Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Gestern am Abend um dreiviertel acht Hab' ich auf einmal bitter gelacht Und hab' mir gesagt: »Jetzt ist mirs zu dumm, Nächste Woche bring' ich mich um!« Und seh'n Sie, seit ich dem Tod mich verschworen, Fühl' ich direkt mich wie neugeboren! Ich bin die fidelste, lustigste Nummer, Erstens macht mir das Geld keinen Kummer, Denn seit ich beschlossen hab', abzufahren, Hat es ja doch keinen Zweck mehr zu sparen. Früher bin ich im Wirtshaus gesessen, Hab' Wasser getrunken und Käse gegessen. Und so um den Ersten da wird man nervös, Hab' ich noch weggelassen den Käs'! Denn ich hab' überlegt in bitteren Qualen: Nächste Woche ist Miete zu zahlen! Was geht mich heute die Miete an? Heute bin ich ein freier Mann. Ich geh' in die Bar und trink' meinen Sekt, Und wenn er mir ganz besonders schmeckt, Und es fällt mir die Miete ein, sag' ich mir: »Quark, Nächste Woche wohn' ich im Sarg!« Zweitens habe ich eine Geliebte! Für jeden Treubruch, den sie verübte, Möcht' ich heut' haben zwei tschechische Kronen. 102 Da könnt' ich mein Lebtag im Bristol wohnen! Großer Gott, wie mich das gequält hat, Nämlich zweimal wöchentlich, abends um neun, Hab' ich doch Sitzung im Kegelverein. Und sie, die Geliebte, hat stets meine Sitzung Benützt zu illegitimer Erhitzung. Sie hat da einen Russen gehabt, Mit dem hat die Sache prachtvoll geklappt. Stets, wenn ich Sitzung hatte, um neun, Hat sie den Ivan gelassen herein. Sie hat keine einzige Sitzung vergessen, Und so sind wir jahrelang beide gesessen: Ich bei der Sitzung und sie bei dem Ivan, Ich im Verein und – sie auf dem Divan! Nächste Woche sitzt sie nicht hier! Und wenn, nicht mit Ivan, sondern mit mir! Jawohl, mit mir, und ich bin nicht dumm, Nächste Woche bring' ich mich um! Dann muß sie herauswerfen, leider, den Ivan, Denn dann lieg' ja ich, wenn auch tot, auf dem Divan! Und nicht genug damit, ich werd' ihr das Balzen Auch noch zwei Tage nach meinem Tode versalzen. Da gibt es noch immer kein Liebeserlebnis, Denn zwei Tage später ist mein Begräbnis. Dann kann sie unmöglich bleiben zu Haus, Sie muß doch mit auf den Friedhof hinaus! Ich seh' schon, wie sie die Lippen zerbeißt, Während in Nichts zerflattert mein Geist. No, was meinen Sie, was mir das Freude bringt, Ich zerflatter' und sie zerspringt! Solche Effekte, seh'n Sie, gelingen, 103 Wenn man den Mut hat, sich umzubringen. Und ich werd' es auch tun, nächste Woche ganz früh, Leider weiß ich noch gar nicht, wie. Ich hab' schon an einen Revolver gedacht, Nur hab' ich da schreckliche Angst, daß es kracht, Denn wie ich mich kenn', wird die Hand mir beben, Ich bin doch kein Jäger, ich schieß' daneben! Außerdem, auf die Gefahr zu erröten, Ich kann mich gar nicht mit Kugeln töten. Ich bin so weich, daß mirs Herz dabei bricht: Auf lebende Menschen schieß' ich nicht! Aber wenn ich das Feuer so perhorreszier', Wie wär' es, wenn ichs mit Wasser probier'? Allerdings braucht man da eiserne Ruh', Es gehören ja wirklich Nerven dazu, Wenn man z. B. nach heftigem Ringen Beschloß, nächsten Montag ins Wasser zu springen, Vorher am Ufer des Teichs zu spazieren Und den Fröschlein, die lustig im Wasser sich rühren, Zuzurufen hinein in den Teich: »Kinder, Montag bin ich bei euch!« Außerdem ist mir mitgeteilt worden, Daß Leute, die sich durch Wasser selbstmorden, Wenn sie dann wieder gezogen ans Licht sind, Nicht nur naß, sondern blau im Gesicht sind, Und blau sein, seh'n Sie, das möcht' ich nicht. Blau nämlich steht mir nicht zu Gesicht. Schließlich und endlich, wer kann mich zwingen, Wenn ich nicht will, ins Wasser zu springen? Ich will mich ja morden, sogar möglichst früh, Aber ich lass' mir nicht vorschreiben, wie! Muß ich mich grad zum Ertrinken drängen? 104 Ich kann mich ja ebenso gut auch erhängen! Ja, so mach' ichs; das Schicksal ruft, Ich weiß wie ich sterbe, ich geh' in die Luft! Ein Meter Spagat ist mein letzter Traum, Ich such' mir jetzt einen sympathischen Baum, Ich bringe mich um als mein eigener Henker – – Nur wenn ich denk', wie oben ich dann schlenker', Vergeht mir die Lust, mich so hoch zu versteigen. Ich glaub', ich verzicht auf den Tod in den Zweigen. Schon die Idee ist so fürchterlich: Da hängt ein Apfel, und da häng' ich. Und dann hopst so ein Spatz her, hält mich für Äpfel, Setzt sich auf mich und pickt mich ins Kröpfel! Nein, Kinder, laßt mit dem Baum mich in Ruh'! Und dann überhaupt, wie komm' ich dazu, Über die Art, wie ich aufhör' zu leben, Bindende Zusagen abzugeben? Ich habe versprochen, der Welt zu entflieh'n, Aber freibleibend punkto Form und Termin, Ich weiß, man muß halten, was man verspricht, Ich sterb', aber drängen lass' ich mich nicht! 105 |