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Karl Farkas: Servus, Fritz!
Fritz Grünbaum: Servus, Karl! Nun?
Farkas: Wieso nun?
Grünbaum: Ich warte.
Farkas: Worauf?
Grünbaum: Auf deine heutige Ausrede fürs Zuspätkommen.
Farkas: Deine Ironie hat ein falsches Gebiß. Ich habe keine Ausrede, aber ich habe einen Grund: ein Kleidertrödler hat mich so lange aufgehalten, er wollte durchaus meinen alten Anzug kaufen, es dauerte so lange, bis ich ihn endlich an die Luft setzte.
Grünbaum: Warum hast du ihn hinausgeworfen? Was machst du denn mit deinen alten Anzug?
Farkas: Am Abend hänge ich ihn schön über einen Sessel und in der Früh – ziehe ich ihn an.
Grünbaum: Spar' dir deine Witze für unsere Vorstellung, ich bin kein Publikum! Sag' lieber die Wahrheit, es ist Fasching, und du hast gestern gedraht.
Farkas: Und wenn's so wäre? Der Tanz ist, wie schon Descartes sagt ...
Grünbaum: Genug! Hör' auf, Werke zu zitieren, die du nie gelesen hast!
Farkas: Warum? Glaubst du, daß alle Leute, die den 239 Götz zitieren, ihn auch gelesen haben?
Grünbaum: Das mußte kommen! Aber den heutigen Götz will ich wirklich deiner Faschingslaune zugute halten. Obwohl mir der politische Fasching heuer gar nicht gefällt.
Farkas: Schon wieder pessimistisch?
Grünbaum: Die Völker tanzen in Ermangelung eines besseren Lokals auf dem Vulkan.
Farkas: Immerhin tanzen sie.
Grünbaum: Aber was? Den Verständigungstanz: einen Schritt vorwärts und vier zurück!
Farkas: Und das regt dich auf? Man darf nicht wehleidig sein. Wir bekommen schon ruhigere Zeiten. Ich bin da Realpolitiker.
Grünbaum: Ich verstehe! Realpolitiker ist ein Mensch, der alles in Ordnung findet, bis – es ihm selber passiert.
Farkas: Der Vorhang der Weltgeschichte –
Grünbaum: – ist im Augenblick weniger wichtig als der Revuevorhang.
Farkas: Gut, daß du mich daran erinnerst. Also der Vorhang hebt sich, man sieht eine beratende Versammlung –
Grünbaum: Aha, Rußland!
Farkas: Wieso?
Grünbaum: Da beraten sie.
Farkas: Worüber?
Grünbaum: Über die Neubildung des Ministeriums.
Farkas: Und was geschieht mit den alten Ministern?
Grünbaum: Denen werden anläßlich der Pensionierung – Kränze aufs Grab gelegt.
Farkas: Deine Unterbrechung war ganz zwecklos, 240 die beratende Versammlung meiner Revueidee ist gar keine russische, sondern –
Grünbaum: – eine japanische.
Farkas: Wieso? In Japan wird auch beraten?
Grünbaum: Natürlich. Die Japaner wollen jetzt den Chinesen den Krieg erklären.
Farkas: Und was war die Zerstörung von Schanghai? Die Eroberung ganzer Provinzen?
Grünbaum: Das waren freundschaftliche, vom Geist der Versöhnung getragene Auseinandersetzungen. Jetzt soll aber den Chinesen der Krieg – erklärt werden.
Farkas: Na, wenn sie ihn nach den bisherigen praktischen Erfahrungen nicht verstanden haben, wird die theoretische Erklärung auch nichts nützen.
Grünbaum: Vielleicht interessieren sich die Chinesen gar nicht für den Krieg. Warum erklären ihnen die Japaner nicht lieber den Frieden?
Farkas: Weil die Japaner nicht für den Frieden sind.
Grünbaum: Im Gegenteil: Japan will den Frieden, und wenn er mit noch so großen Opfern – für China verbunden ist!
Farkas: Wir können da eigentlich nicht mitreden, weiß man denn, was hinter den Kulissen der hohen Politik vorgeht?
Grünbaum: Eben! Wir wissen ja noch nicht einmal, was vor den Kulissen der Revue geschieht!
Farkas: Sehr einfach: Der Vorhang hebt sich –
Grünbaum: – wie unser Export!
Farkas: Wohin?
Grünbaum: Nach Bayern!
Farkas: Und was exportieren wir? 241
Grünbaum: Den Kabasta nach München.
Farkas: Und was kriegen wir dafür?
Grünbaum: Das Auto des Passauer Bürgermeisters.
Farkas: Halt mich nicht wieder auf! Also, der Vorhang hebt sich, man sieht –
Grünbaum: Quatsch!
Farkas: Wieso? Du weißt doch noch gar nicht, was ich sagen will?
Grünbaum: Ich meine ja auch nicht den Quatsch, den du sagen willst, sondern den, der jetzt auf der Straße zu sehen ist.
Farkas: Eine natürliche Folge der Witterung: die Temperatur nähert sich jetzt von den Gefriergraden dem Nullpunkt. Daher der Quatsch –
Grünbaum: Meinst du den Professor Debye?
Farkas: Hat der gequatscht?
Grünbaum: Nein, aber über den Nullpunkt hat er gesprochen.
Farkas: Wieso weiß der, daß ich kein Geld hab'?
Grünbaum: Aber über den absoluten Nullpunkt hat er doch gesprochen.
Farkas: Ja, absolut kein Geld hab' ich. Übrigens hab' ich mit dem Quatsch das Tauwetter gemeint, schauderhaft, dieses europäische Klima: Erst fällt der Schnee, dann der Regen und jetzt der Franc. Was sagst du übrigens zu Chautemps?
Grünbaum: Was ist denn mit dem los?
Farkas: Er ist gegangen.
Grünbaum: Warum?
Farkas: Weil er gestürzt ist.
Grünbaum: Das versteh' ich nicht: Man stürzt, weil man geht, aber geht nicht, weil man stürzt. 242
Farkas: Du meinst Glatteis und ich mein' die Politik. Die Sache ist ganz einfach: Der Franc ist gefallen, darauf ist die Opposition gestiegen, die hat den Chautemps gestürzt und da ist er gegangen.
Grünbaum: Haben denn die Regierungsparteien kein bindendes Abkommen gehabt?
Farkas: Ja, aber in der Politik hält man sich nicht immer an ein Abkommen. Im Leben übrigens auch nicht. Ich habe mit dir das Abkommen, daß heute nur über die Revue gesprochen wird, und jetzt halten wir bei Chautemps! Wenn das so weitergeht, wird die Revue in sechzig Jahren auch noch nicht fertig.
Grünbaum: Na und? Franz Molnár hat auch sechzig Jahre gebraucht, bis er »Delila« geschrieben hat!
Farkas: Er hat aber auch schon vorher manches geleistet! Den Gardeoffizier hat er zum Sieg geführt, er hat den Teufel erfolgreich an die Bühnenwand gemalt, eine Fee hat ihm das Märchen vom Wolf erzählt ... sein ganzes Oeuvre war elegant und nobel: ein Spiel im Schloß.
Grünbaum: Telegraphier' ihm das alles morgen nach Cannes! Heute –
Farkas: – muß die Revue fertig werden! Also –
Grünbaum: – auf in den Simpl zur Vorstellung, es ist acht Uhr. Nimmst du mich im Wagen mit?
Farkas: Ich hab' ihn gar nicht hier. Momentan bin ich so nervös. Ich fürchte immer, es rennt mir ein Passant in den Wagen.
Grünbaum: Kannst du denn nicht hupen?
Farkas: Hupen schon! Aber nicht fahren! 243