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IV. Fürsten.

 

Johann Friedrich und Moritz von Sachsen.

 

1.

Immer größer war schon in den letzten Lebensjahren Luther's die Spannung zwischen den Evangelischen und Katholischen geworden. Vergebens hatten jene dringend und oft den Kaiser um gleiche Rechte mit den Katholiken und um ungekränkte Religionsübung gebeten. Nun hörten sie gar, der Kaiser rüste sich und habe mit dem Papst ein Bündniß geschlossen. Sie fragten daher bei ihm an, wohin die Rüstungen zielten, und erhielten die beruhigende Antwort, er werde sich gegen Alle, die ihm gehorsam wären, gnädig und väterlich erweisen, gegen die Ungehorsamen und Widerspenstigen aber sein kaiserliches Ansehen zu gebrauchen wissen. Am folgenden Tage erklärte er sich noch bestimmter, er habe beschlossen, einige ungehorsame Störer des Friedens, die bisher unter dem Scheine der Religion selbst die kaiserliche Hoheit anzutasten gewagt hätten, zum Gehorsam zurückzubringen. Die protestantischen Städte und Fürsten verstanden, daß er sie damit meinte, schlossen zu Schmalkalden ein Bündniß und rüsteten sich geschwind. Nur Schade, daß unter ihnen gar keine Einigkeit war. Johann Friedrich von Sachsen war ein guter ehrlicher Mann, aber von sehr beschränkten Verstandeskräften. Er hatte den sonderbaren Glauben, daß Gott sein Evangelium schon vertheidigen würde, vergaß aber, daß Gott den immer verläßt, der seine Hände aus Trägheit in den Schooß legt. Daher hatte er einen rechten Abscheu vor dem Kriege und wurde darin von Melanchthon, der die Friedensliebe selber war, noch mehr bestärkt. Ganz anders war dagegen Philipp von Hessen, ein thätiger, verständiger Mann, der wohl einsah, daß es ohne Krieg nicht abgehen würde, und daß es am vortheilhaftesten wäre, schnell anzugreifen, ehe sich der Kaiser völlig gerüstet hätte. Aber dazu war Johann Friedrich nicht zu bringen und darum konnte man schon jetzt vorher sagen, daß die schmalkaldischen Bundesgenossen unterliegen würden.

Einige evangelische Fürsten schlossen sich gar nicht an den Bund an; zu diesen gehörte der junge Herzog Moritz von Sachsen, ein Vetter des Kurfürsten Johann Friedrich. Von den beiden sächsischen Linien, der ernestinischen und albertinischen, hatte jene das Kurfürstenthum mit der Hauptstadt Wittenberg, diese das Herzogthum mit der Hauptstadt Dresden. Moritz war ein gewandter, talentvoller Fürst in der Blüthe der Jahre. Aus seinen feurigen Augen blitzte Klugheit und Heldenmuth und seine Seele strebte nach hohen Dingen. Mit seinem schwerfälligen Vetter mochte er nichts zu thun haben; von seinem Schwiegervater, Philipp von Hessen, hielt er sich aus Politik entfernt. Ihn gelüstete nach dem Besitze des benachbarten Kurfürstenthums und sein Ehrgeiz galt ihm mehr, als alle Familienbande. Das wußte der Kaiser und er suchte den jungen Fürsten, der überdies so tapfer als liebenswürdig war, ganz auf seine Seite zu ziehen. Bald war Moritz Karl's V. Liebling.

 

2.

Als der Krieg ausbrach, hatte der Kaiser nur 8000 Mann beisammen. Die Truppen der oberländischen Städte, geführt von dem kriegserfahrenen Sebastian Schärtlin von Burtenbach, erschienen zuerst auf dem Kampfplatze. Schärtlin's wohldurchdachter Plan war, den kleinen kaiserlichen Heerhaufen zu überrumpeln, ehe der Kaiser in Deutschland Truppen werben und Verstärkungen aus Italien an sich ziehen konnte. Deswegen rückte er schnell gegen das Städtchen Füssen, nahe der Tyroler Grenze, wo der Kaiser seinen Hauptwerbeplatz hatte. Die Kaiserlichen zogen sich nach Baiern zurück; als aber Schärtlin sie verfolgen wollte, erhielt er vom Augsburger Stadtrath, dessen Dienstmann er war, den Befehl, das neutrale Gebiet des Herzogs von Baiern nicht zu betreten. Ohne diesen unklugen Befehl würde der kluge Feldherr auf Regensburg losgegangen sein, wo sich der Kaiser mit seiner kleinen Macht befand. Um aber wenigstens den italienischen Truppen den Durchgang zu versperren, besetzte er schnell die Ehrenberger Klause, den wichtigsten Paß. Schon drang er nach Innsbruck, als ganz Tyrol zu den Waffen griff und auch die Bundeshäupter ihm den Befehl zuschickten, Tyrol sogleich zu räumen, weil der König Ferdinand (des Kaisers Bruder), der Herr des Landes, den Krieg noch nicht erklärt habe. So war der Kaiser durch die Uneinigkeit und Planlosigkeit seiner Gegner aus der drohenden Gefahr gerettet und hatte Zeit, sein Heer zu verstärken.

Alsbald brach auch das sächsische und hessische Heer nach Süddeutschland auf. Die beiden Bundeshäupter schickten dem Kaiser eine förmliche Kriegserklärung zu, in welcher es unter Anderem hieß, sie seien sich keiner Widersetzlichkeit gegen ihn bewußt; er aber habe die Absicht, ihren Glauben und die Freiheit des Reiches gewaltsam zu unterdrücken. Der Kaiser antwortete aber damit, daß er die Reichsacht über sie aussprach, sie Empörer, Meineidige und Verräther nannte, die ihm Krone und Szepter nehmen wollten, und daß er dem Herzog Moritz von Sachsen die Ausführung der Reichsacht auftrug.

Sogleich brach dieser in Gemeinschaft mit dem König Ferdinand in das Land seines Vetters ein und eroberte es im Nu. Als Johann Friedrich diese Schreckenspost empfing, war er nicht mehr zu halten, sondern brach mit seinem Heere auf, um das Kurfürstenthum zu retten. Der Rest der Bundestruppen, nun zu schwach, dem Kaiser widerstehen zu können, bat demüthigst um Frieden und ging auseinander. Wie im Triumphe zog Karl durch Oberdeutschland; seine Gegenwart schreckte Alles zu dem alten Gehorsam zurück. Die früher so übermüthigen Städte öffneten ihm demüthig ihre Thore und kauften seine Gnade um vieles Geld.

 

3.

Moritz war unterdeß selbst in's Gedränge gekommen und hatte, statt fremdes Land zu erobern, beinahe das seinige verloren. Jetzt aber rückte das siegreiche kaiserliche Heer in Eilmärschen zur Hülfe herbei, und stand schon am 22. April (1547) an der Elbe, nicht weit von Meißen, wo sich eben der Kurfürst befand. Dieser glaubte den Feind noch weit entfernt, und wurde nun sehr überrascht. Eiligst zog er sich mit seinem kleinen Heerhaufen auf das rechte Elbufer und ließ die Brücke hinter sich abbrechen. Nun trennte ihn der breite Strom von seinem mächtigen Gegner und ruhig zog er sich hinunter bis Mühlberg. Karl folgte ihm auf dem linken Ufer. Am Abende vor der Schlacht ritt der Kaiser mit seinem Bruder Ferdinand und mit Herzog Moritz am Ufer hin, um die Gegend anzusehen. Die Elbe fluthete stark, jenseits standen die Feinde und hatten alle Kähne auf das rechte Ufer geführt. Da brachte der kaiserliche Feldherr, Herzog Alba, einen Müller herbei, der aus Rache, weil ihm die Sachsen zwei Pferde weggenommen hatten, den Kaiserlichen einen seichten Ort in der Elbe, gerade der Stadt Mühlberg gegenüber, entdeckte, wo ein Reiter ohne Gefahr an das jenseitige Ufer gelangen konnte.

Am Morgen des folgenden Tages (24. April), der das Schicksal des Kurfürsten entscheiden sollte, lag ein dichter Nebel über der Gegend. Mehrere spanische Soldaten warfen ihre Rüstung ab, stürzten sich in den Strom, schwammen, den Degen im Munde, nach dem jenseitigen Ufer und jagten dem Feinde mehrere Kähne ab, die sie im Triumphe herüberbrachten. Diese wurden mit Scharfschützen bemannt, um den Uebergang der Reiterei zu decken. Ihnen zur Seite ritten der Kaiser, Ferdinand, Moritz, Alba und die übrigen Führer durch die Furth. Der Kaiser, hatte sich wie zum Siege geschmückt. Mit der Linken tummelte er sein andalusisches Streitroß, mit der Rechten schwang er die Lanze und die eben durchbrechende Sonne spiegelte sich an seinem vergoldeten Helme und Panzer.

Es war Sonntag und der Kurfürst wohnte eben dem Gottesdienste bei, als man ihm plötzlich die Ankunft des Kaisers verkündigte. Anfangs wollte er nicht glauben, was man ihm berichtete; als er aber nicht länger zweifeln konnte, ordnete er eiligst seinen Rückzug nach Wittenberg an. Doch es war schon zu spät. Sein Heer wurde auf der Lochauer Haide eingeholt und zum Treffen gezwungen. Mit dem wilden Kriegsgeschrei: Hispania! Hispania! warf sich die spanische Reiterei auf die sächsische und schlug sie in die Flucht. Bald waren auch die Reihen des Fußvolks durchbrochen, und das ganze sächsische Heer löste sich in wilde Flucht auf. Der Kurfürst suchte zu entkommen, wurde aber von einem Schwarm leichter Reiter eingeholt. Er vertheidigte sich mit dem Muthe der Verzweiflung, erhielt aber einen starken Hieb in die linke Wange und mußte sich ergeben. Gefangen wurde er vor den Kaiser geführt; Gesicht und Panzer waren mit Blut bedeckt. Als ihn der Kurfürst mit den Worten: »Allergnädigster Kaiser!« anredete, unterbrach er den Bittenden: »So, nun bin ich Euer allergnädigster Kaiser? Ihr habt mich lange nicht so geheißen!« – »Ich bin«, fuhr der Kurfürst fort, »Eurer kaiserlichen Majestät Gefangener, und bitte um ein fürstliches Gefängniß!« – »Wohl!« rief der Kaiser, »Ihr sollt gehalten werden, wie Ihr es verdient!«

Nun ging Karl vor Wittenberg, wo die Kurfürstin mit ihren Kindern war. Der Kaiser verlangte, daß gleich die Thore geöffnet werden sollten, sonst würde er ihnen den Kopf des Kurfürsten hineinschicken. Die muthige Frau aber ließ sich nicht schrecken; sie mochte wohl die Drohung nicht für Ernst halten. Indessen ward der hohe Gefangene wirklich zum Tode verurteilt, aber es kam nicht zur Hinrichtung; nur unter sehr harten Bedingungen konnte der Kurfürst sein Leben retten. Er mußte für sich und seine Nachfolger auf die Kurwürde und auf sein Land Verzicht leisten, und zu seinem Unterhalt behielt er bloß einige Aemter in Eisenach, Gotha, Weimar etc., aus denen später die kleinen Herzogthümer sich bildeten. Sein Land und seine Würde erhielt Moritz; durch ihn ist die jüngere (albertinische) Linie in den Besitz des späteren Königreichs Sachsen gekommen.

Mit Ergebung unterwarf sich Johann Friedrich seinem traurigen Schicksal, das ihm jedoch der Kaiser auf alle Art zu mildern suchte, denn er behandelte ihn fortan mehr wie einen Gast, als wie einen Gefangenen. Ueberhaupt zeigte sich der Kaiser in Sachsen höchst edelmüthig. Als die Kurfürstin mit ihren Kindern vor ihm einen Fußfall that, hob er sie freundlich auf, sprach ihr Trost zu und erlaubte ihrem Gemahl, acht Tage lang in Wittenberg im Kreise der Seinigen zu verleben. Ja, er selbst begab sich in die Stadt und erwiderte den Besuch der Kurfürstin. Und als er erfuhr, daß man aus Furcht vor ihm den evangelischen Gottesdienst eingestellt habe, wurde er unwillig und sprach: »Wer richtet uns das an? Ist in unserm Namen der Dienst Gottes unterlassen, so gereicht uns das nicht zum Gefallen. Haben wir im Oberlande (Schwaben) doch nichts gewandelt in der Religion, wie sollten wir es hier thun?« Er besuchte auch die Schloßkirche in Wittenberg, und als man ihm Luther's Grab zeigte und einige Umstehende, unter Anderen der Herzog Alba, ihm riethen, die Leiche des Ketzers ausgraben und verbrennen zu lassen, erwiderte er: »Laßt ihn ruhen, er wird seinen Richter schon gefunden haben; ich führe Krieg mit den Lebenden, nicht mit den Todten!«

Jetzt war blos noch Philipp von Hessen zu züchtigen; aber dieser wartete den Einfall des kaiserlichen Heeres nicht ab, sondern ließ durch seinen Schwiegersohn Moritz und den Kurfürsten von Brandenburg den Kaiser um Gnade bitten. Er selbst ging dann zum Kaiser nach Halle und that vor ihm fußfällige Abbitte. Diese Abbitte las ihm sein hinter ihm knieender Kanzler vor und der Landgraf sprach sie nach. Als aber bei der demüthigsten Stelle sich sein Mund zu einem höhnischen Lächeln verzog, hob der Kaiser, der es bemerkt hatte, drohend den Finger auf und rief in seinem niederländischen Dialekt: »Wol! ick sall di laken leeren!« Dann kündigte er ihm die Strafe an. Er mußte sein Geschütz ausliefern, eine große Geldbuße erlegen und gleich dem Kurfürsten in Gefangenschaft bleiben. So vollständig besiegte Karl den schmalkaldischen Bund.

 

4.

Jetzt stand Karl auf dem Gipfel seiner Macht, aber die Protestanten traueten ihm nicht, obwohl er ihnen keineswegs in Bezug auf den Glauben Gewalt anthat. Er hatte sich nach Innsbruck in Tyrol begeben, wo er die folgenden Jahre sehr eingezogen lebte, da ihn die Gicht sehr quälte, so daß er oft das Zimmer hüten mußte. Indessen hatte Moritz sich mehrere Male, aber immer vergebens, für seinen Schwiegervater verwendet. Es kränkte ihn tief, daß Karl noch immer beide Fürsten gefangen hielt; auch mochte ihm wohl sein Gewissen sagen, daß er bei seinen evangelischen Glaubensgenossen viel wieder gut zu machen hätte. So reifte in ihm der Entschluß, den Kaiser mit Gewalt zu zwingen, seine Gefangenen freizugeben. Karl kam ihm zu diesem Zwecke selber entgegen. Ueber die protestantische Stadt Magdeburg war damals die Reichsacht ausgesprochen, und dem Moritz wurde ein Heer übergeben, diese Acht zu vollziehen. Der zog aber die Belagerung ein ganzes Jahr lang hin, und als endlich die Stadt eingenommen war, ließ er seine Truppen dennoch nicht auseinandergehen, indem er bald diesen, bald jenen Grund vorschützte. Man warnte den Kaiser, doch dieser vertraute unbedingt auf seinen Schützling, der ihm ja so viel zu verdanken hatte. Moritz wußte ihn durch die ausgezeichnetsten Verstellungskünste zu täuschen. Er schrieb ihm, daß er nächstens selber nach Innsbruck kommen würde, er ließ auch dort eine Wohnung miethen, ja er reiste gar dahin ab, wurde aber unterwegs plötzlich krank. Endlich, als Alles reif war, versammelte er schnell sein Heer und flog wie ein Sturmwind herbei, mit einer solchen Schnelligkeit, daß er den Kaiser fast in Innsbruck erreicht hätte. Bei Nacht und Nebel mußte der kranke Mann im fürchterlichsten Regenwetter fliehen und nur mit Mühe und Noth entkam er nach Villach in Kärnthen, in einer von Mauleseln getragenen Sänfte.

Moritz benutzte seinen Vortheil. Er drang dem Kaiser nicht nur das Versprechen ab, augenblicklich beide gefangene Fürsten freizulassen und sich an ihm nie rächen zu wollen, sondern zwang ihn auch in einem Vertrage zu Passau, 1552, den Evangelischen dasselbe Recht vor dem Reichskammergerichte zu bewilligen, welches die Katholiken bisher allein genossen hatten, auch einen Reichstag zu berufen, auf dem endlich einmal alle Religionszwiste ausgeglichen werden sollten. Das geschah auch 1555 in Augsburg, wo der sogenannte Religionsfriede geschlossen wurde, der den Protestanten im ganzen Reiche freie Religionsübung sicherte. Weder sie noch die Katholiken sollten einander zum Uebertritt verleiten, kein Landesherr sollte seine Unterthanen zu einem anderen Bekenntniß zwingen, auch Jedem das Auswandern erlauben. Wäre nur dieser Friede dauerhaft gewesen!

 

Karl's V. Abdankung und Tod.

Seit der durch Moritz erlittenen Demüthigung verlebte der Kaiser keine frohe Stunde mehr. Alles mißlang ihm. Er hatte einen einzigen Sohn, den finsteren, stolzen, heimtückischen Philipp, den hätte er gern zum deutschen Kaiser gemacht. Aber sobald ihn die Deutschen nur sahen, hatten sie schon genug an seinem finsteren Gesichte, das sich nie zum Lachen verzog; auch wollte Ferdinand nicht die Krone abtreten. Dann fing Karl noch einen Krieg mit Frankreich an, aber seine Heere wurden geschlagen. Zu diesem Verdruß kamen körperliche Leiden, die ihm jede Freude vergällten. Da faßte der lebensmüde Kaiser den Entschluß, seine Regierung niederzulegen und die ihm noch übrige Lebenszeit in klösterlicher Stille zu verleben. Im Herbste 1555 reiste er nach Brüssel, ließ seinen Sohn Philipp auch dorthin kommen und trat ihm in feierlicher Versammlung die Regierung der Niederlande ab. Neapel hatte er ihm schon früher übergeben. Es war ein rührender Anblick, den kranken Kaiser zu sehen, wie er von dem Leben Abschied nahm. Mit Mühe erhob er sich von seinem Throne, gestützt auf die Schulter des Prinzen von Oranien, und hielt eine erschütternde Rede. Er erzählte, wie er seit seinem 16. Jahre unablässig mit der Regierung seiner weitläufigen Staaten beschäftigt gewesen sei und für sich fast gar keine Zeit übrig behalten habe. Ueberall sei er bestrebt gewesen, mit eigenen Augen zu sehen, und sein Leben sei daher eine stete Pilgerfahrt gewesen. Neun Mal habe er Deutschland, sechs Mal Spanien, vier Mal Frankreich, sieben Mal Italien und zehn Mal die Niederlande besucht; zwei Mal sei er in England und zwei Mal in Afrika Während der Wiedertäufer-Unruhen in Münster hatte Karl einen Zug nach Afrika unternommen. Hier hatte der verwegene türkische Seeräuber Hairadin Barbarossa Tunis erobert und beunruhigte von dort aus mit seinen Raubschiffen alle benachbarten Meere und Küsten. Viele tausend Christen waren von ihm nach Afrika in die härteste Sklaverei geschleppt worden. Solcher Schmach der Christenheit konnte der Kaiser nicht länger gleichgültig zusehen. Als Schirmherr derselben hielt er sich in seinem Gewissen für verpflichtet, den Seeräubern das ehrlose Handwerk zu legen. Im Sommer des Jahres 1535 setzte er mit einer großen Flotte, welche der genuesische Seeheld Andreas Doria befehligte, nach Afrika über, schlug Hairadin's Heer in die Flucht, eroberte Tunis und gab es als Lehen der spanischen Krone dem rechtmäßigen Herrscher Muley Hassan zurück. Dieser glänzende Sieg befreite 22,000 Christen-Sklaven, die vom Kaiser beschenkt in ihre Heimath zurückeilten. Den Tag ihrer Befreiung hielt Karl für den schönsten seines Lebens und mit Thränen in den Augen soll er gesagt haben: »Dieser Gewinn lohne den Feldzug allein, wenn er auch weiter nichts gewonnen hätte.« gewesen, überhaupt habe er elf Seereisen gemacht. Jetzt erinnere ihn seine Hinfälligkeit, jüngeren Schultern die Last der Krone zu übergeben. Habe er während seiner vielen Regierungsgeschäfte etwas Wichtiges versäumt oder Etwas nicht recht gemacht, so bitte er Alle, die dadurch gekränkt worden, recht herzlich um Verzeihung. Er werde seiner treuen Niederländer bis an sein Ende stets in Liebe gedenken und für sie beten.

Nun wandte er sich an seinen Sohn, der sich auf ein Knie vor ihm niederließ und seine Hand küßte. »Sieh, mein Sohn«, sprach er, »du wärest mir schon Dank schuldig, wenn ich dir nach meinem Tode so blühende Länder hinterließe; aber ich übergebe sie dir noch in meinem Leben. Regiere deine Unterthanen mit Gerechtigkeit und Güte, wie ein Vater seine Kinder!« Aller Augen schwammen in Thränen, auch Philipp schien gerührt, aber sein Versprechen hat er nicht gehalten. Wenige Monate später übergab ihm Karl auch die Regierung von Spanien, dann eilte er nach seinem Zufluchtsorte, den er sich in der Provinz Estremadura in einer einsamen, schönen Gegend ausgesucht hatte. Neben dem Hieronymitenkloster San Juste ließ er sich eine einfache Wohnung bauen, lebte dort in der tiefsten Zurückgezogenheit und brachte den Tag abwechselnd mit Gebet, mit Drechslerarbeiten, Uhrmachen und Gartenbestellung hin. In seinen Todesgedanken kam er auf den Einfall, noch bei seinen Lebzeiten ein feierliches Todtenamt halten zu lassen, als ob er schon gestorben wäre. So legte er sich in einen offenen Sarg und ließ diesen von den Mönchen in die schwarz ausgeschlagene Kirche tragen, Trauerlieder singen und Seelenmessen lesen. Ringsumher brannten Wachskerzen und eine Trauermusik hallte schwermüthig durch das weite Kirchengewölbe. Dies Alles machte einen so tiefen Eindruck auf sein Gemüth, daß er wenige Tage darauf, im Jahre 1558, wirklich starb.


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