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1.
Bis zu Peter's glorreicher Regierung gehörten die wilden Russen zu den asiatischen Völkern. Kaum wußte man in Europa von ihnen, und es war eine große Seltenheit, wenn einmal ein europäischer Fürst eine Gesandtschaft nach Moskau sandte. Sitten, Kleider, Bildung und Sprache unterschieden sie gänzlich von den gebildeten Völkern, die daher nichts nach ihnen fragten. Da trat vor ungefähr 150 Jahren Peter auf. Anfangs selbst ohne Bildung, bildete er sich selbst mit nie gestillter Wißbegier und that dann so viel für die Bildung seines Volkes, daß es während seiner Regierung größere Fortschritte machte, als andere Völker kaum in Jahrhunderten. Peter erscheint als einer der großen Männer, deren sich die Vorsehung bedient hat, auf das Glück ganzer Völker einzuwirken.
Während der ersten dreißig Regierungsjahre Ludwig's XIV. regierte in Rußland der Czar Alexei. Als er starb, hinterließ er mehrere Kinder, von denen der älteste Sohn, Feodor, zwar folgte, aber auch bald (1682) starb. Sein Tod ließ Unruhen fürchten; denn er hinterließ eine eifersüchtige Schwester, Sophia, einen schwachsinnigen Bruder, Iwan, und einen zehnjährigen Stiefbruder, Peter. Die Unruhen blieben auch nicht aus. Zwar riefen die russischen Großen den jungen Peter zum Czaren aus; aber Sophia, die ihn und seine Mutter Natalie bis auf den Tod haßte, hetzte die Strjelzü oder Strelitzen – so nannte man die regelmäßigen Soldaten – auf und diese erregten einen furchtbaren Aufruhr, weil Sophia ausgesprengt hatte, daß Iwan durch die Familie der Natalie ermordet sei. Mit wüthenden Blicken wälzte sich die Schaar nach dem Palaste, um Iwan's Tod zu rächen, und selbst als dieser sich zeigte, hörte der Tumult nicht auf. Die meisten Brüder, Verwandten und Räthe Natalien's wurden grausam ermordet. Den Leibarzt ermordeten sie, weil sie bei ihm getrocknete Meerpolypen und eine Schlangenhaut gefunden hatten, ihn daher für einen Zauberer hielten. Dann riefen sie Iwan zum Czaren aus. Er erschien und stammelte: »Ich will euer Czar sein; aber laßt doch meinen lieben Bruder Peter mit mir regieren!« Das ließen sie sich gefallen.
Bald brach unter den Strelitzen ein neuer Tumult aus. Natalie und Peter flohen aus Moskau nach einem festen Kloster. Ihnen folgten die Mörder. Lange suchten sie vergebens; endlich kamen sie in die Kirche. Hier kniete Peter am Altare; seine Mutter stand vor ihm und deckte ihn mit ihren Armen. Aber ein wilder Strelitz rannte auf ihn los und wollte ihm eben das Messer in's Herz stoßen, als ein anderer mit gräßlicher Stimme rief: »Halt, Bruder! Nicht hier am Altare. Er wird uns nicht entgehen.« In dem Augenblicke aber erschien die czarische Reiterei und trieb die Strelitzen auseinander. Peter war gerettet. Jemehr Uebermuth, desto mehr Sklavensinn. Die noch eben so übermüthigen Strelitzen naheten sich bald darauf, 3700 an der Zahl. Je zwei und zwei trugen einen Block und der dritte ein Beil. Viele hatten Stricke um den Hals. Sie hatten nämlich, um den Zorn des Czaren zu sühnen, den zehnten Mann ausgehoben. Diese nahten sich jetzt. Sie hatten das Abendmahl empfangen, von ihren Weibern und Kindern, die dem Zuge weinend folgten, Abschied genommen, stellten sich vor dem Palaste auf und riefen: »Wir sind schuldig: der Czar richte nach Gefallen über uns.« Drei Stunden lang überlegte der Hof; endlich wurden dreißig der Schuldigsten hingerichtet, die Uebrigen entlassen.
Des nun 15jährigen Peter's Liebling war ein Kaufmannssohn aus Genf, Le Fort. Nachdem er seinen Eltern davongelaufen war und sich in mehreren Ländern herumgetrieben hatte, war er nach Moskau gekommen und dem jungen Czar bekannt worden. Er wußte von den europäischen Völkern angenehm zu erzählen und war daher ganz Peter's Mann. Stundenlang saß oft Peter und horchte auf seine Erzählung. Einmal hatte er ihm auch von der Art, wie in andern Ländern die Soldaten exerzirt würden, erzählt. »Das willst du auch versuchen!« dachte Peter und geschwind errichtete er im Dorfe Preobraschenskoy bei Moskau eine Kompagnie von 50 Knaben seines Alters, die er Poteschni (Spielkameraden) nannte und von Le Fort, den er zum Hauptmann der kleinen Schaar machte, exerziren ließ. Er selbst diente als Gemeiner und erklärte, daß nur Verdienst, nie Geburt, zu Auszeichnungen berechtige. Jeder junge Russe hielt es für eine Ehre, ein Poteschni zu sein, und bald hatte er so viele Rekruten, daß sie nicht im Dorfe Platz hatten. Hieraus entstand die nachmalige russische Garde. Sophie hatte das Spielwerk ruhig angesehen, ja es war ihr lieb, daß Peter, wie es ihr schien, in der Wildheit aufwüchse. Aber bald merkte sie, wie gefährlich ihr seine Poteschni werden könnten, und leicht war es ihr, die Strelitzen wieder aufzuwiegeln. Es wurde beschlossen, ihn mit seiner ganzen Familie zu ermorden. Peter floh wieder nach jenem festen Kloster und rief seine Poteschni und Alle, die es gut mit ihm meinten, herbei. Eine Menge kam und nun wagte es Keiner, ihn anzugreifen. Sophie mußte sich ihm unterwerfen und wurde in ein Kloster verwiesen, wo sie unter dem Namen Susanne den Schleier nahm. Um diese Zeit starb auch der gute, aber schwache Iwan, und Peter war nun alleiniger Czar, 1689.
Rasch ging er nun an seine Verbesserungspläne. Einst ging er, 19 Jahre alt, in einem Dorfe bei Moskau durch einen Speicher, wo altes Hausgeräthe aufbewahrt wurde. Da fiel ihm ein Boot in die Augen. »Warum ist das anders gebaut,« fragte er gleich, »als die Schiffe, die ich auf der Moskwa sehe?« – »Es ist ein englisches Boot,« antwortete man ihm, »und sowohl zum Rudern, als zum Segeln zu gebrauchen.« »Das möchte ich sehen!« rief Peter. »Ist denn Niemand da, der es regieren könnte?« – Man sagte ihm, vielleicht verstände es ein alter holländischer Tischler, Karsten Brand, der ehemals ein Schiffszimmermann gewesen sei. Er wurde gerufen, setzte es bald wieder in Stand und fuhr dann vor den Augen des erstaunten Czaren den Strom hinab und hinauf. Nun trat Peter selbst an's Steuer und das Wasser war von jetzt an sein Element. Bald war ihm der Fluß, bald ein großer Teich zu enge; das Schiff mußte in einen See gebracht werden. Diesem Schiffe folgten bald mehrere, die der alte Brand ihm bauen mußte. »Könnte ich doch nur einmal ein Seeschiff sehen!« rief Peter sehnsüchtig aus. Rußland hatte damals noch kein Land an der Ostsee und am schwarzen Meere; das weiße Meer war das einzige, wo Peter seine Sehnsucht stillen konnte; dorthin reiste er. Er kam nach Archangel. Wie schlug ihm das Herz, als das weite Meer mit vielen holländischen Schiffen vor seinen trunkenen Blicken dalag. In der Tracht eines holländischen Schiffers befuhr er selbst die See und munterte die Holländer auf, nur recht bald wieder zu kommen. Als er zum zweiten Male in Archangel war, überfiel ihn mitten auf dem Meere ein Sturm. Die Gefahr war so groß, daß alle Schiffer beteten und ihr Ende erwarteten. Nur Peter war unerschrocken, sah auf den Steuermann und wollte ihm Vorschriften geben, wie er lenken müsse. Dieser aber war ungeduldig. »Geh' mir vom Leibe!« fuhr er den Czar an. »Ich muß wissen, wie man steuern soll; ich weiß das besser als Du!« und wirklich brachte er auch das Schiff glücklich an das Ufer. Hier aber fiel er vor dem Czar auf die Kniee und bat ihn wegen seiner Grobheit um Verzeihung. »Hier ist nichts zu verzeihen,« sagte Peter, hob ihn auf und küßte ihn dreimal auf die Stirn, »aber Dank bin ich dir schuldig, daß du uns gerettet hast. Auch für die Antwort, die du mir gabst, danke ich dir!«
Solchen Mann, sollte man glauben, müßten seine Unterthanen vergöttert haben. Aber es gab der Unzufriedenen genug, vorzüglich unter den Strelitzen, die es ihm nicht vergeben konnten, daß er die Poteschni ihnen vorzog. Eines Abends war Peter in Preobraschenskoy bei seinem Liebling Le Fort, der ihn mit vielen Andern zu Gaste geladen hatte. Eben wollte man sich zur Tafel setzen, da wurde der Czar herausgerufen. Es waren zwei Strelitzen, die ihn allein zu sprechen verlangten. Sie warfen sich vor ihm nieder und sprachen, sie brächten ihm ihre Köpfe dar, die sie verwirkt hätten. Sie gehörten zu einer großen Verschwörung; ihr Gewissen triebe sie her, es ihm anzuzeigen. In der nächsten Nacht wollten die Verschworenen Feuer anlegen, und wenn dann der Czar herbeieilte, ihn im Gedränge ermorden. Jetzt säßen sie im Hause des Staatsrathes Sokownin versammelt. Es war gerade 8 Uhr. Peter ließ die Beiden verwahren und schickte einen schriftlichen Befehl an einen Hauptmann seiner Garde, gegen 11 Uhr das bezeichnet Haus zu umgehen und Alle, die darinnen wären, gefangen zu nehmen. Dann ging er ruhig zur Gesellschaft, als wenn nichts vorgefallen wäre. Aber um 10 Uhr stand er auf. »Laßt euch nicht stören,« sprach er, »ein kleines Geschäft ruft mich auf einen Augenblick ab.« Von einem Adjutanten begleitet, setzte er sich in den Wagen und fuhr nach Sokownin's Hause. Er wunderte sich, die Wache nicht zu finden. »Vielleicht sind sie schon im Hause«, dachte er und trat in den Saal. Da saßen die Verschworenen noch alle. Erschrocken standen sie auf. »Ei guten Abend!« sagte Peter. »Ich fuhr vorbei und sah hier helles Licht. Da vermuthete ich muntere Gesellschaft! ich komme, mit euch ein Gläschen zu trinken.« – »Viele Ehre!« antwortete der Wirth. Alle setzten sich wieder; es wurde fleißig eingeschenkt und der Czar that wackern Bescheid. Jetzt winkte ein Strelitze dem Sokownin und flüsterte ihm zu: »Nun ist es Zeit, Bruder!« – »Noch nicht!« antwortete dieser leise. »Für mich aber ist es Zeit!« schrie Peter mit funkelndem Blicke, indem er aufsprang, daß die Gläser klirrten, und den Sokownin mit der Faust in's Gesicht schlug. »Fort! bindet die Hunde!« – Zu seinem Glücke trat in demselben Augenblicke der Gardehauptmann herein, hinter ihm seine Soldaten. Die Verschworenen verloren den Muth, fielen auf die Kniee und baten um Gnade. Nachdem sie gebunden waren, gab Peter dem Hauptmann eine tüchtige Ohrfeige, weil er, wie er glaubte, eine Stunde zu spät gekommen sei. Da dieser sich aber durch Vorzeigung des schriftlichen Befehls auswies, entschuldigte der Czar seine Hitze, küßte ihn auf die Stirn und erklärte ihn für einen braven Offizier. Wie staunten Le Fort und seine Gäste, als er zurückkam und erzählte, was indessen geschehen war! Viele der Schuldigen wurden hingerichtet.
Je mehr ihm Le Fort von fremden Ländern erzählte, desto begieriger wurde er, sie selbst zu sehen. Im Jahre 1697 rüstete er eine große Gesandtschaft aus, die von Le Fort angeführt wurde, wohl aus 300 Personen bestand und durch einen großen Theil von Europa reisen sollte. Er selbst wollte sie begleiten; aber weil er ein großer Feind von allen Umständen war und gern Alles ungestört sehen wollte, so ging er unter dem Titel eines Oberkommandeurs mit und er hatte ausdrücklich seinen Leuten befohlen, zu thun, als wenn er nicht der Czar sei. Zunächst ging es über Riga nach Königsberg, wo der Kurfürst von Brandenburg, Friedrich III., die Gesandtschaft in feierlicher Audienz empfing. Peter war auch dabei und wollte unerkannt bleiben. Aber das war vergebens. Alle Hofleute erkannten ihn gleich an seiner hohen Gestalt, seinen blitzenden Augen, die er überall umherwarf, und an der Mühe, die er sich gab, nicht erkannt zu werden, indem er sich oft seine Mütze vor das Gesicht hielt. Insgemein besuchte er auch den Kurfürsten allein, der sich alle Mühe gab, ihn mit Schmausereien, Opern u. s. w. zu unterhalten. Einmal hatte er zu viel getrunken und bekam mit Le Fort Streit. Wüthend fiel er ihn an und befahl ihm, den Säbel zu ziehen. »Das sei ferne,« sagte der verständige Le Fort; »lieber will ich von den Händen meines Herrn sterben!« Mit Mühe wurde der Czar zurückgehalten. Am folgenden Morgen bereute er seine Uebereilung. »Ich will mein Volk gesitteter machen«, rief er schmerzlich aus, »und noch vermag ich's nicht, mich selbst zu zähmen!« – Mit großer Wißbegier besuchte er die Handwerker und Künstler, besonders die Bernsteindrechsler. Dann ging er durch die Mark und Hannover nach den Niederlanden. Ueberall fand man ihn sehr liebenswürdig, obgleich seine Sitten, besonders bei den Damen, etwas roh waren. Am hannoverschen Hofe wunderte er sich, daß die Damen nicht alle Roth und Weiß auflegten; das sei in Rußland allgemein und eine alte, tüchtig geschminkte Hofdame gefiel daher den Russen am besten. Nachdem er mit den Damen, die nach damaliger Sitte steif geschnürt waren, getanzt hatte, wandte er sich an Le Fort und sagte mit Verwunderung: »Wie teufelsharte Knochen haben doch die deutschen Frauen!«
2.
Nun kam er nach Amsterdam. Auf diese Stadt hatte er sich am meisten gefreut; denn für die Holländer hatte er eine große Vorliebe. Um unerkannt zu bleiben, kam er 14 Tage früher als die Gesandtschaft. Aber man erkannte ihn doch und der Magistrat bot ihm eine schöne Wohnung an. Er aber wählte ein ganz kleines Haus und legte die Kleidung eines holländischen Schiffszimmermanns an. Am meisten lag ihm daran, hier das Schiffsbauen zu lernen. Amsterdam gegenüber liegt das Dorf Saardam, wo 700 Windmühlen stehen und großer Schiffsbau getrieben wird. Dahin begab er sich bald. Auf der Ueberfahrt sah er ein Fischerboot. Er erkannte in dem Fischer einen alten Bekannten, den er einst in Rußland gesehen hatte. Treuherzig schüttelte er ihm die Hand. »Höre! ich will bei dir wohnen!« rief er. Der Mann entschuldigte sich; er hätte nur eine Hütte mit einer Stube und Kammer. Das half Alles nichts, der Fischer mußte mit seiner Frau in die Kammer ziehen und Peter nahm die Stube ein. Das Haus steht noch. Nun ging es an's Arbeiten. Man wußte wohl, wer er eigentlich sei; aber er konnte nicht leiden, wenn man es merken ließ. Man nannte ihn Peter Baas; als solcher kam er alle Morgen, mit dem Beile in der Hand, auf die Schiffswerfte, zimmerte wie ein gemeiner Arbeiter, fragte nach Allem und versuchte Alles. Selbst in der Schmiede arbeitete er mit und seine Kammerherren mußten die Kohlen zulangen. Wie verwünschten diese den sonderbaren Geschmack ihres Czars, der sie nöthigte, ihre zarten Hände zu verderben. Peter dagegen zeigte gern die harte Haut seiner Hände, weil sie ein Beweis seiner Arbeitsamkeit war. Recht in den Tod zuwider war es ihm aber, wenn ihn die Leute wie ein Wunderthier angafften. Manchmal standen sie in dicken Haufen vor seiner Thüre, wenn sie wußten, daß er ausgehen würde. Dann kam er entweder wohl gar nicht, oder es setzte tüchtige Püffe rechts und links. Nach einer siebenwöchentlichen Arbeit kehrte er nach Amsterdam zurück und statt mit Zerstreuungen die Zeit zu tödten, suchte er Gelehrte, Künstler und Handwerker auf, bei denen er etwas lernen konnte, nahm auch viele davon in seine Dienste und schickte sie nach Rußland. Dasselbe that er in England, wohin er nun reiste. Einen großen Genuß verschaffte ihm hier König Wilhelm, indem er vor ihm eine Seeschlacht aufführen ließ. »Wäre ich nicht zum Czaren des russischen Reichs geboren,« rief er einmal aus, »so möchte ich ein englischer Admiral sein!« Drei Monate blieb er da. Als er auf der Rückreise wieder über Holland ging und ihn hier bei einer seiner Wasserfahrten auf der Zuyder-See (spr. Seuder-See) ein Sturm überfiel, war er allein ganz unerschrocken. »Habt ihr denn je gehört,« sagte er zu den bebenden Schiffern, »daß ein russischer Czar in Holland auf der See ertrunken sei?« – Nun ging es über Dresden nach Wien, wo es ihm sehr gefiel, und eben wollte er nach Italien gehen, als er die Nachricht erhielt, die Strelitzen hätten sich schon wieder empört.
Wie ein grimmiger Löwe fuhr er auf und eilte schnell nach Rußland zurück. Auf der Reise durch Polen besuchte er den König des Landes, den starken August II., dem es ein Leichtes war, zinnerne Teller wie ein Papier zusammen zu rollen. Auch dem Czaren gab August eine Probe seiner Stärke, indem er mit einem schönen Säbel einem polnischen Ochsen den Kopf mit einem Hiebe abschlug. »Schenkt mir den Säbel,« sagte Peter; »er ist mir nöthig, um das Haupt des Empörungsdrachens vom Rumpfe zu trennen.« Der König reichte ihm den Säbel mit den Worten: »Tod den Türken und Tataren! Leben und Gnade den Unterthanen!« eine Aeußerung, die seiner Menschlichkeit Ehre macht. Peter fand den Aufruhr schon gedämpft; alle Gefängnisse waren voll. Kaum bezwang sich Peter, seine Schwester Sophie nicht zu mißhandeln; denn sie hatte vermuthlich wieder ihre Hand im Spiele gehabt. Darum wurde sie noch enger eingesperrt und 130 Schuldige wurden ihren Fenstern gegenüber aufgehenkt. Schrecklich war diesmal die Strafe der Uebelthäter; einen ganzen Monat lang floß ihr Blut auf dem Richtplatze bei Moskau.
Um diese Zeit starb sein Freund Le Fort. »Nun habe ich keinen treuen Diener mehr!« rief Peter mit Thränen aus. »Auf ihn allein konnte ich mich verlassen.« Er küßte den theuren Leichnam und badete ihn mit seinen Thränen. Seine Stelle ersetzte späterhin Menschikow. Die Nachrichten über seine Herkunft sind verschieden. Es heißt, er sei ein Pastetenbäckerjunge gewesen und habe Pasteten auf den Straßen herumgetragen. Einst kam er so auch in die Küche eines vornehmen Russen, der den Czar zu Tische geladen hatte. Da bemerkte er, daß der Wirth in ein Lieblingsgericht des Czaren ein Pulver that. Menschikow schöpfte Verdacht, ging auf die Gasse und wartete, bis der Czar kam. Dieser bemerkte ihn und sagte: »Gieb mir deinen Korb zum Kaufe!« – »Den Korb,« antwortete der Junge, »darf ich nicht ohne meines Herrn Erlaubniß weggeben. Indeß, da Euch doch Alles zugehört, so nehmt ihn immerhin.« – Die Antwort gefiel Petern; er befahl ihm zu folgen und ihn bei Tische zu bedienen. Als nun das verdächtige Gericht kam, rief der Knabe den Czar bei Seite und sagte ihm, was er gesehen habe. Peter verlangte, daß der Wirth zuerst davon essen sollte, und da dieser bestürzt es ablehnte, setzte er einem Hunde davon vor, der bald darauf starb. Seit dieser Zeit genoß Menschikow das Vertrauen des Czars und half ihm auch treulich bei der Ausführung seiner Verbesserungspläne.
Das Ausland hatte dem Czar so gefallen, daß er nichts sehnlicher wünschte, als seine Russen danach zu bilden. Mit dem Aeußern fing er an und verbot die lange Nationalkleidung. Nur Geistliche und Bauern durften sie tragen. Wer zu ihm kommen wollte, mußte in ausländischer Tracht erscheinen; dazu ließ er ein Muster über jedes Stadtthor hängen und wer noch mit einem langen Kleide durch's Thor ging, mußte entweder einen Zoll bezahlen oder unter dem Thore niederknieen und es sich gefallen lassen, daß ihm der Rock so weit, als er beim Knieen auf der Erde schleppte, abgeschnitten würde. In kurzer Zeit waren die langen Röcke verschwunden. – Eben so ging es dem langen Barte. Wer ihn behalten wollte, mußte ein Geistlicher oder ein Bauer sein, oder – jährlich 100 Rubel bezahlen. – Auch die Frauen wurden nun umgewandelt. Bisher hatten die Unglücklichen ein trauriges Leben geführt; sie wurden für unwürdig gehalten, in der Gesellschaft der Männer zu erscheinen, und lebten eingeschlossen in ihren Harems. Aber Peter wollte, sie sollten sein wie die Frauen, die er im Auslande gesehen hatte, und befahl, daß alle in ausländische Tracht gekleidete Frauen in allen Gesellschaften erscheinen dürften. Dadurch wurden die Ausbrüche der Rohheit der Männer mehr zurückgehalten und nach und nach kam ein besserer Ton auf. Auch verbot er, daß irgend eine Ehe ohne freie Beistimmung des jungen Paares geschlossen würde und daß sich Beide wenigstens sechs Wochen lang vor der Hochzeit sehen dürften. Bisher hatten die Eltern die Kinder vermählt und die Brautleute hatten sich am Hochzeittage zum ersten Mal gesehen. – Auch Schulen wurden angelegt; Buchdruckereien errichtet und viele gute Werke des Auslandes in's Russische übersetzt; kurz, kein Zweig der Verwaltung blieb unverändert. Freilich schüttelte darüber Mancher den Kopf; aber Peter war nicht der Mann, der sich irre machen ließ oder auf halbem Wege stehen blieb.
Karl XII., König von Schweden.
1.
Karl XII. war ein Urenkel der Schwester Gustav Adolf's. Als sein Vater starb, war er noch nicht 15 Jahre alt. Daher verwaltete anfangs seine Großmutter, eine verständige Frau, die Regierung. Aber die Schweden wollten nicht gern unter der Herrschaft einer Frau stehen und übertrugen daher bald dem jungen Karl die Regierung. Er zeichnete sich als Knabe durch nichts aus und man hielt ihn allgemein für einen sehr mittelmäßigen Kopf.
Schweden hatte damals einen viel größeren Umfang als jetzt. Auch Ingermanland (wo jetzt Petersburg liegt), Esthland und Liefland gehörten den Schweden. Darüber waren aber die Nachbarn längst eifersüchtig gewesen und hatten nur auf eine Gelegenheit gewartet, über Schweden herzufallen und ihm die Federn auszurupfen. Jetzt glaubten sie, sei die Gelegenheit gekommen. Peter der Große, August II. von Polen und Friedrich IV. von Dänemark schlossen ganz insgeheim einen Bund und wirklich merkte auch Karl nichts davon. Plötzlich brachen die Dänen in Holstein ein, welches damals einem Schwager des Königs von Schweden gehörte, während sich August auf Liefland warf. Als Karl dies erfuhr, sprach er: »Es ist wunderlich, daß meine beiden Vettern Krieg haben wollen. Es mag also darum sein. Wir haben eine gerechte Sache; Gott wird uns wohl helfen. Ich will die Sache erst mit dem Einen abthun und hiernächst kann ich alle Zeit mit dem Andern sprechen.« Seit der Zeit hatte er keinen Sinn mehr für Hoffeste. Man sah ihn sich lebhaft mit den alten Generalen seines Vaters und Großvaters unterhalten und ein ganz neuer Geist war in ihn gefahren.
Alles war nun gespannt, was Karl thun würde. Sein Feuergeist wollte die Sache schnell entschieden wissen und darum beschloß er auf Seeland zu landen und dem Könige von Dänemark einen solchen Schrecken einzujagen, daß er Frieden machen müßte. Gesagt, gethan; Karl fuhr selbst mit einem ausgesuchten Heere über den Sund. Schon standen die Dänen am Ufer, ihn zurück zu treiben. Aber ungeachtet des Kugelregens sprang er aus dem Schiffe in's Wasser, welches ihm bis an die Arme reichte, den Degen in der Hand, und so stürmte er gegen die Dänen an, hinter sich seine Soldaten, die die Gewehre hoch über dem Wasser emporhielten. Als die Kugeln um ihn herum flogen, fragte er seine Begleiter, was das für ein Pfeifen wäre. »Sire! Das sind die Flintenkugeln!« – »So!« sagte Karl, »das soll künftig meine Lieblingsmusik sein!« – Die Feinde verloren den Muth, solchen Leuten zu widerstehen, und warfen sich in die Flucht. Nun ging es rasch auf Kopenhagen los. Karl hielt die schönste Mannszucht; jedes Plündern war bei Todesstrafe verboten. Dafür aber nahmen ihn die braven seeländischen Bauern freundlich auf. »Gott segne Ew. Majestät,« sprachen sie; »wir wissen wohl, daß Ihr uns kein Leid thun werdet; Ihr seid ja der frommen Ulrike Sohn.« – Und als Karl nachher wieder zurückging, sagten ihm die ehrlichen Leute mit Thränen Lebewohl. Der König Friedrich war über die plötzliche Erscheinung der Schweden so bestürzt, daß er gleich demüthig um Frieden bat. Karl gewährte ihn gern; denn er hatte mehr zu thun. Das geschah 1700.
Nun ging es rasch wieder zu Schiffe. Karl fuhr über die Ostsee nach Liefland, landete und eilte der Stadt Narva zu Hülfe. Hier kam es zu einer Schlacht, 8000 Schweden gegen fast 80,000 Russen, die sich noch obendrein verschanzt hatten. Aber der Wind trieb die fallenden Schneeflocken den Russen gerade in's Gesicht und dies machte es den Schweden möglich, unbemerkt sich zu nähern. In einer Viertelstunde war die Schlacht entschieden und die Russen in voller Flucht nach einer einzigen Brücke. Endlich brach diese ein und Alle, die auf ihr waren, stürzten mit Angstgeschrei zum unfehlbaren Tode hinab. Den Nachgebliebenen war nun jeder Weg der Rettung verschlossen; sie vertheidigten sich hinter einer Reihe von Wagen. Dies Schießen hörte Karl am andern Ende des Schlachtfeldes. Er jagte herbei. Unterwegs hielt ein Morast ihn auf; er wollte durchsetzen, sein Pferd fiel aber so tief hinein, daß er nur mit Hülfe eines herzueilenden Knechtes herausgezogen werden konnte. Einen Stiefel und seinen Degen mußte er im Stiche lassen. Nur mit einem Stiefel warf er sich auf ein anderes Pferd und jagte fort und nun wurden die Russen bald besiegt. Peter selbst war nicht dabei gewesen; denn ein großer Feldherr war er nicht. Als ihm die Niederlage gemeldet wurde, sagte er ruhig: »Ich weiß wohl, die Schweden werden uns noch manchmal schlagen, aber wir lernen durch sie. Die Zeit wird kommen, wo wir über sie siegen werden.« Und in sein Tagebuch schrieb er: »Da wir dieses Unglück, oder vielmehr dies Glück erlebt hatten, machte uns die Noth emsig, arbeitsam und erfahren.« Ein schöner, eines großen Fürsten würdiger Gedanke, das Unglück so zu benutzen!
Jetzt ging es gegen den dritten Feind, gegen August II., und Karl erklärte laut, er wolle nicht eher ruhen, bis er ihn abgesetzt hätte und einen andern König von Polen sähe. August hatte nicht erwartet, daß Karl ihm so geschwind über den Hals kommen würde; denn sonst pflegte man nur im Sommer Krieg zu führen und im Winter zu ruhen. Karl aber war gegen alle Witterung abgehärtet; nicht einmal einen Pelz pflegte er im Winter zu tragen. In seiner Verlegenheit schickte August die Gräfin von Königsmark, eine Frau von ausgezeichneter Schönheit, die bei August viel galt, an Karl ab. Sie sollte unter dem Vorwande, sich für einen Verwandten zu verwenden, bei ihm Audienz suchen und ihn dann überreden, mit August Frieden zu machen. Aber darin hatte sich dieser verrechnet. Karl konnte die Frauen nicht leiden, ist auch nie verheirathet gewesen, und sobald er hörte, die Gräfin sei gekommen, ihn zu sprechen, wandte er sich unwillig ab und mochte sie nicht einmal sehen. Eine Frau, die sich in Männergeschäfte mischte, war ihm vollends ein Greuel. Eben so fruchtlos waren andere Gesandtschaften. Karl wollte diesen seinen Feind, den er mehr haßte als die anderen, durchaus verderben, erreichte ihn auch bald, nahm ihm fast ganz Polen weg und zwang die Einwohner, so sehr sie auch widerstrebten, einen andern König zu wählen. Dies war Stanislaus Lesczinski, ein Mann von schönem Wuchs und bescheidenen Sitten, erst 27 Jahre alt. August war nach Sachsen geflohen; dies Land gehörte ihm auch. Aber auch selbst da suchte ihn Karl auf. Sein Marsch ging durch Schlesien. Bei Steinau ritt er, ohne die Vollendung der Brücke zu erwarten, durch die Oder, so stark sie auch fluthete, und wurde am andern Ufer von einer Menge gemeiner Leute umringt, die ihn flehentlich baten, sich doch ihrer gegen ihre katholischen Mitbürger anzunehmen. Die evangelischen Schlesier wurden damals, trotz der Versicherungen des Kaisers bei dem westphälischen Frieden, auf alle Weise von den Katholiken bedrückt. Ein alter, grauköpfiger Schuhmacher drängte sich vor Allem heran, faßte dem Pferde in die Zügel und sagte: »Gnädigster Herr! Gott sei und bleibe bei Ihnen. Aber lassen Sie sich doch durch unsere Thränen erweichen und denken Sie nicht allein an sich selbst, sondern auch an uns arme Leute und an unsern unterdrückten Glauben im Lande.« Der König sagte wohl zehn Mal: »Ja, ja.« Aber der Schuster ließ ihn nicht eher los, bis er ihm die Hand darauf gab. Karl hielt auch sein Wort. Er brachte es beim Kaiser dahin, daß dieser der Obrigkeit Befehl gab, es sollten den Protestanten in Schlesien alle seit dem westphälischen Frieden abgenommenen Kirchen zurückgegeben, ihnen keine Kinder mehr geraubt werden, um sie katholisch zu erziehen, und den Gemeinden in Schweidnitz, Jauer und Glogau erlaubt sein, bei den Gnadenkirchen mehrere Geistliche anzustellen; alles Dinge, die, wie man glauben sollte, sich von selbst verstanden und doch den armen Protestanten verweigert worden waren.
2.
Karl brach nun 1706 in Sachsen ein und ließ bekannt machen, daß Jeder ruhig in seiner Heimath bleiben könne; Niemand sollte etwas geschehen. So rückte er bis Altranstädt vor, einem Orte nicht weit von Lützen. Gleich den folgenden Tag ritt er nach dieser Stadt, um das Schlachtfeld zu besehen, wo sein großer Ahnherr vor 74 Jahren so ruhmvoll gefallen war. Mit Rührung betrachtete er die Stelle, wo ihn der Tod ereilt hatte, und sprach: »Wir haben allezeit gesucht, so wie König Gustav Adolf zu leben; vielleicht thut uns Gott die Gnade und läßt uns auch auf die Art, wie er, sterben.« Dann wurde den schwedischen Soldaten vorgeschrieben, wie sie sich gegen die Einwohner zu verhalten hätten. Was sie verlangten, sollten sie baar bezahlen und sich aller Mißhandlungen, bei Todesstrafe, gänzlich enthalten. Auf diese Befehle wurde auch streng gehalten. In einem Dorfe nahmen zwei Soldaten vom Leibregimente einem Bauer eine Schale mit dicker Milch und schlugen den Jungen, der sie daran hindern wollte. Karl ritt gerade vorbei und hörte den Lärm, erkundigte sich nach der Ursache und ließ Beide loosen, wer von ihnen sterben sollte. Das Urtheil wurde auf der Stelle vollzogen. – Einige Tage darauf hatte ein Dragoner wider Willen seines Wirthes ein Huhn geschlachtet. Auf die Klage des Bauern wurde der Schuldige augenblicklich gehenkt. Solche strenge Gerechtigkeit hielt die Soldaten in Ordnung und die Sachsen, denen die Großeltern die entsetzlichen Greuelthaten der Wallensteiner erzählt und die jetzt Aehnliches gefürchtet hatten, konnten sich gar nicht darein finden, den Feind im Lande zu haben und doch ruhiger als im Frieden zu leben. – August übrigens verlor nun ganz den Muth und eilte, mit Karl'n Frieden abzuschließen, und da dieser darauf bestand, daß August der polnischen Krone entsagen müßte, so that er es mit schwerem Herzen. Dann stattete August dem Könige von Schweden einen Besuch ab und Beide sprachen mit einander als die besten Freunde. Auch erhielt Karl hier einen Besuch vom Herzoge von Marlborough. Wie mochten Beide sich freuen, einander kennen zu lernen! Von Beider Ruhm war Europa voll. Hier sahen sie sich zum ersten und letzten Male.
Erst nach einem Jahre ging Karl aus Sachsen zurück. Als er wieder durch Schlesien kam, drängten sich die evangelischen Schlesier von allen Seiten herzu, ihn zu sehen. Das Landvolk fiel auf die Kniee nieder und dankte ihm mit Thränen für die Religionsfreiheit, die er ihm verschafft hatte, und die Betstunden, die er täglich 2-3 Mal halten ließ, wirkten so auf die Gemüther, selbst der Kinder, daß man noch geraume Zeit nachher bis nach Oberschlesien hinein Kinder von 5-14 Jahren Morgens und Abends sich auf dem Felde versammeln sah, um gemeinsam Lieder anzustimmen.
3.
Einen Feind hatte nun Karl noch, den Czaren Peter. Gegen ihn machte er sich auf und beschloß, ihm in Moskau einen Besuch zu machen. Peter hatte indessen, während Karl in Polen und Sachsen herumgezogen war, von den Ländern am finnischen Meerbusen Besitz genommen. Es war längst sein sehnlicher Wunsch gewesen, einen Punkt an diesem Meere zu haben, um auf der Ostsee seine Flotten schwimmen zu sehen. Kaum war daher die schwedische Armee bei ihm vorbeigefluthet, so machte er sich gleich darüber her, oben in Ingermanland eine neue Stadt zu bauen. St. Petersburg wurde sie genannt und sollte die Hauptstadt seines Reiches werden. Wenn Peter einmal Etwas unternahm, dann wurde es auch mit allem Eifer betrieben und so wurden auch jetzt viele Tausend Bauern, von denen manche 2-3000 Meilen weit her waren, zusammengetrieben und mußten graben und schanzen. Aber zum Unglück war weder für hinlängliche Lebensmittel, noch für Handwerkszeug gesorgt. Da fehlte es an Schaufeln, Hacken und Brettern, und Schubkarren kannten die Russen noch gar nicht einmal. Zwanzigtausend mußten täglich arbeiten und die Erde in den Schößen ihrer Röcke herzutragen. Welche Arbeit! Viele Tausend Menschen gingen dabei zu Grunde. Dennoch machte der Bau reißende Fortschritte. Nachdem binnen vier Monaten die Wälle und Gräben vollendet waren, ging es an den Häuserbau. Freilich waren es nur hölzerne Hütten; aber wer sollte darin wohnen? – Da ließ sich der Fürst Menschikow hier nieder und seine vielen Hofbedienten nahmen allein viele Häuser ein. Auch blieben manche der Arbeiter, die sehr weit nach Hause hatten, lieber gleich hier und baueten sich an. Zufällig kam ein holländisches Schiff mit reicher Ladung an; Peter war darüber so erfreut, daß er ihm entgegenfuhr und es selbst in den Hafen lootste. Dann gab er dem Schiffer ein Gastmahl. Wie wunderte sich der Mann, als er hörte, der mit am Tische saß und den er bisher für einen Lootsen gehalten hatte, sei der Czar! Wie geschwind flog seine Mütze vom Kopfe herunter; Peter kaufte ihm einen großen Theil seiner Ladung ab; bald war das Schiff leer und der Schiffer wurde obendrein reich beschenkt entlassen. Vergnügt kam er nach Holland zurück und bald mehrten sich die Schiffe im Hafen von Petersburg, die alle so freundlich ausgenommen wurden. Das lockte wieder viele Kaufleute hin und so wurde die Stadt immer größer. Freilich mußten sich auch viele russische Große da niederlassen, weil der Czar es so haben wollte. Das geschah 1703.
Ein recht schöner Zug muß hier noch von Peter erzählt werden, ein Gegenstück zu Tilly's Betragen in Magdeburg. Die Stadt Narva in Esthland, dieselbe, wo Karl die schöne Schlacht gewonnen hatte, wurde vom Czar belagert. Sie war schwach; aber der schwedische Kommandant wollte sie durchaus nicht übergeben. Da ließ Peter zur Mittagszeit, als die Schweden tafelten, stürmen und gewann die Festung. Vorher aber hatte er streng verboten, die Einwohner auszuplündern und zu mißhandeln. Daher ritt er selbst in den Straßen umher und sah auf Ordnung. Aber die Russen waren rohe Menschen und es fielen doch viele Gewaltthätigkeiten vor. Er strafte streng und stieß Viele mit eigener Hand nieder, die er über dem Plündern ertappte. Dann ließ er den schwedischen Kommandanten vor sich führen. »Du bist,« sprach er zornig und gab ihm einen Backenstreich, »du bist allein Schuld an dem vergossenen Blute. Hülflos, wie du warst, hättest du dich längst ergeben sollen. Sieh' diesen Degen hier. Er ist nicht von Schwedenblute – von Russenblute ist er roth. Deine unbesonnene Hartnäckigkeit gab die armen Einwohner dem Verderben preis. Ich habe den Ausschweifungen meiner Soldaten gewehrt und die Einwohner gerettet, soweit ich's vermochte.« Und Peter war nur ein roher Russe; aber er hatte Religion im Herzen.
Nun wieder zu Karl. Mitten im Winter zog er unter den unsäglichsten Beschwerden durch Polen und Litthauen, Länder, durch die man selbst im Sommer ungern reist. Dazu kam, daß die Russen nicht Stand hielten, sondern beim Rückzuge ihre eigenen Dörfer verbrannten und das ganze Land vollends zur Wüste machten. Dennoch ging Karl immer vorwärts und Jedermann glaubte, er würde nach Moskau vordringen. Plötzlich aber wandte er sich südlich und senkte sich in die weiten Steppen der Ukraine hinab. Hiermit ging Karl's Unglücksstern auf. Die Ursache dieses Entschlusses war, daß der alte 70jährige Kosaken-Hetmann Mazeppa ihm vorspiegelte, in der Ukraine, wo damals die Kosaken wohnten, wären Lebensmittel, woran es jetzt den Schweden so sehr fehlte, im Ueberfluß und seine Kosaken bereit, mit den Schweden gemeinschaftliche Sache zu machen. Das war aber Alles nicht wahr. Mazeppa war ein ehrgeiziger Mann und hoffte sich durch die Hülfe der Schweden zum unabhängigen Herrn zu machen. Karl, den alles Ungewöhnliche schnell einnahm, folgte seinem Rathe und führte dadurch namenloses Elend für sich und sein Heer herbei.
In der Ukraine fand Karl Alles anders, als er es sich gedacht hatte. Ueberall war drückender Mangel an Lebensmitteln. Die Kosaken weigerten sich zu den Schweden überzugehen und blieben den Russen treu; nur wenige folgten dem treulosen Mazeppa. Karl hatte einen seiner besten Generale, Löwenhaupt, befehligt, ihm einen großen Vorrath von Lebensmitteln und Pulver aus Kurland zuzuführen; endlich kam er auch bei ihm an, aber – die Vorräthe hatte ihm der Czar und Menschikow unterwegs abgenommen und ihm in einer blutigen Schlacht Tausende von Soldaten verwundet und getödtet und die paar Tausend vermehrten nur die Zahl der Hungernden. Nun fiel gar noch der Winter ein und zwar in solcher Strenge, wie man erlebt zu haben sich nicht erinnerte. Tausende erkrankten und starben. Was sollten die armen Schweden, entblößt von aller Bequemlichkeit, nun anfangen? Die Generale riethen, schnell umzukehren und sich durchzuschlagen. Aber dazu war der eigensinnige Karl nicht zu bewegen; das sähe ja einer Flucht ähnlich, meinte er; er könne nur vorwärts gehen. So kam man zur Stadt Poltawa und belagerte sie. Schon war die russische Besatzung auf's Aeußerste gebracht, da rückte Peter schnell heran, um durch eine Schlacht die Entscheidung herbeizuführen. Alles deutete darauf hin, daß die Schweden verlieren würden. Die Russen zählten an 120,000 Mann, die Schweden kaum 20,000. Dazu kam, daß Karl einige Tage vor der Schlacht einen Schuß in den Fuß erhielt, der ihm einige Zehen zerschmetterte, und er also nicht reiten, daher auch nicht befehligen konnte.
Am 8. Juli 1709 begann die verhängnißvolle Schlacht. Karl war selbst zugegen. Er saß auf einer Sänfte, die von zwei Pferden getragen wurde, und sein Adlerblick schweifte auf dem ganzen Schlachtfelde umher. So ging er in den dicksten Kugelregen! Plötzlich stürzte das eine Pferd, von einer Kugel getroffen, zu Boden und die ihn begleitenden Gardisten mußten ihn nun weiter tragen. Aber auch dies dauerte nicht lange. Eine Stückkugel zerschmetterte die eine Stange seines Tragbettes und er mußte sich nun mit seinem dickumwundenen Fuße zu Pferde setzen. Auch Czar Peter schonte sich nicht; eine Kugel war ihm durch den Hut gegangen, eine andere hatte seinen Sattelknopf zerschmettert. Aber reiche Entschädigung erhielt er durch den herrlichen Sieg, den er erfocht. Ein schwedisches Regiment nach dem andern mußte sich ergeben und endlich begann eine allgemeine Flucht. Karl selbst warf sich mit Mazeppa in einen Wagen und eilte davon. Peter behandelte die gefangenen Generale mit großer Achtung. Sie mußten an seiner Tafel mit ihm speisen, und als ein russischer Offizier von Karl verächtlich sprach, warf er ihm einen ernsten Blick zu und sagte: »Bin ich nicht auch ein König und wer bürgt mir dafür, daß nicht Karl's Schicksal das meinige werde?«
Mit dem Ueberreste seines Heeres kam Karl am folgenden Tage an einen Fluß. Mit Mühe überredete ihn Löwenhaupt, sich schleunigst hinüber zu retten, und kaum war er auch mit nur 169 Mann, meist Offizieren, drüben, so erschienen die Russen und nahmen vor seinen Augen Löwenhaupt mit fast dem ganzen schwedischen Heere gefangen. Was nun thun? – zurück konnte und wollte Karl nicht. Da beschloß er denn nach der Türkei zu gehen. Ein sonderbarer Entschluß! Aber gerade das Sonderbare zog ihn an. Mit mancher Gefahr setzte er über den Dniepr und fand eine ungeheure Einöde, mit Gras und niedrigem Gesträuch bewachsen, weit und breit keine Spur von Menschen, nicht einmal ein Fußsteig zu sehen. In tiefer Stille setzten die Schweden ihren Weg fort. Jeder war mit der Vergangenheit und Zukunft beschäftigt. Es war nichts zu essen da. Die Kosaken jagten Rebhühner und wilde Schafe, die Schweden aßen bittere Mandeln und wilde Kirschen und tranken Wasser aus einem faulen Moraste dazu. Nach zwei Tagen erreichte man den Bug. Jenseits fing das türkische Reich an. Karl sandte einen General hinüber, dem nächsten Pascha in Oczakow seine Ankunft zu melden. Dieser aber wollte erst in Konstantinopel anfragen; bis dahin wären alle Schweden verhungert, oder von den nacheilenden Russen gefangen worden. Zum Glück brachten mehrere Kaufleute Lebensmittel in's Lager und viele Schweden drängten sich mit Gewalt über den Fluß. Die Uebrigen wurden richtig von den Russen gefangen. Indessen hatte der Pascha von Bender, Jussuf Pascha, der von des Königs Thaten ganz bezaubert war, seine Annäherung erfahren, schickte ihm gleich Boten entgegen und bereitete ihm einen glänzenden Empfang. Zum Glück für Karl war der damalige Sultan Achmed III. ein großmüthiger Mann, der sogleich Befehle ertheilte, für die Schweden bei der Stadt Bender ein Lager zu errichten, und sie unter seinen Schutz nahm.
Hier im Lager traf Karl'n die Nachricht, daß seine um ein Jahr ältere geliebte Schwester gestorben sei. Man hatte ihm, um ihn zu schonen, diesen Verlust lange verschwiegen, bis er ihn durch Zufall erfuhr. »Ach, meine Schwester!« rief er aus, »ach, meine Schwester!« Ein Augenzeuge sagt: »Wie sehr ihm diese Nachricht zu Herzen ging, ist kaum zu beschreiben. Jedermann hatte geglaubt, sein Heldenleben hätte alle seine Gefühle abgestumpft, da er weder Zorn noch Begierde, noch Freude, noch Sorge zu äußern pflegte und selbst für seine Wunde und über das Unglück bei Poltawa nicht die geringste Gemüthsverstimmung zeigte; aber dieser Verlust rührte sein Herz so sehr, daß Augen, Hände und Sprache die tiefste Traurigkeit verriethen und er lange in diesem Zustande blieb. An seine jüngere Schwester schrieb er bald darauf: »Meine einzige Hoffnung ist, daß meine Herzensschwester sich bei fester Gesundheit befinden möge. Unser Herr erhalte sie ferner und mache mich einst so glücklich, sie noch einmal zu sehen. Diese Hoffnung macht mir das Leben noch einigermaßen werth, seit ich die Betrübniß erduldet habe, die ich nicht zu überleben glaubte. Denn mit frohem Muthe würde ich Alles ertragen haben, wenn ich nur so glücklich gewesen wäre, von uns drei Geschwistern der Erste zu sein, der sein ihm abgestecktes Ziel erreicht hätte. Nun hoffe ich wenigstens nicht so unglücklich zu sein, der Letzte von uns zu werden.«
4.
Bis so weit war nun Karl gekommen; aber was sollte nun weiter geschehen? – Ohne Heer sich durch Polen oder Deutschland nach Schweden zurückzuschleichen, war für den stolzen Mann ein entsetzlicher Gedanke. »Wie?« dachte er, »wenn du den Sultan zu einem Kriege gegen Rußland bewegen könntest?« – Und nun bot er Alles dazu auf. Anfangs hatte Achmed keine Ohren dafür; aber Karl brachte es dahin, daß zwei Veziere, die vom Kriege abriethen, abgesetzt wurden und selbst die Mutter des Sultans wurde bestochen. »Wann willst du,« fragte sie ihren Sohn, »endlich meinem Löwen beistehen, daß er den Czar verschlinge?« – Achmed ernannte einen neuen Großvezier, Balkadschi Mehemet, und befahl ihm: »Führe das Heer gegen die Russen!« »Gut,« sagte Mehemet, »mein Schwert in der einen und den König an der andern Hand will ich ihn an der Spitze von 200,000 Mann nach Moskau führen!« – Im Geiste sah sich Karl schon in Moskau und beinahe wäre es auch so weit gekommen.
Czar Peter hatte indessen in Moskau einen herrlichen Triumph gehalten. Durch sieben Triumphpforten zog er ein. Hinter ihm her wurden nicht nur die gemeinen schwedischen Gefangenen, sondern selbst die berühmten Generale Karl's geführt. Auch sah man unter der Beute den zerschossenen Tragsessel Karl's, das redendste Bild der gebrechlichen Heldengröße und der zertrümmerten Schwedenmacht. Nun brach er selbst mit dem Heere auf, und nahm seine Frau, Katharina I. oder Kathinka, mit sich. Von dieser berühmten Frau hier nur Einiges. Daß ihr Vater ein litthauischer Bauer, sie also eine Leibeigene gewesen sei, ist historisch nicht festgestellt. Als arme verlassene Waise nahm sie der Propst Gluck von Marienburg zu sich in's Haus, obwohl er selber mit Kindern reich gesegnet war. Die Pflegetochter erwarb durch den Fleiß und die Anstelligkeit, womit sie sich der Hausgeschäfte annahm, bald die Zuneigung ihrer Pflegeeltern. Das schöne 18jährige Mädchen ward geliebt von einem jungen schwedischen Dragoner, der um ihre Hand warb und sie erhielt. Aber gleich nach der Hochzeit ward der junge Mann zum Heere berufen, und blieb im Kampfe gegen die Russen. Als nun die Russen Marienburg eroberten, ward die junge Frau sammt den übrigen Bewohnern als Sklavin fortgeführt; sie fiel dem General Scheremetjew zu, der sie an Menschikow abtreten mußte. Als einst Czar Peter bei diesem speiste und Kathinka mit Tischgeräth durch das Zimmer ging, fiel ihre Schönheit ihm so auf, daß er sie gleich zu sich nahm. Er ließ ihr anständige Kleidung machen, gab ihr Dienerschaft und sorgte für ihre Ausbildung. Weniger durch ihre Schönheit als durch ihr sehr einnehmendes, sanftes Betragen wußte sie sich sein ganzes Vertrauen zu verschaffen, bis er sie endlich gar zu seiner Gemahlin erhob. Sie begleitete ihn auch jetzt in den Krieg. – Die Russen fielen in die Moldau ein und zogen längs dem Pruth hinab. Plötzlich sahen sie sich von ungeheuren Schwärmen Türken und Tataren eingeschlossen. Sie konnten weder vor- noch rückwärts und alle Lebensmittel waren ausgegangen. Der Großvezier vernichtete in einer dreitägigen Schlacht 40,000 Russen. Peter sah den Augenblick sich nähern, wo er mit allen den Seinigen verhungern oder den Feinden sich ergeben müßte. Er schrieb an den russischen Senat einen Brief, worin er seine Lage schilderte und gestand, daß er ohne besondere göttliche Hülfe nichts erwarten könne, als Tod oder Gefangenschaft. Peter schloß sich mißmuthig in sein Zelt ein; kaum Kathinka wagte vor ihm zu erscheinen, so übellaunig war er. Da half ihm – seine Kathinka. Sie wußte, wie leicht die türkischen Großen sich bestechen lassen und schickte einen Friedensboten an den Großvezier mit ihrem Juwelenkästchen und einer guten Summe Geldes ab. Das wirkte. Die Augen Mehemet's wurden von den glänzenden Steinen so geblendet, daß er die hoffnungslose Lage der Russen nicht mehr sah und mit ihnen so schnell einen Frieden schloß, daß Karl ihn nicht mehr zu hindern im Stande war. Auf die erste Nachricht davon warf sich Karl auf sein Pferd, jagte 15 Meilen weit in einem Ritt bis in's türkische Lager und bot Himmel und Hölle auf, den Vezier zu bewegen, daß er den Frieden bräche. »Vertraue mir«, sprach er, »20,000 deiner Freischaaren, und ich liefere dir den Czar in deine Hände.« – Aber Mehemet blieb dabei: »Der Friede ist geschlossen und muß bestehen.« – Wüthend vor Zorn verließ Karl ohne Abschied das Zelt des Veziers und verklagte ihn beim Sultan. Dieser setzte ihn ab und verwies ihn; im folgenden Jahre schon starb er. Der Friede mit Rußland wurde nicht umgestoßen.
Keiner hatte sich mehr über Karl's Niederlage bei Poltawa gefreut als August II. Auf die erste Nachricht davon erklärte er den mit Karl in Altranstädt geschlossenen Frieden für erzwungen, kehrte nach Polen zurück, verband sich wieder mit dem Czar und verjagte bald seinen Gegner Lesczinski vom polnischen Throne. Auch Friedrich IV. von Dänemark erklärte den Schweden wieder den Krieg. Alle drei fielen nun über die schwedischen Provinzen her, und wären die braven Schweden nicht so tapfer gewesen, so hätte Karl jetzt sein ganzes Land verloren. Karl saß indessen ruhig in seinem Lager bei Bender und entwarf Riesenpläne, von denen kein einziger ausgeführt wurde. Seine Lage wurde von Tag zu Tage schwieriger. Zu seinen drei Feinden gesellten sich noch drei: Preußen, England und Holland. Alle seine Mühe, den Sultan zu einem neuen Kriege gegen Rußland zu bewegen, war vergeblich. Dagegen widerstand Achmed allen Aufforderungen des Czars, ihn auszuliefern. Endlich bot Peter fünf Millionen für den König. Aber Achmed antwortete, Peter sei durch nichts in der Welt im Stande, ihn zu einem so großen Verbrechen gegen die Gastfreundschaft zu bewegen; ein türkischer Kaiser habe eine noblere Seele. Zuletzt aber ließ Achmed Karl'n merken, sein langer Aufenthalt sei ihm lästig, er möchte doch endlich an die Abreise denken. Aber Karl war so erbittert auf ihn, daß er alle ihm erwiesene Gastfreundschaft vergaß und gerade ihm zum Aerger bleiben wollte. Endlich drohte man mit Gewalt, und da Karl immer hartnäckiger wurde und sich mit seiner Hand voll Schweden – es waren 196 Mann – in Vertheidigung setzte, so befahl der Sultan dem ehrlichen Jussuf Pascha, sich Karl's todt oder lebendig zu bemächtigen. Mit Thränen in den Augen zog der Pascha die Janitscharen zusammen. Die Kanonen donnerten, seine Verschanzungen wurden erstiegen. Da beschloß Karl, sich in seinem hölzernen Hause bis auf's Aeußerste zu vertheidigen. Er hieb sich durch 40 Janitscharen, die ihn umringten, bis zur Hausthüre durch. Hier raffte er einige Soldaten, Offiziere und Knechte, 50 an der Zahl, zusammen, trieb die Janitscharen, die sein Haus schon plünderten, heraus und verrammelte sich. Er wehrte sich sieben Stunden lang. Eine Menge todter und verwundeter Türken lag schon umher. Da gelang es den Janitscharen endlich, das Dach in Brand zu setzen. Nun erst, als schon die brennenden Sparren auf den König herabfielen, entschloß er sich, das Haus zu verlassen. In der einen Hand ein Pistol, in der andern den Degen, brach er heraus, um sich nach einem benachbarten Hause zu flüchten, verwickelte sich aber mit den Sporen und fiel zu Boden. Schnell sprangen die Türken herzu und ergriffen ihn. Man brachte ihn nun nach einer andern türkischen Stadt, wo er kürzer gehalten wurde. Dennoch blieb er noch über 1½ Jahre. Endlich – endlich, nachdem er über fünf Jahre in der Türkei gewesen war, erklärte er, er wolle abreisen. Der Sultan benahm sich trotz Karl's trotzigem Eigensinn sehr edel. Er machte ihm noch zum Abschiede große Geschenke und ließ ihn mit allen seinen Leuten bis an die Grenze auf seine Kosten bringen. Karl that, als wenn das Alles so sein müßte. Der Zug ging durch Siebenbürgen und Ungarn. Karl'n aber selbst wurde in der langsamen Reise bald die Zeit lang; er beschloß, die Reise schneller und auf einem Umwege durch Deutschland zu machen, setzte sich mit dem Generaladjutant von Rosen und Oberstlieutenant Düring zu Pferde, ließ sich einen Paß geben, worin er sich für einen schwedischen Hauptmann, Karl Frisch, ausgab, machte sich durch eine große schwarze Perrücke, einen Hut mit goldenen Tressen und einen braunen Reiserock unkenntlich, und nun ging die Reise mit seiner gewöhnlichen Ungeduld vorwärts. Er reiste über Wien, Regensburg, Nürnberg, Würzburg, Hanau, Kassel, Braunschweig, Güstrow nach Stralsund. In 14 Tagen legte er 286 Meilen zurück und Düring blieb einmal von den starken Ritten unterwegs für todt liegen, Rosen aber hatte schon in den ersten Tagen zurückbleiben müssen. Endlich langte Karl in der Nacht um ein Uhr vor Stralsund an. Die Schildwache, ja selbst der wachthabende Offizier wollten ihn nicht einlassen, weil es Nacht sei; aber er versicherte, sie wären Boten, die sehr dringende Briefe brächten, worauf der Kommandant sie einzulassen befahl. Seine Füße waren von den starken Ritten so geschwollen, daß er die Stiefeln mußte herunterschneiden lassen. Welche Freude war es nicht für die Einwohner, als sie am Morgen hörten, ihr König sei wieder da, und als er in der Stadt herumritt, jauchzte ihm Alles entgegen.
Nach dieser Zeit lebte Karl noch vier Jahre und schlug sich während der ganzen Zeit mit seinen Feinden herum, so daß er seit seinem 15ten Jahre nicht zur Ruhe gekommen ist. Im Jahre 1718 unternahm er die Belagerung einer kleinen Festung auf der Grenze zwischen Norwegen und Schweden, Friedrichshall. Es war schon Ende November; die Soldaten litten sehr von der Kälte; daher trieb er die Belagerung mit vielem Eifer und sah täglich der Arbeit in den Laufgräben zu. Am 11. Dezember, dem ersten Adventssonntage, wohnte er noch nach seiner Gewohnheit des Vor- und Nachmittags dem Gottesdienste bei. Am Abend ging er in Begleitung des Ingenieurs Megret und des Adjutanten Sickert, welche beide Franzosen waren, nach den Laufgräben, stützte sich mit beiden Armen auf die Brustwehr und sah dem Feuern aus der Festung ruhig zu. Die beiden Offiziere, die nicht weit davon standen, wunderten sich endlich, daß der König so lange bliebe, und glaubten schon, er sei eingeschlafen. Endlich gingen sie hin und fanden ihn – todt. Eine Kugel war ihm mitten durch den Kopf gegangen. Man hat behauptet, jene beiden Franzosen hätten ihn ermordet, und es ist wahr, daß Sickert vier Jahre daraus im Wahnsinne sich den Mörder des Königs nannte. Aber man glaubt ja doch sonst den Aussagen eines Wahnsinnigen nicht und der Verdacht ist keineswegs erwiesen. Daß seine Soldaten ihn aufrichtig betrauerten und mit zahllosen Thränen zu Grabe trugen, braucht nicht erst gesagt zu werden. Seine Unterthanen dagegen gewannen durch seinen Tod; denn bald darauf wurde Friede geschlossen, worin freilich die Schweden manche schöne Provinz abtreten mußten.
Karl hatte großen Verstand, einen Muth, der an Verwegenheit grenzte, und einen so festen, eisernen Willen, daß vor ihm alle Hindernisse schwanden. Seine Haupttugenden waren Wohlwollen und Redlichkeit. Aber weil er gegen sich selbst streng war, so ließ er auch von seinen Forderungen an Andere nichts nach. Fand er Hindernisse und Schwierigkeiten, so verdoppelten sie nur seine Kräfte. Um überwunden zu werden, ließ er sich eher brechen als beugen. Dieser Eigensinn war sein und seines Reiches Unglück. Er hatte ihn schon in seiner Jugend gezeigt und fiel ihm da ein, zu behaupten, daß der Hofmaler eine Meerkatze sei, so war nichts im Stande, ihn davon abzubringen. Sonst war er ein sehr achtungswerther Mensch, voll Gottesfurcht, frommer Ergebung, frohen und unerschütterlichen Muthes, strenger Gerechtigkeit und durchaus unbefleckten Wandels vor Gott und den Menschen. – Auch hatte er ein angenehmes Aeußere. Er war groß und schlank gewachsen, von gerader Haltung, bräunlicher Gesichtsfarbe und seine blauen Augen strahlten von großer Lebendigkeit. Sein Anzug unterschied ihn leicht von Andern. Sein Rock war von blauem Tuche mit übergoldeten Messingknöpfen, seine Unterkleider strohgelb, seine Haare kurz abgeschnitten und in die Höhe gekämmt; die Stulpen seiner Handschuhe reichten bis an die Ellenbogen. Seine Stiefeln gingen weit über die Kniee hinauf und waren unten mit eisernen Sporen versehen. Um den Leib geschnallt trug er ein einfaches Degengehäng; der Degen selbst war sehr lang mit vergoldetem Messinggriff. Seinen kleinen dreieckigen Hut trug er, sobald er vom Pferde gestiegen war, in der Hand. Er sprach wenig, aber mit Verstand und großer Bestimmtheit; auf sein Wort konnte man sich jederzeit verlassen.
Peter's des Großen letzte Regierungsjahre.
1.
So lange der große Czar lebte, hörte er nicht auf, neue Einrichtungen zu machen, Mißbräuche abzuschaffen und an der Bildung seines Volkes kräftig zu arbeiten. Um neue Ideen zu sammeln, reiste er für sein Leben gern in andere Länder. Einmal zog er auch nach Pyrmont in's Bad. Der Graf von Waldeck bewirthete ihn auf seinem Schlosse ganz prächtig und fragte ihn zuletzt, wie ihm sein Schloß gefalle. »Recht gut!« antwortete Peter, »es hat nur einen großen Fehler: die Küche ist zu groß angelegt.« – Im Jahre 1716 machte er eine größere Reise, auf der er auch sein geliebtes Holland wieder besuchte. Hier wurde er mit einer feierlichen Rede empfangen. Der Redner hatte in den pomphaftesten Ausdrücken gesprochen. »Ich danke Ihnen,« antwortete Peter, »aber ich habe Sie nicht verstanden. Mein Holländisch lernte ich beim Schiffsbau in Saardam; doch diese Sprache lernte ich nicht.« –
Auch nun strich er fleißig auf den Schiffswerften umher und besuchte alle Sehenswürdigkeiten. Stunden lang sah er den Malern in ihrer Werkstätte zu. Dann reiste er nach Paris. Ludwig XIV. war kurz vorher gestorben. Sein Urenkel, Ludwig XV., ein siebenjähriges Kind, war jetzt König. Als dieser königliche Knabe Petern besuchte, nahm ihn dieser ohne Weiteres auf die Arme, küßte ihn und sprach: »Ich wünsche, Sire, daß Sie wohl aufwachsen und einst löblich regieren mögen! Vielleicht können wir mit der Zeit einander nützlich werden.«
In Paris fand Peter's Wißbegierde noch mehr Nahrung als in Holland. Aus einer Anstalt eilte er zur andern, besuchte die Gelehrten, Künstler und Fabriken und machte bei den Künstlern große Bestellungen. Als er in die Kirche kam, wo der kluge Richelieu begraben lag, umarmte er dessen Bildsäule und rief: »Großer Mann! Dir würde ich die Hälfte meiner Staaten gegeben haben, um die andere Hälfte von dir regieren zu lernen.« Seine Spazierfahrten führten ihn auch nach St. Cyr, wo Frau von Maintenon in Ruhe lebte. Sie war unpäßlich und verbat sich anfangs den Besuch. Aber Peter bestand darauf. »Ich muß,« sagte er, »der Frau meine Hochachtung beweisen, die es so gut mit dem Könige und mit dem Reiche meinte und, wenn sie gegen die Hugenotten sich ungerecht bewies, nur aus Einfalt und Aberglauben fehlte.« Er trat in ihr Zimmer, zog leise die Vorhänge ihres Bettes auf, setzte sich zu ihren Füßen auf's Bett, und fragte nach ihrem Befinden. »Mein Alter ist meine Krankheit,« antwortete sie mit schwacher Stimme. Peter sagte ihr, das Bewußtsein, die Wohlthäterin Frankreichs gewesen zu sein und der tägliche Anblick der Schaar von Mädchen, die ihr noch jetzt ihr Glück verdankten, müsse ihr jene Krankheit gewiß erleichtern. Höchst vergnügt kehrte Peter über Holland und Norddeutschland nach Rußland zurück.
2.
Hier aber wartete seiner ein trauriges Geschäft, die Bestrafung seines einzigen Sohnes, Alexei. Dieser war der Sohn der ersten, verstoßenen Frau Peter's und schon deswegen dem Vater verhaßt. Noch mehr wurde er es dadurch, daß er bei jeder Gelegenheit zeigte, wie zuwider ihm die Verbesserungen seines Vaters wären. Die Geistlichen, unter denen er aufgewachsen war, hatten ihn früh schon gegen die Neuerungen Peter's eingenommen und dieser sah nun mit Kummer voraus, daß einmal nach seinem Tode Rußland in die alte Barbarei zurückfallen würde. Vergebens hatte er dem Sohne ausländische Lehrer gegeben, vergebens ihn an die liebenswürdige Prinzessin von Braunschweig vermählt, vergebens ihn ein Jahr lang am Hofe seiner Schwiegereltern leben lassen. Eben weil ihm seine Frau aufgedrungen war, haßte Alexei sie, selbst nachdem sie ihm zwei liebe Kinder geboren hatte. Peter machte ihm über das schlechte Betragen gegen seine Frau bittere Vorwürfe; Alexei hörte sie mit verbissenem Grimme an, aber nur, um sie noch verächtlicher zu behandeln. Ob sie gleich in einem Hause wohnten, sahen sie sich doch kaum einmal in der Woche und führte eine Gesellschaft sie zusammen, so ging er ihr mit Fleiß aus dem Wege. Die unglückliche Prinzessin fühlte sich nun ganz verlassen; Stunden lang saß sie weinend da und härmte sich so ab, daß sie endlich in eine tödtliche Krankheit fiel. Auf ihr Verlangen besuchte sie Peter. Sie dankte ihm für alle Güte, welche er und die Czarin ihr erwiesen hätte, segnete unter tausend Thränen ihre kleinen Kinder ein, die sie ihrem fühllosen Manne in die Arme gab, tröstete ihre weinenden Kammerfrauen und starb. Peter war tief erschüttert. Das Unglück, ein ungerathenes Kind zu haben, ergriff ihn mit seiner ganzen Gewalt. »Wenn ich meine Blicke in die Zukunft werfe,« sprach er zu ihm, »dann verdrängt der Kummer, der mir am Herzen nagt, die Freude über die bisherigen Erfolge. Und diesen Kummer erregst du, mein Sohn! Ich bin ein Mensch, bin sterblich. – Wem soll ich die Erhaltung des Gewonnenen, wem die Vollführung dessen, was ich begann, vertrauen? Soll ich's einem Menschen hinterlassen, der sein Pfund unter die Erde vergräbt? Wie oft habe ich dir dies vorgehalten? wie oft dich gestraft? Auch geschwiegen habe ich seit mehreren Jahren. Aber gefruchtet hat so wenig das Reden als das Schweigen; ich habe die Zeit verloren! Statt thätig zu sein, ergiebst du dich dem Müssiggange und ruhst auf Polstern!« Dann drohte er ihm, ihn von der Thronfolge auszuschließen. »Lieber überlasse ich mein Reich einem würdigen Fremden, als meinem eigenen unwürdigen Sohne.« Das Alles geschah vor der Reise des Czars nach Amsterdam und Paris. Noch beim Abschiede hatte Alexei, um Peter's Mißtrauen einzuschläfern, ihm erklärt, er wolle der Thronfolge entsagen und in ein Kloster gehen. Peter war damit zufrieden. Aber unterwegs erhielt er Briefe, er solle sich vor Alexei hüten; dieser gehe mit verdächtigen Leuten um, er solle ihn ja unter die Augen nehmen. Gleich schrieb Peter an Alexei: »Entweder komm in acht Tagen zu mir, oder schreibe mir, in welches Kloster und an welchem Tage du eintreten willst.« Alexei reiste darauf ab, flüchtete aber nach Wien. Kaiser Karl VI. nahm ihn in Schutz und verbarg ihn erst in Tyrol, hernach in Neapel. Doch der russische Gesandte kundschaftete ihn aus und Peter verlangte seine Auslieferung. Zugleich schrieb Peter selbst an seinen Sohn: »Welchen Kummer bringst du über deinen Vater! Thue, was meine Gesandten von dir verlangen, und fürchte dich nicht. Ich verspreche hiermit bei Gott und dem jüngsten Gerichte, daß ich dich nicht bestrafen will, wenn du dich meinem Willen durch Gehorsam und Zurückkehr unterwirfst. Thust du es aber nicht, so gebe ich als Vater dir meinen ewigen Fluch und werde dich schon zu finden wissen.« – Alexei ließ sich bereden, nach Rußland zurückzukehren. Hier entsagte er feierlich der Krone (es war indessen Petern ein anderer Sohn geboren) und erhielt Verzeihung, unter der Bedingung, daß er die Theilnehmer anzeige und nichts verschweige. Das Erste that er, und eine Menge Menschen wurden dadurch unglücklich gemacht und hingerichtet. Seine eigene Mutter kam dabei in Untersuchung und wurde nun enger eingesperrt. Aber er verschwieg Vieles, was erst nach und nach herauskam, und zugleich ergab sich, daß er die Absicht gehabt hatte, sich gegen seinen Vater zu empören und ihm den Thron zu rauben. Das machte ihn der versprochenen Gnade unwürdig und Peter setzte ein geistliches und weltliches Gericht über ihn nieder, welches ganz unparteiisch über den Schuldigen erkennen sollte. Recht schön lautete der Urtheilsspruch der Geistlichen: »Will unser Herr den Gefallenen strafen nach seinen Thaten, so hat er die Beispiele des Alten Testamentes für sich. Will er aber Barmherzigkeit üben, so hat er für sich das Beispiel Jesu Christi, welcher den verlorenen Sohn aufnimmt und mehr Gefallen hat an Barmherzigkeit als an Opfer.« – Die weltlichen Richter sprachen ihm das Leben ab. Peter kämpfte nun einen schweren Kampf zwischen Regentenpflicht und Vatergefühl, wie einst Brutus. Die Besorgniß, daß einst nach seinem Tode durch Alexei Unruhen entstehen könnten, gab den Ausschlag. Als dem ungerathenen Sohne das Todesurtheil angekündigt wurde, erschrak er so, daß er augenblicklich erkrankte und von Stunde zu Stunde schwächer wurde. Dringend verlangte er, seinen Vater zu sprechen. Katharina redete Petern zu, ihm die Bitte zu bewilligen. Er fand ihn sehr krank. Mit thränenden Augen und gefalteten Händen bekannte Alexei wiederholt: »Ich habe mich schwer an Gott und meinem Vater versündigt. Ich bin unwerth des Lebens und hoffe nicht, von der Krankheit zu genesen. Nur flehe ich Euch an, vor meinem Ende den Fluch, den Ihr auf mich gelegt, von mir zu nehmen, mir meine Verbrechen zu verzeihen, mir den Vatersegen zu ertheilen und für meine Seele beten zu lassen.« Alle Anwesenden waren tief gerührt, der Czar aber mächtig erschüttert. Als er sich etwas gefaßt hatte, gab er ihm seinen Segen, verzieh alles Vergangene und schied von ihm in tiefer Bewegung. – Gegen Abend nahmen die Beängstigungen des Kranken zu; er begehrte dringend, noch einmal den Vater zu sprechen. Schwer entschloß sich Peter dazu; aber schon auf dem Wege erhielt er die Nachricht, daß Alexei gestorben sei. Dieser plötzliche Todesfall regte, wie gewöhnlich, den Argwohn der Leute auf und nun hieß es, Peter habe ihn heimlich tödten lassen; Einer meinte durch Aderlaß, ein Anderer durch Gift, ein Dritter behauptete gar, es sei ihm der Kopf abgeschlagen worden. Das geschah 1718.
Auf dieses traurige Ereigniß folgte ein fröhlicheres, der Friede mit Schweden, nachdem Karl XII. vor Friedrichshall erschossen war. Die ersten russischen Staatsbehörden beschlossen bei dieser Gelegenheit, die großen Verdienste ihres Czars dadurch anzuerkennen, daß sie ihn baten, den Titel eines Vaters des Vaterlandes, eines Kaisers aller Reußen und des Großen anzunehmen. Nach einigen Umständen willigte er ein und zu seinem Ruhme muß man sagen, daß er dieser Titel würdig war. – Seit der Zeit nahmen seine Kräfte sichtlich ab. Seine ungeheure Thätigkeit, die vielen drückenden Sorgen und Kümmernisse und zum Theil auch seine heftigen Leidenschaften untergruben vor der Zeit seine Leibeskräfte. Er ging in den letzten Jahren wenig mehr aus, las viel und nur die Drechselbank verschaffte ihm dann und wann Erholung. Zu dieser Kränklichkeit kam noch eine heftige Erkältung. Er sah eines Abends ein Boot in Gefahr unterzugehen. Ohne an sich zu denken, steuerte er schnell an den gefährlichen Ort, sprang selbst bis an die Brust in's Wasser und half das Boot wieder flott machen. Bald daraus fiel er in seine letzte Krankheit, wobei er große Schmerzen litt. Als ihn die Geistlichen dabei auf Jesus, als das große Trostmittel aller Leidenden, hinwiesen, sprach er mit erheitertem Gesichte: »Ja, dies ist das Einzige, was meinen Durst stillt; das Einzige, was mich erquickt!« Die treue Katharina verließ ihn keinen Augenblick. In Schmerz versunken, hingen ihre Blicke nur an dem Sterbenden, der schon schwach und besinnungslos dalag. Da meldete man ihr, daß im Vorzimmer die vornehmsten Beamten sie wegen der Thronfolge zu sprechen verlangten. »Ich bin jetzt keiner Ueberlegung fähig,« antwortete sie. Endlich ging sie. »Ich nehme die Krone an,« sprach sie, »aber nur um sie dem Großfürsten Peter II., des Alexei Sohn, zu bewahren, bis zu dem Augenblick, da es dem Himmel gefällt, mich mit ihm zu vereinigen, der bald, ach! nicht mehr sein wird.« Bald darauf verschied Peter in Katharina's Armen. Sie warf sich auf die Kniee Und betete: »Herr! Oeffne dein Paradies und nimm diese schöne Seele zu dir!« – Er starb den 25. Januar 1725.