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Flaccilla. Sophia.
Flaccilla. Ach mein Kind! wenn ich dich entweder nie gebohren hette / oder wenn du in meiner Schooß gestorben werest: wie vielem Hertzleid weren wir beyde zeitlich entkommen? was nuetzet aus hohem Geschlecht entsprossen seyn / wenn man nicht nur den Stand nicht fuehren / sondern auch das Leben nicht erhalten kan?
Sophia. Frau Mutter! es gehe so hart zu als es wolle; man bleibet dennoch nicht von GOtt verlassen.
Flaccilla. Was wollen wir anfangen? womit wollen wir uns erhalten? alle Mittel sind hinweg: Dein Mannbares Alter erfodert einen Braeutigam: Der Mangel aller Huelffe schneidet dir alle Hoffnung ab: deine Tugenden sind an diesem Orte ungangbare Muentze: Die grossen Versprechungen / dich zu befoerdern / werden zu Wasser? der Princessin / die dich in ihren Hoff vor diesem anzunehmen gesinnet / ist bereits eine andere auffgedrungen.
Sophia. GOtt sorget dennoch fuer uns / und hat mehr als ein Mittel / die Seinigen zu erhalten.
Flaccilla. Diese Worte fuellen den Magen nicht / und tuegen weder zu sieden noch zu braten. Wenn du jenem Edelman werest etwas besser an die Hand gegangen / oder noch gehen wolltest / es stuende bequemer um mich und dich.
Sophia. Ha! Frau Mutter / lieber das Leben verlohren / als die Ehre: lieber Hunger gestorben / als die Keuschheit hindan gesetzt.
Flaccilla. Man muß aus der Noth eine Tugend machen. Solche grosse Worte stehen reichen Damen / nicht verlassenen Kindern / an. Wir haben zwey Tage sonder Kirchen Gebot gefastet / und wissen noch heute weder Brod noch Zugemuese. Wir haben nichts zuverkauffen / nichts zu versetzen / haben beyde kein gutes Kleid / und alles / was du an dem Leibe traegest / ist mit Nadeln zusammen gestecket / als die Schindeln auff einem Kirchen Dache mit den Naegeln. Wo du an den Wind komst / so wehet er dir alle Flecke von der Haut. Was Rath bey diesem Zustand?
Sophia. Ach / meine Mutter! warum mir nicht eher ein Messer durch die Brueste gestecket / als mich ermahnet von der Tugend abzusetzen? Jst kein ander Mittel zu leben / so lasset uns dienen! duencket euch diß in diesem Ort zu schaendlich / so lasset uns einen unbekandten suchen!
Flaccilla. Fleug Vogel sonder Federn! Wo wollen wir uns hinmachen sonder Zehrung? werden wir so bald fuer Maegde angenommen werden / wenn wir uns nur anmelden? wer wird nicht dein Gesicht in Verdacht ziehen / und genau nach unserm Zustand forschen? Jch weiß wohl mein Kind / daß ich wider GOtt / und Stand / und dich thue / in dem ich auff solche Gedancken gerathe / aber der / dem das Wasser biß an die Lippen laufft / muß lernen schwimmen. Hetten wir indessen nur auff einen oder zwey Tage Vorrath / so koenten wir versuchen / ob und wie deinem Vorgeben nachzukommen.
Sophia. Wir haben nichts / als uns selbst zu versetzen oder zu verkauffen.
Flaccilla. Auff dieses Pfand pflegt niemand nichts zu leihen / es verstehet sich zu geschwinde.
Sophia. Wohlan / ich habe noch etwas / daß ich ausser meiner Ehre wagen kan.
Flaccilla. Du hast vielleicht einen verborgenen Schatz gefunden / und komst mir fuer / wie die Goldmacher / die in hoechster Armuth von viel Tonnen Goldes zu reden wissen.
Sophia. Der Schatz ist offenbahr / ob er wohl nicht viel werth. Schneidet mir diese Haar von dem Haupt / und verkauffet sie irgens einer Hoff Damen.
Flaccilla. Der Gewinn von dieser Kauffmanschafft wird so groß nicht seyn.
Sophia. Geringe Handelsleute muessen nicht gar zu grossen Gewinn hoffen. Loeset mir die Flechten auff! Lasset uns hinein! denn die Noth leidet keinen Auffschub.
Flaccilla. O hoechste Tugend! wie unwerth bist du in diesem Armuth / und wie ungeachtet in diesem Elend!