis« dem sich schließlich aufbäumenden Gefühle des nur einer Laune wegen maßlos gequälten Weibes, im »Sohn der Wildnis« der Darlegung über die selbst auf den wildesten rohen Krieger milde und bezähmend einwirkende Gewalt der Liebe, in »Sampiero« der sogar den Tod der Gattin nicht verschmähenden Vaterlandsbegeisterung, in »Wildfeuer« der Darstellung des Durchbruchs weiblichen Gefühls in der als Mann erzogenen »Wildfeuer« dem Geliebten gegenüber usw. Nur in seinem letzten Stücke »Begum Somru« scheint der Dichter von den Charakteren ausgegangen zu sein, die ihm zuerst vorgeschwebt und die er dann der Handlung angepaßt hat. Man mag den Dichter als Darsteller mancher sentimentalen und weiblichen Charaktere auch im männlichen Gewand ansehen, man mag ihm den Vorwurf mancher für das große Publikum berechneten Effektszenen machen, immer aber muß man sein großes Gestaltungstalent, seine dramatische Kraft, seine glänzend wirkende Sprache und seine gewandte dramatische Technik anerkennen, die in ihm einen unserer hervorragendsten neueren Dramatiker ersehen läßt, welcher es verdient, auch heute noch mehr gewürdigt zu werden als dies der Fall ist. Daß Halm, der Vertreter einer liebenswürdigen Romantik, seine Stoffe, die, nach seiner eigenen Angabe, »er suchte oder die ihn fanden«, nur jenen Gebieten entnahm, welche ein feiner angelegtes Publikum, rote es namentlich das des Burgtheaters war, verlangte und daher für die realistische Gestaltung von Figuren aus dem Volke und von Vorkommnissen des täglichen Lebens keine Anlage hatte, wird dem Dichter wohl niemand zum Vorwurf machen. Sein Ausspruch: »Ich suche die sittliche Weltordnung darzustellen, wie ein Individuum dagegen ankämpft und weil es sich vermessen darüber stellt, tragisch notwendig untergehen muß«, zeigt den Ernst seines Strebens und heute auch hoch anzuerkennenden künstlerischen Schaffens.