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Als Ewan nach Hause kam, saß Dan mit lang vor sich hin gestreckten Beinen, tief in den Taschen vergrabenen Händen, auf die Brust gesenktem Haupte und dem Ausdruck eines gebrochenen Menschen klar auf dem Gesicht vor dem Feuer. Bei Ewans Eintritt blickte er verstohlen auf und dann wieder in steinerner Starre in das Feuer. Hätte Ewan ihm ein ermunterndes Wort gegönnt, Gott weiß, welch traurige Folgen beiden erspart geblieben wären. Ewan aber hatte Dan auf Kosten der Wahrheit und der Selbstachtung vor der Strafe seines Verbrechens errettet.
»Dan,« sagte er, »du und ich, wir sind geschiedene Leute, wir können fernerhin keine Freunde mehr sein.«
Er sprach mit großer Anstrengung, und die Worte schienen ihm die Kehle zuzuschnüren. Dan erhob sich linkisch; er erschien einen Moment wie jemand, der aus einer Ohnmacht erwacht und seine Gedanken erst sammeln muß.
»Ich will dich nicht aus dem Hause hinaustreiben,« sagte Ewan, »wenn wir jedoch dieses Heim gemeinschaftlich bewohnen sollen, so kann es nur als Fremde geschehen.«
Ein hartes Lächeln überflog Dans Gesicht. Er schien etwas antworten zu wollen, kein Wort jedoch kam über seine Lippen. Langsam drehte er sich auf dem Absatz herum und drückte die Klinke der Türe, die in das Innere des Hauses führte, nieder.
»Noch eins,« sagte Ewan mit hastiger, zitternder Stimme; »ich muß dich bitten, dich fernerhin meiner Schwester gegenüber auch als Fremden zu betrachten.«
Dan blieb stehen und wandte sich um. Außer dem erzwungenen Lächeln konnte man einen harten Kampf um Selbstbeherrschung auf seinen Zügen lesen. Er antwortete nichts und verließ nach einem Augenblick, hörbar atmend, das Zimmer.
Ewan warf sich in den von Dan soeben verlassenen Stuhl, sein ganzer Körper bebte vor unterdrücktem Schluchzen. Nach wenigen Minuten verminderte sich das ihn beherrschende Gefühl seiner eigenen Erniedrigung und machte dem gerechten Gedanken an Dan und die ihm widerfahrene, geringschätzende Demütigung Raum. »Ich bin zu weit gegangen,« dachte er; »ich will es wieder gut machen.« Er war gerade aufgestanden um Dan zu folgen, als ein anderer Gedanke den ersten verjagte. »Überlasse ihn sich selbst, das wird das beste für ihn sein; überlasse ihn, um seiner selbst willen, sich selbst.« Und so mit der gärenden Wut in seinem Hirn ließ er derselben ebenfalls ungehinderten Spielraum in Dans Hirn.
Dan selbst, sich derartig ausgestoßen findend, versuchte seiner Demütigung eine äußere Gleichgültigkeit entgegenzusetzen. Er blieb im alten Ballamona, gab sich indes nie die Mühe – bewahre, wie würde er auch – Leute anzureden, die, ohne ein Wort des Grußes, an ihm auf der Treppe vorübergingen, oder ohne einen Blick des Einverständnisses in dem Vorsaal mit ihm zusammentrafen.
Es begab sich, daß gerade zu der Zeit die Behörde, in der Voraussicht eines gedrohten Überfalles, ein Freiwilligenkorps, als die Manx-Landwehr bekannt, zusammenberief und die Hauptleute der Parochien damit betraute, Kompagnien zu bilden. Dan warf sich mit außerordentlichem Eifer auf dies Unternehmen, ließ sich selbst im Waffengebrauche und Exerzieren unterrichten und eignete sich in kürzester Frist eine so genügende Kenntnis der Anfangsgründe dieser Künste an, daß er die jungen Burschen seiner Parochie unter sich vereinen und einexerzieren konnte. Es war gerade die Tätigkeit, die ihm den Augenblick erwünscht war, und ihr Verfolg führte ihn öfter als vorher in die »Drei Beine von Man«. Dort tranken und scherzten die der niedrigsten Stufe entstammenden Burschen mit ihm und redeten ihn, ohne auch nur daran zu denken ein »Herr« davor zu setzen, als »Hauptmann«, öfter aber noch als »Dan« an.
Diese Wendung der Dinge war Ewan unbegreiflich. »Ich habe mich in dem Menschen getäuscht,« dachte er bei sich, »er hat keine Spur von Herz.«
Gegen Mitte Dezember erschien Jarvis Kerrisch auf Ballamona und wußte sofort eine Stellung zu behaupten, wie sie dem Erben des Deemsters zugekommen wäre. Der junge Mensch war mittlerer Größe und sah dem Deemster von Gesicht und Gestalt sprechend ähnlich. Seine Kleidung war nach englischer Mode: ein enganschließender Rock mit Schößen und darüber ein mit einer Metallschnalle am Halse zusammengehaltener Mantel; ein zuckerhutförmiger Biberhut und Stiefel, die glatt wie Handschuhe an seinen Beinen saßen. Seine Ausdrucksweise war weitschweifig, und er legte eine vollkommene Unbefangenheit über den seiner Geburt anhaftenden Makel und die falsche Stellung, die er in des Deemsters Hause sich angeeignet hatte, zur Schau. Die Hütte an der Kreuz-Ader zu besuchen, äußerte er kein Verlangen, doch sprach er herablassend mit den Armen. Er zeigte keine Verlegenheit, als er Ewan zum ersten Male gegenübertrat, und Ewan seinerseits äußerte keinen Groll. Mona dagegen bewies ihm einen instinktiven Widerwillen, und in weniger als einer Woche nach seinem Kommen erreichte ihr gegenseitiges Mißverhältnis, das über Ewan und Dan und sie selbst entsetzliche Folgen heraufbeschwor, seinen Höhegrad. Es trug sich folgendermaßen zu.
Am Tage vor Weihnachten sollte ein Preispflügen auf der Wiese über Orris Head stattfinden, und Ewan war durch ein altes Versprechen verpflichtet, das Richteramt dabei zu übernehmen. Der Tag kam heran, es herrschte eine trübe, schwere Luft, und droben am Himmel standen, durch von den Bergen herabkommende und von den Curraghs aufsteigende Nebel verdeckt, schwere Schneewolken. Um zehn Uhr morgens hüllte sich Mona in ihren Mantel und ging mit Ewan nach der Wiese hinüber. Sie fanden schon eine große Menschenmenge daselbst vor, derbe Männer in blauem Seemannstuch, alte Männer in Schaffellröcken, Frauen in über ihre leinenen Mützen hochgenommenen, kurzen, blauen, scheckigen Röcken, Knaben und Mädchen zur Rechten und zur Linken, alle wie Schatten im Nebel kommend und gehend. An einem Ende der Wiese standen, von den damit betrauten Burschen überwacht, verschiedene Paare in Pflüge eingespannte Pferde. Bei Ewans Erscheinen tat sich eine allgemeine Bewegung in einer beieinander stehenden Gruppe von Männern kund, und es wurden dem Pastor ehrerbietige Grüße dargebracht. Die Namen der sich für den Preis – ein Pfundschein und ein Becher – bewerbenden Pflüger wurden verlesen und schließlich sechs Männer durch Handaufheben als Beisitzende erwählt.
Dann wurde ein Strich Landes abgesteckt. Der Preis sollte dem Pflüger zufallen, der die abgemessene Strecke in der kürzesten Zeit auf und nieder pflügte und die geradesten und reinsten und an Tiefe gleichmäßigsten Furchen zöge.
Nachdem alles fertig war, nahm Ewan dort, wo die erste Furche das Feld aufreißen würde, mit Mona neben sich und den sechs Beisitzenden um sich herum seinen Platz ein. Der erste mit seinem Gespann antretende Pflüger war ein sehniger junger Bursche mit wettergebräuntem Gesicht. Er hatte seine Pferde vor dem Antrittspfosten aufgestellt, eine Hand auf die Pflugsterzen gelegt und maß, nach einem Merkzeichen ausschauend, die zurückzulegende Strecke mit den Augen, als Jarvis Kerrisch über die Wiese dahergeschritten kam, sich durch die Menge drängte und seinen Platz an Monas Seite einnahm. Hörbare Bemerkungen und einige kräftige Ausdrücke wurden laut, als er sich, ohne von irgend jemand Notiz zu nehmen, seinen Weg durch die Zuschauer bahnte; er zeigte ihnen gegenüber jedoch gänzliche Gleichgültigkeit und begann mit lauter, schneidender Stimme mit Mona zu sprechen.
»Ah! dies ist sehr erfreulich,« sagte er, »das Landvolk sich mit männlichem Zeitvertreib – nützlichem Zeitvertreib – beschäftigen zu sehen, ich muß sagen – sehr erfreulich.«
»Meiner Seele!« rief eine Stimme ihm zur Seite.
»Hurra!« rief eine Stimme von der andern Seite.
»Meiner Seel'!« tönte es in einer schrillen Frauenstimme von hinten her. »Habt Ihr je einen Engerling sich in einen Schmetterling verwandeln sehen?«
Jarvis schien nichts zu hören. »Es gibt Zeitvertreibe –« begann er; der Pflüger jedoch rief seinen Pferden ein »stetig, stetig!« zu, der Pflug bohrte sich in das saftige Gras hinein, der erste Einschnitt warf die lose Erde in die Luft, und Jarvis' weise Worte gingen verloren.
Aller Augen waren auf den sich durch den Nebel hindurch arbeitenden, vorgebeugten Pflüger gerichtet. »Er schneidet wie 'n Rasiermesser,« sagte einer der Zuschauer. »Er hilft zu sehr mit der Hand nach,« sagte ein anderer. »Macht Ihr selbst es nächstes Mal besser,« sagte ein dritter.
Als die Pferde das fernste Ende der Strecke erreicht hatten, schwenkte der Pflüger sie wie ein Wagenrad herum und war im nächsten Moment schon auf seinem Rückwege, stetig und fest, mit unnachgiebiger Hand und einem straff gespannten Gesicht. Schweißbedeckt kam er an den Platz zurück, wo Ewan mit seiner Uhr in der Hand von den Beisitzenden umgeben stand. »Gut, sehr gut,« sagte Ewan, »sechs Minuten, zehn Sekunden;« und es wurden vereinzelte Beifallsbezeugungen aus dem Zuschauerkreis und einige Spottrufe von den übrigen Preisbewerbern laut.
Jarvis Kerrisch, an Monas Seite, begann von neuem: »Ich gestehe, es ist immer meine persönliche Meinung gewesen –« aber in dem durch die Aufstellung eines anderen Paar Pferde an den Pfahl verursachten Lärm schien niemand bemerkt zu haben, daß er sprach.
Fünf Pflüger folgten einander, alle aber standen sie an Kürze der Zeit und an Regelmäßigkeit der Furche dem ersten nach. So verkündete Ewan mit seinen Beisitzenden also, daß der Preis dem Fremden zuerteilt sei. Darauf, als Ewan nach beendetem Richterspruch sich dem Platz zuwandte, wo Mona mit Jarvis zur Seite wartete, entstand ein allgemeines Gedränge der Preisbewerber und Zuschauer nach der Ecke der Wiese hin, wo von einem viereckigen kleinen Karren der siegreiche, muskulöse Fremde aus einem kleinen Fasse Ale verzapfte.
Mitten in das Lachen und Scherzen hinein ertönte aus der Entfernung ein aus vielen Kehlen kommendes Hallo! und darauf der unregelmäßige Tritt vieler Füße und ein aus der Menge oben auf den breiten Erdwall hinaufgekletterter Junge rief: »'s ist der Hauptmann, 's ist Herr Dan!«
In einer weiteren halben Minute kamen Dan und etwa fünfzig oder sechzig, dem Abschaum der Parochie entstammende Burschen über die Hecke, über die Pforte und durch die Lücken im Stechginster auf die Wiese gestürmt. Es war das von Dan für die Manx-Landwehr vereinigte Korps. Das einzige militärische Abzeichen indes, das die Burschen bis jetzt schmückte, war ein Ledergürtel, und ihre einzige Kriegswaffe ein kleiner in dem Gürtel steckender Dolch. Das Korps hatte an dem Morgen seine Übungen gehalten und nach der Übung sich den Preisbewerb ansehen wollen. Auf dem Wege nach dort waren die Burschen an den »Drei Beinen von Man« vorübergekommen, und da ihre Kehlen sehr ausgetrocknet gewesen waren, hatten sie sich in Reih und Glied vor der Schenke aufgestellt, und jedem Mann war ein Glas Bier, das gebührenderweise auf des Hauptmanns Rechnung angekreidet wurde, verabreicht worden.
Dan sah, während er über die Pforte sprang, Mona an Ewans Seite stehen. Er machte jedoch kein Erkennungszeichen und befand sich im nächsten Augenblick im tollsten Gedränge neben dem Karren, wo er sich alles über den Wettbewerb erzählen ließ und in der allergewöhnlichsten Ausdrucksweise seine Glossen darüber machte.
»Was!« rief er, »und Ihr habt Euch von einem Kerl wie dem da schlagen lassen? Hurra!«
Er schritt nach der von dem Fremden gezogenen Furche, betrachtete sie und unterwarf dann die Pferde des Fremden einer Musterung.
»Ach, ich will d'rauf wetten, die Tiere wollte ich mit meinem Joch Ochsen schlagen.«
Darauf kam Leben in die ihn umgebende Gruppe, und einzelne Hochrufe wurden, um den nun unvermeidlichen Kampf zu schüren, laut.
Der kräftige Fremdling hörte alles und trat mit einem Gesicht wie ein Donnerwetter unter die Leute.
»Wer sagt, er wolle mich mit einem Joch Ochsen schlagen?« fragte er.
»Ich habe es gesagt, mein schmucker Bursche. Habt Ihr irgend etwas dagegen?«
In einer halben Minute war eine Wette von einem Pfunde vereinbart, daß Dan mit einem Joch Ochsen den Fremdling mit seinem Gespann Pferde zwei Strecken von dreien schlagen würde.
»Davy! Davy!« rief Dan, und in einer Minute war der in seinem Guernsey, seinen langen Wasserstiefeln, seiner Seekappe und seinem Ledergurt und Dolch lächerlich genug erscheinende Davy zur Stelle. Davy wurde abgesandt, um das Paar Ochsen, das nicht allzu entfernt Dünger auf das Feld fuhr, herbeizuholen. Er sprang wie der Blitz davon und war in zehn Minuten mit den Ochsen vor sich wieder auf der Wiese.
Diese beiden Ochsen waren Dan vom Bischof geschenkt worden. Sie waren alt und mit den Jahren weise geworden. Seit fünfzehn Jahren hatten sie den Acker von Bischofs-Hof bepflügt und kannten die Mittagsstunde so genau, als ob sie die Höhe des Sonnenstandes bemessen könnten. Wenn um zwölf Uhr die Mittagsglocke in Bischofs-Hof läutete, hielten die Ochsen, wo oder wie sie auch immer beschäftigt waren, inne und waren zu keinem weiteren Schritt mehr zu bewegen, bis sie ausgespannt und zu ihrem Mittags-Mengfutter geführt wurden.
Es fehlten jetzt nur noch wenige Minuten an zwölf, keiner schenkte diesem Umstand jedoch Beachtung, und die Ochsen wurden vor einen Pflug gespannt.
»Derselbe Richter und dieselben Beisitzenden?« fragte der Fremde; Ewan aber entschuldigte sich.
»Ach, was gebrauchen wir einen Richter,« sagte Dan, die Hände an seinen Pflug legend. »Mögen die Beisitzenden ebenfalls Richter spielen.«
Ewan und Mona sahen stillschweigend einige Augenblicke zu. Ewan konnte sich kaum zurückhalten. Bis zu seinem roten Flanellhemde entkleidet, mit gebräuntem, glühendem Gesicht, seine ganze Erscheinung von frischem Leben und vor Gesundheit strotzend, stand Dan scherzend und lachend, als ob nie ein Schatten seine Tage getrübt hätte, mitten unter den Leuten.
»Sieh ihn an,« flüsterte Ewan erregt in Monas Ohr. »Sieh! Dieses strahlende Wesen, das andern so liebenswert erscheint, könnte mich dazu bringen, ihn zu hassen.«
Mona blickte erschreckt in Ewans Gesicht.
»Komm, laß uns gehen,« sagte Ewan mit seitwärts geneigtem Kopf.
»Noch nicht,« sagte Mona.
Darauf kehrte Jarvis Kerrisch, der einen Augenblick zur Seite getreten war, wieder zu ihnen zurück und sagte –
»Wollt Ihr mit mir wetten, Mona – ein Paar Handschuhe?«
»Angenommen,« antwortete sie.
»Auf wen wettet Ihr?«
»O, auf den Fremden,« sagte Mona lachend und unter leichtem Erröten.
»Das trifft sich gut,« sagte Jarvis, »ich wette auf den Hauptmann.«
»Ich kann es nicht länger ertragen,« flüsterte Ewan, »kommst du mit?«
Monas Augen aber waren auf die Gruppe mit den Ochsen gerichtet. Sie hörte Ewan nicht, und so kehrte derselbe sich um und verließ die Wiese.
Darauf ertönte ein Ruf, und die Ochsen zogen an. Gemessen, in gleichmäßiger Gangart, ihnen im Wege liegende Baumwurzeln zerstampfend, schritten sie, als ob nichts ihrer mächtigen Kraft widerstehen könne, ruhig vorwärts.
Als sie nach der ersten Strecke wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkamen, wurde nach der Uhr gesehen – fünf Minuten, dreißig Sekunden – und ein vielstimmiger Hochruf ertönte, worauf Monas bleiches Antlitz einen triumphierenden Ausdruck annahm.
Der Fremde brachte seine Pferde und begann von neuem mit straff gespannten Muskeln. Er pflügte seine Strecke in sechs Minuten, vier Sekunden, und ein zweiter Hochruf – aber ein Hochruf für Dan – erschütterte, nachdem die Zahlen ausgerufen worden waren, die Luft.
Darauf peitschte Dan von neuem auf seine Ochsen ein und trieb sie an den Pfahl. Die Aufregung unter den Leuten hatte nun einen hohen Grad erreicht. Mona griff krampfhaft nach ihrem Mantel und hielt den Atem an. Jarvis beobachtete sie gespannt, und sie wußte, daß seine kalten Augen auf ihr ruhten.
»Man könnte fast glauben, Ihr wünschtet Eure Wette zu verlieren,« sagte er. Sie antwortete ihm nicht, und als die Ochsen sich wieder in Bewegung setzten, schlossen sich ihre Lippen krampfhaft wie vor Schmerz.
Fort trotteten die Ochsen und legten die erste Hälfte der Strecke ohne Aufenthalt zurück; mit erhobener Pflugscheide waren sie gerade im Begriff, am Furchenende umzukehren, als das Läuten einer Glocke über das Marschland herübertönte – es war die Mittagsglocke in Bischofs-Hof. – Sofort blieben die Tiere baumstill stehen. Dan rief ihnen zu, sie bewegten sich nicht; er schlug ihnen mit der Peitsche scharf über die Schnauzen, sie schnaubten, bewegten aber kein Glied. Die Leute waren in höchster Aufregung, und fünfzig Stimmen schrien durcheinander. Dans Zorn überwältigte ihn. Er schlug wild auf die Weichen, über die Augen und Schnauzen der Ochsen. Die Tiere winselten unter den auf sie niederhagelnden Hieben und jagten, die von ihnen gezogenen Furchen dabei wieder zerstörend, wild über die Wiese davon.
Ein Schrei der Enttäuschung und des Zornes stieg von den Leuten auf, und Dan, der die Zügel hatte fallen lassen, schritt nach dem Ausgangspunkt zurück. »Ich habe verloren,« sagte er, einen Fluch gegen die Ochsen murmelnd.
Die ganze Zeit über hielt Jarvis Kerrisch seine Augen unverwandt auf Monas zuckendes Gesicht gerichtet. »Ihr habt gewonnen, Mona,« sagte er mit kalter Stimme und eisigem Lächeln.
»Ich muß gehen, wo ist Ewan?« fragte das Mädchen bebend, und ehe Jarvis es sich versah, war sie über das Gras davongeschritten.
Dan hatte Ewans Weigerung, das Richteramt zu übernehmen, gehört, er hatte ihn die Wiese verlassen sehen und trotzdem er nicht aufblickte, wußte er es sofort, als auch Mona ging. Sein Gesicht trug einen starren Ausdruck und brannte dunkelrot unter seiner sonnenverbrannten Haut.
»Davy, hole die Ochsen zurück,« sagte er; und Davy Fähle brachte die Tiere an den Ausgangspfahl zurück.
Darauf spannte Dan sie aus, nahm die lange sie trennende Deichsel – einen schweren, hölzernen, mit Eisen beschlagenen Schaft – vom Pfluge, so daß die Ochsen frei dastanden und an dem Gras unter ihren Hufen zu nippeln begannen.
»Zurück da!« schrie er und schwang die Deichsel über seine Schultern.
Die Menge wich zurück und ließ Dan mit den Ochsen freien Spielraum. Seine mächtigen Glieder standen wie die Hufe der Tiere felsenfest auf dem Boden, und auf seinen bloßen Armen traten die Muskeln wie Knoten hervor.
»Was wird er tun – sie töten?« fragte ein Umstehender.
»Zurück da!« rief Dan von neuem, und im nächsten Moment durchschnitt die Deichsel die Luft, um auf die Stirne des einen Ochsen niederzusausen. Der Ochse schwankte, seine Beine versagten ihm, und er fiel tot zu Boden.
Die Deichsel erhob sich zum zweiten Male und wieder kam sie herab, und der andere Ochse schwankte wie der erste und fiel tot neben seinen alten Mitgenossen nieder.
Ein Schrei der Entrüstung durchlief die Menge, Dan jedoch zog, ohne es zu beachten, seinen Rock an, schnürte seinen Gürtel um und bahnte sich einen Weg durch die Menge und aus der Pforte hinaus.