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1. Der entlaufene Fritz.
Auf den ersten König von Preußen, Friedrich I., den Sohn und Nachfolger des großen Kurfürsten, war im Jahr 1713 Friedrich Wilhelm I. gefolgt. Das war ein strenger Regent und ein sehr rauher Mann bei vieler Herzensgüte und Frömmigkeit. Auf Künste und Wissenschaften gab er wenig, desto mehr aber auf Verbesserung des Ackerbaues, und seine größte Freude hatte er an seinem Kriegsheer und besonders an dem Grenadierregiment, für das er aus allen Gegenden Deutschlands die größten und schönsten Leute anwerben ließ. Für einen sieben Fuß hohen Flügelmann gab er gern die größte Summe, sonst aber war er sehr sparsam und hinterließ seinem Sohne einen gefüllten Schatz.
Sein ältester Sohn, eben der berühmte Friedrich II., war am 24. Januar 1712 zu Berlin geboren, zeigte jedoch schon in früher Jugend einen ganz anderen Sinn, als der Vater. Er haßte den Zwang, mit dem man ihn von seinem achten Jahre an zu militärischen Uebungen anhielt. In seinem zehnten Jahre mußte er bereits gleich einem gemeinen Soldaten, trotz Wind und Wetter, mit Tasche und Flinte auf die Schloßwache ziehen und Schildwacht stehen. Der rege Geist des Kronprinzen verlangte aber nach einer edleren Beschäftigung; er fühlte sich vor Allem zur Dichtkunst und Musik hingezogen. Das waren freilich Dinge, die der Vater verachtete, denn er mochte keine andern Bücher leiden, als Bibel und Gesangbuch. Dennoch gelang es dem Prinzen, durch Hülfe der Mutter, seiner Neigung im Stillen zu folgen. Gar zu gern warf er sich, wenn die Uebungen in den Waffen beendet waren, in seinen goldgestickten Schlafrock, ließ sich frisiren und las seine Bücher oder blies seine Flöte. Einst, als eben der berühmte Quanz, sein Lehrer im Flötenspiel, bei ihm war, ertönte der Schreckensruf: »Der König kommt!« Eilig flüchtete der Lehrer sich in das Kamin; der Prinz versteckte Flöte und Noten, warf den Schlafrock weg und zog die Uniform an. Da trat der König ein. Sein spähendes Auge entdeckte gar bald die Bücher, den Haarputz und endlich gar den Schlafrock. Der Schlafrock wurde in's Feuer geworfen, die Bücher wurden dem Buchhändler zurückgeschickt und die schön frisirten Haare vom Hofchirurgus abgeschnitten. Von Tage zu Tage wuchs die Spannung zwischen dem Vater und dem Sohne, und als der strenge König gar beschloß, den Prinzen gegen seinen Willen zu vermählen, da faßte dieser den kühnen Entschluß, nach England zu entfliehen und sich dort mit der Tochter Georg's II., des Bruders seiner Mutter, zu verheirathen. Alles war dazu vorbereitet. Mit Hülfe seiner Freunde von Katte und von Keith sollte die Flucht von Wesel aus vor sich gehen. Aber die Sache ward dem Könige verrathen, der nun in aller Stille seine Maßregeln traf. In dem Augenblicke, da der Kronprinz sein Vorhaben ausführen wollte, wurde er verhaftet. Als ihn die Wache vor den König brachte, gerieth dieser so in Zorn, daß er mit dem Degen auf ihn zustürzte, um ihn zu durchbohren. Der General von der Mosel sprang dazwischen, hielt des Königs Arm zurück und rief: »Sire! Durchbohren Sie mich, aber schonen Sie Ihres Sohnes.«
Bald darauf saß Friedrich, den der König von jetzt an nur den entlaufenen Fritz nannte, im engen Gefängniß zu Küstrin. Ein hölzerner Schemel war sein Sitz, der Fußboden sein Bett, ganz magere Kost seine Nahrung. Keith hatte vom Kronprinzen noch zu rechter Zeit einen Zettel erhalten mit den Worten: »Retten Sie sich, Alles ist entdeckt!« und war glücklich nach England gekommen. Der arme Katte aber wurde in Berlin verhaftet, als Deserteur zum Tode verurtheilt und in Küstrin vor den Augen des Kronprinzen enthauptet. »Verzeihung, theurer Katte!« rief weinend der Gefangene aus seinem Fenster dem Unglücklichen zu. »Der Tod für einen solchen Prinzen ist süß,« gab dieser zur Antwort.
Der König wüthete nun gegen Alle, die dem Kronprinzen nahe standen und ließ ihn selber durch ein Kriegsgericht zum Tode verurtheilen. Da rief der alte General Buddenbrock: »Wenn Ew. Majestät Blut wollen, so nehmen Sie mein's; das des Kronprinzen bekommen Sie nicht, so lange ich noch reden darf!« Eben so sprach der Fürst von Dessau, und der Kaiser ließ dem Könige durch seinen Gesandten sagen, der Kronprinz dürfe nur auf einem Reichstage gerichtet werden. Als der König erwiderte, daß er über seinen Sohn in Königsberg Gericht halten werde, wo Niemand über ihm stehe, sagte der Propst Reinbeck: »Niemand als Gott, und dem werden Ew. Majestät über das Blut Ihres Sohnes Rechenschaft geben müssen.« Bei diesen Worten wurde der König nachdenklich und sprach nicht mehr von der Todesstrafe.
2. Der wackere Kronprinz.
Friedrich blieb jetzt in Küstrin und wurde anfangs so strenge gehalten, daß er nicht einmal Licht in seinem Kerker brennen durfte. Die religiösen Gespräche, die er täglich mit dem Feldprediger Müller hielt, machten einen so lebhaften Eindruck auf ihn, daß er in einem Briefe an seinen Vater sein Unrecht bekannte und in den demüthigsten Ausdrücken um Verzeihung bat. Jetzt versprach ihm der König Begnadigung, wenn er eidlich geloben wolle, sich wegen des Vorgefallenen an keinem Menschen zu rächen und künftig in allen Stücken seinem Vater gehorsam zu sein. Nachdem Friedrich diesen Eid in Gegenwart mehrerer Minister und Generale abgelegt hatte, erhielt er Orden und Degen zurück, mußte aber noch mehrere Jahre in Küstrin als Kriegsrath arbeiten. Das that Friedrich mit großem Fleiß und lernte die Regierungsgeschäfte gründlich kennen. Am Vermählungstage der Prinzessin Wilhelmine ließ ihn der Vater heimlich kommen, trat plötzlich mit ihm in den Speisesaal und führte ihn der hochbeglückten Mutter mit den Worten in die Arme: »Da ist der Fritz!« Bald darauf übergab er ihm ein Regiment und kaufte ihm noch das Lustschloß Rheinsberg.
Aus diesem freundlichen Landsitze begann für den Prinzen ein neues, schönes Leben. Hier konnte er nach Herzenslust den Wissenschaften sich widmen; hier las er mit Bewunderung die Thaten der Helden aller Zeiten; hier versammelte er die geistreichsten Männer, in deren Gespräch sein Geist die beste Anregung, sein Gemüth die beste Erholung fand. Mit Vorliebe war er den Franzosen, besonders dem witzigen Voltaire, zugethan, denn leider hatte sich damals die deutsche Sprache noch nicht großer Achtung bei den Deutschen selber zu erfreuen, und Friedrich's Erziehung war ganz französisch gewesen. Und doch war Friedrich ein echtdeutscher Held, der nach langer Schmach zuerst wieder den deutschen Namen zu Ehren brachte.
Den Vater stellte Friedrich dadurch zufrieden, daß er sein Regiment stets im besten Stande erhielt, auch bewahrte er ihm nun immer die kindlichste Liebe und versäumte, keine Gelegenheit, wo er ihm Freude machen konnte. Das rührte den sonst so harten Mann bis zu Thränen. »O mein Gott,« rief er gerührt, »ich sterbe zufrieden, da ich einen so würdigen Sohn zum Nachfolger habe.«
3. Regierungsantritt.
Der 31. Mai des Jahres 1740, der Todestag Friedrich Wilhelms I., rief den vielgeprüften Prinzen in seinem 28sten Lebensjahre auf den Thron. Freudig jubelte ihm das Volk entgegen, als er am 8. August die Huldigung empfing; er aber blieb nach Beendigung der Feier noch eine halbe Stunde auf dem Balkon des Schlosses stehen und schaute mit festem, nachdenkendem Blick auf die unermeßliche Volksmenge herab. Seine Regierung begann er mit einer Umsicht und Thätigkeit, welche Alle in Erstaunen setzte. Um die durch Mißwachs und Theuerung entstandene Noth zu lindern, ließ er seine Magazine öffnen und das Korn zu einem billigen Preise verkaufen. Die schon von seinem Großvater gestiftete Gesellschaft der Wissenschaften, die unter seinem Vater ganz in Verruf geraten war, rief er unter dem Namen einer Akademie der Wissenschaften mit neuem Glanz in's Leben. Er ließ ferner den von seinem Vater verbannten Philosophen Wolff nach Halle zurückkommen und erklärte, daß in seinem Land Jeder seines Glaubens leben könne.
Im Oktober 1740 starb Kaiser Karl VI. Dieser hatte, in Ermangelung männlicher Erben, seine Tochter Maria Theresia zur Erbin aller seiner Länder bestimmt, durch ein Hausgesetz, das von allen europäischen Mächten anerkannt worden war. Aber gleich nach seinem Tode erhoben der König von Spanien, der Kurfürst von Baiern und der Kurfürst von Sachsen Ansprüche auf die österreichische Erbschaft. Friedrich II. verlangte die Abtretung des Herzogthums Schlesien, auf welches schon seine Vorfahren ihre Ansprüche bei dem Kaiser vorgebracht hatten, aber ohne Erfolg. Jetzt erklärten alle die genannten Mächte an Oesterreich den Krieg. Friedrich ließ durch seinen Gesandten in Wien anfragen, ob man ihm Schlesien abtreten wolle, und erklärte sich für den Fall bereit, der Kaiserin gegen ihre Feinde kräftigen Beistand zu leisten. Als eine ablehnende Antwort erfolgte, so gab er seinen Truppen Befehl, in Schlesien einzurücken. Er selbst reiste, nachdem er noch am 13. Dezember einem glänzenden Hoffeste in Berlin beigewohnt hatte, am folgenden Morgen nach Krossen ab und besetzte in wenigen Wochen ganz Schlesien; nur die Festungen Glogau, Brieg und Neiße leisteten Widerstand.
4. Der erste schlesische Krieg.
Der Feldzug des Jahres 1741 begann mit der Erstürmung von Glogau und einer blutigen Schlacht, welche am 10. April bei dem Dorfe Mollwitz bei Brieg stattfand. Als schon mehrere Stunden lang mit großer Erbitterung gefochten war, verlor der junge König, der zum ersten Mal Ehre und Glück auf dem Spiele stehen sah, die Fassung und übergab seinem erfahrenen Feldmarschall Schwerin den Oberbefehl. Auf Schwerin's Rath entfernte er sich vom Schlachtfelde, da die feindliche Artillerie sein Fußvolk reihenweise zu Boden streckte. Er ritt mit seinem Gefolge nach Oppeln, wo er eine preußische Besatzung vermuthete, wurde aber am Thore mit Flintenschüssen empfangen. So kehrte er denn nach Löwen zurück und wurde hier mit der Freudenbotschaft empfangen, daß die Schlacht gewonnen worden sei. Sogleich begab er sich auf das Schlachtfeld, auf welchem von den Preußen 2500 Mann todt und 3000 verwundet lagen, besetzte dann Brieg und Breslau, und zwang endlich den österreichischen General Neipperg, Schlesien gänzlich zu räumen.
Unterdessen war der Kurfürst von Baiern in Oesterreich eingedrungen und hatte in Linz die Huldigung der österreichischen, darauf in Prag die der böhmischen Stände angenommen, während die junge Kaiserin Maria Theresia nach Preßburg floh. Aber die muthige Fürstin, obschon von allen Seiten bedrängt und ihrer schönsten Länder beraubt, verlor nicht den Muth. Mit dem Schwerte umgürtet und die Krone des heiligen Stephan auf dem Haupte, erschien sie in der ungarischen Reichsversammlung, schilderte in lateinscher Sprache ihre traurige Lage und schloß ihre Rede mit den Worten: »Eurem Heldenarme und Eurer Treue vertraue ich mich und mein Kind an; Ihr seid der letzte Anker meiner Hoffnung!« Ihren kleinen Sohn, den nachmaligen Kaiser Joseph, hatte sie aus dem Arme. Die Jugend, die Schönheit und das Unglück der Königin machten aus die Versammlung einen mächtigen Eindruck. In feuriger Begeisterung rissen die Ungarn ihre Säbel aus der Scheide und riesen: »Wir wollen sterben für unsere Königin Maria Theresia.«
Jetzt griff ganz Ungarn freudig zu den Waffen. In wenigen Wochen waren 15,000 Edelleute, alle wohl beritten und völlig gerüstet, in Preßburg versammelt; bald darauf war Oesterreich befreit, und an demselben Tage, an welchem der Kurfürst von Baiern, der unter dem Namen Karl VII. zum deutschen Kaiser erwählt worden war, in Frankfurt sich krönen ließ, rückten die Oesterreicher in seine Residenz München ein.
Friedrich hatte unterdessen den Kampf mit Glück fortgesetzt und, nachdem er von Schlesien aus in Mähren eingedrungen war, den Prinzen Karl von Lothringen am 17. Mai 1742 bei Chotusitz geschlagen. So sah sich Maria Theresia genöthigt, ihm ganz Schlesien mit der Grafschaft Glatz abzutreten. Der Friede ward in Breslau geschlossen. Nun, nachdem vorerst der gefährlichste Feind zur Ruhe gekommen war, bekamen die Oesterreicher freiere Hand gegen den unglücklichen Kaiser Karl VII., der vergeblich die Franzosen in's Land gezogen hatte. Beide, die Baiern und Franzosen, wurden überall geschlagen. König Georg II. von England hatte auch der Maria Theresia Hülfe geleistet, und in Bezug auf Schlesien der Kaiserin geschrieben: »Was gut zu nehmen ist, das ist auch gut wieder herauszugeben.«
5. Der zweite schlesische Krieg.
Nun fürchtete Friedrich mit Recht, daß Maria Theresia, wieder zur Macht gelangt, ihm den Breslauer Frieden nicht halten würde. Langes Zögern und Ueberlegen war nicht seine Sache. So rückten denn im August 1744 hunderttausend Preußen »zur Unterstützung des Kaisers« in Böhmen ein und es begann der zweite schlesische Krieg, in welchem auch der Kurfürst von Sachsen sich mit Oesterreich gegen Preußen verband. Friedrich, nachdem er schnell ganz Böhmen besetzt hatte, ward durch den Prinzen von Lothringen nach Schlesien zurückgedrängt. Aber unterdeß drangen die Baiern siegreich vor, so daß der Gegenkaiser wieder in seine Hauptstadt München zurückkehren konnte, doch nur, wie es schien, um in seiner Residenz zu sterben, denn nach wenigen Monaten überraschte ihn der Tod. Sein Sohn erhielt hierauf durch den Frieden zu Füssen (einem Städtchen an der Grenze von Tyrol), worin er auf die österreichische Erbschaft verzichtete, sein Kurfürstenthum wieder und Maria Theresia konnte den Kampf gegen Preußen mit größerem Nachdruck fortsetzen.
Beim Anfange des folgenden Jahres (1745) befand sich Friedrich in einer sehr mißlichen Lage. Auf dem Rückzuge aus Böhmen hatte er den größten Theil seines Geschützes eingebüßt; seine Kassen waren dermaßen erschöpft, daß er sein ganzes Silbergeräth in die Münze schicken mußte; Oberschlesien mit seinen wichtigen Festungen war in den Händen der Feinde. Aber mit der Gefahr wuchs auch sein Muth. Am 4. Juni griff er die Oesterreicher bei Hohenfriedberg (unweit Striegau) an und erfocht über den Prinzen von Lothringen in 5 Stunden einen so glänzenden Sieg, daß 66 Kanonen, 7 Fahnen und 7000 Gefangene in seine Hände fielen. Dann folgte er dem fliehenden Feinde nach Böhmen. Hier ward er bei Soor von den Oesterreichern angegriffen; doch unter dem feindlichen Feuer ordnete er sein Heer und drang dann mit solchem Ungestüm vor, daß nach wenigen Stunden die feindlichen Batterien genommen waren. Zweiundzwanzig Kanonen und gegen tausend Gefangene waren die Frucht des Sieges, den Friedrich, wie er selbst gestand, nur der heldenmüthigen Tapferkeit seiner Soldaten verdankte. Den glänzendsten Sieg aber erfocht in diesem ruhmreichen Feldzuge der Fürst Leopold von Dessau, von den Soldaten nur »der alte Dessauer« genannt, am 15. Dezember bei Kesselsdorf (unweit Dresden), über die Sachsen und Oesterreicher. Hier mußten die Preußen steile, mit Eis und Schnee bedeckte Anhöhen hinaufklimmen und mit gefälltem Bajonnet die Feinde aus ihrer Stellung vertreiben. Aus diesem Grunde war die Schlacht für die Sieger eben so blutig wie für die Besiegten; doch machten die Preußen 5000 Gefangene und erbeuteten 48 Kanonen und die Oesterreicher mußten sich eilig nach Böhmen zurückziehen. Zehn Tage später wurde in Dresden der Friede abgeschlossen, durch welchen Maria Theresia ihr Schlesien nochmals an Friedrich abtrat und der Kurfürst von Sachsen eine Million Thaler an Preußen bezahlte. Drei Jahre später schloß Maria Theresia, deren Gemahl Franz I. inzwischen zum deutschen Kaiser erwählt worden war, auch mit Frankreich einen Frieden, der ihr gegen Abtretung einiger italienischer Gebiete den Besitz ihrer Erbländer sicherte.
6. Friedliches Leben.
Nach dem Abschlusse des Dresdener Friedens widmete sich Friedrich mit größtem Fleiß den Regierungsgeschäften. Er ordnete Alles selber an und überließ den Ministern nur die Ausführung seiner Befehle; dennoch blieb ihm noch Zeit zu wissenschaftlichen und künstlerischen Beschäftigungen. Dies wurde ihm dadurch möglich, daß sein ganzes Leben auf das Genaueste geordnet war und jede Stunde des Tages ihre Bestimmung hatte. Um 4 Uhr des Morgens stand er auf; in wenigen Minuten hatte er sich ohne fremde Hülfe angekleidet und nun ging er an den Schreibtisch, auf welchem die in der Nacht angekommenen Briefe lagen. Die wichtigeren las er selbst; aus den übrigen mußten die Kabinetsräthe kurze Auszüge machen. Während des Lesens hörte er zugleich die Berichte seines Adjutanten an; dann trank er Kaffee und ging, die Flöte blasend, ein bis zwei Stunden im Zimmer aus und ab. Sobald er die Flöte weglegte, traten die Kabinetsräthe mit ihren Auszügen ein und nun bestimmte er, was auf jede Eingabe geantwortet werden sollte, schrieb auch Wohl mit eigener Hand den Bescheid in kurzen treffenden Worten an den Rand. Wenn dies Geschäft beendigt war, nahm er ein Buch zur Hand und las oder schrieb Briefe. Mit dem Schlage Zwölf ging er zur Tafel, deren Küchenzettel er jeden Morgen aufmerksam durchsah oder auch selbst niederschrieb und bei der es an Leckerbissen nicht fehlen durfte. Wichtiger aber waren ihm noch seine geistigen Genüsse, durch welche seine Tischgesellschaften so berühmt geworden sind. Er wählte dazu seine geistreichsten und gebildetsten Offiziere und die berühmtesten Gelehrten. Der König war durch seine schöne fließende Sprache, seine Belesenheit, seinen Witz stets der Mittelpunkt dieser Unterhaltungen. Nach Tische blies er wieder eine halbe Stunde auf der Flöte; dann unterzeichnete er die Briefe, die unterdeß im Kabinet vorbereitet waren, trank Kaffee und besah seine Anlagen oder ging ein wenig spazieren. Die Stunden von 4 bis 6 Uhr waren für schriftstellerische Arbeiten bestimmt; von 6 bis 7 Uhr wurde von berühmten Künstlern ein Konzert ausgeführt, bei dem der König oft mitwirkte, und dann folgte die Abendmahlzeit, die oft bis Mitternacht dauerte und bei der es an munterer Unterhaltung nicht fehlen durfte. Diese gleichmäßige Lebensart erlitt nur durch die Feldzüge und in Friedenszeiten durch Reisen und Musterungen eine Unterbrechung. War der König auf Reisen, so erkundigte er sich genau nach dem Zustande jedes Kreises und jeder Ortschaft und damit auch die Zeit, die er auf der Landstraße zubrachte, nicht unbenutzt bliebe, mußten die Landräthe und Amtleute gewöhnlich neben seinem Wagen herreiten und ihm von ihren Angelegenheiten erzählen.
Eine besondere Sorgfalt widmete Friedrich den Künsten und Wissenschaften. Gleich zu Anfang seiner Regierung hatte er den Bau des schönen Opernhauses in Berlin begonnen, in welchem seit 1742 drei Mal wöchentlich unter Mitwirkung der berühmtesten Sänger und Tänzer aus Italien und Frankreich gespielt wurde. Darauf wurde die Bibliothek vermehrt und eine Münzsammlung angelegt; in Italien wurden Gemälde und alte Bildwerke angekauft und Berlin und Potsdam durch neue Gebäude, das Invalidenhaus, die katholische Kirche, den Dom und die Sommerresidenz Sanssouci verschönert.
7. Der siebenjährige Krieg.
Aber bald sollten die friedlichen Beschäftigungen des Königs eine längere Unterbrechung erleiden. Zu Anfang des Jahres 1756 wurde ganz insgeheim dem Könige eine Nachricht mitgetheilt, die erschreckend genug war. Die Hauptmächte Europa's hatten sich verbündet, Preußen wieder in seine früheren Grenzen zurückzuführen, den König Friedrich wo möglich wieder zu einem Markgrafen von Brandenburg zu machen. Die Seele dieses Bündnisses war die Kaiserin Maria Theresia, die ihr schönes Schlesien nicht so bald vergessen konnte. Ihr ging immer ein Stich durch's Herz, wenn sie einen Schlesier sah. Um die verlorene Provinz wieder zu gewinnen, verband sie sich zuerst mit Frankreich. Hier herrschte damals ein weichlicher Fürst, Ludwig XV., der Alles that, was eine Frau wollte. Diese Frau war die berüchtigte Marquise von Pompadour, welche den schwachen König wie ein Kind am Gängelbande leitete. Sie war sehr böse auf den König von Preußen, weil dieser über sie gespottet hatte. Das wußte die Kaiserin von Oesterreich und schrieb ihr einen schmeichelhaften Brief, der zur Folge hatte, daß zwei langjährige Feinde Freunde wurden, nämlich, daß Frankreich mit Oesterreich einen Bund gegen Preußen schloß. Diesem Bunde trat bald darauf die Kaiserin von Rußland, Elisabeth, bei, deren unsittliches Leben gleichfalls ein Gegenstand des Spottes für Friedrich gewesen war. Zu diesen drei Mächten gesellte sich noch Sachsen, dessen allmächtiger Minister, Graf Brühl, den König von Preußen persönlich haßte; endlich noch Schweden, welches die Gelegenheit benutzen wollte, Pommern wieder zu erobern, welches durch die Tapferkeit des großen Kurfürsten von Preußen gewonnen war.
Friedrich besann sich nicht lange; er beschloß, seinen mächtigen Feinden zuvorzukommen. Im August des Jahres 1756 drang er in Sachsen ein, besetzte Dresden und die wichtigsten Städte des Landes und forderte den König August III. zum Bündniß mit Preußen auf. Das sächsische Heer hatte sich, 17,000 Mann stark, in dem engen Elbthale zwischen Königstein und Pirna verschanzt. August wies den Antrag Friedrich's zurück, weil er auf Unterstützung von Oesterreich hoffte. Die Oesterreicher rückten heran, Friedrich aber schlug sie bei Lowositz und nahm hierauf das sächsische Heer bei Pirna gefangen. Das war der Anfang des merkwürdigen siebenjährigen Krieges, eines Krieges ohne Gleichen. Da auch das deutsche Reich, welches Friedrich's Einfall in Sachsen für einen Landfriedensbruch erklärte, auf Seite Oesterreichs trat, so stand fast ganz Europa mit 500,000 Mann Kriegern gegen den einzigen König von Preußen in den Waffen. Jedermann hielt ihn für verloren und die Feinde hatten schon eine Theilung seiner Länder unter sich verabredet. Aber Niemand hatte berechnet, was auch ein kleines Volk vermag, wenn es mit Liebe an seinem Fürsten hängt; Niemand ahnte, welche Heldenkraft Friedrich II. nun entwickeln würde. Dieser, anstatt zu verzagen, scherzte vielmehr noch über seinen Krieg mit den »drei Weibern«.
a. Schlachten bei Prag und Kollin.
Zuerst wandte er sich gegen den mächtigsten Gegner und drang in Böhmen ein, 1757. Er traf die Oesterreicher unter General Brown bei Prag, wo sie auf steilen, mit Kanonen besetzten Anhöhen eine sehr vorteilhafte Stellung eingenommen hatten. Friedrich's Offiziere widerriethen den Angriff, denn die Soldaten waren vom beschwerlichen Marsche erschöpft; der König aber wollte gleich losschlagen. Die Preußen stürmten an, aber reihenweise wurden sie von dem fürchterlichen Kartätschenhagel niedergeschmettert. Schon begannen die Stürmenden aus allen Seiten zurückzuweichen; da ergriff der Feldmarschall Schwerin eine Fahne, seine Tapfern ihm nach, die Anhöhe hinauf. Da wird der heldenmüthige Greis von vier Kartätschenkugeln niedergestreckt, aber sein Tod entflammt die Soldaten zur äußersten Wuth, unaufhaltsam dringen sie gegen die Batterie vor, erobern sie und richten das Geschütz gegen den Feind. Nun stürmt auch Prinz Heinrich, der Bruder des Königs, eine Schanze, der Prinz Ferdinand von Braunschweig auch; Friedrich durchbricht den Mittelpunkt der feindlichen Schlachtordnung und der Sieg ist errungen. Aber theuer ist dieser Sieg erkauft, denn über 16,000 Preußen liegen auf dem Schlachtfelde niedergestreckt und Feldmarschall Schwerin ist nicht mehr!
Noch stand aber ein großes Heer von Oesterreichern und Sachsen bei Kollin schlagfertig da, unter dem Feldmarschall Daun. Der Feind war ihm um das Doppelte an Zahl überlegen, doch Friedrich griff muthig an. Schon neigte sich der Sieg auf seine Seite und Daun, an einem glücklichen Ausgange verzweifelnd, hatte bereits den Befehl zum Rückzug mit Bleistift auf ein Blatt Papier geschrieben, da ändert Friedrich plötzlich die Schlachtordnung gegen den Rath seiner Generale. Ein sächsischer Oberst bemerkt schnell die daraus entstehende Verwirrung, schickt Daun's Befehl nicht weiter, wirft sich mit seinen Reitern auf das preußische Fußvolk und bringt es zum Weichen. Bald war die Niederlage der Preußen entschieden; sie mußten sich nach einem Verlust von 13,000 Todten und Verwundeten und 45 Kanonen nach Sachsen zurückziehen. Dagegen überschwemmten die Oesterreicher den größten Theil von Schlesien und einer ihrer Generale, Namens Haddik, wagte sich sogar mit 4000 Kroaten bis vor die Thore von Berlin und brandschatzte die Hauptstadt.
b. Schlachten bei Roßbach und Leuthen.
Unterdeß waren die Russen raubend und plündernd in Ostpreußen eingedrungen und hatten den preußischen Feldmarschall Lewald bei Großjägerndorf geschlagen; die Schweden hatten Pommern besetzt und zwei französische Heere waren in Hannover und Hessen eingedrungen. Friedrichs Lage schien verzweiflungsvoll. Er theilte sein Heer in mehrere Haufen und mit einem derselben wandte er sich gegen die Franzosen, um ihrem weiteren Vordringen Einhalt zu thun. In Gotha trafen die Preußen zuerst mit ihnen zusammen. Friedrich hatte von der Herzogin von Gotha geheime Nachricht erhalten, daß der französische General Soubise nebst der ganzen Generalität sich in das herzogliche Schloß einquartiert hätte. Sogleich sprengte der preußische General Seydlitz, der kühne Mann, mit 1500 Reitern nach Gotha. Es war gerade Mittag und die Franzosen ließen es sich bei reich besetzter Tafel wohl schmecken, als Seydlitz vor den Thoren erschien. Die 6000 Franzosen, die in der Stadt lagen, dachten an keinen Widerstand, sondern verließen erschrocken ihre rauchenden Schüsseln und flohen mit solcher Eile aus der Stadt, daß von den hereinstürmenden Preußen nur wenige Soldaten, aber desto mehr Friseurs, Köche und Komödianten und Kammerdiener gefangen und ganze Kisten von wohlriechender Wasser und Pomaden, auch eine Menge Haarbeutel, Pudermäntel und Sonnenschirme erobert wurden, ein Beweis, welche Ueppigkeit damals im französischen Lager herrschte. Triumphirend kehrten die Reiter mit der gemachten Beute zu ihren lachenden Kameraden zurück.
Nachdem Soubise zu Erfurt mit dem Reichsheer sich vereinigt hatte, zog er weiter hinaus, um den König Friedrich aufzusuchen. Dieser rückte bereits dem 60,000 Mann starken Feinde mit 22,000 Mann kühn entgegen. Bei dem Dorfe Roßbach, nicht weit von Weißenfels, traf er am 5. November mit den Feinden zusammen. Schon jubelten diese, daß Friedrich mit seiner Potsdamer Wachtparade – wie sie das kleine Preußenheer nannten – dem Tode oder der Gefangenschaft nicht entgehen könnte. Mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen zogen sie um den Hügel herum, auf den sich Friedrich postirt hatte, und wollten ihn umzingeln. Friedrich beobachtete ruhig ihre Bewegungen, ohne einen Schuß zu thun, ja er hatte sogar die Kanonen verdecken lassen, um die Feinde recht sicher zu machen. Auch die Gezelte blieben aufgeschlagen und die Soldaten mußten ihr Mittagsmahl halten. Er selbst aß mit seinen Feldherren ganz ruhig zur Tafel. Die Franzosen hielten diese sorglose Ruhe für reine Verzweiflung. Plötzlich – es ist 2 Uhr Nachmittags – giebt Friedrich Befehl, die Zelte abzubrechen; im Nu stehen die Regimenter in Schlachtordnung, die Kanonen donnern. Und augenblicklich kommt Seydlitz, der die Feinde umgangen hat, mit seiner Reiterei hinter dem Hügel herangeflogen und stürmt in die überraschten Feinde. Zu gleicher Zeit rückt auch das preußische Fußvolk im Sturmschritt vor. Entsetzen kommt über die Feinde, sie gerathen in Unordnung und ehe anderthalb Stunden verflossen sind, ist das ganze Heer in wilder Flucht.
Das war ein lustiger Sieg! Nun aber galt es, Schlesien vor den Oesterreichern zu retten, und Friedrich eilte in seine bedrohete Provinz, nach Breslau zu. Dort standen Feldmarschall Daun und der Prinz von Lothringen mit einem großen Heere, dem Friedrich nur ein kleines entgegensetzen konnte. Bei Leuthen trafen die beiden Heere zusammen, gerade einen Monat nach der Roßbacher Schlacht. Da die österreichische Schlachtlinie sich zwei Stunden weit ausdehnte, so wählte Friedrich, um nicht überflügelt zu werden, die schräge Schlachtordnung, in welcher das Heer einem eindringenden Keile gleicht. Der thebanische Held Epaminondas siegte durch diese Schlachtordnung über das tapfere Spartanerheer und Friedrich erfocht in drei Stunden den herrlichsten Sieg über die starke österreichische Armee. Gegen 20,000 Gefangene, 100 Stück Geschütze, 3000 Wagen fielen in die Hände der Sieger und mit der Eroberung von Breslau endete dieses für Friedrich so glückliche Jahr.
c. Schlacht bei Zorndorf.
Zwei Feldzüge waren nun glücklich für Preußen beendet. Friedrich war wieder Meister von Schlesien und eröffnete den dritten Feldzug (1758) mit der Eroberung des festen Schweidnitz. Dann drang er nach Mähren gegen Olmütz vor, aber die Belagerung mißlang, weil eine Zufuhr von 3000 Wagen mit Lebensmitteln ihm vom Feinde genommen wurde. Der König mußte schleunig zurück, denn die Russen unter General Fermor waren wieder in Preußen eingefallen. Wie Barbaren hatten sie überall gehaust, geraubt, gebrannt und verwüstet. Die Festung Küstrin war von diesen Raubschaaren ganz zusammengeschossen, überall bezeichneten rauchende Trümmer ihren Weg. Friedrich eilte mit seinem ergrimmten Heere vorwärts, solchen Frevel zu rächen. Bei Zorndorf, unweit Küstrin, kam es am 25. August zur Schlacht, und nicht mehr eine Schlacht, ein Schlachten war es zu nennen. Friedrich wollte seinen grimmigen Feind vertilgen, der Schreckensruf: »die Preußen geben keinen Pardon!« donnerte den Russen entgegen. – »Und wir auch nicht,« hallte es gräßlich in den russischen Reihen wieder. Vom Morgen bis in die Nacht wurde gestritten mit aller Wuth der Rache und Verzweiflung. Das preußische Geschütz streckte die Feinde reihenweise nieder, der General Seydlitz that mit seinen Reitern Wunder der Tapferkeit; dennoch wichen die Russen nicht. Mit dem Bajonnet, mit dem Kolben stürmten die Preußen grimmig gegen die feindlichen Glieder an, aber unbeweglich standen die Russen; man mußte sie, wenn sie fallen sollten, nicht blos todtschießen, sondern umstoßen. Aber selbst die Verwundeten am Boden wütheten und mordeten noch untereinander. Man fand einen schwer verwundeten Russen, der über einem sterbenden Preußen lag und ihn mit den Zähnen grimmig zerfleischte. Erst die Dunkelheit der Nacht und die Erschöpfung beider Theile machten dem Gewürge ein Ende und die Russen traten den Rückzug an. Die Wuth über die verübten Greuel hatte alles Gefühl der Menschlichkeit so sehr erstickt, daß die preußischen Bauern und Soldaten bei dem Beerdigen der Todten manchen schwerverwundeten Russen lebendig mit begruben.
d. Ueberfall bei Hochkirch und Schlacht bei Kunersdorf.
Nach diesem blutigen Siege eilte Friedrich nach Sachsen, wohin Daun und die Reichstruppen sich gewendet hatten. Bei der Annäherung des Königs bezog der Marschall ein festes Lager; ihm gegenüber, bei dem Dorfe Hochkirch, eine Stunde östlich von Bautzen, lagerte sich der König. Seine Stellung war höchst unsicher und mehrere Generale machten ihn auf das Gefährliche derselben aufmerksam. Der General Keith sagte frei heraus: »Wenn uns die Oesterreicher hier ruhig lassen, so verdienen sie gehängt zu werden!« Friedrich lächelte und sagte: »Sie fürchten sich vor uns mehr, als vor dem Galgen!« Eine so geringschätzige Meinung hatte Friedrich von seinem Gegner! Die Zuversicht des Königs wuchs, als er drei Tage lang unangefochten blieb. Allein dies Mal hatte er sich in seinem Gegner geirrt. Daun traf in aller Stille die Anstalten zu einem Ueberfalle. In der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober verließen die Oesterreicher in aller Stille ihr Lager und fingen an, die Preußen zu umzingeln. Die preußischen Vorposten wurden ohne Geräusch überwältigt, mehrere Batterien genommen und sogleich gegen die Preußen selber gerichtet.
Die Nacht war finster; es schlug 6 Uhr vom Thurme zu Hochkirch, als die Preußen durch die Kugeln ihres eigenen Geschützes aus dem Schlafe geweckt und niedergeschmettert wurden. Wie aus der Erde gestiegen, standen die Feinde plötzlich mit in ihrem Lager. Auf den entstandenen Lärm griffen die Ueberraschten zu den Waffen und sammelten sich, so gut es in der Dunkelheit möglich war. Das flammende Dorf war das einzige Licht, das ihnen leuchtete. Vergebens boten die Anführer Alles auf, ihre Schaaren zu ordnen und den Feind aus ihrem Lager zu schlagen. Der General Keith wurde von zwei Kartätschenkugeln durchbohrt, dem Prinzen Franz von Braunschweig durch eine Kanonenkugel der Kopf weggerissen und Prinz Moritz von Dessau tödtlich verwundet. Mit Sehnsucht harrten die Bedrängten auf den anbrechenden Tag; allein auch dieser brachte keine Hülfe, denn ein dichter Nebel hinderte den König, sein und das österreichische Heer zu übersehen. Endlich schwand der Nebel und schnell war die Ordnung seines Heeres hergestellt, aber eine Seite desselben war auch schon von den Oesterreichern umgangen. So ließ denn der König den Rückzug antreten und dieser erfolgte mit solcher Ordnung, daß Daun ihn nicht zu stören wagte. Dieser vorsichtige Feldherr zog sich in sein Lager zurück, gleich als ob der König den Sieg gewonnen hätte.
Die Preußen hatten viel verloren, 9000 Mann und fast alles Geschütz und Gepäck. Dennoch verlor Friedrich den Muth nicht und suchte ihn auch bei seinen Soldaten aufzufrischen. Als die Artilleristen ohne Geschütz an ihm vorüberzogen, rief er scherzend: »Wo habt ihr denn eure Kanonen gelassen?« – »Der Teufel hat sie über Nacht geholt!« war die Antwort. – »Nun, so wollen wir sie ihm bei Tage wieder abnehmen. Nicht wahr, Grenadiere?« – »Ja« – sprachen diese – »so ist es recht, sie sollen uns auch noch Interessen dazu geben!« Durch künstliche Märsche gelang es dem König, nach Schlesien zu entkommen und seine Festung Neiße zu entsetzen. Daun aber bekam für seinen Sieg vom Papste einen geweihten Hut und Degen.
Der vierte Feldzug (1759) war noch unglücklicher für Friedrich, denn er verlor die Hauptschlacht bei Kunersdorf. Die Russen unter Soltikow und die Oesterreicher unter Laudon hatten sich vereinigt. Schon in seinem 15ten Jahre war Laudon in russische Dienste getreten und hatte in mehreren Schlachten Proben seiner Tapferkeit und seines Muthes abgelegt. Bald aber ward ihm dieser Dienst verleidet und er suchte bei dem Könige von Preußen um eine Hauptmannsstelle nach, wurde aber von Friedrich abgewiesen. Nun trug er seine Dienste der Kaiserin Maria Theresia an und erhielt von ihr die nachgesuchte Hauptmannsstelle. Gleich dem Prinzen Eugen belohnte auch er das in ihn gesetzte Vertrauen. Er schwang sich durch seine großen Verdienste bis zur Marschallswürde empor und gab dem König genug Veranlassung zur Reue, ihm einst die Hauptmannsstelle verweigert zu haben.
Friedrich griff die vereinigten Feinde am 12. August um 12 Uhr Mittags bei Kunersdorf, nahe bei Frankfurt an der Oder, an. Zuerst warf er sich auf den linken Flügel der Russen. Diese standen auf wohl verschanzten Anhöhen und ihr zahlreiches Geschütz sprühete Tod und Verderben in die heranstürmenden Preußen. Ganze Rotten derselben wurden auf einmal niedergeschmettert. Dennoch trug die preußische Tapferkeit den Sieg davon. Um 5 Uhr Abends war der ganze linke Flügel geworfen und alles Geschütz erobert. Schon fertigte der König eine Siegesbotschaft nach Berlin ab. Allein unerschüttert stand noch der rechte russische Flügel und die Oesterreicher waren noch gar nicht zum Kampfe gekommen. Um den Sieg zu vollenden, ging der König, trotz der Gegenvorstellungen seiner Generäle, mit seinen erschöpften Soldaten auch auf diese los. Da ging der Sieg in völlige Niederlage über. Ganze Regimenter erlagen dem furchtbaren Kartätschenfeuer der Feinde; zugleich brach die zahlreiche österreichische Reiterei aus allen Punkten los und grauenvoll ward die Niederlage und Flucht der Preußen. Mitten in diesem Getümmel hielt der König in dumpfer Verzweiflung; zwei Pferde waren schon unter ihm gefallen, eine Kugel war nur durch das goldene Etui in seiner Westentasche aufgehalten worden und dennoch wollte er nicht weichen. Mit Gewalt wollte man ihn vom Schlachtfelde reißen. »Alles ist verloren, retten Sie die königliche Familie!« schrieb er gleich nachher an seinen Minister von Finkenstein; und einige Stunden später: »Ich werde des Vaterlandes Sturz nicht überleben. Gott befohlen aus immer!« Und in der That war seine Lage nie so verzweiflungsvoll als jetzt. Nur 5000 Mann sammelten sich am andern Morgen um seine Fahnen; das Geschütz war gänzlich verloren. Unter den zahllosen Gefallenen war auch der Dichter des Frühlings, der Major Heinrich von Kleist. Doch auch theuer war dieser Sieg von den Verbündeten erkauft worden, so daß der russische Feldherr sagte: »Wenn ich noch einen solchen Sieg erfechte, werde ich mit einem Stabe in der Hand allein diese Nachricht nach Petersburg bringen müssen.«
e. Schlacht bei Torgau.
Ein Glück für Friedrich war es, daß die Russen sich nicht beeilten, ihren Sieg zu verfolgen und den Oesterreichern die Hauptarbeit überließen. Der Feldzug von 1760 fing eben so unglücklichen, als der vorige geendet hatte. Ein preußischer Heerhaufe von 8000 Mann wurde von einer dreimal stärkeren Anzahl unter Laudon umzingelt, theils niedergehauen, theils gefangen. Dafür schlug Friedrich den General Laudon bei Liegnitz, aber sogleich mußte er sich schon wieder gegen die vereinigten Oesterreicher und Russen wenden, die unter General Tottleben sogar Berlin erobert hatten. Des Königs Ankunft verscheuchte die Feinde und er konnte sich wieder nach Sachsen wenden, wo in einer trefflichen Stellung Feldmarschall Daun bei Torgau ein festes Lager bezogen hatte.
Am 3. November F. Henning (Vaterländische Geschichtsbilder). erschien Friedrich mit seinem Heere, um die Schlacht zu wagen, von der sein ganzes Schicksal abhing. Wurde er jetzt geschlagen, so war er verloren; denn bei Landsberg an der Warthe standen die Russen und lauerten auf eine günstige Gelegenheit, um wieder nach Berlin vorzudringen. Friedrich beschloß, die furchtbaren Verschanzungen anzugreifen. Er selbst wollte einen Theil seines Heeres gegen die Torgauer Weinberge führen; Ziethen aber sollte den Feind umgehen und ihn im Rücken angreifen. Beide werden aber durch Sümpfe, Gräben und Wälder aufgehalten. Es ist 2 Uhr Nachmittags, als der König mit der ersten Abtheilung seiner Grenadiere aus dem Walde tritt und die feindlichen Verschanzungen vor sich hat. Geschütz und Reiterei ist noch zurück. Dennoch befiehlt er den Angriff auf der Stelle; denn er vernimmt ein starkes Gewehrfeuer von Ziethen's Seite und meint, der Feind sei schon dort in vollem Kampfe. Aber es war nur ein Vorpostengefecht und Ziethen befand sich noch lange nicht an Ort und Stelle. Als nun die Grenadiere gegen die Schanzen anstürmten, wendet der Feind seine ganze Macht gegen sie. Vierhundert Kanonen speien ihr mörderisches Feuer unter die Tapfern; reihenweise, wie sie vordringen, werden sie niedergeschmettert und liegen noch im Tode geordnet. Der König selbst gesteht, daß er ein so entsetzliches Krachen noch nie gehört habe. Neue Schaaren dringen vor, nicht achtend der hingestreckten und verstümmelten Brüder; sie stürmen muthig vorwärts, werden aber von der österreichischen Reiterei geworfen. Indeß braust die preußische Reiterei heran und treibt die Feinde zurück, aber bald muß sie selber wieder zurück. Endlich kommt auch das Geschütz an, vermag aber auch wenig auszurichten; denn hier werden die Pferde niedergeschmettert, dort die Räder der Kanonen zertrümmert. Mitten im Getümmel und Kugelregen hält der König. Von der aufgewühlten Erde ist sein Pferd in steter Bewegung. Eine Kanonenkugel schlägt dicht bei ihm durch die Trommel eines Tambours. Das Pferd eines Trompeters wird scheu und geht mit ihm durch. »Sag' den Oesterreichern,« ruft Friedrich ihm nach, »sie sollen bald aufhören zu schießen, sonst nehme ich ihnen die Kanonen weg.« Der kurze Novembertag ist zu Ende, aber nichts entschieden. Die rabenschwarze Nacht bricht herein, aber ohne den Frieden zu bringen. Hier irrt ein Trupp Oesterreicher umher; sie gerathen den Preußen in die Hände und werden gefangen. Dort geht es einer Abtheilung Preußen nicht besser, Freunde schießen auf Freunde, bis sie endlich den Irrthum erkennen.
Endlich brennen zahlreiche Feuer in dem Torgauer Walde. Freund und Feind folgt dem lockenden Scheine, um der empfindlichen Kälte bei dem wärmenden Feuer zu entgehen. Niemand denkt daran, den Andern zu vertreiben; die gemeinschaftliche Noth macht sie alle einig. Da keiner weiß, wer die Schlacht gewonnen hat, so kommen sie mit einander überein, sich am Morgen dem Sieger zu ergeben.
Schrecklich war der Zustand der Verwundeten auf dem blutigen Schlachtfelde. Wer sich nicht nach einer Scheune oder einem Stalle der nächsten Dörfer schleppen konnte, krümmte sich nun in seinem Schmerze auf dem nassen Boden. Wo aber war der König? Der sitzt in der Kirche des Dorfes Elsing auf der untersten Stufe des Altars. Sein Herz ist von Kummer zerrissen, sein Haupt gebeugt. Der Kern seiner Truppen liegt auf dem Schlachtfelde, seine besten Offiziere sind gefallen, er selbst verwundet und immer ist noch Nichts entschieden. Er wünscht sich selber den Tod; doch will er bis zum letzten Augenblick die Arme nicht sinken lassen. Entschlossen, am andern Morgen die Schlacht wieder zu beginnen und noch einen Bajonnetangriff zu wagen, schreibt er beim spärlichen Lichte einer Lampe seine Befehle. Mit Sehnsucht erwartet er den Tag, mit heißem Verlangen Nachricht von General Ziethen. Doch der hatte auch nicht geruhet; den Schlachtplan verfolgend, war er noch in der Dunkelheit gegen die Süptitzer Höhen vorgerückt, hatte sie erstürmt und so die Schlachtreihe der Oesterreicher durchbrochen. Diese konnten nun keine Schlacht mehr wagen; in aller Stille zogen sie sich zurück.
Der König hatte schon Boten auf Boten nach dem Ziethen'schen Heerhaufen entsendet; endlich graut der Morgen, Friedrich besteigt das Pferd und reitet zum Dorfe hinaus. Da taucht ein Trupp Reiter in weißen Mänteln aus dem grauen Nebel auf und kommt ihm entgegen. Es ist Ziethen mit seinen Husaren. Er sprengt auf den König zu: »Ew. Majestät! Der Feind ist geschlagen, er zieht sich zurück!« In dem Augenblicke stürzen Beide zugleich von den Pferden; der König liegt in Ziethen's Armen. Der alte Feldherr, seiner Gefühle nicht mehr mächtig, weint, wie ein Kind, laut auf und kann kein Wort mehr hervorbringen. Dann sprengt er zu den Kriegern zurück und ruft: »Burschen, unser König hat die Schlacht gewonnen und der Feind ist völlig geschlagen. Es lebe unser großer König!« Und alle stimmen jubelnd ein: »Es lebe unser großer König! Aber unser Vater Ziethen, unser Husarenkönig auch!«
So kämpfte, so litt, so lebte der preußische Held und er brachte einen siebenjährigen Krieg glücklich und ruhmvoll zu Ende. Am 17. Februar 1763 ward zu Hubertusburg in Sachsen der Friede geschlossen, in welchem der König auch nicht ein Haar breit seiner Länder verlor.
8. Charakterzüge des großen Königs.
Gleich nach dem Abschluß des Friedens begab sich der König nach Charlottenburg und ließ dort das Tedeum (Herr Gott, dich loben wir) von Graun anstimmen. Die Musiker und Sänger erwarteten den ganzen Hof zu finden; zu ihrem Erstaunen aber erschien der König allein, setzte sich und ließ die Musik ihren Anfang nehmen. Als die Singstimmen einfielen, stützte er den Kopf auf die Hand und verhüllte seine Augen, um den Thränen des Dankes freien Lauf zu lassen.
Seine erste Sorge war nun, die Wunden zu heilen, die der Krieg seinem Lande geschlagen hatte. Das Getreide, welches er schon für den nächsten Feldzug hatte aufkaufen lassen, vertheilte er unter die verarmten Landleute, und die Pferde, die für das Geschütz und Gepäck bestimmt waren, schenkte er den Dörfern, die durch den Krieg am meisten gelitten hatten. Das schlechte Geld, das er in der Noth hatte prägen lassen, zog er allmälig ein und um die brodlosen Arbeiter der Hauptstadt zu beschäftigen, begann er den Bau des neuen Palais am Ende des Gartens zu Sanssouci. Zugleich ließ er den Oderbruch entwässern, die unfruchtbaren Gegenden des Havellandes in Aecker und Wiesen umwandeln, die Niederungen der Warthe urbar machen und die Havel mit der Elbe durch Kanäle verbinden. So wirkte er unermüdlich für die Wohlfahrt seines Landes.
Eine seiner hervorstechenden Eigenschaften war die Herablassung und Freundlichkeit, die er auch dem Geringsten seines Volkes bewies. Als einst auf der Reise die Pferde gewechselt wurden, drängte sich ein altes Mütterchen dicht an den Wagen. »Was wollt Ihr,« fragte sie der König. – »Nur Ihr Angesicht sehen und sonst nichts weiter,« erwiderte die Alte. Der König gab ihr einige Friedrichsd'or und sagte: »Seht, liebe Frau, auf diesen Dingern könnt Ihr mich ansehen, so oft Ihr wollt!«
Friedrich hatte es sehr gern, wenn man ihm freimüthig antwortete und war die Antwort nur treffend, so nahm er auch ein dreistes Wort nicht übel. Einen Soldaten, dessen Gesicht mehrere tiefe Narben hatte, die er bei Kollin geholt, fragte er einst bei einer Musterung, in welcher Schenke er die Bierhiebe erhalten habe. »Bei Kollin,« war die Antwort, »wo Ew. Majestät die Zeche bezahlt haben.« Die Dreistigkeit aber durfte nicht in Unbescheidenheit ausarten, zumal wenn von ernsthaften Dingen die Rede war. Ein junger Landrath hatte einst gemeldet, daß sich in seinem Kreise ganze Schaaren von Heuschrecken zeigten. Das wollte der König nicht glauben, und nun schickte der Landrath zum Beweise eine große Schachtel mit lebendigen Heuschrecken, die beim Oeffnen des Deckels lustig im Zimmer des Königs umherflogen. Friedrich ließ den Vorfall ungestraft; der Domainenkammer aber schrieb er, man solle nicht naseweise junge Leute zu Landräthen machen, sondern lieber gesetzte Männer und namentlich erfahrene Offiziere, die schon wüßten, was sich schickte und wie sie ihrem Könige begegnen müßten. Alten, verdienstvollen Generalen hielt er schon was zu Gute. Dem General Seydlitz, dem er vorzüglich den Sieg bei« Roßbach verdankte, sagte er einst bei einer Revue: »Mein lieber Seydlitz, ich dächte, Sein Regiment ritte viel länger, als meine übrige Kavallerie.« »Ew. Majestät,« erwiderte Seydlitz, »das Regiment reitet heute noch so, wie bei Roßbach.« Der König vermied es seitdem, Bemerkungen zu machen, die den wackern General kränken konnten.
Geistesgegenwart und Muth besaß Friedrich, wie wenige Menschen. In der Schlacht bei Kollin führte er selbst mit dem Degen in der Hand eine Kompagnie gegen eine feindliche Batterie. Die Leute flohen, als sie in den Bereich der feindlichen Kugeln kamen; Friedrich aber achtete nicht darauf und ritt immer weiter, bis einer von seinen Adjutanten ihm zurief: »Sire! Wollen Sie denn die Batterie allein erobern?« Jetzt erst erkannte Friedrich seine mißliche Lage, hielt sein Pferd an, betrachtete die Batterie durch ein Fernglas und ritt langsam zu den Seinigen zurück.
Nach der Schlacht bei Leuthen ritt er mit wenigen Begleitern nach Lissa und trat in das dortige Schloß ein, das aber noch voll österreichischer Offiziere war. Diese kamen ihm mit brennenden Lichtern entgegen, als er eben die Treppe hinauf stieg, und hätten ihn unmittelbar nach seinem schönsten Siege gefangen nehmen können. Er aber redete sie unbefangen mit den Worten an: »Guten Abend, meine Herren! Sie haben mich hier wohl nicht vermuthet?« Und dabei ging er furchtlos durch die feindlichen Offiziere hindurch, die nichts als ein ehrfurchtsvolles »Ah« erwiederten. Bald daraus erschien eine Schwadron preußischer Husaren, welche die sämmtlichen Oesterreicher zu Gefangenen machte.
Einst kam Friedrich bei einem Ritt, den er unternahm, um die Gegend zu erforschen, einem feindlichen Vorposten zu nahe. Ein Pandur legt auf ihn an; der König aber hebt den Stock mit einem drohenden »du, du!« in die Höhe und bringt den Ungar dermaßen in Verwirrung, daß dieser sein Gewehr an den Fuß setzt und den König ruhig davon reiten läßt.
Dieselbe Unerschrockenheit, die Friedrich in allen Gefahren bewies, verlangte er aber auch von seinen Offizieren. Einem seiner Pagen wurde bei der Belagerung von Schweidnitz das Pferd unter dem Leibe erschossen und er selbst erhielt eine bedeutende Quetschung. Mit schmerzlichen Gebehrden eilte er davon; aber der König rief ihm zu: »Wo will Er hin, will Er wohl den Sattel mitnehmen?« Der Page mußte umkehren und den Sattel abschnallen und durfte sich an die Kugeln nicht kehren, die ihn und den König umsausten.
Einer der schönsten Züge in Friedrich's Charakter ist seine strenge Gerechtigkeitsliebe und seine unermüdliche Sorgfalt für die unparteiische Handhabung des Rechts. Bekannt ist die Geschichte von der Windmühle bei Sanssouci, die der König dem Müller abkaufen wollte, weil sie ihm bei der Anlage des Parkes von Sanssouci im Wege stand. Allein der Windmüller weigerte sich standhaft, sein Eigenthum zu veräußern. Der König bot ihm eine große Summe und versprach noch, obendrein, ihm eine andere Mühle bauen zu lassen. »Mein Großvater« – antwortete der starrsinnige Alte – »hat diese Mühle gebaut; ich habe sie von meinem Vater geerbt und meine Kinder sollen sie von mir erben.« Der König ward nun ungeduldig und sprach: »Aber weißt du wohl, daß ich deine Mühle umsonst haben könnte, wenn ich wollte?«– »Ja,« antwortete der Müller, »wenn zu Berlin das Kammergericht nicht wäre!« Der König entließ den Mann und freuete sich über das Vertrauen, welches dieser zu den preußischen Gerichten hatte.
Die Beschwerden des Alters ertrug Friedrich mit großer Geduld, ohne etwas in seiner Lebensordnung zu ändern oder in seiner Thätigkeit nachzulassen. Er war so arbeitsam, daß er sich einmal den Schlaf ganz und gar abgewöhnen wollte, um noch mehr schaffen zu können. Noch ein Jahr vor seinem Tode hielt der Greis beim stärksten Regen zu Breslau die Musterung über seine Truppen ab und bis an sein Ende besorgte er die Regierungsgeschäfte selbst. Als er endlich die Annäherung des Todes fühlte, sah er ihm mit der Ruhe eines Weisen entgegen; er verschied am Morgen des 17. August 1786. Sein Tod, obwohl längst vorausgesehen, wirkte doch wie ein erschütternder Schlag durch ganz Europa, denn Friedrich war der Held seines Jahrhunderts, von den Königen geehrt und geachtet, vom Volke verehrt und geliebt, von seinen Soldaten angebetet. Sie nannten ihn blos »den alten Fritz,« aber die Geschichte nennt ihn Friedrich »den Großen.«