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Karl Farkas: Servus, Fritz!
Fritz Grünbaum: Servus, Farkas!
Farkas: Kann ich eine Zigarette haben?
Grünbaum: Natürlich. Bitte –
Farkas: Danke. Vielleicht auch ein Glas Wasser?
Grünbaum: Gern. Ich läute schon.
Farkas: Danke.
Grünbaum: Was ist denn eigentlich mit dir los? Sonst »hebt sich der Vorhang«, noch bevor du bei mir eingetreten bist, und heute bleibst du stumm? Dir ist etwas passiert.
Farkas: Ich habe eine schlaflose Nacht hinter mir.
Grünbaum: Sorgen?
Farkas: Nein, falsche Fußschmerzen.
Grünbaum: Falsche?
Farkas: Ja, ich dachte die ganze Nacht, ich hätte Fußschmerzen, aber beim Aufwachen bemerk' ich, ich lieg' verkehrt im Bett und hab' Kopfweh.
Grünbaum: Du bist überarbeitet. Wenn du gescheit bist, nimmst du Urlaub.
Farkas: Weil ich gescheit bin, nehme ich keinen Urlaub: die Kosten sind zu sehr der Landschaft angepaßt.
Grünbaum: Landschaftliche Preise?
Farkas: Ja, im Gebirge sind sie zu hoch, und am 218 Meer zu gesalzen.
Grünbaum: Also dann vorwärts. Der Vorhang hebt sich langsam –
Farkas: Langsam, wie die englische Armeerekrutierung.
Grünbaum: Man sieht, du weißt nichts von Hore Belisha, dem neuen englischen Minister.
Farkas: Was kann der?
Grünbaum: Allerhand. Während die Engländer früher das größte G'frett hatten, die nötige Anzahl der freiwilligen Soldaten zusammenzubringen, geht jetzt die Rekrutenaushebung flott vonstatten.
Farkas: Wie ist das dem Hore Belisha gelungen?
Grünbaum: Er hat für die Armee eine geradezu kaufmännische Reklame gemacht. Und hat gezeigt, es geht auch so. Jetzt tragen eben die Soldaten den Säbel nicht links, sondern – auf der Soll-Seite.
Farkas: Sehr schön, aber daraus kann man keine Revue machen.
Grünbaum: Stimmt. Also der Vorhang hebt sich –
Farkas: – über der Pariser Weltausstellung und zeigt das erschütternde Ergebnis eines Defizits von achthundert Millionen.
Grünbaum: Wieso erschütternd? Hast du noch nie vom »unsichtbaren Export« eines Landes gehört? So nennt die Volkswirtschaft das Erträgnis des Fremdenverkehrs, und man hat ausgerechnet, daß die Weltausstellung Milliarden ins Land gebracht hat, also dem sichtbaren Defizit der unsichtbare Export gegenübersteht.
Farkas: Wunderbar! Warum machen wir das den Franzosen nicht nach? Man soll achthundert 219 Millionen Schilling investieren und wird damit Milliarden verdienen.
Grünbaum: Ausgezeichnet. Aber wo nimmt man die achthundert Millionen her?
Farkas: Vom Weihnachtsgeschäft. Gestern war silberner Sonntag. Der und der kommende goldene bringen sicher Unsummen ins Rollen.
Grünbaum: Täuschung. Ich war gestern in der Kärntnerstraße: viel Bewegung, wenig Umsatz.
Farkas: Wieso?
Grünbaum: Weil die Leute, die in die Auslagen schauen, die Auslagen scheuen!
Farkas: Trotzdem hört man von großen Umsätzen in einzelnen Branchen.
Grünbaum: Große Umsätze können auch schlecht enden: die Leute kaufen en gros und zahlen – en detail.
Farkas: Bravo, aber wie steht's mit dem gehobenen Vorhang? Der hängt jetzt in der Luft. Also was spielt sich nun auf der Bühne ab?
Grünbaum: Etwas ganz Aktuelles: Friedensfest in Tokio!
Farkas: Es ist doch noch gar nicht Frieden.
Grünbaum: Aber es wird bereits darüber verhandelt. Hast du nicht gelesen: die Japaner verlangen als Preis für den Frieden die Absetzung des chinesischen Oberkommandanten.
Farkas: Da kommen die Chinesen sehr billig weg.
Grünbaum: Billig?
Farkas: Ja. Weil sie nicht in bar zu bezahlen brauchen.
Grünbaum: Wieso? 220
Farkas: Die Japaner begnügen sich mit einem Tschiang-kai-Scheck!
Grünbaum: Der Vorhang senkt sich entrüstet.
Farkas: Woran er sehr gut tut, denn die chinesische Revue wäre ein Versager gewesen. Wen interessiert der Ferne Osten? Lokalkolorit tut not.
Grünbaum: Es ist aber nichts los in Wien. Das Malheur der »Srbija« auf der Donau und die Theaterfeiern beim Gerhart-Hauptmann-Besuch, das ist alles.
Farkas: Also stand die Woche im Zeichen des Schiffsbruchs: »Ratten« und das sinkende Schiff!
Grünbaum: Übrigens: war unsere Feuerwehr nicht geradezu heroisch bei ihren Pumpversuchen?
Farkas: Pumpversuche in Wien sind immer heroisch!
Grünbaum: Wieso?
Farkas: Weil sie zwecklos und gefährlich sind. Wenn du in Wien einen anpumpst, kriegst du nichts und hast noch die Chance, daß er dann dich anpumpt.
Grünbaum: Da bekommt er erst recht nichts, denn ich kann ihm sagen: »Meine nächste Einnahme kommt von der Revue, die ich mit Farkas schreibe, und die wird nie fertig!«
Farkas: Weil du keine Einfälle hast!
Grünbaum: Kann ich dafür, daß sich in Wien nichts ereignet, was meine Phantasie beflügeln könnte?
Farkas: Man muß nur Zeitungen lesen! Zum Beispiel brachten sie gestern die Nachricht, daß eine »Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der schlechten Zähne in Wien« gegründet wird.
Grünbaum: Das ist eine halbe Maßnahme.
Farkas: Welches ist die andere Hälfte?
Grünbaum: Die Gründung einer »Arbeitsgemeinschaft 221 zur Ergreifung von Vorkehrungen, daß die gesunden Zähne – etwas zum Beißen haben!«
Farkas: Das wäre ja eine Herkulesarbeitsgemeinschaft, deren Aufgabe schwieriger wäre als das komplizierteste Schachproblem.
Grünbaum: Apropos, Schachproblem! Was wohl Aljechin gesagt haben mag, als er jetzt neuerlich Schachweltmeister wurde?
Farkas: Das kann ich dir verraten. Er hat gesagt: »Dieser Dr. Benatzky soll mir leben und gesund sein.«
Grünbaum: Warum gerade Benatzky?
Farkas: Weil Aljechin mit dem »weißen Rössel« Erfolg gehabt hat.
Grünbaum: Sehr gut! Und was hat Dr. Euwe gesagt?
Farkas: Oi weh!
Grünbaum: Apropos »oi weh!« Es ist acht Uhr, wir müssen in den Simpl zur Vorstellung.
Farkas: Wir haben noch gut zwanzig Minuten Zeit zum Arbeiten. In meinem Wagen sind wir in fünf Minuten beim Simpl.
Grünbaum: Ich will aber mit der Elektrischen fahren. Ich habe eine Permanenzkarte, schließlich muß ich sie doch ausnützen.
Farkas: Permanenzkarte? Dazu könnte ich mich nie entschließen. Es ist so unhygienisch! So eine Permanenzkarte geht durch eine Unzahl von Händen: der Drucker greift sie an, dann der Straßenbahnkassier, hierauf nimmst du sie in die Hand, von dir nimmt sie der Schaffner, hierauf der Kontrollor ... stell' dir vor, was da Bazillen übertragen werden!
Grünbaum: Ausgeschlossen! Auf der Karte steht ausdrücklich: »Unübertragbar!« 222