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Mein höchstes Gut sind meine Hühneraugen.
Man möcht' nicht glauben, wozu die taugen.
Sie sind meine Freude, sie sind meine Lust,
Ich möchte sie ziehn, wenn ich könnt', an die Brust,
Doch weil ich bis jetzt noch kein Schlangenmensch bin,
So nehm' ich am Fuße sie überall hin,
Ja ich schlepp' sie sogar zu den Rendezvous mit,
Kurz, ich mach' ohne Hühneraug' nicht einen Schritt!
Zunächst behüte und pflege ich sie
Aus einer gewissen Philosophie.
Ich denk' mir, das Schimpfen hat so keinen Zweck,
Durch Schrei'n ging noch niemals ein Hühneraug' weg!
In Dinge, die da sind und niemals verschwinden,
Muß jeder Kulturmensch sich irgendwie finden,
Und Hühneraugen verschwinden nie – –
Das ist die Basis der Philosophie!
Man soll nicht naiv von dem Hühneraug' glauben,
Es sei ihm durch Schneiden das Dasein zu rauben.
Denn jeder, der unter dem Glauben gelitten,
Er könne es schneiden, der hat sich geschnitten;
Sich selber, das Hühneraug' aber blieb ganz
Und leuchtet wie früher in schimmerndem Glanz!
Zum Operateur aber gehn wiederum,
Ist logischerweise doch doppelt so dumm!
Denn sei'n wir doch ehrlich! Ganz offen und schlicht:
Ein Hühneraug' nehmen, das kann er gar nicht!
Und wenn er es kann, dann wird er sich hüten,
So gegen das eig'ne Interesse zu wüten.
Denn ein Operateur muß doch grade den Sinn
Und Grund seines Daseins erblicken darin,
Die Hühneraugen zu konservieren,
Denn in dem Moment, wo sie nicht existieren
Und endgiltig alle herausgeschält,
Hat er den Zweck seines Lebens verfehlt!
Er wird also trachten, daß immer sie blühten
Und wie seinen Hühner-Augapfel sie hüten!
Man komme mir nicht mit den Hühneraugringen,
Der Einwand kann mich zum Rasen bringen.
Denn nur für den Händler hat so ein Ring Zweck.
Die Wirkung ist sicher: die Ringe gehn weg,
Doch das, was die Leut' so fürchterlich plagt,
Das Hühneraug' bleibt! – – Nu, was hab' ich gesagt?
Die Hühneraugen sind grad wie die Frau:
Man kann sich in acht nehmen noch so genau
Und wird fast aus Vorsicht des Lebens nicht froh,
Aber auf einmal, da hat man's und weiß nicht wieso.
Doch wenn man sich dann mit dem Schicksal versöhnt hat
Und sich resigniert an die Gattin gewöhnt hat,
Erwacht eines Tags man in freudigem Schreck
Und siehe: das Hühneraug' ist wieder weg!
Vor Wonne errötet man über die Ohren,
Man glaubt seine Gattin, Gott geb's, schon verloren,
Doch wer da vor Seligkeit leichtfüßig springt,
So – hühneraugfrei und so leicht beschwingt,
Der hat sich in schmählichem Irrtum befunden,
Das Glück, lieber Freund, zählt höchstens nach Stunden.
Denn bricht dir die Frau auch die Treu' stets aufs neu,
Zum Schluß wird sie immer dir wiederum treu,
Das ist der Refrain unsrer Schicksalslieder:
Die Frau und das Hühneraug' kommen stets wieder!
Drum tritt jetzt an einen vernünftigen Mann
Gebieterisch die eine Erwägung heran:
Es hat keinen Zweck, über Dinge zu weinen,
Welche naturnotwendig erscheinen.
Darum heißt meine Hühneraugphilosophie:
Ich schimpf nicht auf sie, ich bin stolz auf sie!
Denn wär' ich nicht stolz auf die Hühneraugen,
Dann würde mir das doch nicht viel taugen.
Ich müßte genau so sie nehmen in Kauf – –
Also bin ich doch lieber gleich stolz darauf!
Außerdem seh' ich auch wirklich nicht ein,
Warum ich ihnen böse soll sein.
Wozu soll ich machen ein finsteres Gesicht?
Die Hühneraugen genier'n mich doch nicht!
Ja, wenn man am Vormittag geht übern Ring,
Zugegeben, da schmerzt das Ding!
Aber wer schafft mir, von neun bis zehn
Vormittag über den Ring zu gehn?
Ich kann doch genau so gut bleiben zuhaus,
Und, sehn Sie, da zieh' ich die Schuhe mir aus!
Dann können mir Hühneraugen nichts tun.
Die schmerzen auf der Straße und unter den Schuhn,
Doch geh' ich durchs Zimmer in Strümpfen spaziern,
Da soll'n sie probieren, mich zu genier'n!
Nun kann Einer sagen: »Ja, aber vom Haus
Ruft das Geschäft doch den Menschen heraus.
Da muß man doch schließlich hinaus in die Gassen
Und ist dann dem Hühneraugschmerz überlassen;
Denn über die Straße in Strümpfen zu geh'n,
Dazu werden schwerlich sich viele versteh'n!«
Das hab' ich gefressen, das blöde Gered'!
Wer spricht denn vom Gehen? Wer sagt denn, er geht?
Wer kann Einen hindern, zum Weg durch die Gassen
Sich einen Fiaker holen zu lassen?
Und sitzt man bequem dann in einem Coupé,
Tut Einem im Leben kein Hühneraug' weh!
Ja, macht man die Wege auf eigenen Sohlen,
Da kann einen freilich der Teufel holen!
Doch wenn Einer gar so ein ärmlicher Mann,
Daß er sich das Auto nicht leisten kann,
Dann ist er schon so mit Schmerzen beladen,
Da kann ihm das Hühneraug' auch nicht mehr schaden!
Ich aber schätze das kleine Ding sehr
Und gäbe es selbst um ein Schloß nicht mehr her.
Denn da die statistische Wissenschaft lehrt,
Daß irgend ein Unglück zu jedem gehört,
Und daß das Malheur keinen Menschen vergißt,
Weil jedermann irgendwie fehlerhaft ist,
So bin ich schon selig und völlig zufrieden,
Sobald mir kein größeres Unglück beschieden,
Als daß ich als Anteil am menschlichen Weh
Ein Hühneraug' hab' auf der kleinen Zeh'!
Zum mindesten ist es mir sicherlich lieber,
Als Konkurs oder gastrisches Fieber,
Na und gegen Verluste beim Pferderennen
Ist ein Hühneraug' noch eine Wohltat zu nennen!
Mich könnte sogar selbst der Vorschlag nicht quälen,
Zwischen dem Hühner- und Frau'naug' zu wählen!
Selbstverständlich würd' ich mit Freuden
Nur für das Hühneraug' mich entscheiden,
Denn nur von dem letzteren hat man Genuß,
Und dies zu erklären, sei für heute mein Schluß:
Das Frauenaug' will, man soll treu sich erproben,
Mit dem Hühneraug' braucht sich kein Mensch zu verloben;
Das Frauenaug' lügt, doch das Hühneraug' – nie . . .
Das ist meine Hühneraugphilosophie! |