Andreas Gryphius
Horribilicribrifax Teutsch
Andreas Gryphius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Antonia. Selene.

Antonia. Liebes Kind / es ist nicht ohn / ich bin deine Mutter / und wolte bey dir thun / was einer ehrliebenden Frauen und Mutter zustehet: Du bleibest aber auff deinem Kopff / und wilst gutem Rathe nicht folgen. Du weissest / unsere Mittel sind in dem Kriege zerronnen: Wir stecken in Schulden / und so es entdeckt wird / verlieren wir unser uebriges Credit. Die Kleider / Perlen und Geschmeide / in welchen du herein gehest / gehoeren meiner Schwester / welche sie eher wird abzufordern wissen / als uns vielleicht lieb seyn moechte. Du weissest / daß wir ueber zwey gantze Hembde nicht in unserm Vermoegen haben. Wer dich von oben besiehet / solte wol meinen / wir haetten den gantzen Spitze Kram von Bruessel erb-eigen. Wer aber etwas genauer auff uns acht giebet / wird wol erkennen / daß nicht alles Gold / was gleisset. Du bist nicht die Juengste: unter den Schoensten wird man dich nicht verlieren: und ich weiß auffs beste / was hin und wieder an dir zu meistern: Auff Fuersten darffst du nicht hoffen. Das Kueh- und Schaaff-Fleisch gilt itzt schier mehr / als Jungfern Fleisch. Drumb siehe vor dich / und hilff dir und mir durch eine glueckliche Wahl.

Selene. Frau Mutter! wohl bedacht / hat niemand Schaden bracht. Jch muß mit dem Manne leben / nicht ihr. Es ist bald genommen / aber nicht so leicht davon zu kommen.

Antonia. Was mangelt Possidenio? Er ist reich / von hohem Ansehen / im bluehenden Alter / hat vornehme Freunde / stehet wol zu Hofe / und liebet dich von gantzer Seele.

Selen. Ha! Frau Mutter / solt ich meine Zeit mit dem wunderlichen Kopffe zubringen? lieber haettet ihr mich in dem ersten Bade ertraenckt.

Antonia. Man wird dir mahlen muessen / was dir tuegen solle. Cleander, der dich vor begehret / da er in geringerm Stande / wil dich ietzt nicht / da er gestiegen / durch einen zubrochenen Zaun ansehen. Was werden wir an Palladio zu tadeln haben? Du siehest / wie dessen Gluecke zu bluehen beginnst.

Selene. Wohl Frau Mutter! weil es bluehet / so mag es reiff werden! Gelehrte: Verkehrte. Ein Gebuendlin Buecher / und ein Packetlin Kinder ist ihre gantze Verlassenschafft. Was kan eine Dame von Qualitaet vor contentament haben bey einem solchen Menschen? Des Morgens um vier / oder auch eher / aus dem Bette / und unter die Buecher / von dannen auff den Hoff / in die Kirche oder zu den Krancken. Sie traeumen an der Taffel / oder belegen die Teller wohl gar mit Brieffen. Den gantzen Tag / steckt ihnen der Kopff voll Maeusenester / und (was der Teuffel gar ist) wenn sie um 12. Uhr wiederum zu Bette kommen / so schlagen sie sich mit tollen Gedancken / machen Verse oder schicken die fuenff Sinne gar in Ost-Jndien. Unsere alte wasche Magd / die schwartze Dorabelle, welche lange bey einem Koeniglichen Rath in Diensten gewesen / hat mich mit Eyd und Thraenen versichert / daß eine Bauer-Greta viel besser sich auff dem Strosack befinde / als des gelehrtesten Mannes Frau auff Schwanen Federn.

Antonia. Sie sind nicht alle solche Traeumer. Unsere Schwaegerin Frau Sulpitia hat sich noch niemals beklagt: sie hat die Kasten voll / das Hauß beschicket / die Schuettboden versehen / die Keller sonder Mangel / die Kuechen stets leuchtend. Da hergegen Frau Gertrud, die den reichen Wucherer geheyrathet / hunger stirbt / und mehr Maultaschen als Krametsvogel von ihrem Mann aufffressen muß.

Selen. Dem sey so! ich wil vor mich von keinem Gelehrten wissen. Ein Land-Juncker stuende mir besser an.

Antonia. Der seine Hunde lieber siehet / und die grosse Vieh-Magd oeffter kuesset / als sein redlich Weib. Jch weiß / daß dir das Maul nach dem Narrenfresser / dem Auffschneider / Capitain Luegner / von der Bernhaeuterey stincke.

Selene. Warum / Frau Mutter / daß sie den redlichen Cavalier verkleinert? ich sehe nicht / warum ich ihm nicht guenstig seyn solle; Er vermag bey 30000. contenten, weiß seine Person zu praesentiren, ist bey vornehmen Leuten beruehmt und beliebet. Er - - -

Antonia. Er hat dir vielleicht Brieff und Siegel ueber sein Vermoegen gegeben.

Selen. Was solt er vor Ursach haben ein mehrers von sich außzugeben als sich in der That befinden moechte?

Antonia. Wer auff der Buler vergebenes Reichthum trauet / befindet sich in dem Ehestande mit leeren Haenden.

Selen. Nechst / als er uns in den Garten tractiret / war ja der gantze Tisch mit Gold und Silber besetzet. Er streuete Ducaten aus / als waerens Stroh-Thaler: Die Diamantene Hutschnur und das Gehencke sind allein ein zehn oder zwoelfftausend Reichsthaler werth.

Antonia. Tochter / Tochter! ich sehe dein Verderben vor Augen.

Selen. Frau Mutter! koennet ihr mir nicht helffen / so hindert mich auffs wenigste nicht an meinem Glueck. Jhr werdet anderwerts erfahren muessen / was euch nicht lieb ist.

Antonia. Wehe den Eltern / die ihre Toechterlein zusehr in der Jugend verzaerteln!

Selene. Wehe den Toechtern / die nicht selber ihr bestes suchen / und es auff der wunderlichen Mutter Vorsorge ankommen lassen.


 << zurück weiter >>