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1.
Wohl war zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts bereits jene Zeit vorüber, wo der freie Deutsche keine andere Beschäftigung für seiner würdig erkannte, als den Krieg; doch war jener Geist noch keineswegs ausgestorben, zumal in demjenigen Theile des Volkes, welcher sich stolz für die allein echte Nachkommenschaft der alten freien Deutschen hielt, die nur zum Kriegen und Herrschen geboren wären, – unter dem Adel. Dieser sehr zahlreiche Stand, welcher doch nur theilweis mit Gütern und Burgen versehen war, dennoch aber jeden bürgerlichen Nahrungszweig verächtlich von sich wies, war sehr übel berathen, wenn es nicht irgendwo Krieg gab; ja mancher adelige Ritter mußte aus Noth ein Räuberleben führen. Kaiser Maximilian I. setzte indeß dem Faustrecht kräftige Schranken; er verbot nicht nur jede Selbsthülfe, sondern setzte auch ein Gericht ein aus erfahrenen Männern, das Reichskammergericht, vor welchem selbst jeder Reichsfürst belangt werden konnte und bei dem jeder Deutsche sich Recht suchen sollte. Es bekam seinen Sitz anfangs in Frankfurt a. M., nachmals in Speier und zuletzt in Wetzlar. Um die Ordnung besser handhaben zu können, theilte Maximilian das deutsche Reich in zehn Kreise ein, die von Norden nach Süden gerechnet folgende waren: der westphälische, obersächsische, niedersächsische; der burgundische, niederrheinische, fränkische, oberrheinische; der schwäbische, bairische und österreichische. Wer sich den Beschlüssen des Reichskammergerichts widersetzte, ward in die Reichsacht erklärt und eine Reichsarmee mußte diese vollziehen. So wollte Maximilian einen ewigen Landfrieden herstellen.
Aber sobald war die Kampflust des deutschen Adels doch nicht gebrochen. Mancher edle Ritter, der seine Kraft fühlte, wollte lieber seine Fehde mit dem Schwerte in der Hand ausfechten, als einen langweiligen Prozeß führen und vor dem Kammergerichte sich stellen. So geschah denn auch nach der Verkündigung des Landfriedens noch manches Mal etwas, das zu dem Sprüchwort Veranlassung gab: »Es ist dem Landfrieden nicht zu trauen!« Was aber mehr als kaiserliche Befehle die Macht des Adels brach, war die zur Blüthe gekommene Macht der Städte und die neu erstandene Macht der Fürsten, die sich mit den Bürgern verstanden, um den Stolz und Uebermuth der Ritter zu brechen. Dazu kam die Erfindung des Pulvers, welche die schweren Geschütze hervorrief, denen weder die Mauern der Ritterburgen, noch die Panzer und Harnische der Ritter widerstehen konnten.
Es gab aber noch manche harte Kämpfe, ehe die neue Zeit zum Durchbruch kam. Unter den kühnen Rittern, die mit Unwillen die neue Reichsordnung ertrugen, mit Ingrimm die zunehmende Fürstenmacht sahen, war auch Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand, ein Mann voll Streitlust und Standesstolz, aber auch voll deutscher Biederkeit, der sich mit seiner eisernen Faust selber Recht zu schaffen suchte trotz Kaiser und Reich.
2. Wie Götz seine rechte Hand verliert.
Unter der Regierung des Kaisers Maximilian starb 1503 der Herzog Georg von Baiern-Landshut; nach den Hausverträgen sollte die Herrschaft an Albert von Baiern-München gelangen, aber der Verstorbene hatte in einem Testament seine ganze Hinterlassenschaft seinem Tochtermanne Ruprecht, Sohn des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, vermacht. Darüber begann ein böser innerer Krieg, Ruprecht und sein Vater, mit Frankreich verbündet, wurden in die Acht erklärt, aber sie hatten ein Heer von Deutschen und Böhmen geworben und wehrten sich tapfer. Da bot Maximilian das Reich zum Kampf gegen die widerspenstigen Herzöge auf und Götz von Berlichingen stellte sich zum Heere der Bundesgenossen, das vom schweren Geschütz der Nürnberger geschützt ward. Landshut wurde umzingelt. Pfalzgraf Ruprecht vertheidigte diese Stadt mit den Tapfersten seines Volks. Täglich geschahen Angriffe, gleich blutig auf beiden Seiten und keiner ganz entscheidend. Götz war überall im Gefecht und sein Muth wie seine Geschicklichkeit erwarben sich Aller Achtung. Wo sein Helmbusch wehte, da fielen die Hiebe am dichtesten. So war er auch eines Tages tief im Gefecht; die Nürnberger Feldschlangen wütheten mächtig unter den Belagerten, die einen Ausfall gemacht hatten; in das dichteste Faustgemenge gerichtet, verschonten sie weder Freund noch Feind. Da zerschmetterte ein unglücklicher Schuß das Schwert des Ritters, drängte die Hälfte des Schwertknopfs in die Armschienen seines Panzers und zerschlug den rechten Arm so gewaltig, daß die zersplitterte Hand nur noch an der Haut fest hing. Der nämliche Schuß streckte seinen Gegner, Fabian von Wallsdors, mit welchem er eben kämpfte, todt zur Erde. Kaltblütig schauete Götz auf diese Verwüstung; er lenkte sein Pferd sacht dem Lager zu, wohin er mit Hülfe eines alten Knappen gelangte. Dort erst konnte der Arzt gerufen werden; aber kein Verband half, keine Salbe rettete die Hand – man löste sie dem Tapfern vom Arm, um einem Brande vorzubeugen, der sein Leben bedrohete.
Nicht nur die Freunde und Genossen des Ritters fühlten inniges Mitleid bei seinem Unglück, auch die Feinde bedauerten ihn. So erbittert Herzog Ruprecht auch war, so verhieß er dem Kranken doch gern sicheres Geleit und freien Aufenthalt in Landshut, wo bessere Pflege als im Lager zu erwarten war. Doch brach in der Stadt bald eine bösartige Ruhr aus und die Wunden des Ritters verschlimmerten sich. Der Gedanke, hinfort ein unnützer Mann sein zu müssen, wurde ihm drückender als je; er strengte daher alle Kräfte der Seele an, um Mittel zu ersinnen, wodurch er sich über sein Unglück erheben möchte. Steter Friede war seinem Geiste unleidlich, Krieg sein Lieblingsgedanke und Ehre der Abgott des Helden. Noch floß jugendliches Blut in seinen Adern, noch vereinigte sich Kraft mit dem Willen, und Drang lehrte ihn erfinden. Oft erinnerte er sich auf schlaflosem Krankenlager der Erzählungen von einem hohenlohischen Reiter, der trotz dem Verluste seiner Hand bis an sein Ende in Kriegsdiensten geblieben sei, und neue Hoffnung belebte ihn. Er selbst ersann eine Hand von Eisen und fand einen geschickten Waffenschmied, der seinem Gedanken Wirklichkeit gab. Durch künstliche Zusammensetzung ineinandergreifender Federn wurde die Hand so brauchbar, daß sie die Zügel halten konnte. Alles überstandene Ungemach war vergessen, alle trüben Gedanken waren verschwunden, als der emsige Arbeiter mit dem Meisterwerk seiner Kunst in das Zimmer trat und der Ritter seinen versammelten Freunden die Kräfte dieser Hand zeigte. Von nun an war er völlig genesen, er verließ Landshut und zog, mit eiserner Rechter bewehrt, auf sein Stammschloß Jaxthausen.
3. Wie Götz mit der Stadt Köln Fehde bekommt.
Nachdem der Ritter sich in Jaxthausen mit einem braven Weibe vermählt und wieder mancherlei Kämpfe unternommen hatte, begann er im Jahre 1509 eine Fehde mit der damals sehr reichen und mächtigen Reichsstadt Köln. Götz hielt das für eine uralte, heilige Bestimmung des Adels, den von Mächtigen unterdrückten Schwachen zu Hülfe zu ziehen.
Hans Sindelfinger, Schneidermeister aus Stuttgart, hatte zu Köln im Zielschießen das Beste, 100 Gulden im Werth, erworben. Aber man entzog ihm die Belohnung durch schlaue Ränke und ließ ihn mit leerer Hand nach Hause ziehen. Jedermann mißbilligte das Betragen dieser Reichsstädter und Herzog Ulrich's (von Württemberg) Hofleute verhießen ihm Schutz und Beistand. Ein Schreiben von den Vornehmsten am Hofe, unter denen auch Götzen's Schwager von Sachsenheim war, forderte den Ritter zur Mitwirkung auf. Er kündigte den Kölnern sogleich Fehde an und zog mit einer geworbenen Mannschaft aus, sie an ihren Frachten und Kaufleuten zu pfänden. In der Wetterau stieß er auf neun schwer beladene Wagen, welche den Kölnern reiche Waaren zuführten. Götz nahm sie in Beschlag; weil aber seine und seiner Gehülfen Besitzungen zu fern waren und er den alten kranken Philipp von Kronberg, der ihm seine Veste geöffnet hatte, nicht in Verlegenheit bringen wollte, ließ er die Schätze wieder ledig und erwartete schicklichere Gelegenheit zur Rache. Sie kam. Zwei kölnische Kaufleute, Vater und Sohn, reisten auf die Messe nach Leipzig, aber Götz führte Beide gefangen nach Jaxthausen. Da baten sie ihn, wenigstens Einem die Fortsetzung der Reise zu erlauben, damit sie ihre Waaren verkaufen und ein tüchtiges Lösegeld aufbringen könnten. Götz gewährte ihre Bitte und entließ den Vater, dem sein schwächlicheres Alter ohnedies die Gefangenschaft härter machte, unter dem eidlichen Versprechen, nach geendigter Messe wieder zu kommen und sich und seinen Sohn zu lösen. Ein Knappe des Ritters sollte ihn zu Bamberg erwarten und auf dem Rückweg sicher nach Jaxthausen geleiten.
Aber der Alte brach Schwur und Treue und verrieth den Knappen an den Bischof von Bamberg, Georg von Limburg, der ihn gefangen nehmen ließ. Nach langem vergeblichen Harren erfuhr Götz diese Treulosigkeit und schickte ein Abmahnungsschreiben an den Bischof, worin er ihm alles Ernstes anrieth, seinen Knappen frei zu geben; von ihm habe er sich der Feindschaft am wenigsten versehen, da er erst vor Kurzem um die Freundschaft des Ritters geworben habe. – Der Bischof ließ zwar den Knappen ledig, nahm ihm aber ein hartes Gelübde ab, sich wieder gen Bamberg zu stellen. Das verdroß den Ritter Götz so, daß er dem Bischof Fehdebriefe zuschickte und eiligst eine starke Anzahl Reiter und Knechte gegen ihn warb. Die Sache wäre bald geschlichtet worden, wäre ein Anschlag zur Ausführung gekommen, den Bischof, der zur Brunnenkur nach Göppingen reiten wollte, gefangen zu nehmen. Aber Einer von Götzen's Genossen ging hin und warnte den Bischof, der in Eile nach Bamberg zurückreiste. »Wollt ihm«, sagte Götz von Berlichingen, »das Bad gesegnet und ihn weidlich abgetrocknet haben!«
Die Kölner Fehde verwickelte den Ritter in viele andere, namentlich mit dem Grafen von Hanau und dem Herrn von Hutten. Zu gleicher Zeit griff Philipp Stumpf den Götz an und verbrannte ihm einen Hof und eine Mühle. Nun durfte er nicht feiern und mußte jede Kraft aufbieten, um mit Ehren fünf Gegner zu bestreiten. Jetzt war er im Harthäuser Wald und hieb des Stumpfen's Reiter zusammen und jetzt stand er wieder wie im Fluge bei Erfurt und machte sich Herrn Frobin von Hutten furchtbar, der ihm nur mit genauer Noth entwischen konnte. So gering auch des Ritters kriegerisches Gefolge war, so gefährlich blieb doch damals, wo noch keine stehenden Heere den Mächtigen zu Gebote standen, auch ein kleiner muthiger Feind, dessen Angriffe oft unversehens geschahen.
Götz hatte sechszehn Tage lang auf seinen Streifzügen fast keine Stunde ruhig geschlafen, als er im Vorbeistreifen unfern des Mains ein Schloß seines Freundes Eustachius von Thüngen erreichte. Hier gedachte er des lang entbehrten Schlafes sich zu freuen. Er kam wie gerufen; denn Götz mit dem eisernen Arm und Muth war überall willkommen, wo ritterliche Thaten geschehen sollten. Das Schloß lag voll wehrhafter Ritter und Knechte, und Berlichingen, von der Freundschaft aufgefordert, verschob den Genuß des nächtlichen Schlummers noch einmal, um den Anschlag seines Vetters gegen den Bischof zu unterstützen. Um Mitternacht brach der Haufe, an Reitern und Fußknechten beträchtlich, auf; Götz immer unter den Vordersten. Sie erreichen nächtlicher Weile den Main, setzen glücklich durch eine wohlbekannte Furth, nehmen zwei wohlbewaffnete Schiffe weg und führen sechszehn Wagen kaufmännischer Waaren gen Reusenburg.
Endlich gelang es dem guten Grafen von Königstein, eine Vermittelung der Kölner Fehde in Gang zu bringen Er schrieb einen Tag zwischen den streitenden Theilen nach Frankfurt aus, verglich ihre Beschwerden zu wechselseitiger Zufriedenheit und erlöste dadurch auch seinen Freund Götz von seinen übrigen Gegnern.
4. Wie Götz Urphed schwören muß.
Herzog Ulrich von Württemberg war mit dem mächtigen Bunde schwäbischer Fürsten und Städte in Streit gerathen und hatte die Bundesstadt Reutlingen erobert. Da zogen die Truppen des schwäbischen Bundes heran, geführt von Herzog Wilhelm von Baiern.
Ulrich war zu schwach zum Widerstande; doch hob er noch, bevor er aus seinen eigenen Grenzen floh, die getreuesten und muthvollsten seiner Ritter aus und vertheilte unter sie die Bewahrung und Vertheidigung seiner Vesten und Schlösser. Dem Götz von Berlichingen wurde das Schloß zu Mökmühl anvertraut und mit ihm warf sich mancher Freund des Ritters in dasselbe. Der Angriff war so schnell gekommen, daß der Herzog nicht für Vorrath an Waffen und Lebensmitteln hatte sorgen können. Auch in Mökmühl fand der Ritter wenig und um so weniger, als die Bürger des Städtchens mit den Bauern im ganzen Oberamte ihrem Herrn entsagten und sich freiwillig dem Bund ergaben. Götz mußte daher die kurze Zeit, welche noch vor der Belagerung übrig war, sparsam dazu nützen, was er an Wein, Frucht, Vieh und Geschoß mit Gewalt aufzutreiben vermochte, aus das Schloß zu bringen, denn von der Einwohner gutem Willen war nichts zu hoffen.
Ein vom Hauptlager ausgesandter Trupp von Kriegsleuten, von Johann von Hattstein geführt, fing nun die Belagerung des Schlosses an, das der Ritter bis auf den letzten Mann zu vertheidigen Willens war. Wiederholte Aufforderungen zur Uebergabe, mit der Bedingung ganz freien Abzuges, wurden verworfen und so lange mit Kugeln beantwortet, bis der Vorrath verschossen war. Nun mußte Fensterblei und altes Eisen jeder Gattung aushelfen; aber es konnte die Hungernden nicht sättigen, die Dürstenden nicht laben. Bald war aller Vorrath aufgezehrt und die Angriffe des Feindes wurden immer stürmischer. So von der Noth gezwungen, gab der Ritter dem erneuerten Antrage, das Schloß frei sammt den Seinigen zu verlassen, Gehör. Arglos ahnte er nichts von der schnöden Hinterlist der Feinde. Im Glauben, mit ehrlichen Leuten verhandelt zu haben, zog er seines Weges, als plötzlich die bündischen Soldaten über ihn und seine Gefährten herfielen. Man kämpft, es werden viele getödtet und Götz schlägt tapfer drein; aber er muß der Uebermacht weichen und sich auf ritterliches Gefängniß ergeben, das ihm willig zugestanden wird.
So wird er nach Heilbronn geführt. Doch als die Heilbronner Abgeordneten vom Bundestage zu Eßlingen heimkehren, bringen sie ein Schreiben der Stände mit, wodurch der Rath den Auftrag erhält, dem Götz von Berlichingen eine harte Urphed (Gelöbniß ewigen Friedens) vorzulegen, seinen Eid darob zu empfangen, und wenn er sich weigern würde, ihn so lange in einen Thurm zu werfen, bis er die Urphed beschworen haben würde.
Götz von Berlichingen schlug den vorgelegten Eid aus. Ihm sei ritterlich Gefängniß zugesagt – antwortete er den Abgesandten – und er stelle in keinen Zweifel, es werde ihm gehalten. Zudem sei er des Trostes, sein Schwager Franziskus von Sickingen und andere feine Herren würden ihm helfen, daß er verhoffe, seine Sache würde besser werden. Der Rath sandte seine Abgeordneten wieder zurück und fand die Sache so mißlich, daß er bat, man möchte den Götz in einer andern Stadt verwahren. Aber alsbald erschien der Eßlinger Syndikus mit dem Befehl, die Urphed zu erzwingen und im Weigerungsfalle den Gefangenen in den Thurm zu legen. Götz blieb standhaft. Da wurden die Weinschröter, lauter wehrhafte Männer, befehligt, ihn aus seiner bisherigen Herberge abzuführen. Aber geübter in den Waffen, als diese, ergriff er mit bedachter Eile einen seiner Gegner, riß ihm den Degen aus der Scheide und setzte durch diese unerwartete Gegenwehr alle in Schrecken. Er hätte den Augenblick der Verwirrung zu eigenmächtiger Befreiung wohl nützen können, »denn – wie er selbst von dieser Scene erzählt – sie schnappten alle hinter sich; auch baten mich die Abgeordneten des Raths fleißig, ich sollt' einstecken und Fried' halten, sie wollten mich nit weiter führen, denn uf das Rathhaus.«
Götz folgte nun willig, ward aber in den Thurm geworfen. Beim Wegführen begegnete ihm seine Gattin, die, ängstlich für das Leben ihres theuren Gemahls, ihm in die Gefangenschaft nachgefolgt war. Götz aber sprach: »Weib, erschrick nicht, sie wollen mir eine Urphed vorlegen, die will ich nit annehmen, will mich lieber in den Thurm stecken lassen. Thue mir aber also und reit hinauf zu Franziskus von Sickingen und Georg von Frundsberg und zeige ihnen an, man wolle mir das ritterliche Gefängniß nit halten; sie werden mich als Redliche vom Adel schon zu halten wissen.«
Die sorgliche Gattin achtete keine Beschwerde, ritt in der Nacht in das Lager und brachte schon am andern Morgen die erfreuliche Nachricht, daß sich die Hauptleute der Stadt näherten. Sickingen und Frundsberg waren auf Seiten des schwäbischen Bundes und ihr Freund Berlichingen war ihr Feind, aber das that ihrer Freundschaft keinen Abbruch. Sobald sich die Hauptleute der Stadt näherten, wurde Götz aus dem Thurme befreit und Franz von Sickingen gab dem Rathe einen derben Verweis in einem Briefe, so daß Götz wieder seine alte Herberge bekam. Aber dennoch mußte er noch zwei Jahre ein Gefangener bleiben, und der Langeweile überdrüssig, beschwor er 1522 die Urphed. Er mußte 2000 Gulden Schatzung bezahlen, seine Zehrung berichtigen und allen Bundesverwandten, klein und groß, so lange er lebte, Ruhe und Frieden geloben.
5. Wie Götz von den Bauern zum Hauptmann erwählt wird.
Am Neujahrstage 1525 standen die Bauern des Abtes von Kempten auf und verwüsteten das Stift. Diese That war gleichsam das Losungswort für alle übrigen Bauern in Süddeutschland, ihr Joch zu zertrümmern, denn die Erbitterung über die Frohndienste und schweren Abgaben war allgemein. Bald stand die ganze deutsche Bauernschaft in Waffen und verwüstete das Land mit Feuer und Schwert, mit unmenschlicher Grausamkeit gegen den Adel wüthend.
Götz von Berlichingen war auf seinem Hornberg bisher noch in Ruhe geblieben; aber da die Gefahr näher rückte, war es nöthig, auf Mittel zu seiner und der Seinigen Rettung zu sinnen. Da er bei allem Volk beliebt war. als ein Freund der Freiheit und Beschützer ihrer Rechte, so hoffte er, seine Verwendung bei den Bauern werde nicht nutzlos sein. Auf den Wunsch seines Bruders, der damals Jaxthausen bewohnte, ritt er gen Schönthal und erwarb ihm bei den Hauptleuten die Zusicherung des Friedens. Auch für sich selbst bat er um Ruhe, doch sollte er diese nicht lange genießen.
Kaum zu den Seinen zurückgekehrt, erschien sein Dorfschulz, der von den Bauern beauftragt war, den Junker zu ihren Hauptleuten nach Gundelsheim zu rufen. Götz, ihrer Absicht unkundig, ritt hin und erfuhr zu seinem Schrecken, er solle die Obrist-Hauptmannsstelle bei ihrem Heere annehmen. Mit Bitten und Vorstellungen versuchte er es, sie von diesem Vorsatze abzubringen, fand auch Gehör bei allen Rotten; nur die Hohenlohischen ergriffen sein Pferd und zwangen ihm einen Eid ab, sich des andern Tages bei ihnen in Buchau einzufinden. Dem Eid getreu und bange für die Folgen, wenn er ihn brechen wollte, erschien er am folgenden Tage. »Gott erkennt und weiß, wie mir war, und ich wünscht mir, daß ich eher in dem bösesten Thurm läg, der in der Türkei wäre.« Die Bauern nöthigten ihn abzusteigen, schlossen einen festen Kreis und wiederholten drohend den Antrag der Hauptmannschaft. Als er sich weigerte, drohten sie mit dem Tode; dazu kamen viele Hohe und Niedere vom Adelstand und baten Götz, die Stelle anzunehmen, weil er viel Unglück und manche Grausamkeit verhüten könnte, zum Schutz der Fürsten und des gesammten Adels. Diese Gründe bewogen den Ritter, nachdem ihm fest der Gehorsam seiner Untergebenen zugesichert war, einen Monat lang sich an die Spitze des Bauernheeres zu stellen.
In den Urkunden und Schirmbriefen, die er während dieser Zeit unter seinem Namen ausfertigen ließ, wird er Obrist-Feldhauptmann der Bauern genannt. Aber nur wenige Tage dauerte die Freude des Heeres über den neuen Anführer, denn er hielt streng auf Ordnung und Zucht, verbot Raub und Brand und strafte mit unerschrockenem Ernst. Dennoch ward es ihm unmöglich, sich allgemeine Folgsamkeit bei den Urhebern des Weinsberger Blutbades, wo die Bauern selbst die wehrlosen Weiber und Kinder nicht verschont hatten, zu erzwingen; da und dort brannte noch ein Schloß oder Dorf und wurde ein Kloster ausgeplündert. Der lichte Haufe, berauscht von Freiheitsgefühl und strenger Zucht erst entlaufen, erregte daher Aufruhr und Empörung gegen den Feldhauptmann. Er trat aber, trotz der Warnungen seiner Freunde, mit männlichem Muth, wie der Schuldlose unter Verbrechern, in ihre Mitte, schalt ihre Treulosigkeit und ihren Ungehorsam und entwaffnete durch seine Unerschrockenheit die boshaften Anschläge seiner Widersacher.
Die Bauern zogen hierauf vor Würzburg und belagerten das Schloß, und dort belud sich Berlichingen auf's Neue mit dem Hasse ihrer Anführer durch den Verdacht eines Verständnisses mit den Belagerten, daß sie im geheimen Rath beschlossen, ihn mit dem Schwert hinzurichten. Indessen hatte der schwäbische Bund ein wohlgerüstetes Heer ausgesandt, die Empörung zu dämpfen; die Bauern unterlagen in der Schlacht bei Böblingen und jener Anschlag ward vereitelt. Denn auf die erste Nachricht der heranrückenden Rache ward die Belagerung des Würzburger Schlosses aufgegeben, der Rückzug durch den Taubergrund in größter Eile genommen, und bei der allgemeinen Verwirrung dem Ritter Zeit gegeben, nach beendigtem Probemonat bei Adelsfurt zur Nachtzeit zu entkommen.